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Pech gehabt – Krebs bekommen!

The Bad Luck of Cancer

<p class="article-intro">Im März dieses Jahres erschien in der Fachzeitschrift „Science“ ein Artikel, der von dem renommierten Krebsspezialisten Bert Vogelstein, dem Biostatistiker Cristian Tomasetti und dem PhD-Studenten Lu Li verfasst wurde.<sup>1</sup> Der Tenor der Arbeit war, dass viele Krebsarten das Ergebnis von Kopierfehlern aus der normalen DNA-Replikation von Stammzellen sind und in viel geringerem Ausmaß durch Umweltfaktoren und Vererbung verursacht sind.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Diese Publikation ist eine Fortf&uuml;hrung der ersten Arbeit, die 2015 in &bdquo;Science&ldquo; erschienen ist. Beide Arbeiten haben sowohl in der Fach- als auch Laienpresse eine breite Diskussion hervorgerufen. Die Erkenntnis der ersten Studie &bdquo;Krebs ist biologisches Pech&ldquo; beruht auf einem mathematischen Modell, das die Wahrscheinlichkeit, Krebs zu entwickeln, mit bekannten krebsausl&ouml;senden Konsumfaktoren/Lebensgewohnheiten (Rauchen, Alkohol, rotes Fleisch etc.) in Beziehung setzte.<br /> Je mehr Zellen sich in einem Organ teilen und je h&auml;ufiger sie es tun, desto h&ouml;her ist das Krebsrisiko auf Basis der Mutationen, die bei DNA-Replikationen auftreten. Diese Arbeitshypothese galt es zu untersuchen.<br /><br /> In der neuen Studie analysierten die Autoren die Daten der Genom-Sequenzierung in Kombination mit epidemiologischen Daten von 32 Krebsarten. Miteinbezogen waren diesmal auch Brust- und Prostatakrebs, die in der ersten Analyse nicht ber&uuml;cksichtigt worden waren. In der neuen Arbeit sind 423 internationale Datenbasen aus 69 L&auml;ndern/Staaten von insgesamt 4,8 Milliarden Menschen und damit von zwei Dritteln der Weltbev&ouml;lkerung analysiert worden. Wie in der ersten Studie wurden danach die Zellteilungsraten in verschiedenen humanen Geweben bestimmt und mit der &bdquo;Lifetime&ldquo;-Inzidenz von 17 Krebsarten gleichgesetzt bzw. korreliert. Die Forscher zogen aus ihrem mathematischen Modell jetzt den Schluss, dass 66 % aller krebsverursachenden Mutationen zuf&auml;lligen Fehlern zuzuordnen sind, die in gesunden, sich teilenden Zellen w&auml;hrend der DNA-Replikation entstehen.<br /><br /> Die provokante Folgerung der Autoren war, dass die meisten Krebsf&auml;lle daher nicht verhindert werden k&ouml;nnen, da sie &bdquo;biologisches Pech&ldquo; sind. Nach ihren Berechnungen sind nur bis zu 29 % der Krebserkrankungen durch Umweltfaktoren (Rauchen, Sonneneinwirkung etc.) und etwa 5 % durch Vererbung entstanden. Die Autoren betonten jedoch erneut, dass mehrere Mutationen f&uuml;r die Entstehung von Krebs notwendig sind.<br /> Eine weitere Folgerung war aber, dass das Environment &ndash; wie z.B. das Rauchen beim Lungenkarzinom &ndash; sehr wohl ein Hauptfaktor bei der Krebsentstehung ist und hier nur 10 % der Karzinome auf spontanen Mutationen beruhen.<br /><br /> Es ist erwiesen, dass ein &bdquo;gesunder&ldquo; Lebensstil (Nichtrauchen, Sonne ohne Reue, wenig Alkohol, gesunde Ern&auml;hrung, Sport, Vermeidung von Adipositas etc.) das Ausma&szlig; der Entz&uuml;ndungen im Gewebe und auch die Exposition gegen&uuml;ber Kanzerogenen vermindern und somit das Krebsrisiko innerhalb einer Population reduzieren kann. Es ist jedoch schwer festzustellen, welche Einzelperson von diesen Ma&szlig;nahmen profitiert, da immer ein Background-Risiko durch andere unvorhersehbare Faktoren besteht. Tatsache ist aber, dass die weltweit h&auml;ufigsten Krebsformen in klarem Zusammenhang mit der Exposition von gewissen Umwelt- und Lebensstilfaktoren stehen und diese Erkrankungen daher durch entsprechende Ma&szlig;nahmen verringert werden k&ouml;nnen.<br /><br /> Die Autoren &auml;u&szlig;erten in ihrer Publikation abschlie&szlig;end die Meinung, dass sich die aktuelle Forschung nicht nur der prim&auml;ren Pr&auml;vention widmen soll, sondern finanzielle und personelle Ressourcen vermehrt auch in der Krebsfr&uuml;herkennung &ndash; der sekund&auml;ren Pr&auml;vention &ndash; eingesetzt werden sollen, da in diesem Bereich seit Jahrzehnten Stillstand herrscht!</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Tomasetti C et al: Stem cell divisions, somatic mutations, cancer etiology, and cancer prevention. Science 2017; 355(6331): 1330-4</p> </div> </p>
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