<p class="article-intro">Eine Reihe von Studien und präklinischen Forschungen wurde beim letztjährigen 41. internationalen Breast Cancer Symposium in San Antonio zum tripelnegativen Mammakarzinom präsentiert. Einen echten therapeutischen Fortschritt erbrachte der Checkpoint-Inhibitor Atezolizumab (Anti-PD-L1-Antikörper), der in Kombination mit Nab- Paclitaxel untersucht wurde und im Vergleich mit Nab-Paclitaxel alleine zu einem deutlichen Überlebensvorteil für Patientinnen mit PD-L1-positivem tripelnegativem metastasiertem BC führte. Die im Folgenden vorgestellten Studien beeinfl ussen vielleicht nicht in großem Stil unsere tägliche Praxis, vervollständigen allerdings das Bild dieser Erkrankung und helfen individuelle Therapieentscheidungen in der adjuvanten Situation zu treffen.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Capecitabin zeigt keinen Effekt nach einer adjuvanten Standardchemotherapie bei unselektionierten Patientinnen mit tripelnegativem Mammakarzinom im Stadium I–III und bleibt somit Patientinnen mit fehlender pCR nach neoadjuvanter Therapie vorbehalten (# GS2-04).</li> <li>Ein Zeitintervall von mehr als 30 Tagen zwischen OP und Start der adjuvanten Chemotherapie verringert möglicherweise deren Wirksamkeit beim frühen tripelnegativen Mammakarzinom (# GS2-05).</li> <li>Patientinnen mit tripelnegativem Karzinom, die nach einer Taxanhaltigen neoadjuvanten Chemotherapie eine pCR erreichen, scheinen keinen Benefit von einer zusätzlichen Anthrazyklintherapie zu haben. Weitere Studien, die diese Fragestellung adressieren, sind notwendig (# GS2-06).</li> <li>Eine niedrige Dosis von Tamoxifen (5mg/Tag) halbiert die Rezidivrate und senkt das Risiko für kontralaterale Zweitkarzinome nach operativer Entfernung eines DCIS, einer ADH oder eines LCIS. Aufgrund von mehreren Schwächen dieser Studie bleiben 20mg Tamoxifen weiterhin Standard (GS3-01).</li> </ul> </div> <h2>Tripelnegatives Mammakarzinom</h2> <p><strong>Capecitabin nach adjuvanter Standardchemotherapie (GEICAM/2003-11-Studie, #GS2-04)</strong><br /> In der asiatischen CREATE-X-Studie, welche 3 Jahre zuvor in San Antonio präsentiert worden war und inzwischen im „New England Journal of Medicine“ publiziert wurde (Masuda N et al., N Engl J Med 2017), konnte durch eine 6-monatige „post-neoadjuvante“ Chemotherapie mit Capecitabin bei Patientinnen ohne pathologisch komplette Remission (pCR) nach einer neoadjuvanten Standardchemotherapie ein Überlebensvorteil erzielt werden. Dieser Effekt zeigte sich vor allem in der tripelnegativen Subgruppe (Hazard-Ratio [HR] für das krankheitsfreie Überleben 0,58 [95 % CI 0,39–0,87] und für das Gesamtüberleben 0,52 [95 % CI: 0,30–0,90]). Zeitgleich rekrutierte die GEICAM/2003- 11-Studie, in welche ausschließlich Patientinnen mit tripelnegativem Mammakarzinom im Stadium I–III eingeschlossen wurden. Die Patientinnen mussten vor Studieneinschluss eine neoadjuvante oder adjuvante anthrazyklinhältige Standardchemotherapie (± Taxan) erhalten haben und erhielten nach Randomisierung zusätzlich 6 Monate Capecitabin (1000mg/ m<sup>2</sup> zweimal täglich p.o. für 14 Tage gefolgt von 1 Woche Pause, Wiederholung alle 21 Tage) oder keine weitere Therapie. Der Großteil der inkludierten Patientinnen hatte ein Mammakarzinom im Stadium II oder III und gut die Hälfte der Patientinnen war nodal-negativ. Nur 19 % der Patientinnen hatten die vorhergehende Chemotherapie neoadjuvant erhalten, wovon wiederum 25 % eine pCR erreichten. Somit entsprachen lediglich 14 % der Studienpopulation jener der CREATE-X-Studie (keine pCR nach neaodjuvanter Therapie), was für die Interpretation der Resultate von Bedeutung ist.<br /> Im Unterschied zur CREATE-X-Studie zeigte die GEICAM-Studie keinen Unterschied der beiden Studienarme in Bezug auf das krankheitsfreie Überleben (DFS: HR: 0,80 [95 % CI: 0,63–1,06]; p=0,136) und das Gesamtüberleben (OS: HR: 0,92 [95 % CI: 0,66–1,28]; p=0,623). In einer prädefinierten Subgruppenanalyse profitierten allerdings Patientinnen mit nonbasal- like Karzinomen von Capecitabin (26 % der Gesamtkohorte, definiert durch fehlende immunhistochemische Expression von „epidermal Growth Factor Receptor“ [EGFR] und Zytokeratin 5/6) mit einer HR von 0,53 für das DFS und einer HR von 0,42 für das OS. Da es sich hierbei jedoch um eine Subgruppenanalyse handelt, müssen diese Ergebnisse mit Vorsicht interpretiert werden. Die Verträglichkeit von Capecitabin war wie erwartet, wobei Diarrhö und Hand-Fuß-Syndrom im Vordergrund standen. Die mediane Dosisintensität lag bei 86 % und 75 % der Patientinnen konnten alle 8 geplanten Zyklen abschließen.<br /> Die Verlängerung der adjuvanten Chemotherapie um 6 Monate Capecitabin ist somit keine Option für unselektionierte Patientinnen mit tripelnegativem Mammakarzinom, sondern bleibt jenen mit fehlender pCR nach neoadjuvanter Therapie vorbehalten, analog der CREATE-XStudie. Das Konzept von „Post-neoadjuvant- Studien“, welche Patientinnen mit fehlender pCR und somit hohem Rezidivrisiko selektionieren, um eine weitere Therapieintensivierung zu untersuchen, bestätigt sich somit als ideales Studiendesign für zukünftige Forschungen.</p> <p><strong>Einfluss einer verzögerten adjuvanten Chemotherapie auf die Prognose (#GS2-05)</strong><br /> Eine retrospektive unizentrische Analyse des Instituto Nacional de Enfermedades Neoplasicas (Lima, Peru) untersuchte, ob der Zeitabstand zwischen Operation und adjuvanter Chemotherapie einen Einfluss auf die Prognose von Patientinnen mit tripelnegativem Mammakarzinom hat. Es wurden insgesamt 687 Patientinnen eingeschlossen, die zwischen 2000 und 2014 einer primären Operation unterzogen worden war und im Anschluss eine komplette adjuvante Chemotherapie erhalten hatten. Die Patientinnen wurden anhand des Zeitabstandes zwischen OP und Start der adjuvanten Chemotherapie in 4 Gruppen eingeteilt: ≤30 Tagen (27,5 % ), 31–60 Tage (47,9 % ), 61–90 Tage (16,7 % ) und ≥91 Tage (7,9 % ). Die Verteilung der Patientinnen in diesen 4 Gruppen änderte sich signifikant im Zeitverlauf mit einer Zunahme der Patientinnen, die nach dem Tag 30 operiert wurden (60,5 % zwischen 2000 und 2004, 68,3 % zwischen 2005 und 2009 und 89,8 % zwischen 2010 und 2014). Jene Patientinnen zeigten eine deutlich schlechtere 10-Jahres-Überlebensrate (p=0,003) und 10-Jahres-distant- DFS-Rate (p=0,005) im Vergleich zu Patientinnen, die innerhalb von 30 Tagen postoperativ mit der adjuvanten Chemotherapie starteten (Abb. 1).<br /> Dieser Effekt zeigte sich unabhängig vom Nodal-Status, wobei die Effektgröße im Falle von positiven Lymphknoten größer war (HR: 1,70 für N0; HR: 2,50 für N1 und HR: 2,1 für N2–3). Da es sich hierbei um eine retrospektive Analyse handelt und andere Risikofaktoren wie Stadium, Alter, Operationsart und Art der adjuvanten Chemotherapie in den 4 Gruppen nicht balanciert waren, können relevante Bias- Einflüsse nicht ausgeschlossen werden. Da jedoch auch andere Studiengruppen (Gagliato D et al., J Clin Oncol 2014 und Chavez- MacGregor M et al., JAMA Oncol 2016) ähnliche Ergebnisse gezeigt haben, sollte der Start der adjuvanten Chemotherapie wann immer möglich innerhalb von 30 Tagen nach OP erfolgen. Weitere Validierungen dieser Ergebnisse sind allerdings wünschenswert.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1902_Weblinks_jatros_onko_1902_s50_abb1_gampenrieder.jpg" alt="" width="550" height="638" /></p> <p><strong>Postneoadjuvante Chemotherapie bei pCR (WSG-ADAPT-TN-Studie; #GS5-06)</strong><br /> Die Hauptergebnisse der ADAPT-TNStudie der Westdeutschen Studiengruppe wurden erstmals am ASCO 2018 präsentiert. In dieser neoadjuvanten Studie wurden 336 Patientinnen mit tripelnegativem Mammakarzinom im Stadium I–III randomisiert zwischen Nab-Paclitaxel plus Gemcitabin und Nab-Paclitaxel plus Carboplatin für insgesamt 12 Wochen. Der primäre Endpunkt war die pCR-Rate, welche im Carboplatin-haltigen Studienarm signifikant höher war als im Gemcitabin-Arm (45,9 % vs. 28,7 % ). Einen Unterschied im „event-free survival“ (EFS) oder OS konnte die Studie jedoch nicht zeigen (Gluz O et al., JNCI 2018).<br /> Nach Abschluss der 12-wöchigen neoadjuvanten, taxanhältigen Studientherapie wurde den Patientinnen eine zusätzliche Chemotherapie mit 4 Zyklen EC (Epirubicin, Cyclophosphamid) empfohlen. Dies ermöglichte eine Auswertung von Patientinnen mit pCR in Abhängigkeit davon, ob sie zusätzlich 4 Zyklen EC erhalten hatten (60 % ) oder nicht (40 % ). In der Gesamtkohorte zeigte sich kein Unterschied in Bezug auf das eventfreie Überleben oder das Gesamtüberleben zwischen Patientinnen mit und ohne adjuvante Chemotherapie. Im Rahmen des translationalen Begleitprojektes konnte PD-1 („programmed cell death protein 1“) als positiver prognostischer Marker innerhalb der Patientinnen mit pCR identifiziert werden. Patientinnen mit pCR und hoher PD-1-Expression hatten eine exzellente Prognose und keinen Nutzen von einer zusätzlichen Chemotherapie, während Patientinnen mit pCR und niedriger PD-1 Expression ein höheres Rezidivrisiko aufwiesen und von der zusätzlichen EC-Gabe profitierten. Aufgrund der kleinen Fallzahlen in den einzelnen Subgruppen und des retrospektiven Charakters dieser Untersuchung bedürfen diese Ergebnisse allerdings einer Bestätigung in anderen Studien, bevor sie Einfluss auf die tägliche Routine haben können.</p> <h2>Duktales Carcinoma in situ (DCIS)</h2> <p><strong>Tamoxifen 5mg/d als adjuvante Therapie bei DCIS, ADH oder LCIS (#GS3-01)</strong><br /> Eine fünfjährige adjuvante Therapie mit 25mg Tamoxifen pro Tag für 5 Jahre reduziert das Risiko eines DCIS-Rezidivs in der ipsilateralen und kontralateralen Brust, zeigt allerdings keinen Effekt auf das OS (Staley H et al., Cochrane Database Syst Rev 2012). Zudem limitieren Nebenwirkungen wie Endometriumkarzinom, Thrombosen und menopausale Symptome den Einsatz von Tamoxifen in der Mammakarzinomprophylaxe. Interessanterweise wurde die minimale wirkungsvolle Dosis von Tamoxifen niemals ermittelt. In einer neoadjuvanten Studie bei invasiven Östrogenrezeptor-positiven Mammakarzinomen zeigten 1mg und 5mg Tamoxifen eine ähnliche Wirkung auf das Ki-67 im Operationspräparat wie die Standarddosierung von 20mg/Tag (DeCensi et al., JNCI 2003). Diese Beobachtung veranlasste eine italienische Studiengruppe zur Hypothese, dass 5mg Tamoxifen und eine kürzere Behandlungszeit von 3 Jahren als adjuvante Therapie nach einer intraepithelialen Neoplasie (EIN) genauso effektiv und weniger toxisch sein könnte als 20mg/Tag für 5 Jahre.<br /> 500 Patientinnen mit duktalem Carcinoma in situ (DCIS; 70 % ), atypischer duktaler Hyperplasie (ADH; 20 % ) oder lobulärem Carcinoma in situ (LCIS; 10 % ) wurden postoperativ randomisiert zwischen 5mg Tamoxifen für 3 Jahre oder Placebo. Nach einer medianen Beobachtungszeit von 5,1 Jahren traten signifikant weniger invasive oder nicht invasive Rezidive in der ipsilateralen (HR: 0,48 [95 % CI: 0,26– 0,92]; p=0,024) und kontralateralen Brust (HR: 0,24 [95 % CI: 0,07–0,87]; p=0,018) auf. Die Therapie war insgesamt sehr gut verträglich ohne Nachweis eines erhöhten Risikos für Endometriumkarzinome oder Thrombosen. Auch die menopausalen Beschwerden schienen im indirekten Vergleich mit der Standarddosis geringer aufzutreten (nur die Frequenz der Hitzewallungen unterschied sich signifikant von Placebo). Die Autoren berechneten die „number needed to treat“ mit 22 und die „number needed to harm“ mit 218.<br /> Wichtig für die Interpretation dieser Studie ist die Tatsache, dass lediglich 43 % der Patientinnen eine adjuvante Radiotherapie erhalten hatten, was mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Überschätzung der Effektgröße führte, da eine adjuvante Radiotherapie eine nachgewiesene Senkung des Lokalrezidivrisikos mit sich bringt. Auch die Tatsache, dass diese Studie relativ klein war, die Nachbeobachtungszeit noch kurz ist, kein direkter Vergleich mit der Standardtherapie vorliegt und neben DCIS auch ADH und LCIS eingeschlossen wurden, bedingt dass 20mg Tamoxifen pro Tag weiterhin die Standarddosierung bleibt. Eine Dosisreduktion auf 10mg (5mg-Tabletten stehen nicht zur Verfügung) kann aber auf Basis dieser Studie im Falle von Toxizitäten mit gutem Gewissen erfolgen.</p></p>