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Translationale Forschung – „from bench to bedside“
Jatros
Autor:
Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Patrick Starlinger, PhD
Univ.-Klinik für Chirurgie<br> Medizinische Universität Wien<br> E-Mail: patrick.starlinger@meduniwien.ac.at
30
Min. Lesezeit
12.04.2018
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<p class="article-intro">Die translationale Forschung international und im Besonderen in Österreich ist in den vergangenen Jahren rapide gewachsen. Im folgenden Artikel werden die Grundlagen der translationalen Forschung beleuchtet und deren Teilaspekte eruiert.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Translationale Forschung ist bereits jetzt von großer Bedeutung und wird besonders in der Zukunft wesentlich an Relevanz gewinnen.</li> <li>Diverse Teilaspekte sind bereits bei der stufenweisen Planung von translationalen Forschungsprojekten zu beachten.</li> <li>Nur über die Generierung von Netzwerken wird eine Verbesserung der Qualität und der Finanzierungssituation für österreichische translationale Forschung möglich sein.</li> </ul> </div> <h2>Relevanz der translationalen Forschung</h2> <p>In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich die translationale Forschung (TF) zu einer festen Säule der medizinischen Wissenschaft entwickelt. Die Translation, also die Übertragung von basiswissenschaftlichen Beobachtungen in den klinischen Alltag, stellt heute einen der wohl zentralsten Forschungsschwerpunkte im medizinischen Bereich dar. Dieser Fortschritt manifestiert sich nicht nur in einer deutlichen Zunahme der Forschungsfinanzierungen spezifisch für TF,<sup>1, 3</sup> sondern auch in der Schaffung eigener Forschungszentren auf der ganzen Welt.<sup>4</sup> Als österreichisches Beispiel ist insbesondere das 2010 in Wien eröffnete „Anna Spiegel Forschungsgebäude – Center of Translational Research“ zu nennen.<br /> TF hat zweifelsohne mehrere Facetten. Von der klassischen „Marker-Studie“ zur Prädiktion des Therapieansprechens bis hin zur komplexen Validierung pathophysiologischer Konzepte hat die TF Einzug in ein breites Spektrum der Wissenschaft gehalten. Und tatsächlich ist die zentrale Relevanz der TF mittlerweile in vielen Bereichen unseres klinischen Alltags eingebettet. Während wir beispielsweise initial alle Patienten mit metastasiertem kolorektalem Karzinom mit dem EGF(„epidermal growth factor“)-Rezeptor-Blocker Cetuximab behandelt haben, ist es nicht zuletzt der TF zu verdanken, dass wir erkannt haben, dass dieses Vorgehen bei lediglich 15 % dieser Patienten eine sinnvolle Therapie darstellt.<br /> Einen weiteren zentralen Zuständigkeitsbereich der TF stellt die Validierung pathophysiologischer Beobachtungen aus der Basiswissenschaft im menschlichen System dar. Da eine basiswissenschaftliche Beobachtung nicht zwangsläufig auch beim Menschen relevant sein muss, ist dieser Teilbereich mittlerweile eine essenzielle Weiche vor der Durchführung klinischer Studien. So gelang es uns beispielsweise 2017, in einem unserer größten translationalen Projekte zu zeigen, dass ein Wachstumsfaktor, der im Tiermodell die Leberregeneration fördert, dies zwar auch beim Menschen tut, jedoch zugleich auch das Wiederauftreten von Lebertumoren nach kurativen Resektionen begünstigt. Dadurch konnte gezeigt werden, dass von einer initial angedachten Therapie des postoperativen Leberversagens beim Menschen mittels dieses Wachstumsfaktors aufgrund von potenziell patientenschädigenden Effekten abzusehen ist. Diese Studie stellt wohl ein gutes Beispiel für die zentrale Relevanz der TF in der präklinischen Wissenschaft dar.</p> <h2>Die Rolle der Chirurgie</h2> <p>Der Beitrag der Chirurgie zur medizinischen Forschung erstreckt sich über Jahrhunderte. So war es Theodor Kocher, der 1909 als erster Chirurg den Nobelpreis für seine Arbeit auf dem Gebiet der Schilddrüse erhielt. Acht weitere Chirurgen folgten ihm mit dem Erhalt dieser prestigeträchtigen Auszeichnung nach, wohlgemerkt auch ein Vertreter aus Österreich, Robert Barany im Jahre 1914.<sup>2</sup> Auch in der TF spielt der Chirurg eine besonders wichtige Rolle. Nicht nur die nahe Interaktion mit und am Patienten, sondern im Besonderen auch die Möglichkeit, Biomaterial am Ort des Geschehens zu gewinnen, ermöglicht es dem Chirurgen, in Bezug auf TF eine zentrale Stellung einzunehmen. Während diese Tatsache immer bewusster wahrgenommen wird, finden bis dato leider noch immer zu wenige Projekte zur systematischen translationalen Forschung in Österreich statt. Eine Reihe von Gründen ist hier anzuführen, die im Weiteren im Detail exploriert werden.</p> <h2>Systematisierung – Guidelines zur Erstellung translationaler Forschungsprojekte</h2> <p>Während wohl jede prospektive klinische Studie heutzutage ein translationales Forschungsprojekt beinhalten sollte, nimmt auch die Zahl der Projekte rapide zu, die sich ausschließlich mit translationalen Fragestellungen beschäftigen.<br /> Im Rahmen des European Society of Surgical Oncology (ESSO) Clinical Research Committee haben wir in den letzten Jahren hilfestellende Guidelines zur Implementierung von Projekten translationaler Forschung, besonders im chirurgischen Bereich, entworfen.<sup>5</sup> Im Rahmen dieser Guidelines haben wir ein Stufenkonzept entwickelt, das die Generierung eines hochqualitativen translationalen Forschungsprojekts erleichtern soll (Abb. 1).<br /> Im Konkreten gibt es einige Aspekte, die bei der Planung eines translationalen Forschungsprojekts miteinbezogen werden sollten.<br /><br /><strong> Die klinisch relevante Fragestellung</strong><br /> Von zentraler Wichtigkeit für translationale Forschungsprojekte bleibt die klinisch relevante Fragestellung. Je größer die klinische Relevanz der Frage des Forschungsprojekts ist, desto größer das Interesse an dem zu erwartenden Ergebnis. Auch wenn dieser Schluss trivial erscheint, so scheitern viele Projekte der translationalen Forschung an der letztlich fehlenden klinischen Relevanz. In Bezug auf Stichprobengröße ist auch zu bedenken, dass der klinisch relevante Endpunkt mit einer gewissen Häufigkeit auftreten muss. Es ist somit bei der Wahl des Endpunkts auch darauf zu achten, einen Parameter zu wählen, der mit einer gewissen Regelmäßigkeit auftritt.<br /><br /><strong> Die Wahl der Methodik</strong><br /> Die Wahl der richtigen Methodik setzt eine konkrete Fragestellung voraus. Sobald eine klinisch relevante Fragestellung definiert wurde, muss darüber nachgedacht werden, welche Methodik die Beantwortung dieser Frage erlaubt. Hier ist eine genaue Planung – bevorzugt mit Kollaborationspartnern mit spezifischer Expertise – von zentraler Wichtigkeit. Im Konkreten konnten wir in den vergangenen Jahren ausgiebig illustrieren, dass eine suboptimale Probenaufarbeitung zu artifiziell veränderten Werten führen kann – dargestellt in mehreren experimentellen Studien, die beweisen, dass Antikoagulation mittels EDTA eine suboptimale Präparationsvariante für die Evaluierung diverser Wachstumsfaktoren in Blutplasma darstellt.<sup>6, 7</sup> Dies ist von zentraler Relevanz, wenn man bedenkt, dass diverse Literaturstellen diese suboptimalen Präparationsvarianten verwenden, um unter anderem sensible Wachstumsfaktoren zu bestimmen. Dass in diesen teils über Jahre dauernden Studien das Ziel der TF weit verfehlt wird, liegt auf der Hand. Daher ist die Planung eine nicht zu vernachlässigende Phase in translationalen Forschungsprojekten.<br /> Auch wichtig zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang die biologische Variabilität. Bei allen Forschungsprojekten, die auf translationaler Ebene ablaufen, ist miteinzubeziehen, dass es eine gewisse Schwankungsbreite des untersuchten Parameters zwischen einzelnen Individuen geben wird. Während durch maximale Standardisierung der Methodik zusätzliche Schwankungen minimiert werden können, muss diese biologische Variabilität in die Kalkulation der Stichprobengröße zu Studienbeginn miteinbezogen werden.<br /><br /> <strong>Validierung neuer Beobachtungen</strong><br /> Besonders in Bezug auf Studien, die einen neuen Marker zur Prädiktion eines Outcome-Parameters etablieren sollen, ist stets eine externe Validierung zu überlegen. Besonders bei der Analyse multipler Parameter ist eine Detektion unspezifischer Assoziationen nicht unwahrscheinlich und kann zumeist nur in einer unabhängigen Validierungskohorte bestätigt werden. Im Idealfall findet eine derartige Validierung in einem multiinstitutionalen Setting – als höchstes Level der Validierung – statt. Zum Beispiel war es uns in diesem Zusammenhang 2017 möglich, eine groß angelegte Studie zu veröffentlichen, bei der wir in einem mehrjährigen Projekt Von-Willebrand-Faktor-Antigen als Prädiktor für postoperatives Outcome nach Leberresektionen definieren und anschließend in einem multinationalen, multiinstitutionalen Setting validieren konnten.<sup>8</sup> Nur über eine derartige Validierung ist es möglich, einen unabhängigen Marker zu definieren, der uns in Zukunft im klinischen Alltag unterstützen kann.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Onko_1802_Weblinks_jatros_onko_1802_s50_abb1.jpg" alt="" width="1454" height="920" /></p> <h2>Chirurgische Perspektiven der translationalen Forschung in Österreich</h2> <p>In den vergangenen Jahren war es uns möglich, in Österreich zunehmend Netzwerke zu bilden, über welche gegenseitiger Wissenstransfer und wissenschaftliche Interaktion stattfinden können. Besonders die TF stellt hier einen attraktiven Kollaborationsaspekt dar, da der Austausch von Biomaterial oder die gemeinsame prospektive Sammlung eine besonders effektive Kollaborationsperspektive repräsentieren. Es wird in den kommenden Jahren unsere Aufgabe sein, diese Netzwerke zu festigen, auszubauen und zu systematisieren, um als Gruppe österreichischer Chirurgen eine beispielhafte Infrastruktur zu generieren und dadurch die TF auf die nächste Ebene zu heben.</p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Carpenter S: Science careers. Carving a career in translational research. Science 2007; 317: 966-7 <strong>2</strong> Cosimi AB: Surgeons and the Nobel prize. Arch Surg 2006; 141: 340-8 <strong>3</strong> Moses H 3rd et al.: Financial anatomy of biomedical research. JAMA 2005; 294: 1333-42 <strong>4</strong> Pober JS et al.: Obstacles facing translational research in academic medical centers. FASEB J 2001; 15: 2303-13 <strong>5</strong> www.essoweb. org/crc-guidelines 6 Mussbacher M et al.: Optimized plasma preparation is essential to monitor platelet-stored molecules in humans. PloS One 2017; 12: e0188921 <strong>7</strong> Starlinger P et al.: Platelet-stored angiogenesis factors: clinical monitoring is prone to artifacts. Dis Markers 2011; 31: 55-65 <strong>8</strong> Starlinger P et al.: Perioperative von Willebrand factor dynamics are associated with liver regeneration and predict outcome after liver resection. Hepatology 2017; doi: 10.1002/hep.29651 [Epub ahead of print]</p>
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