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Therapieoptionen beim metastasierten Nierenzellkarzinom und ungewöhnliche Fälle
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08.03.2018
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<p class="article-intro">Alle zwei Jahre organisiert das Renal Cell Carcinoma Network (RCC Net, www.rccnet.ch) eine interdisziplinäre Fachtagung. Bei der dritten Durchführung im November 2017 standen die neusten Entwicklungen in der Therapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms (mRCC), die Rolle der interventionellen Radiologie sowie das Management ungewöhnlicher Fälle im Mittelpunkt des Programms.</p>
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<p class="article-content"><p>Dr. med. Eric Jonasch vom MD Anderson Cancer Center in Houston/Texas sprach in seinem als Livestream übertragenen Vortrag zu den neusten Entwicklungen in der systemischen Behandlung des mRCC. Eingangs wies er darauf hin, dass es bereits seit vielen Jahren möglich ist, mithilfe von einfachen klinischen Parametern und Laborwerten eine prognostische Stratifizierung der Patienten mit einem Nierenzellkarzinom vorzunehmen. Ein Beispiel hierfür stellt das MSKCC-Risikomodell dar.<sup>1</sup> «Bis vor Kurzem wiesen Patienten mit negativen prognostischen Faktoren stets einen schlechten Verlauf auf, unabhängig davon, mit welcher Therapie wir sie behandelten», erklärte er. Nun sei aber eine interessante Entwicklung auszumachen. «Neue Therapien wie die Checkpoint- Inhibitoren scheinen insbesondere den Erkrankungsverlauf von Patienten mit intermediärer oder schlechter Prognose günstig zu beeinflussen.»<br /> Wie Dr. Jonasch weiter erläuterte, stellt die Nephrektomie in den Stadien 1, 2 und 3 des Nierenzellkarzinoms aktuell die Therapie der Wahl dar. Bei Patienten im Stadium 4 mit einem guten Performance- Status (0 oder 1) und einem resezierbaren Primärtumor sei eine zytoreduktive Nephrektomie vermutlich nach wie vor eine vernünftige Strategie. «Bei Patienten mit hoher Krankheitslast ist eine systemische Therapie die bessere Wahl, denn bei ihnen wäre die Überlebensdauer womöglich nicht viel länger als die Zeit, die sie brauchen, um sich von einer chirurgischen Therapie zu erholen», meinte er.</p> <h2>Erstlinientherapie des mRCC</h2> <p>Im Folgenden ging Dr. Jonasch auf die verschiedenen Möglichkeiten einer Erstlinientherapie ein. Im ersten Teil befasste er sich mit dem Ansatz, durch eine Modifikation des 4/2-Schemas für Sunitinib die Verträglichkeit dieser Therapie zu verbessern. Untersuchungen ergaben, dass ein 2/1- anstelle eines 4/2-Schemas die Rate an bestimmten Nebenwirkungen (Fatigue, Diarrhö, Hand-Fuss-Syndrom) vom Grad 3 oder höher nicht zu reduzieren vermochte, jedoch zu einem robusten Ansprechen und einem verlängerten progressionsfreien Überleben (PFS) führte, was für eine gute Langzeitverträglichkeit zu sprechen scheint.<sup>2</sup> Ähnliches wurde auch bei Untersuchungen festgestellt, bei denen eine individualisierte Sunitinib-Dosierung verwendet wurde.<sup>3</sup> In einer Phase-II-Studie (SURF) wird nun randomisiert Sunitinib 37,5mg im 4/2-Schema mit Sunitinib 50mg in einem 2/1-Schema verglichen.<br /> Die CABOSUN-Studie schloss therapienaive mRCC-Patienten mit intermediärem oder hohem Risiko ein und randomisierte diese zu 60mg/Tag Cabozantinib für 6 Wochen oder 50mg/Tag Sunitinib (4/2-Schema).<sup>4</sup> Die Studie ergab schliesslich für Cabozantinib ein signifikant längeres PFS als für Sunitinib (8,2 vs. 5,6 Monate, HR: 0,66; p=0,012). Im Dezember 2017 erhielt Cabozantinib von der FDA denn auch die Zulassung als Erstlinientherapie für Patienten mit einem fortgeschrittenen Nierenzellkarzinom.<sup>5</sup><br /> «Wahrscheinlich die Geschichte des Jahres 2017 im Bereich des Nierenzellkarzinoms stellt aber die Studie CheckMate 214 dar», erklärte Dr. Jonasch weiter. CheckMate 214 schloss therapienaive Patienten mit einem fortgeschrittenen oder metastasierten RCC ein und randomisierte diese entweder zu 3mg/kg Nivolumab plus 1mg/kg Ipilimumab alle drei Wochen für vier Dosen, gefolgt von 3mg/kg Nivolumab alle zwei Wochen, oder Sunitinib 50mg/Tag (4/2-Schema).<sup>6</sup> Der koprimäre Endpunkt umfasste die Gesamtansprechrate (ORR), das PFS und das Gesamtüberleben (OS) in der Gruppe der Patienten mit intermediärem oder hohem Risiko. Nach einem Follow-up von etwa 17,5 Monaten lag die ORR in dieser Patientengruppe bei 41,6 % für die mit Nivolumab plus Ipilimumab behandelten Patienten im Vergleich zu 26,5 % für die mit Sunitinib behandelten Patienten (p<0,0001). Von der Kombinationstherapie profitierten dabei Patienten mit einer PD-L1-Expression von ≥1 % mehr als Patienten mit einer PD-L1-Expression <1 % . Das mediane OS war in der Gruppe mit der Kombinationstherapie zum Zeitpunkt der Auswertung noch nicht erreicht, unter Sunitinib betrug es 26 Monate (HR: 0,63; p<0,0001) (Abb. 1).<br /> Im Gegensatz dazu schnitt Sunitinib bei den Patienten mit einem niedrigen Risiko signifikant besser ab als die Kombinationstherapie (ORR 52 % vs. 29 % , p=0,0002; PFS 25,1 vs. 15,3 Monate, p<0,0001). «Neben diesen positiven Resultaten sollten wir die Toxizität nicht vergessen, die mit der Kombinationstherapie einhergeht. Obwohl wir es hier sicherlich mit einem neuen Paradigma zu tun haben, hoffe ich daher, dass in Zukunft weitere Kombinationen kommen werden, die besser verträglich sind», meinte Dr. Jonasch.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Onko_1801_Weblinks_lo_onko_1801_s51_abb1.jpg" alt="" width="1454" height="984" /></p> <h2>Die Rolle der interventionellen Radiologie</h2> <p>Dr. med. Frédéric Deschamps, Gustave Roussy Cancer Campus in Villejuif/F, beleuchtete die Rolle der interventionellen Radiologie in der Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenem/metastasiertem RCC. «Als Erstes möchte ich aufzeigen, wie Thermoablationstechniken die Gesamtkontrolle der Tumorerkrankung unterstützen können», erläuterte er. «Zum einen können wir damit bei Patienten mit Oligometastasen den Einsatz einer Chemotherapie hinauszögern, zum anderen ist es aber auch möglich, beim Vorliegen von oligoprogressiven Metastasen dank lokaler Massnahmen andere Optionen einzusparen. » Eine Thermoablation stelle dabei eine sichere und wirksame Technik zur Behandlung von Primärtumoren und Metastasen in Lunge, Niere, Nebenniere, Knochen und Leber dar.<br /> Die älteste und damit etablierteste thermoablative Methode ist die Radiofrequenzablation. «Es gibt in der Literatur keine Daten zum Einsatz dieser Technik bei Metastasen eines Nierenzellkarzinoms, jedoch sehr gute Daten zur Radiofrequenzablation von nicht resezierbaren kolorektalen Lebemetastasen.» Diese Untersuchungen zeigten eine sehr gute lokale Kontrolle von Metastasen mit einem Durchmesser von weniger als 3cm.<sup>7</sup> «In den letzten Jahren wurde die Technik der Radiofrequenzablation weiter verbessert. Dank höherer Temperaturen an der Spitze der Nadel können wir nun das Gebiet der Nekrose weiter ausdehnen.» Eine weitere Möglichkeit zur Vergrösserung des Ablationsareals stellt der Einsatz einer Chemoembolisation gefolgt von einer Thermoablation dar.<sup>8</sup> Wie Dr. Deschamps weiter ausführte, seien daneben in den letzten Jahren auch die technischen Möglichkeiten zur noch präziseren Lokalisation des zu behandelnden Gewebes verbessert worden.<br /> Anhand verschiedener Fallbeispiele veranschaulichte er anschliessend die Durchführung und die Resultate einer Radiofrequenzablation zur lokalen Kontrolle von Metastasen in verschiedenen Organen, so z.B. in der Lunge. Er wies insbesondere darauf hin, dass spirometrische Messungen im Rahmen von Studien keine signifikanten Unterschiede in der Lungenfunktion vor der Radiofrequenzablation der Metastasen im Vergleich zu zwei Monaten danach gezeigt hätten.<sup>9</sup> «Von Bedeutung ist zudem, dass die Behandlung, falls notwendig, bis zu viermal wiederholt werden kann.»<br /> Abschliessend wies Dr. Deschamps auf die Rolle der interventionellen Radiologie bei Patienten mit Knochenmetastasen hin. Hier steht neben der Schmerzlinderung die Prävention von skelettassoziierten Ereignissen im Vordergrund. «Schmerzen aufgrund einer Fraktur können zum Beispiel mithilfe einer perkutanen Zementoplastie oder perkutanen Osteosynthese durch den interventionellen Radiologen gelindert werden», erklärte er. In einer eigenen Untersuchung mit 31 Tumorpatienten mit schmerzhaften Beckenfrakturen konnte Dr. Deschamps zeigen, dass die Schmerzen bereits einen Monat nach einer perkutanen Osteosynthese signifikant abgenommen hatten.<sup>10</sup></p> <h2>Der ungewöhnliche Fall</h2> <p>Das RCC-Symposium bot ausserdem den Rahmen, ungewöhnliche Fälle zu präsentieren und zu diskutieren. Das Prädikat «ungewöhnlich» trug verdientermassen der von Dr. med. Marie-Laure Amram, Universitätsspital Genf, vorgestellte Fall eines 56-jährigen Patienten, in dessen Vorgeschichte sich zweimal ein spontaner linksseitiger Pneumothorax (2001 und 2012) fand. Im September 2013 wurde bei ihm aufgrund einer Makrohämaturie ein CT durchgeführt und linksseitig eine grosse renale Masse (12x15x20cm) festgestellt, die sich nach totaler Nephrektomie als chromophobes RCC [pT3aN0 (0/7)] herausstellte. Gemäss Literatur ist ein chromophobes RCC mit einem niedrigen Risiko für Progression, Metastasierung und tumorbedingten Tod assoziiert.<sup>11</sup> Ende 2014 wurde jedoch bei dem Patienten ein vergrösserter, hypermetabolischer paraaortaler Lymphknoten (links) festgestellt und exzidiert. Es handelte sich um eine 1,4cm grosse Oligometastase mit >90 % Nekrose (prognostisch ungünstig). Bereits fünf Monate später wurde eine metastatische Progression, mit Beteiligung mehrerer Lymphknoten und mit pulmonalen sowie hepatischen Metastasen, festgestellt. Der Patient war dabei jedoch asymptomatisch.<br /> Aufgrund der ungewöhnlichen Korrelation zwischen einem zweifachen Pneumothorax in der Vorgeschichte und einem RCC wurde eine genetische Prädisposition vermutet und schliesslich ein Birt- Hogg-Dubé-Syndrom diagnostiziert. Diese seltene, autosomal dominant vererbte Störung ist durch kutane Veränderungen (Fibrofollikulome, nicht bei allen Betroffenen zu finden) und das Auftreten von Lungenzysten, Pneumothorax und Nierentumoren charakterisiert. Der vorgestellte Patient erhielt im weiteren Verlauf seiner Erkrankung nacheinander vier systemische Therapien (Sunitinib, Nivolumab, Everolimus, Lenvatinib + Everolimus), jeweils bis zum unterschiedlich rasch eintretenden Progress. Nach einer raschen klinischen Verschlechterung unter der Viertlinientherapie musste im November 2017 eine palliative Behandlung eingeleitet werden.<br /> Zum Abschluss des Symposiums wies Dr. med. Dominik Berthold, Universitätsspital Lausanne, darauf hin, dass das RCC Net fachärztlichen Kollegen die Option anbietet, ihre Nierenzellkarzinompatienten einem spezialisierten interdisziplinären Tumorboard vorzustellen. Das Tumorboard bespricht den Fall des Patienten und gibt anschliessend eine Therapieempfehlung ab.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Drittes interdisziplinäres Nierenzellkarzinom-Symposium,
9. November 2017, Zürich
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<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Motzer RJ et al.: Survival and prognostic stratification of 670 patients with advanced renal cell carcinoma. J Clin Oncol 1999; 17: 2530-40 <strong>2</strong> Jonasch E et al.: Phase II study of alternate sunitinib schedule in patients with metastatic renal cell carinoma. J Clin Oncol 2017; 35(Suppl): Abstract 4513 <strong>3</strong> Basappa NS et al.: Individualized treatment with sunitinib versus standard dosing with sunitinib or pazopanib in patients with metastatic renal cell carcinoma (mRCC): results from the Canadian Kidney Cancer information system (CKCis). J Clin Oncol 2017; 35 (Suppl): Abstract e16078 <strong>4</strong> Choueiri TK et al.: Cabozantinib versus sunitinib as initial targeted therapy for patients with metastatic renal cell carcinoma of poor or intermediate risk: The Alliance A031203 CABOSUN trial. J Clin Oncol 2017; 35: 591-97 <strong>5</strong> www.fda.gov/Drugs/InformationOnDrugs/ ApprovedDrugs/ucm589842.htm <strong>6</strong> Escudier B et al.: CheckMate 214: Efficacy and safety of nivolumab + ipilimumab (N+I) v sunitinib (S) for treatment-naïve advanced or metastatic renal cell carcinoma (mRCC), including IMDC risk and PD-L1 expression subgroups. 42nd ESMO Congress, 8.–12. September 2017, Madrid/Spanien. Abstract LBA5 <strong>7</strong> Van Tilborg AA et al.: Long-term results of radiofrequency ablation for unresectable colorectal liver metastases: a potentially curative intervention. Br J Radiol 2011; 84: 556-65 <strong>8</strong> Mostafa EM et al.: Optimal strategies for combining transcatheter arterial chemoembolization and radiofrequency ablation in rabbit VX2 hepatic tumors. J Vasc Interv Radiol 2008; 19: 1740-8 <strong>9</strong> de Baère T et al.: Midterm local efficacy and survival after radiofrequency ablation of lung tumors with minimum follow-up of 1 year: prospective evaluation. Radiology 2006; 240(2): 587-96 <strong>10</strong> Deschamps F et al.: Percutaneous osteosynthesis in the pelvis in cancer patients. Eur Radiol 2016; 26: 1631-9 <strong>11</strong> Volpe A et al.: Chromophobe renal cell carcinoma (RCC): oncological outcomes and prognostic factors in a large multicentre series. BJU Int 2012; 110: 76-83</p>
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