© Nicole Heiling Photography

Mammakarzinom

10-jähriges Jubiläum der erfolgreichen Veranstaltungsreihe

2013 als Pilotprojekt initiiert, konnte sich das Post-SABCS-Meeting schnell als erfolgreiche Veranstaltung etablieren und es fand heuer bereits zum zehnten Mal statt. Es nahmen wiederum zahlreiche Teilnehmer*innen die Gelegenheit wahr, um sich über die rezentesten Erkenntnisse in der klinischen Brustkrebsforschung zu informieren. DieVortragsinhalte wurden im Anschluss von einer Expert*innenrunde diskutiert undihre Anwendbarkeit in der klinischen Praxis hinterfragt.

Zur Empfehlung von Trastuzumab-Deruxtecan (T-DXd) als Zweitlinientherapie für Patientinnen* mit HER2-positivem metastasiertem Mammakarzinom (MBC) hat der Nachweis der signifikanten Überlegenheit im progressionsfreies Überleben (PFS) im Head-to-Head-Vergleich mit T-DM1 (Trastuzumab Emtansin) in der Phase-III-Studie DESTINY-Breast03 (DB-03) geführt.1 In der offenen Phase-III-Studie DESTINY-Breast02 wurde T-DXd an T-DM-vortherapierten Patientinnen vs. TPC („Treatment of Physicians Choice“; Trastuzumab/Capecitabin oder Lapatinib/Capecitabin) untersucht und die signifikante Überlegenheit von T-DXd vs. den Prüfarm erneut bestätigt. Das Nebenwirkungsprofil ist nicht unbeachtlich, die mediane Zeitspanne bis zum Auftreten einer T-DXd-assoziierten „interstitial lung disease“ (ILD) lag bei 209,5 Tagen, die mediane Therapiedauer betrug 18,2 Monate.2

In der Phase-II-Studie TRIO-US B-12 TALENT wird T-DXd erstmals im neoadjuvanten Setting mit oder ohne Zusatz von Anastrozol bei Patientinnen (n=58) mit HER2-low HR+ metastasiertem Brustkrebs (MBC) untersucht. Aus den Interimsergebnissen geht hervor, dass T-DXd klinische Wirksamkeit gezeigt, der Zusatz von Anastrozol jedoch zu keinem zusätzlichen Benefit geführt hat.3

Kann (soll?) T-DXd (guten Gewissens) nach einer Therapiedauer von 12–18 Monaten beendet werden? Oder nur bei entsprechender Toxizität?

Marija Balic: Die Frage stellt sich nicht – die Therapie wurde tatsächlich aufgrund von Toxizitäten abgebrochen und so würde ich auch vorgehen: Wenn eine Toxizität limitierend ist, mache ich eine Therapieunterbrechung und setze erst bei entsprechender Rückbildung fort. Fakt ist, wir haben es mit einer toxischen Substanz zu tun, bei der im klinischen Alltag immer wieder Therapieunterbrechungen erforderlich sind.

Sollte eine laufende Hormontherapie während T-DXd nun – sicher ist sicher – abgesetzt werden?

Christian Singer: Das Studiendesign ist dahingehend konzipiert, T-DXd sehr früh in der neoadjuvanten Therapie einzusetzen. Die Ansprechraten von rund 60% waren doch beeindruckend und zeigen, dass T-DXd ins neoadjuvante Setting gehört. Ich glaube, die Kombination mit einer endokrinen Therapie (ET) ist nicht sinnvoll, wobei die Zahlen allerdings zu klein sind, um daraus Schlüsse zu ziehen.

Gabriel Rinnerthaler: Wir werden immer Kombinationssubstanzen benötigen. Die Frage ist vielmehr die Art der Kombination und der Sequenz. Es ist jedenfalls ein positiver Hinweis, dass man so hohe pCR(pathologische Komplettremission)-Raten erreichen kann.

Nun haben wir uns über viele Jahre daran gewöhnt, dass im Pathologiebericht steht: „HER2-Überexpression +++, ++, +“, um zu wissen, ob der HER2-Status eine klinische Relevanz hat. Gerät jetzt alles ins Wanken? „HER2 positiv/amplifiziert, low, negativ“, wird das die neue Einteilung sein?

Sigurd Lax: Den Begriff „HER2 low“ ist ja schon mit der Publikation von Denkert (mit der German Breast Group)4 vor ca. 1,5 Jahren eingeführt worden. Ich habe einen pragmatischen Zugang zu dem Begriff; in der Literatur ist sehr klar definiert, was darunter zu verstehen ist.

<< Das zu bestrahlende Brustareal wird immer kleiner, es wird immer noch zielgerichteter – im Sinne von um das relevante Brustareal fokussiert – bestrahlt. Bis auf einige Ausnahmen wird die Bestrahlung der gesamten Brust bald obsolet sein.>>
D. Kauer-Dorner, Wien

Die meisten Patholog*innen haben bereits davor die Definition den aktuellen Guidelines5 der „American Society of Clinical Oncology“ (ASCO) und „College of American Pathologists“ (CAP) entnommen. Diese Definitionen sind also bereits gegeben. Das, was jetzt geschieht, ist ein ganz natürlicher wissenschaftlicher Prozess. Wenn der Begriff in der derzeitigen Diagnostik verwendet wird – wir haben ihn bereits eingeführt –, ist er ja klar definiert und wir haben somit gute Standards bis zur Revision der ASCO/CAP-Guidelines.5 Zudem muss HER2/neu ohnedies auch immer wieder durch Ringversuche validiert werden. Es gibt zwei neue Assays für die HER2-Testung; Einer davon ist hinsichtlich des „Low“-Status sensitiver und möglicherweise auch hinsichtlich einer Amplifikation.

In der Studie OPBC-04/EUBREAST-06/OMA wurden die Outcomes nach Sentinel-lymphknotenbiopsie (SLNB) bzw. „targeted axillary dissection („TAB“) bei Patientinnen mit dem Nachweis eines Downstagings einer Lymphknoten(LN)-Positivität zu einer LN-Negativität nach einer neoadjuvanten Chemotherapie untersucht. Dabei war die Rate einer axillären Rezidivierung nach drei Jahren unter beiden Vorgehensweisen vergleichbar (0,8 vs. 0,5%; p=0,55).6

Ist die Zeit reif, bei Erreichen einer pCR nach neoadjuvanter Therapie komplett auf eine Axilladissektion zu verzichten?

Christian Singer: Diese Studienergebnisse sind wieder ein Hinweis mehr, dass bei Remission in der Axilla nach Therapie die klassische Axilladissektion wahrscheinlich nicht mehr erforderlich ist. Ob es eine „targeted surgery“ oder eine SL-Biopsie sein kann, ist ja in dieser Studie untersucht worden. Man muss aber auch beachten, dass die Nachbeobachtungszeit relativ kurz ist. D.h., es gilt noch vorsichtig zu sein, aber es ist zunehmend ein Trend dahingehend zu verzeichnen. Das merke ich auch bei mir, da ich bei älteren, multimorbiden Patientinnen nicht mehr viel über die Axilla nachdenke. Diese hat für mich lokaltherapeutisch keinen Mehrwert.

<< Möglichkeiten des Einsatzes der ctDNA sind in der Neoadjuvanz, durch das Abfallen eine pCR vorauszusagen, und in der Adjuvanz, subklinische Metastasen zu detektieren.>>
C. Singer, Wien

In Fällen, bei denen wir eine Konversion feststellen, können wir zunehmend zurückhaltend sein. Hinsichtlich Radiatio müssen wir mit den Strahlentherapeut*innen auf einen gemeinsamen Nenner kommen. Im Prinzip deutet vieles darauf hin, dass wir bei einem initial positiven LN, der geclippt wird und dann nach Entfernung histologisch negativ ist, davon ausgehen können, dass die neoadjuvante Chemotherapie es geschafft hat, eine Negativität herbeizuführen. Ich würde dann auch entsprechend weniger aggressiv operieren. Ein wenig an prognostischer Information geht uns dann allerdings schon verloren, wenn wir nur mehr einen LN entfernen, und der ist negativ. Wir wissen nicht, wie wir das einschätzen können, das muss man ganz offen sagen.

Daniela Kauer-Dorner: Die periklavikulare Bestrahlung/Bestrahlung der Axilla haben wir vor 20 Jahren gelernt. Mittlerweile können wir mittels Magnetresonanz(MR)- bzw. Computertomografie(CT)-gezielter Konturierung die einzelnen Läsionen unterscheiden. Weil ich vom Chirurgen/von der Chirurg*in genau über den OP-Verlauf informiert werde, und wenn ich weiß, dass der SLN exzidiert oder eine Axialladissektion durchgeführt worden ist, lasse ich das aus. Wenn, dann wird das lokoregionäre Lymphabflussgebiet bestrahlt und dabei ist klar zu beobachten, dass die Radiatio-assoziierte Morbidität der Lymphödeme reduziert wird.

Der neue Standard für die Bestrahlung sind 3 Wochen (5-malige Applikation pro Woche) und es gibt jetzt neue Entwicklungen: Bei moderater Hypofraktionierung sind es zwei Wochen, das läuft hervorragend.

Das zu bestrahlende Brustareal wird immer kleiner, es wird immer noch zielgerichteter – im Sinne von um das relevante Brustareal fokussiert – bestrahlt. Bis auf einige Ausnahmen wird die Bestrahlung der gesamten Brust bald obsolet sein.

Leon-Ferre et al. haben eine gepoolte Analyse durchgeführt und die prognostische Aussagekraft von stromalen Tumor-infiltrierenden Lymphozyten (TIL) bei 1966 Patientinnen mit tripelnegativem Mammakarzinom untersucht (medianes Follow-up [FU]: 30,4 Jahre). Dabei konnten sie die stromalen TIL als prognostischen Faktor in einer multivariablen Analyse bestätigen (Odds-Ratio: 10–6).7

Wo sehen Sie den Stellenwert der „liquid biopsy“ in der Therapie des Mammakarzinoms?

Günther Steger: Meines Erachtens sind TIL immer noch nicht „ready for prime time“, weil es zusätzlich zu den heterogenen TIL-Populationen zu heterogene Aussagen gibt. Was mich bei dieser einen Studie wundert, ist, dass eine TIL-Infiltration von >50% prognostisch war, denn es gibt auch andere Daten, die zeigen, dass nur 5–10% aller Tumoren >15% TIL aufweisen, die meisten Tumoren haben <5, <10 oder <15%.

Simon Gampenrieder: Das Problem bei den TIL ist es, dass sie mit einem Bias behaftet sind. Dass TIL prognostisch sind, hat sich ziemlich stark gezeigt, und Patientinnen, die eine hohe TIL-Last haben, profitieren auch in höherem Ausmaß von der Chemotherapie. Das macht das Ganze etwas schwierig: Könnte man Patientinnen mit hohem TIL-Level eine Chemotherapie ersparen? Und gleichzeitig sind es jene, die davon am meisten profitieren. Also, ich glaube, TIL könnten (à la longue) routinemäßig erfasst werden.

Marija Balic: Ich bin nicht der Meinung, dass TIL derzeit einen Standard ausmachen. Es gab eine Zeit lang einen Hype um sie, aber sie wurden komplett aus der Routine zurückgezogen. Die Studien in diesem Setting hinken einfach hinterher.

Im Gegensatz zu den TIL werden die ctDNA-Testungen zunehmend an Relevanz gewinnen. Wir haben schon die ersten Daten aus einer Phase-I-Studie, außerdem läuft die SERENA-6-Studie**. Hier gibt es schon große Hoffnungen, dass die ctDNA-Ergebnisse unterstützend sein werden, v.a. mit dem Einzug der „selective estrogen receptor degrader“ (SERD).

Michael Gnant: In den Studien ABCSG-61 und -65 werden begleitend ctDNA-Untersuchungen im Rahmen eines Monitorings durchgeführt werden.

<< Wir können jetzt evidenzbasiert ein ‚window of opportunity‘ öffnen, damit sich betroffene Paare einen Lebenswunsch erfüllen. Die Lehrbücher, in denen steht: ‚Wenn man eine Brustkrebs-diagnose erhält, kann man sich den Kinderwunsch abschminken‘, sind obsolet.>>
M. Gnant, Wien, über den POSITIVE-Trial ,

Christian Singer: Wir sammeln natürlich an der Klinik ctDNA, jedoch ohne jegliche klinische Relevanz, es handelt sich um einen rein wissenschaftlichen Ansatz. Möglichkeiten des Einsatzes der ctDNA sind in der Neoadjuvanz, durch das Abfallen eine pCR vorauszusagen, und in der Adjuvanz, subklinische Metastasen zu detektieren. Letzteres aber nur, wenn das auch nachweislich einen Benefit für die Patientinnen mit sich bringt. Die Studien, die das zeigen sollen, sind jetzt in Gange. Ich glaube, das ist ein sehr spannender Ansatz, weil wir die subklinische Erkrankung früher erkennen und vielleicht früher eine Therapie beginnen können, und natürlich auch die klassische Responsebeurteilung im metastasierten Setting, was man beispielsweise anhand des Ovarialkarzinoms sehr gut zeigen kann. Wenn sich das in den Bereich des Mammakarzinoms übersetzen lässt, kommen wir vielleicht vom repetitiven Biopsieren, CT-Untersuchungen etc. weg, hin zu einer viel eleganteren und sensitiveren Erkennung einer Metastasierung. Das ist das Spannungsfeld, in dem wir uns noch befinden. Zurzeit sind wir in der Phase der Generierung von Daten ohne die Konsequenz einer klinischen Entscheidung.

Basierend auf der Hypothese, dass eine temporäre Unterbrechung der ET aufgrund eines Schwangerschaftswunsches zu keiner Verschlechterung der Outcomes in Hinsicht auf ein Brustkrebsrezidiv führt, wurde die Studie POSITIVE8 durchgeführt. Die Analyse wurde bei Patientinnen mit Kinderwunsch im Alter von ≤42 Jahren (im Median: 37 Jahre) durchgeführt, die bereits 18–30 Monate eine ET eingenommen hatten. Die „Washout“-Periode betrug 3 Monate, die Unterbrechung der ET war für 2 Jahre festgesetzt. Als primärer Endpunkt war das Brustkrebs-freie Intervall (BCFI) definiert. Die Ergebnisse wurden mit jenen der Kohorten aus den Studien SOFT9 und TEXT10 verglichen.

Nach einem medianen FU von 41 Monaten wurde nur bei 44 der 516 Frauen ein BCFI-Ereignis verzeichnet. Insgesamt fanden sich keine signifikanten Unterschiede im BCFI und fernmetastasenfreies Überleben (DRFI) zu jenen aus SOFT und TEXT.8

Michael Gnant: Eine ET-Unterbrechung aufgrund von Schwangerschaftswunsch wird zwar schon in der klinischen Praxis durchgeführt, aber jetzt liegen erstmals Daten aus der klinischen Studie POSITIVE vor, die Christine Deutschmann in ihrem Vortrag als „Highlight von San Antonio“ bezeichnet hat. Wir können jetzt evidenzbasiert ein „window of opportunity“ öffnen, damit sich betroffene Paare einen Lebenswunsch erfüllen. Die Lehrbücher, in denen steht: „Wenn man eine Brustkrebs-Diagnose erhält, kann man sich den Kinderwunsch abschminken“, sind obsolet.

Christian Singer: Das ist tatsächlich eine wichtige Studie. Selbst, wenn herausgekommen wäre, dass BCFI und DRFI etwas höher wären, würde das viele Frauen nicht davor abschrecken, schwanger zu werden. Insgesamt ist das eine sehr gute Nachricht für Frauen, die schwanger werden wollen, dass sie es können und dass sie es auch werden. Das hat mich so beeindruckt an dieser Studie. Es ist das Recht jeder Frau und es ist auch wichtig, dass man Frauen die Angst davor nimmt, schwanger zu werden. Es gibt auch eine natürliche Selektion, indem die prognostischen Parameter jener Frauen, die sich für eine Schwangerschaft entscheiden, günstiger sind als bei jenen, die nicht schwanger werden.

* Gemeint sind vorrangig biologische Frauen, eingeschlossen sind zum Teil aber auch biologische Männer.

** In der zurzeit laufenden ctDNA-gelenkten doppelblinden randomisierten Phase-III-Studie SERENA-6 wird der frühzeitige Umstieg auf den SERD Camizestrant in Kombination mit einem CDK4/6-Inhibitor vs. die Fortsetzung einer Therapie mit einem Aromataseinhibitor und einem CDK4/6-Inhibitor bei HR+ MBC-Patientinnen mit dem Nachweis einer ESR1-Mutation untersucht, die unter der Erstlinien-ET keine Progression entwickeln.

10. Post-SABCS-Meeting, 13. Jänner 2023, Wien

1 Cortés J et al.: N Engl J Med 2022; 386: 1143-54 2 Krop I et al.: SABCS 2022; Abstr. #GS2-01 3 Hurvitz S et al.: SABCS 2022, Abstr. #GS2-03 4 Denkert C et al.: Lancet Oncol 2021; 22: 1151-61 5 https://www.cap.org/protocols-and-guidelines/cap-guidelines/current-cap-guidelines/recommendations-for-human-epidermal-growth-factor-2-testing-in-breast-cancer (Zugriff: 9. Februar 2023) 6 Montagna G et al.: SABCS 2022; Abstr. #GS4-02 7 Leon-Ferre R et al.: SABCS 2022; Abstr. #PD9-05 8 Partridge AH et al.: SABCS 2022; Abstr. #GS4-09 9 Prudence A et al.: N Engl J Med 2015; 372: 436-46 10 Prudence A et al.: N Engl J Med 2018; 379: 122-137

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