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Tumorevolution und intratumorale Heterogenität
Jatros
Autor:
Prof. Dr. Vesna Bjelic-Radisic
Leiterin der Sektion Senologie und des Brustzentrums der Landesfrauenklinik<br> HELIOS Universitätsklinikum Wuppertal<br> Universität Witten/Herdecke<br> E-Mail: vesna.bjelic-radisic@helios-gesundheit.de
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04.04.2019
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<p class="article-intro">Die Tumorevolution und intratumorale Heterogenität des Brustkrebses waren eines der zentralen Themen der SABCS 2018. Prof. Nicholas Navin, MD Anderson Cancer Center, fasste die bisherigen Erkenntnisse in diesem Feld sowie die klinischen Implikationen der klonalen Evolution zusammen. Er zeigte vier verschiedene Evolutionsmodelle der Entstehung des Tumors aus einer einzelnen Zelle: durch lineare, „branching“ (Verzweigung), neutrale und punktuelle Evolution. Ein Tumor folgt möglicherweise nicht nur einem einzelnen Evolutionsmodell. Verschiedene Evolutionsmodelle können in unterschiedlichen Stadien eines Tumors vorkommen bzw. gleichzeitig existieren.</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2>Große genetische Variabilität des Mammakarzinoms</h2> <p>Publizierte Studien der letzten Jahre zeigen eine große Breite der genetischen Variabilität des Brustkrebses. Diese Variabilität bezieht sich nicht nur auf die Unterschiede zwischen Brustkrebseigenschaften bei verschiedenen Patientinnen, sondern auch auf die Variabilität innerhalb eines Tumors. Der erste Tag der SABCS 2018 war dem Thema „Breast Tumor Evolution und Intratumor Heterogeneity“ gewidmet. Prof. Nicholas Navin vom MD Anderson Cancer Center fasste in einem einstündigen Vortrag die bisherigen Erkenntnisse über die intratumorale klonale Diversität und deren Implikation auf die Forschung und Krebstherapie zusammen. In seinem Vortrag schilderte er die Rolle der klonalen Diversität in der Entstehung des Tumors, der Tumorinvasion, der Metastasenentstehung und der Entwicklung der Therapieresistenz. Er zeigte vier verschiedene mögliche Modelle der Entstehung des Tumors aus einer einzelnen Zelle: lineare, „branching“ (Verzweigung), neutrale und punktuelle Evolution (Abb. 1). Die Tumorevolutionsmodelle zeigen unterschiedliche Zeitpunkte der Mutationen und unterschiedliche Klonselektionen. Innerhalb eines Tumors kann sich mit der Progression des Tumors oder mit dem Zeitverlauf die Evolutionsart verändern.<sup>1</sup> Im linearen Modell werden die Mutationen schrittweise akquiriert und führen zum höheren Stadium der Erkrankung. Dabei wird der „alte“ Klon durch den neuen, dominanten Klon ersetzt und die Zellen des „alten“ Klons bleiben nur in Spuren vorhanden.<sup>2</sup> Mit diesem Modell wird nicht die klonale Heterogenität der humanen fortgeschrittenen Tumoren erklärt.<br /> Anders als bei dem linearen Modell, in dem ein Klon nach dem anderen entsteht, sodass immer nur ein Klon zu einem Zeitpunkt besteht, kommt es bei der „branching“ Evolution zur „Verzweigung“ des Klons, was zur gleichzeitigen Existenz von multiplen Klonen führt. Die Tumorzellen dieser Klone haben eine sehr ausgeprägte „Fitness“, die Fähigkeit zu überleben und sich zu vermehren. Dadurch sind zu einem Zeitpunkt mehrere Klone vorhanden. Dieses Modell wird durch verschiedene Studien unterstützt und wurde in Fällen von Brustkrebs, Leber-, Darm- und Eierstockkrebs nachgewiesen. Die Anzahl der Klone/Subklone variiert sehr stark, je nach Tumorart und Studie sind es zwischen 1 und 80.<sup>3, 4</sup><br /> Das neutrale Modell stellt die extreme „branching“ Evolution dar. Die „Fitness“ der Zellen ist über die gesamte Zeit der Tumorentwicklung hoch. Wichtig zu bemerken ist, dass die neutrale Evolution ein „Nebenprodukt“ der Tumorprogression ist und keine funktionale Bedeutung in der Tumorprogression hat. In der TCGA Cohort Study von Williams et al. zeigte sich die Konsistenz der neutralen Evolution in einem Drittel der Fälle (n=323/904).<sup>5</sup><br /> Neben der linearen, neutralen und „branching“ Evolution, in denen Mutationen sequenziell und schrittweise über die Zeit entstehen, kommt es bei der punktuellen Evolution bereits im Frühstadium der Tumorprogression zu genomischen Aberrationen innerhalb sehr kurzer Zeit. In diesem Modell ist die intratumorale Heterogenität (ITH) bereits zu Beginn sehr hoch und ein oder wenige dominante Klone führen zum Ausmaß der Tumormasse. Die Theorie zur punktuellen Evolution unterscheidet sich von den anderen drei Theorien durch die Hypothese, dass die intratumorale Heterogenität bereits am Anfang der Erkrankung vorhanden ist. Die Zellen sind „präprogrammiert“ und für die Invasion, Entwicklung von Metastasen und Therapieresistenz prädestiniert.<sup>6</sup><br /> Limitationen im Verständnis der Tumorevolutionen stellen die Ergebnisse der Studien dar, die auf den Analysen der Biopsien/ Stichproben zu einzelnen Zeitpunkten beruhen. Eine Rekonstruktion der klonalen Dynamik über die Zeit ist schwierig. Demzufolge sind verschiedene mathematische Modelle entwickelt worden, die die klonale Evolution simulieren.<sup>4, 7</sup><br /> Auch wenn einzelne Studien zeigen und befürworten, dass im Fall der Tumorerkrankung nur eine Art der Evolution vorhanden ist, besteht auch sehr glaubwürdige Evidenz, dass innerhalb eines Tumors auch eine Evolutionsart durch eine andere abgelöst werden kann bzw. dass verschiedene Evolutionsarten gleichzeitig existieren können.<sup>8</sup> Da eine lineare Evolution in fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung nicht bestätigt werden kann, wird postuliert, dass am Anfang der Erkrankung eine lineare Tumorevolution vorhanden ist und sich mit Zunahme der Tumormasse die lineare in die „branching“ Evolution verschiebt.<sup>9</sup><br /> Die Debatte, ob ein Tumor gleichzeitig aus mehreren Zellen entsteht oder den Ursprung in einer einzelnen normalen Zelle hat, ist noch nicht geklärt. Die Studien über multizentrische Tumoren und Tumoren bei bekannten BRCA-Mutationen befürworten den „Feldeffekt“ und geben Anlass für das Konzept der multiplen „Initiatorzellen“.<sup>10</sup> Alle Studien aus dem Bereich der Tumorevolution zeigen, dass Tumoren aus einer einzelnen normalen Zelle entstehen.<sup>11</sup> Diese Ergebnisse suggerieren auch, das die Entstehung von invasiven Tumoren ein seltenes Ereignis ist und bei den meisten Krebspatienten nur einmal im Leben vorkommt. Obwohl Studien bei manchen Krebsarten zeigen, dass ursprünglich zwei verschiedene Initiatorzellen vorhanden sind (z.B. beim multifokalen Prostatakarzinom),<sup>12</sup> bestätigt der Großteil der Studien die Theorie der Entstehung des invasiven Tumors aus einer einzelnen Zelle.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1902_Weblinks_jatros_onko_1902_s57_abb1_bjelic.jpg" alt="" width="550" height="370" /></p> <h2>Klinische Implikationen von Tumorevolutionsmodellen</h2> <p>Die unterschiedlichen Modelle der Tumorevolution haben auch klinische Implikationen. Bei einer linearen und punktuellen Evolution ist nur meist maximal eine der Biopsien repräsentativ (nur ein oder wenige verschiedene Klone sind vorhanden). Bei einem vorhandenen Branching oder einer neutralen Evolution sind mehrere Biopsien aus verschiedenen Regionen des Tumors notwendig, um alle klinisch relevanten Mutationen zu erfassen.<sup>13</sup><br /> ITH hat einen prognostischen und prädiktiven Wert. Patientinnen mit geringer ITH zeigen eine höhere PCR-Rate nach der neoadjuvanten Chemotherapie.<sup>14</sup> Multiklonale Tumoren mit hoher ITH zeigen eine höhere Rate der Therapieresistenz.<sup>15</sup> ITH hat auch therapeutische Konsequenzen. Bei niedrigem ITH ist eine Biopsie repräsentativ und der vorhandene Klon kann mit großer Wahrscheinlichkeit gut therapiert werden. In der „branching“ und neutralen Evolution ist die Therapie aller Klone kaum möglich. In diesen Fällen wäre es sinnvoll, die Therapie gegen die ursprünglichen „truncal driver mutation“, die am Anfang der Erkrankung vorhanden ist, zu richten.<sup>16</sup> Die zweite Möglichkeit wäre, die Subklone, die für die Progression und Entwicklung von Metastasen verantwortlich sind, zu therapieren.<sup>17</sup><br /> Auch andere Optionen der Tumortherapie werden diskutiert, von der Antievolutionstherapie, bei der der „Treibstoff“ der Evolution und nicht das Endprodukt therapiert werden soll, bis zum „Kanalisieren“ und zur Stimulation der Evolution in die Richtung, dass die Klone sensibel für die Therapie werden.<sup>18, 19</sup> Die Resultate sollten aber mit Vorsicht interpretiert werden, da die Ergebnisse der meisten Studien auf einer Analyse von Gewebe aus fortgeschrittenen Krebsstadien beruhen. Das Verständnis der Tumorevolution in der Frühphase der Erkrankung bleibt weiterhin gering. Zum besseren Verständnis der Tumorevolution wäre eine longitudinale Gewinnung von Tumorgewebe notwendig, was allerdings eine invasive Methode (Biopsie) notwendig macht. Eine mögliche Alternative wäre die Gewinnung der zirkulierenden Tumorzellen aus dem Blut mit der Erstellung von „whole-exom profiling“ der einzelnen CTC, um Tausende verschiedene Mutationen nachzuweisen und daraus eine klinische Konsequenz zu ziehen.</p> <h2>Daten zur multiklonalen Invasion von In-situ-Läsionen</h2> <p>In weiterer Folge wurden die Daten präsentiert, die eine multiklonale Invasion der In-situ-Läsionen (DCIS) in der invasiven Tumorerkrankung bestätigen.<sup>20</sup> Das Team um Navis entwickelte das TSCS („topographic single cell sequencing“) und verwendete die Methode, um die genomische Analyse der einzelnen Zellen durchzuführen. Das TSCS wurde in 1293 einzelnen Zellen bei 10 Patientinnen mit gleichzeitigem DCIS und invasivem BC zusätzlich zur Exom-Sequenzierung angewendet. Die Resultate zeigten eine direkte genomische Abstammung der Klonsubpopulationen zwischen In-situ-Läsionen und invasivem Tumor. Die genomischen Aberrationen entstehen bereits in den Ducti, bevor der Tumor invasiv wird und die Basalmembran durchbricht. Alle Zellklone, die im invasiven Tumor vorhanden waren, waren auch bereits in der In-situ-Läsionen nachweisbar, allerdings ändert sich die Zelllast der Klone während der Invasion. Alle Subklone entstammen einer einzelnen Zelle, was im Einklang mit der Theorie der Entstehung des Tumors aus einer einzelnen Zelle steht. Ein oder mehrere Klone migrieren durch die Basalmembran und führen zur invasiven Erkrankung. Dieses Modell wird „multiklonale Invasion“ genannt und widerspricht damit der Theorie, dass eine invasive Erkrankung unabhängig von der In-situ- Läsion ist oder durch einen „Engpass“ entsteht.<sup>21, 22</sup> Es wird vermutet, dass die Invasion als Folge der kompletten Durchbrechung der Basalmembran entsteht oder die Kooperation verschiedener Tumorklone zum Durchbrechen führt und damit der Austritt der Tumorzellen in das Gewebe ermöglicht wird. Warum ein Teil der In-situ- Läsionen ein Leben lang nicht invasiv wird und der andere Teil invasiv wird, bleibt unklar. Möglicherweise führt eine sehr früh entstandene Genaberration zur „Präprogrammierung“ der Zelle und entscheidet, ob sie in Zukunft invasiv wird oder nicht zum Ausbruch einer invasiven Krankheit führt. Da die meisten Aberrationen nachweisbar sind, ist die Identifikation von Biomarkern, die zu einer Invasion führen, momentan Forschungsaufgabe. Damit könnten diese Resultate in der Zukunft auch eine klinische Konsequenz haben. Für diese Studie wurde Gewebe von 10 Patientinnen untersucht. Wie die Autoren selbst zeigten, ist für die Bestätigung dieser Resultate eine Studie mit einer größeren Kohorte von Patientinnen mit DCIS und einem invasiven Rezidiv 5 bis 10 Jahre später notwendig.</p> <h2>Genomische Charakteristika des Mammakarzinoms</h2> <p>Lindsay Angus, Erasmus University, Rotterdam, Niederlande, und André Fabrice, Institut Gustave Roussy, Villejuif, Frankreich, präsentierten zwei Studien über die genomischen Charakteristika des mBC.<br /> In der ersten Studie wurden die metastatischen Gewebe und die übereinstimmende Keimbahn-DNA von Patienten mit mBC (n=501) prospektiv nach dem Biopsieprotokoll des Zentrums für personalisierte Krebsbehandlung (CPCT-02; NCT01855477) mittels Sequenzierung des gesamten Genoms (WGS) analysiert. Ziel der Studie war, die genomischen Charakteristika des mBC zu analysieren, mit den eBC zu vergleichen, die „Driver“, die für die Tumorprogression verantwortlich sind, zu identifizieren und damit möglicherweise das Patientenmanagement zu verbessern. Eine erfolgreiche WGS-Analyse wurde in 442 Fällen durchgeführt. Die Inzidenz der Aberrationen, wie somatische Einzelnukleotidvarianten (SNV), kleine Insertionen und Deletionen (InDels) und Kopienzahlvariationen (CV), wurden mit den WGSDaten von 560 primären BC (Basis-Kohorte) verglichen.<sup>23</sup> Aus den oben genannten Aberrationen wurden Mutationssignaturen und die Mutationslast von Tumoren (TMB; die Anzahl von SNV und InDels im Verhältnis zum Genom) abgeleitet.<br /> Die fünf am häufigsten betroffenen Gene waren <em>TP53 (47 % ), ATM (33 % ), MAP2K4 (32 % ), NCOR1 (31 % ), ERBB2 (30 % )</em>. In den metastatischen Läsionen betrug die mediane TMB 2,9 pro Million Basenpaare (IQR: 1,7–5,3). Interessanterweise hatten 53 (11 % ) der Patienten einen hohen TMBWert (≥10). Im Vergleich zu primärem BC (Basis-Kohorte) zeigte sich eine höhere Frequenz von Aberrationen in mehreren Genen wie <em>ATM (0,4 % bis 33 % ), GPS2 (1,3 % bis 29 % ), MAP2K4 (6,4 % bis 32 % ). CBFB (2,7 % bis 25 % ) und ESR1 (1,3 % bis 20 % )</em> in den mBC. <em>APOBEC</em>-Signaturmutationen schienen in mBC höherfrequent zu sein, während <em>HRD</em>-Signaturmutationen weniger häufig auftraten.<br /> In der zweiten Studie, präsentiert von André Fabrice, wurde WGS bei 800 mBCPatientinnen durchgeführt, die an den „precision medicine studies“ SAFIR01, SAFIR02, PERMED, MOSCATO, SHIVA teilnahmen. Ziele der Studie waren, ähnlich wie bei der oben angeführten Studie, die Identifikation neuer „targets“ und eine bessere Identifikation der Patientinnen, die von den neuen, innovativen Therapien profitieren könnten. Als Vergleich diente die TCGA-Datenbank. Verglichen mit den eBC zeigen die HR-positiven, HER2-neu-negativen mBC eine höhere Frequenz von 11 Driver-Genmutationen; <em>TP53 (29 % ), KMT2C (13 % ), NCOR1 (8 % ), NF1 (7 % ), RB1 (4 % ), C16orf3 (2 % ), FRG1 (6 % ), ESR1 (21 % ), RIC8A (4 % ), AKT1 (7 % ), PLSCR5 (2 % )</em> und vier Signaturen – <em>APOBEC, S3 (HRD), S10 („POLE-associated signature“) und S17</em>. Damit stellen auch diese Mutationen bzw. Signaturen eine mögliche „targeted therapy“ dar.</p> <h2>Sind polygene Risikoscores bereit für die Praxis?</h2> <p>Garet Evans, Universität Manchester, Vereinigtes Königreich, fing seinen Vortrag mit einer provokanten Frage an – „Sind polygene Risikoscores bereit für die Praxis?“ – und beantwortete diese mit einem eindeutigen „Ja“.<br /> Es gibt nämlich zunehmend Versuche, das Krebsrisiko für die einzelne Person zu errechnen, um gezielte Strategien zur Früherkennung und Prävention zu ermöglichen und insbesondere die Risiken und Vorteile des Bevölkerungsscreenings auf Brustkrebs in Einklang zu bringen. Eine zunehmende Anzahl allgemeiner genetischer Varianten, sogenannte „single nucleotide polymorphisms“ (SNP), die das Brustkrebsrisiko beeinflussen, wurden identifiziert. Obwohl ihre Effektgrößen im Einzelnen klein sind, können sie multiplikativ verwendet werden, um einen polygenen Risiko-Score (PRS) bereitzustellen, der das Risiko sowohl im familiären als auch im bevölkerungsbezogenen Umfeld genau vorhersagt. Es existieren PRS mit den verschiedenen Zahlen von SNP, diese reichen von 18 bis 313.<br /> Garet Evans startete 2009 die PROCASStudie, die sich an das NHS-Brustkrebs- Screening-Programm anlehnte. Frauen, die zwischen 46 und 73 Jahre alt waren, hatten die Möglichkeit, an dieser Studie teilzunehmen. Neben der Mammografie wurden zusätzliche Fragen zur Erfassung des BC-Risikos erhoben und es wurde DNA aus dem Speichel gewonnen. Bis 2015 füllten insgesamt mehr als 50 000 Frauen den Fragebogen aus, davon hatten 1439 Frauen ein Mammakarzinom. Es lagen DNA-Proben von ca. 10 000 Frauen vor (in dieser Kohorte wurden 1000 BCFälle registriert). Insgesamt wurden mehr als 9000 Frauen in die Studie eingeschlossen. Die Studienpopulation wurde mit den Daten von 2000 Frauen aus der Kohorte mit familiärem Risiko (FH-Risk-Kohorte) (558 prospektive Krebserkrankungen) und 2000 DNA-Proben erweitert.<br /> Neben der mammografischen Dichte und Standard-Risikofaktoren zur Beurteilung des BC-Risikos wurde auch PRS erstellt. Der kombinierte Score aus FH („family history“) und PRS zeigt, dass 18– 21 % der Frauen ein mittleres und hohes Risiko (≥5 % 10-Jahres-Risiko) haben, an BC zu erkranken. In mehr als 40 % dieser Fälle wurde BC im Stadium II diagnostiziert. Im Gegensatz dazu ist die Anwendung von SNP143 in der Lage, in Kombination mit der Brustdichte und Standardrisikofaktoren die Gruppe zu identifizieren, bei der das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, unter 9 % liegt. Das betrifft ca. 20 % Frauen aus der Allgemeinbevölkerung.<br /> Damit zeigt sich, dass die Anwendung eines kombinierten Ansatzes aus den klassischen Risikofaktoren (Tyrer-Cuzick), der mammografischen Dichte und einem PRS eine genaue Risikostratifizierung möglich macht. Dies bietet die Möglichkeit, die Screeningintervalle in Hochrisikofällen zu verkürzen bzw. in den Niedrigrisikogruppen zu verlängern (Abb. 2). Mit dem Satz, dass die Zeit gekommen ist, diese sehr informativen Tests zur Risikostratifizierung zu verwenden, schloss Evans seinen Vortrag.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1902_Weblinks_jatros_onko_1902_s60_abb2_bjelic.jpg" alt="" width="550" height="293" /></p> <h2>Aktueller Stand der genetischen Testung bei erblichem Brust- und Eierstockkrebs</h2> <p>Alison Kurian, Stanford University School of Medicine, Stanford/Kalifornien, präsentierte den aktuellen Stand der Wissenschaft in Bezug auf die genetische Testung in Zusammenhang mit dem erblichen Risiko für Brust- und Eierstockkrebs.<br /> Die Sequenzierung mehrerer (20–100) krebsassoziierter Gene hat sich sehr schnell zum klinischen Standard für die Bewertung des erblichen Krebsrisikos entwickelt. Bei Patienten mit Brustkrebs und/ oder Eierstockkrebs wurden die <em>BRCA1- und BRCA2</em>-Gene sehr umfassend getestet. Allerdings wurde festgestellt, dass eine beträchtliche Anzahl von Patienten pathogene (oder wahrscheinlich pathogene) Varianten in vielen anderen Genen trägt, deren Krebsrisiko weniger gut bekannt ist. Darüber hinaus ist die Sequenzierung mehrerer Gene mit einer höheren Rate unsicherer Ergebnisse (Varianten mit ungewisser Bedeutung, VUS) verbunden. Die Resultate der klinischen Gentests wurden mit den Daten aus dem SEER(„ Surveillance, Epidemiology und End Results“)-Register verknüpft und die Ergebnisse dieser Forschungsinitiative, der „SEER-GEneLINK Initiative“, dargestellt. In die Auswertung flossen die Daten von über 150 000 Mamma- und Ovarialkarzinompatientinnen des SEER-Registers mit ein. Eine der Fragen war, ob die Raten der pathogenen Varianten bzw. VUS in verschiedenen Bevölkerungsgruppen/Ethnien unterschiedlich sind.<br /> Die kürzlich publizierten Daten von Caswell-Jin und dessen Forschungsgruppe zeigten, dass die prozentuelle Rate an pathologischen Varianten zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen nicht statistisch signifikant unterschiedlich ist.<sup>24</sup> Die Ergebnisse genetischer Tests und die klinischen Daten von 1483 Patientinnen, die sich zwischen 2013 und 2015 an der Stanford-Universität einer Multi-Gen- Testung/-Sequenzierung (MGS) unterzogen hatten, zeigten eine 15 % ige Inzidenz pathogener Varianten über das gesamte Kollektiv, unabhängig von der ethnischen Zugehörigkeit. Jedoch zeigten sich innerhalb der einzelnen Gene unterschiedliche Prozentsätze, z.B. war in der weißen Population die CHEK2-Variante mit 3,8 % nachweisbar, gegenüber 1,0 % in der nicht weißen Population (p=0,002). Außerdem unterschied sich die Rate an VUS statistisch signifikant (weiße Population vs. nicht weiße Population: 36 vs. 27 % ; p=2E-4). Die Wahrscheinlichkeit einer VUS stieg mit der Anzahl getesteter Gene. Dieser Effekt war bei Nicht-Weißen stärker als bei Weißen (1,1 % absoluter Unterschied bei den VUS-Raten beim Test von <em>BRCA-1/-2</em> vs. 8 % im Test von 13 Genen im Vergleich zu 14 % im Test von 28 Genen).<br /> In Bezug auf die Verwendung von Gentests zeigte sich eine Zunahme von MGS verglichen mit der Testung von BRCA1 und -2 alleine. Die Anwendung von MGS führte zu einer zweifach höheren Detektion der klinisch relevanten pathologischen Varianten, jedoch wurde keine Steigerung der Zahl an prophylaktischen Mastektomien in den Daten, die im Rahmen der SEER-GEneLINK Initiative erhoben wurden, beobachtet.<sup>25</sup><br /> Nur 50 % von 2529 Patientinnen aus der SEER-Datenbank), die gemäß den Richtlinien getestet hätten werden sollen, wurden getestet. 25 % der Frauen aus der SEER-Datenbank gaben an, dass die behandelnden Ärzte sie nicht informiert hätten, dass „sie eine Testung bräuchten“.<sup>26</sup></p> <h2>Offene Fragen</h2> <p>Eine der klinischen Fragen, die in der Zukunft beantwortet werden sollen, bezieht sich auf den klinischen Nutzen der MGS, die Verwendung der MGS in der Therapieentscheidung, krankheitsfreies Überleben und Gesamtüberleben abhängig von den Testresultaten. Ein wichtiger Punkt ist es, den Unterschied in der Interpretation der Resultate, in Therapie und Outcome zu beseitigen.<br /> Es gibt kein einheitliches „Panel“-Sortiment in Bezug auf Typen und Anzahl der getesteten Gene. Die Zusammensetzung des Panels liegt im Ermessen des Bestellers. Einige der üblicherweise eingeschlossenen Gene sind seit Langem mit spezifischen genetischen Syndromen verbunden, die ein hohes Lebenszeitrisiko für die assoziierten Krebsarten aufweisen, z.B. Mutationen bei <em>PTEN</em> und Cowden-Syndrom, <em>TP53</em> und Li- Fraumeni-Syndrom, <em>STK11</em> und Peutz-Jeghers-Syndrom sowie <em>CHD1</em> und hereditärer diffuser Magenkrebs. Die Einbeziehung dieser „Gene mit hoher Penetranz“ kann zu Diskussionen über das Management führen, wenn sie in nichtsyndromalen Familien entdeckt werden (z.B. zur Diskussion über die Prophylaxe), betonte Susan Domchek, University of Pennsylvania, in ihrem Vortag über die „Moderate Penetrance Genes for Breast Cancer“. Die aktuellen Leitlinien sind von Land zu Land unterschiedlich und bei fehlender Evidenz oft das Resultat der Expertenmeinung. Mit steigender Evidenz werden auch die Leitlinien verändert, allerdings besteht derzeit keine Indikation, alle, die eine Mutation eines „moderate“ Gens haben, gleich wie <em>BRCA1</em>- oder -2-mutierte Patientinnen zu behandeln. Die Entscheidungen sollten individuell getroffen werden, betonte Domchek in ihrem Vortrag.<br /> Der Effekt der MGS und der altersbedingten Brustkrebsrisikoschätzungen für die Allgemeinbevölkerung war Thema der CARRIERS-Studie, die Fergus Couch, Mayo Clinic, präsentierte. DNA-Proben aus Blut oder Speichel wurden von 39 439 Brustkrebspatienten und übereinstimmenden gesunden Kontrollen aus sechs US-amerikanischen Kohorten (BWHS, CPSII, CTS, MEC, NHS1, NHS2, WHI) genommen und auf 12 bekannte Brustkrebsprädispositionsgene hin analysiert <em>(ATM, BARD1, BRIP1, CHEK2, MRF11a, NBN, PALB2, RAD50, RAD5C, RAD1D)</em>. Pathogene Mutationen wurden bei 4,5 % aller Brustkrebsfälle und 2,1 % der Kontrollen festgestellt. In der Subgruppenanalyse ergab sich eine höhere Rate an pathogenen Mutationen in der afroamerikanischen Bevölkerung (6,7 % ). Altersabhängig wurden Mutationen in <em>ATM, BRCA1, BRCA2 und PALB2</em> öfter bei Patientinnen unter 50 Jahren diagnostiziert, verglichen mit einem Alter >50 (7,8 % vs. 4,0 % ). Es wurde keine Änderung der Häufigkeit von <em>CHEK2</em>-Mutationen durch Alter beobachtet. In Fallkontrollanalysen waren Mutationen in <em>BRCA1, BRCA2 und PALB2</em> signifikant mit einem hohen Brustkrebsrisiko verbunden (Odds-Ratio, OR >4,0). Von diesen zeigten <em>BRCA1 und BRCA2</em> in der Altersgruppe ATM und CHEK2 waren in der jüngeren Altersgruppe mit moderaten Brustkrebsrisiken (OR: 2,0–4,0) verbunden, nicht jedoch in der älteren Altersgruppe.<br /> Die Ergebnisse der CARRIERS-Kohortenstudie belegen, dass Mutationen in bekannten Prädispositionsgenen für Brustkrebs in der Allgemeinbevölkerung mit nur moderaten Brustkrebsrisiken verbunden sind. Die Risiken für <em>BRCA1 und BRCA2</em> sind erheblich erhöht, nicht jedoch die Risiken bei einer <em>ATM-, CHEK2- oder PALB2</em>- Mutation im Alter von >50 Jahren. Die altersbedingten Schätzungen des Brustkrebsrisikos für jedes der in dieser Studie untersuchten Gene könnten die Auswahl von Personen in der Allgemeinbevölkerung bestimmen, die von Gentests und den zugehörigen Risikomanagementstrategien profitieren können, betonte Couch zum Abschluss seiner Präsentation.</p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Die genomische Landkarte des metastasierten Brustkrebses („metastatic breast cancer“, mBC) verglichen mit dem frühen Brustkrebs („early breast cancer“, eBC) zeigt eine höhere Frequenz bei bestimmten Aberrationen sowie Mutationssignaturen wie APOBEC und HRD und eine größere Tumormutationslast. Die Identifikation der „Driver“ bei mBC zeigte, dass 24 % der Patienten eine Aberration aufweisen, für die bereits eine Therapie existiert und eine FDA-Zulassung besteht (nicht nur brustkrebsspezifisch). Möglicherweise könnten diese Patienten von den neuen, innovativen Therapien profitieren.<br /> Die Resultate von 10 Patientinnen mit gleichzeitigem duktalem Karzinom in situ (DCIS) und invasivem Brustkrebs („breast cancer“, BC) zeigten eine direkte genomische Abstammung der Klonsubpopulationen zwischen den In-situ-Läsionen und invasiven Tumoren. Die genomischen Aberrationen entstehen bereits in den Ducti, bevor der Tumor invasiv wird und die Basalmembran durchbricht.<br /> Garent Evans berichtete über Ergebnisse der PROCAS-Studie, die eine genaue Stratifizierung des Risikos für die Brustkrebserkrankung möglich macht. Unter der Anwendung eines kombinierten Ansatzes aus den klassischen Risikofaktoren (Tyrer-Cuzick), der mammografischen Dichte und einem PRS („Polygene Risiko Score“) ist diese Risikostratifizierung möglich. Dies bietet die Möglichkeit, die Screeningintervalle in Hochrisikofällen zu verkürzen bzw. in den Niedrigrisikogruppen zu verlängern.<br /> Die Ergebnisse der CARRIERS-Kohortenstudie belegen, dass Mutationen in bekannten Prädispositionsgenen für Brustkrebs in der Allgemeinbevölkerung nur mit moderaten Brustkrebsrisiken verbunden sind.</p></p>
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<p><strong>1</strong> Davis A et al.: Tumor evolution: Linear, branching, neutral or punctuated? Biochim Biophys Acta 2017; 1867(2): 151-61 <strong>2</strong> Fearon ER & B Vogelstein: A genetic model for colorectal tumorigenesis. Cell 1990; 61(5): 759-67 <strong>3</strong> Wang W et al.: Clonal evolution in breast cancer revealed by single nucleus genome sequencing. Nature 2014; 512(7513): 155- 60 <strong>4</strong> Gao R et al.: Punctuated copy number evolution and clonal stasis in triple-negative breast cancer. Nature Genetics Oct 2016, Vol. 48; 10: 1119-1130 <strong>5</strong> Williams MJ et al.: Identification of neutral tumor evolution across cancer types. Nature Gen 2016; 48(3): 238-44 <strong>6</strong> Sottoriva A et al.: A big bang model of human colorectal tumor growth. Nature Genet 2015; 47(3): 209-16 <strong>7</strong> Ling S et al.: Extremely high genetic diversity in a single tumor points to prevalence of non-Darwinian cell evolution. Pro Natl Acad Sci USA 2015; 112(47): E6496-505 <strong>8</strong> Foo J et al.: Stochastic dynamics of cancer initiation. Phys Biol 2011; 8(1): 015002 <strong>9</strong> Newburger DE et al.: Genome evolution during progression to breast cancer. Genome Res 2013; 23(7): 1097-108 <strong>10</strong> Chai H & Brown RE: Field effect in cancer - an update. Ann Clin Lab Sci 2009; 39(4): 331-7 <strong>11</strong> Nik-Zainal S et al.: Mutational processes molding the genomes of 21 breast cancers. Cell 2012; 149(5): 979-93 <strong>12</strong> Martincorena I et al.: High burden and pervasive positive selection of somatic mutations in normal human skin. Science 2015; 348(6237): 880-6 <strong>13</strong> He J et al.: Integrated genomic DNA/RNA profiling of hematologic malignancies in the clinical setting. Blood 2016; 127(24): 3004-14 <strong>14</strong> Almendro V et al.: Inference of tumor evolution during chemotherapy by computational modeling and in situ analysis of genetic and phenotypic cellular diversity. Cell Rep 2014; 6(3): 514-27 <strong>15</strong> Mroz EA et al.: High intratumor genetic heterogeneity is related to worse outcome in patients with head and neck squamous cell carcinoma. Cancer 2013; 119(16): 3034-42 <strong>16</strong> Jamal-Hanjani M et al.: Tracking genomic cancer evolution for precision medicine: the lung TRACERx study. PLoS Biol 2014; 12(7): e1001906 <strong>17</strong> Burrell RA, Swanton C: Re-evaluating clonal dominance in cancer evolution. Trends Cancer 2016; 2(5): 263-76 <strong>18</strong> Walther V et al.: Can oncology recapitulate paleontology? Lessons from species extinctions. Nat Rev Clin Oncol 2015; 12(5): 273-85 <strong>19</strong> Cunningham JJ et al.: Evolutionary dynamics in cancer therapy. Mol Pharm 2011; 8(6): 2094-100 <strong>20</strong> Casasent AK et al.: Multiclonal invasion in breast tumors identified by topographic single cell sequencing. Cell. 2018; 172(1-2): 205-17 <strong>21</strong> Hernandez L et al.: Genomic and mutational profiling of ductal carcinomas in situ and matched adjacent invasive breast cancers reveals intra-tumour genetic heterogeneity and clonal selection. J Pathol 2012; 227: 42-52 <strong>22</strong> Foschini MP et al.: Genetic clonal mapping of in situ and invasive ductal carcinoma indicates the field cancerization phenomenon in the breast. Hum Pathol 2013; 44: 1310-19 <strong>23</strong> Nik-Zainal S et al.: Landscape of somatic mutations in 560 breast cancer whole-genome sequences. Nature 2016; 534(7605): 47-54 <strong>24</strong> Caswell- Jin JL et al.: Racial/ethnic differences in multiple-gene sequencing results for hereditary cancer risk. Genet Med 2018; 20(2): 234-9 <strong>25</strong> Kurian AW et al.: Uptake, results, and outcomes of germline multiple-gene sequencing after diagnosis of breast cancer. JAMA Oncol 2018; 4(8): 1066-72 <strong>26</strong> Kurian AW et al.: Genetic testing and counseling among patients with newly diagnosed breast cancer. JAMA 2017; 317(5): 531-4</p>
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