© Getty Images

3. Fachtagung des Renal Cell Carcinoma Network (RCC Net)

Therapieoptionen beim metastasierten Nierenzellkarzinom und ungewöhnliche Fälle

<p class="article-intro">Alle zwei Jahre organisiert das Renal Cell Carcinoma Network (RCC Net, www.rccnet.ch) eine interdisziplinäre Fachtagung. Bei der dritten Durchführung im November 2017 standen die neusten Entwicklungen in der Therapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms (mRCC), die Rolle der interventionellen Radiologie sowie das Management ungewöhnlicher Fälle im Mittelpunkt des Programms.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Dr. med. Eric Jonasch vom MD Anderson Cancer Center in Houston/Texas sprach in seinem als Livestream &uuml;bertragenen Vortrag zu den neusten Entwicklungen in der systemischen Behandlung des mRCC. Eingangs wies er darauf hin, dass es bereits seit vielen Jahren m&ouml;glich ist, mithilfe von einfachen klinischen Parametern und Laborwerten eine prognostische Stratifizierung der Patienten mit einem Nierenzellkarzinom vorzunehmen. Ein Beispiel hierf&uuml;r stellt das MSKCC-Risikomodell dar.<sup>1</sup> &laquo;Bis vor Kurzem wiesen Patienten mit negativen prognostischen Faktoren stets einen schlechten Verlauf auf, unabh&auml;ngig davon, mit welcher Therapie wir sie behandelten&raquo;, erkl&auml;rte er. Nun sei aber eine interessante Entwicklung auszumachen. &laquo;Neue Therapien wie die Checkpoint- Inhibitoren scheinen insbesondere den Erkrankungsverlauf von Patienten mit intermedi&auml;rer oder schlechter Prognose g&uuml;nstig zu beeinflussen.&raquo;<br /> Wie Dr. Jonasch weiter erl&auml;uterte, stellt die Nephrektomie in den Stadien 1, 2 und 3 des Nierenzellkarzinoms aktuell die Therapie der Wahl dar. Bei Patienten im Stadium 4 mit einem guten Performance- Status (0 oder 1) und einem resezierbaren Prim&auml;rtumor sei eine zytoreduktive Nephrektomie vermutlich nach wie vor eine vern&uuml;nftige Strategie. &laquo;Bei Patienten mit hoher Krankheitslast ist eine systemische Therapie die bessere Wahl, denn bei ihnen w&auml;re die &Uuml;berlebensdauer wom&ouml;glich nicht viel l&auml;nger als die Zeit, die sie brauchen, um sich von einer chirurgischen Therapie zu erholen&raquo;, meinte er.</p> <h2>Erstlinientherapie des mRCC</h2> <p>Im Folgenden ging Dr. Jonasch auf die verschiedenen M&ouml;glichkeiten einer Erstlinientherapie ein. Im ersten Teil befasste er sich mit dem Ansatz, durch eine Modifikation des 4/2-Schemas f&uuml;r Sunitinib die Vertr&auml;glichkeit dieser Therapie zu verbessern. Untersuchungen ergaben, dass ein 2/1- anstelle eines 4/2-Schemas die Rate an bestimmten Nebenwirkungen (Fatigue, Diarrh&ouml;, Hand-Fuss-Syndrom) vom Grad 3 oder h&ouml;her nicht zu reduzieren vermochte, jedoch zu einem robusten Ansprechen und einem verl&auml;ngerten progressionsfreien &Uuml;berleben (PFS) f&uuml;hrte, was f&uuml;r eine gute Langzeitvertr&auml;glichkeit zu sprechen scheint.<sup>2</sup> &Auml;hnliches wurde auch bei Untersuchungen festgestellt, bei denen eine individualisierte Sunitinib-Dosierung verwendet wurde.<sup>3</sup> In einer Phase-II-Studie (SURF) wird nun randomisiert Sunitinib 37,5mg im 4/2-Schema mit Sunitinib 50mg in einem 2/1-Schema verglichen.<br /> Die CABOSUN-Studie schloss therapienaive mRCC-Patienten mit intermedi&auml;rem oder hohem Risiko ein und randomisierte diese zu 60mg/Tag Cabozantinib f&uuml;r 6 Wochen oder 50mg/Tag Sunitinib (4/2-Schema).<sup>4</sup> Die Studie ergab schliesslich f&uuml;r Cabozantinib ein signifikant l&auml;ngeres PFS als f&uuml;r Sunitinib (8,2 vs. 5,6 Monate, HR: 0,66; p=0,012). Im Dezember 2017 erhielt Cabozantinib von der FDA denn auch die Zulassung als Erstlinientherapie f&uuml;r Patienten mit einem fortgeschrittenen Nierenzellkarzinom.<sup>5</sup><br /> &laquo;Wahrscheinlich die Geschichte des Jahres 2017 im Bereich des Nierenzellkarzinoms stellt aber die Studie CheckMate 214 dar&raquo;, erkl&auml;rte Dr. Jonasch weiter. CheckMate 214 schloss therapienaive Patienten mit einem fortgeschrittenen oder metastasierten RCC ein und randomisierte diese entweder zu 3mg/kg Nivolumab plus 1mg/kg Ipilimumab alle drei Wochen f&uuml;r vier Dosen, gefolgt von 3mg/kg Nivolumab alle zwei Wochen, oder Sunitinib 50mg/Tag (4/2-Schema).<sup>6</sup> Der koprim&auml;re Endpunkt umfasste die Gesamtansprechrate (ORR), das PFS und das Gesamt&uuml;berleben (OS) in der Gruppe der Patienten mit intermedi&auml;rem oder hohem Risiko. Nach einem Follow-up von etwa 17,5 Monaten lag die ORR in dieser Patientengruppe bei 41,6 % f&uuml;r die mit Nivolumab plus Ipilimumab behandelten Patienten im Vergleich zu 26,5 % f&uuml;r die mit Sunitinib behandelten Patienten (p&lt;0,0001). Von der Kombinationstherapie profitierten dabei Patienten mit einer PD-L1-Expression von &ge;1 % mehr als Patienten mit einer PD-L1-Expression &lt;1 % . Das mediane OS war in der Gruppe mit der Kombinationstherapie zum Zeitpunkt der Auswertung noch nicht erreicht, unter Sunitinib betrug es 26 Monate (HR: 0,63; p&lt;0,0001) (Abb. 1).<br /> Im Gegensatz dazu schnitt Sunitinib bei den Patienten mit einem niedrigen Risiko signifikant besser ab als die Kombinationstherapie (ORR 52 % vs. 29 % , p=0,0002; PFS 25,1 vs. 15,3 Monate, p&lt;0,0001). &laquo;Neben diesen positiven Resultaten sollten wir die Toxizit&auml;t nicht vergessen, die mit der Kombinationstherapie einhergeht. Obwohl wir es hier sicherlich mit einem neuen Paradigma zu tun haben, hoffe ich daher, dass in Zukunft weitere Kombinationen kommen werden, die besser vertr&auml;glich sind&raquo;, meinte Dr. Jonasch.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Onko_1801_Weblinks_lo_onko_1801_s51_abb1.jpg" alt="" width="1454" height="984" /></p> <h2>Die Rolle der interventionellen Radiologie</h2> <p>Dr. med. Fr&eacute;d&eacute;ric Deschamps, Gustave Roussy Cancer Campus in Villejuif/F, beleuchtete die Rolle der interventionellen Radiologie in der Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenem/metastasiertem RCC. &laquo;Als Erstes m&ouml;chte ich aufzeigen, wie Thermoablationstechniken die Gesamtkontrolle der Tumorerkrankung unterst&uuml;tzen k&ouml;nnen&raquo;, erl&auml;uterte er. &laquo;Zum einen k&ouml;nnen wir damit bei Patienten mit Oligometastasen den Einsatz einer Chemotherapie hinausz&ouml;gern, zum anderen ist es aber auch m&ouml;glich, beim Vorliegen von oligoprogressiven Metastasen dank lokaler Massnahmen andere Optionen einzusparen. &raquo; Eine Thermoablation stelle dabei eine sichere und wirksame Technik zur Behandlung von Prim&auml;rtumoren und Metastasen in Lunge, Niere, Nebenniere, Knochen und Leber dar.<br /> Die &auml;lteste und damit etablierteste thermoablative Methode ist die Radiofrequenzablation. &laquo;Es gibt in der Literatur keine Daten zum Einsatz dieser Technik bei Metastasen eines Nierenzellkarzinoms, jedoch sehr gute Daten zur Radiofrequenzablation von nicht resezierbaren kolorektalen Lebemetastasen.&raquo; Diese Untersuchungen zeigten eine sehr gute lokale Kontrolle von Metastasen mit einem Durchmesser von weniger als 3cm.<sup>7</sup> &laquo;In den letzten Jahren wurde die Technik der Radiofrequenzablation weiter verbessert. Dank h&ouml;herer Temperaturen an der Spitze der Nadel k&ouml;nnen wir nun das Gebiet der Nekrose weiter ausdehnen.&raquo; Eine weitere M&ouml;glichkeit zur Vergr&ouml;sserung des Ablationsareals stellt der Einsatz einer Chemoembolisation gefolgt von einer Thermoablation dar.<sup>8</sup> Wie Dr. Deschamps weiter ausf&uuml;hrte, seien daneben in den letzten Jahren auch die technischen M&ouml;glichkeiten zur noch pr&auml;ziseren Lokalisation des zu behandelnden Gewebes verbessert worden.<br /> Anhand verschiedener Fallbeispiele veranschaulichte er anschliessend die Durchf&uuml;hrung und die Resultate einer Radiofrequenzablation zur lokalen Kontrolle von Metastasen in verschiedenen Organen, so z.B. in der Lunge. Er wies insbesondere darauf hin, dass spirometrische Messungen im Rahmen von Studien keine signifikanten Unterschiede in der Lungenfunktion vor der Radiofrequenzablation der Metastasen im Vergleich zu zwei Monaten danach gezeigt h&auml;tten.<sup>9</sup> &laquo;Von Bedeutung ist zudem, dass die Behandlung, falls notwendig, bis zu viermal wiederholt werden kann.&raquo;<br /> Abschliessend wies Dr. Deschamps auf die Rolle der interventionellen Radiologie bei Patienten mit Knochenmetastasen hin. Hier steht neben der Schmerzlinderung die Pr&auml;vention von skelettassoziierten Ereignissen im Vordergrund. &laquo;Schmerzen aufgrund einer Fraktur k&ouml;nnen zum Beispiel mithilfe einer perkutanen Zementoplastie oder perkutanen Osteosynthese durch den interventionellen Radiologen gelindert werden&raquo;, erkl&auml;rte er. In einer eigenen Untersuchung mit 31 Tumorpatienten mit schmerzhaften Beckenfrakturen konnte Dr. Deschamps zeigen, dass die Schmerzen bereits einen Monat nach einer perkutanen Osteosynthese signifikant abgenommen hatten.<sup>10</sup></p> <h2>Der ungew&ouml;hnliche Fall</h2> <p>Das RCC-Symposium bot ausserdem den Rahmen, ungew&ouml;hnliche F&auml;lle zu pr&auml;sentieren und zu diskutieren. Das Pr&auml;dikat &laquo;ungew&ouml;hnlich&raquo; trug verdientermassen der von Dr. med. Marie-Laure Amram, Universit&auml;tsspital Genf, vorgestellte Fall eines 56-j&auml;hrigen Patienten, in dessen Vorgeschichte sich zweimal ein spontaner linksseitiger Pneumothorax (2001 und 2012) fand. Im September 2013 wurde bei ihm aufgrund einer Makroh&auml;maturie ein CT durchgef&uuml;hrt und linksseitig eine grosse renale Masse (12x15x20cm) festgestellt, die sich nach totaler Nephrektomie als chromophobes RCC [pT3aN0 (0/7)] herausstellte. Gem&auml;ss Literatur ist ein chromophobes RCC mit einem niedrigen Risiko f&uuml;r Progression, Metastasierung und tumorbedingten Tod assoziiert.<sup>11</sup> Ende 2014 wurde jedoch bei dem Patienten ein vergr&ouml;sserter, hypermetabolischer paraaortaler Lymphknoten (links) festgestellt und exzidiert. Es handelte sich um eine 1,4cm grosse Oligometastase mit &gt;90 % Nekrose (prognostisch ung&uuml;nstig). Bereits f&uuml;nf Monate sp&auml;ter wurde eine metastatische Progression, mit Beteiligung mehrerer Lymphknoten und mit pulmonalen sowie hepatischen Metastasen, festgestellt. Der Patient war dabei jedoch asymptomatisch.<br /> Aufgrund der ungew&ouml;hnlichen Korrelation zwischen einem zweifachen Pneumothorax in der Vorgeschichte und einem RCC wurde eine genetische Pr&auml;disposition vermutet und schliesslich ein Birt- Hogg-Dub&eacute;-Syndrom diagnostiziert. Diese seltene, autosomal dominant vererbte St&ouml;rung ist durch kutane Ver&auml;nderungen (Fibrofollikulome, nicht bei allen Betroffenen zu finden) und das Auftreten von Lungenzysten, Pneumothorax und Nierentumoren charakterisiert. Der vorgestellte Patient erhielt im weiteren Verlauf seiner Erkrankung nacheinander vier systemische Therapien (Sunitinib, Nivolumab, Everolimus, Lenvatinib + Everolimus), jeweils bis zum unterschiedlich rasch eintretenden Progress. Nach einer raschen klinischen Verschlechterung unter der Viertlinientherapie musste im November 2017 eine palliative Behandlung eingeleitet werden.<br /> Zum Abschluss des Symposiums wies Dr. med. Dominik Berthold, Universit&auml;tsspital Lausanne, darauf hin, dass das RCC Net fach&auml;rztlichen Kollegen die Option anbietet, ihre Nierenzellkarzinompatienten einem spezialisierten interdisziplin&auml;ren Tumorboard vorzustellen. Das Tumorboard bespricht den Fall des Patienten und gibt anschliessend eine Therapieempfehlung ab.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: Drittes interdisziplinäres Nierenzellkarzinom-Symposium, 9. November 2017, Zürich </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Motzer RJ et al.: Survival and prognostic stratification of 670 patients with advanced renal cell carcinoma. J Clin Oncol 1999; 17: 2530-40 <strong>2</strong> Jonasch E et al.: Phase II study of alternate sunitinib schedule in patients with metastatic renal cell carinoma. J Clin Oncol 2017; 35(Suppl): Abstract 4513 <strong>3</strong> Basappa NS et al.: Individualized treatment with sunitinib versus standard dosing with sunitinib or pazopanib in patients with metastatic renal cell carcinoma (mRCC): results from the Canadian Kidney Cancer information system (CKCis). J Clin Oncol 2017; 35 (Suppl): Abstract e16078 <strong>4</strong> Choueiri TK et al.: Cabozantinib versus sunitinib as initial targeted therapy for patients with metastatic renal cell carcinoma of poor or intermediate risk: The Alliance A031203 CABOSUN trial. J Clin Oncol 2017; 35: 591-97 <strong>5</strong> www.fda.gov/Drugs/InformationOnDrugs/ ApprovedDrugs/ucm589842.htm <strong>6</strong> Escudier B et al.: CheckMate 214: Efficacy and safety of nivolumab + ipilimumab (N+I) v sunitinib (S) for treatment-na&iuml;ve advanced or metastatic renal cell carcinoma (mRCC), including IMDC risk and PD-L1 expression subgroups. 42nd ESMO Congress, 8.&ndash;12. September 2017, Madrid/Spanien. Abstract LBA5 <strong>7</strong> Van Tilborg AA et al.: Long-term results of radiofrequency ablation for unresectable colorectal liver metastases: a potentially curative intervention. Br J Radiol 2011; 84: 556-65 <strong>8</strong> Mostafa EM et al.: Optimal strategies for combining transcatheter arterial chemoembolization and radiofrequency ablation in rabbit VX2 hepatic tumors. J Vasc Interv Radiol 2008; 19: 1740-8 <strong>9</strong> de Ba&egrave;re T et al.: Midterm local efficacy and survival after radiofrequency ablation of lung tumors with minimum follow-up of 1 year: prospective evaluation. Radiology 2006; 240(2): 587-96 <strong>10</strong> Deschamps F et al.: Percutaneous osteosynthesis in the pelvis in cancer patients. Eur Radiol 2016; 26: 1631-9 <strong>11</strong> Volpe A et al.: Chromophobe renal cell carcinoma (RCC): oncological outcomes and prognostic factors in a large multicentre series. BJU Int 2012; 110: 76-83</p> </div> </p>
Back to top