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The Bad Luck of Cancer
Jatros
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Michael Micksche
Ehem. Leiter des Instituts für Krebsforschung, MedUni Wien<br> E-Mail: michael.micksche@meduniwien.ac.at
30
Min. Lesezeit
25.05.2017
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<p class="article-intro">Im März dieses Jahres erschien in der Fachzeitschrift „Science“ ein Artikel, der von dem renommierten Krebsspezialisten Bert Vogelstein, dem Biostatistiker Cristian Tomasetti und dem PhD-Studenten Lu Li verfasst wurde.<sup>1</sup> Der Tenor der Arbeit war, dass viele Krebsarten das Ergebnis von Kopierfehlern aus der normalen DNA-Replikation von Stammzellen sind und in viel geringerem Ausmaß durch Umweltfaktoren und Vererbung verursacht sind.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Diese Publikation ist eine Fortführung der ersten Arbeit, die 2015 in „Science“ erschienen ist. Beide Arbeiten haben sowohl in der Fach- als auch Laienpresse eine breite Diskussion hervorgerufen. Die Erkenntnis der ersten Studie „Krebs ist biologisches Pech“ beruht auf einem mathematischen Modell, das die Wahrscheinlichkeit, Krebs zu entwickeln, mit bekannten krebsauslösenden Konsumfaktoren/Lebensgewohnheiten (Rauchen, Alkohol, rotes Fleisch etc.) in Beziehung setzte.<br /> Je mehr Zellen sich in einem Organ teilen und je häufiger sie es tun, desto höher ist das Krebsrisiko auf Basis der Mutationen, die bei DNA-Replikationen auftreten. Diese Arbeitshypothese galt es zu untersuchen.<br /><br /> In der neuen Studie analysierten die Autoren die Daten der Genom-Sequenzierung in Kombination mit epidemiologischen Daten von 32 Krebsarten. Miteinbezogen waren diesmal auch Brust- und Prostatakrebs, die in der ersten Analyse nicht berücksichtigt worden waren. In der neuen Arbeit sind 423 internationale Datenbasen aus 69 Ländern/Staaten von insgesamt 4,8 Milliarden Menschen und damit von zwei Dritteln der Weltbevölkerung analysiert worden. Wie in der ersten Studie wurden danach die Zellteilungsraten in verschiedenen humanen Geweben bestimmt und mit der „Lifetime“-Inzidenz von 17 Krebsarten gleichgesetzt bzw. korreliert. Die Forscher zogen aus ihrem mathematischen Modell jetzt den Schluss, dass 66 % aller krebsverursachenden Mutationen zufälligen Fehlern zuzuordnen sind, die in gesunden, sich teilenden Zellen während der DNA-Replikation entstehen.<br /><br /> Die provokante Folgerung der Autoren war, dass die meisten Krebsfälle daher nicht verhindert werden können, da sie „biologisches Pech“ sind. Nach ihren Berechnungen sind nur bis zu 29 % der Krebserkrankungen durch Umweltfaktoren (Rauchen, Sonneneinwirkung etc.) und etwa 5 % durch Vererbung entstanden. Die Autoren betonten jedoch erneut, dass mehrere Mutationen für die Entstehung von Krebs notwendig sind.<br /> Eine weitere Folgerung war aber, dass das Environment – wie z.B. das Rauchen beim Lungenkarzinom – sehr wohl ein Hauptfaktor bei der Krebsentstehung ist und hier nur 10 % der Karzinome auf spontanen Mutationen beruhen.<br /><br /> Es ist erwiesen, dass ein „gesunder“ Lebensstil (Nichtrauchen, Sonne ohne Reue, wenig Alkohol, gesunde Ernährung, Sport, Vermeidung von Adipositas etc.) das Ausmaß der Entzündungen im Gewebe und auch die Exposition gegenüber Kanzerogenen vermindern und somit das Krebsrisiko innerhalb einer Population reduzieren kann. Es ist jedoch schwer festzustellen, welche Einzelperson von diesen Maßnahmen profitiert, da immer ein Background-Risiko durch andere unvorhersehbare Faktoren besteht. Tatsache ist aber, dass die weltweit häufigsten Krebsformen in klarem Zusammenhang mit der Exposition von gewissen Umwelt- und Lebensstilfaktoren stehen und diese Erkrankungen daher durch entsprechende Maßnahmen verringert werden können.<br /><br /> Die Autoren äußerten in ihrer Publikation abschließend die Meinung, dass sich die aktuelle Forschung nicht nur der primären Prävention widmen soll, sondern finanzielle und personelle Ressourcen vermehrt auch in der Krebsfrüherkennung – der sekundären Prävention – eingesetzt werden sollen, da in diesem Bereich seit Jahrzehnten Stillstand herrscht!</p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Tomasetti C et al: Stem cell divisions, somatic mutations, cancer etiology, and cancer prevention. Science 2017; 355(6331): 1330-4</p>
</div>
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