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Rektumkarzinom: hochauflösende MRT und Einsatzmöglichkeiten für das PET/MRT
Jatros
Autor:
Priv.-Doz. Dr. Dietmar Tamandl
Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin<br> Medizinische Universität Wien<br> E-Mail: dietmar.tamandl@meduniwien.ac.at
30
Min. Lesezeit
21.09.2017
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<p class="article-intro">Das kolorektale Karzinom ist mit ca. 5000 Neuerkrankungen jährlich in Österreich die dritthäufigste Krebserkrankung – ein Drittel dieser Karzinome sind im Rektum lokalisiert. Aufgrund der anatomischen Gegebenheiten wird bei neu diagnostiziertem Rektumkarzinom zusätzlich zum üblichen Staging-CT des Abdomens und Thorax sowie der Koloskopie ein exaktes lokoregionäres Staging verlangt. Die hochauflösende MRT (HR-MRT) hat sich in diesem Bereich als Untersuchung der Wahl etabliert und wird daher in allen Guidelines für die primäre Abklärung des Rektumkarzinoms empfohlen.<sup>1</sup></p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die HR-MRT wird zum lokoregionären Staging für alle neu diagnostizierten Rektumkarzinome empfohlen.</li> <li>Die HR-MRT ermöglicht die individuelle Therapieplanung basierend auf etablierten Risikofaktoren für Lokalrezidiv und Fernmetastasen.</li> <li>Nach neoadjuvanter Therapie können mit der MRT zusätzlich zur klinischen Untersuchung Patienten mit gutem oder komplettem Tumoransprechen identifiziert werden, denen neue Therapiepfade neben der klassischen Operation angeboten werden können.</li> <li>Der Einsatz von Hybridverfahren wie PET/MRT wird derzeit in Studien getestet und kann das Staging des Primums sowie etwaiger Fernmetastasen ergänzen.</li> </ul> </div> <h2>Hochauflösende MRT</h2> <p>Als HR-MRT wird eine MRT-Technik bezeichnet, mit der eine exakte anatomische Darstellung des Tumors ermöglicht wird und zusätzlich weitere Risikofaktoren für Lokalrezidive bzw. Fernmetastasen evaluiert werden können. Dazu ist es erforderlich, dünne Schichten von maximal 3mm Schichtdicke zu generieren und eine räumliche Auflösung von etwa 1mm<sup>3</sup> pro Voxel zu erreichen, was auf derzeit üblichen 1,5-T- und 3-T-Geräten unter Verwendung eines dezidierten Protokolls möglich ist. Die Verwendung von endorektalen Spulen ist nicht mehr erforderlich, was die Akzeptanz der Untersuchung verbessert hat. Obwohl intravenöse Kontrastmittelgabe und endorektale Gelfüllung laut Guidelines nicht als notwendig erachtet werden, führen wir dies jedoch an der MUW routinemäßig durch, weil die Tumorabgrenzung dadurch verbessert wird und beide Maßnahmen von den Patienten gut toleriert werden.<br />Im ersten Schritt erfolgt die anatomische Beschreibung inklusive Angabe der Tumorlänge, der Höhe ab ano sowie des Bezugs zum Sphinkterapparat, was in der chirurgischen Planung von entscheidender Bedeutung ist. Weiters kann die Zugänglichkeit des Beckens beurteilt (enges Becken bei Männern mit erschwertem Zugang zu tiefen Karzinomen) sowie eine Nahebeziehung des Tumors zu Nachbarorganen wie Harnblase, Vagina oder Prostata abgeklärt werden.</p> <h2>Prätherapeutische Risikostratifizierung mit HR-MRT</h2> <p>Die wichtigste Festlegung ist die Einschätzung des T-Stadiums, welche durch die HR-MRT mit einer Sensitivität von bis zu 86 % gelingt. Für frühe Stadien (T1/2), welche im MRT erkannt, aber nicht näher differenziert werden können, empfiehlt sich die zusätzliche Durchführung einer endorektalen Sonografie, um ganz frühe Stadien (T1a/sm1), welche möglicherweise für eine transanale Abtragung qualifizieren, zu erkennen. Alle anderen Karzinome sollten wegen des rasch ansteigenden Risikos einer Lymphknotenmetastasierung einer chirurgischen Therapie (totale mesorektale Exzision, TME) zugeführt werden. Tumoren mit intermediärem Risiko (T3a und b, sehr tiefe T2-Tumoren, fragliche N+-Tumoren) können entweder direkt operiert werden oder mittels Kurzzeit-Radiotherapie vorbehandelt werden. Tumoren, die weit ins Mesorektum reichen (Stadium T3c und höher), sowie jene, welche die mesorektale Faszie erreichen, haben ein drastisch erhöhtes Lokalrezidivrisiko und werden üblicherweise mit einer Langzeit-Chemoradiotherapie (CRT) behandelt, um bei der TME eine Resektion mit negativem zirkumferentiellem Resektionsrand (CRM) zu ermöglichen und das Risiko für ein Lokalrezidiv zu reduzieren. Mit der MRT kann mit einer hohen Wahrscheinlichkeit (NPV 94 % ) ein negativer CRM vorhergesagt werden, bzw. es können Tumoren identifiziert werden, die nahe an den CRM heranreichen oder diesen gar überschreiten. Die Konkordanz zwischen MRT und Pathologie des endgültigen Präparates beträgt dabei 92 % (Abb. 1). <br />Die Beurteilung der Lymphknotenmetastasierung ist in allen diagnostischen Modalitäten schwierig, weil bis zu 50 % der befallenen Lymphknoten kleiner als 5mm sind und daher die üblichen Größenkriterien für Lymphknotenmetastasen beim Rektumkarzinom nicht angewendet werden können (PPV=62 % ). Es empfiehlt sich die zusätzliche Einbeziehung von Form, Begrenzung und Beurteilung der internen Lymphknotenstruktur, um die diagnostische Genauigkeit etwas anzuheben – diese bleibt aber nach wie vor nicht zufriedenstellend. Aus diesem Grund können zwar Patienten mit eindeutig suspekten Lymphknoten der Hochrisikogruppe zugeordnet werden, es bleibt aber eine diagnostische Restunsicherheit bei kleinen Lymphknoten unklarer Dignität, sodass eine Einstufung in höhere Risikogruppen mit Vorsicht erfolgen sollte.<br />Extramurale Gefäßinvasion (EMVI) liegt vor, wenn Tumorausläufer im Mesorektum entlang oder innerhalb von Gefäßen nachweisbar sind. Dies ist ein relevanter und unabhängiger Risikofaktor für die Entwicklung von Fernmetastasen, aber auch Lokalrezidiven (3,7-fach erhöhtes Risiko für Entwicklung von Fernmetastasen innerhalb des ersten Jahres) und kann im MRT verlässlich festgestellt werden. An manchen Institutionen werden diese Patienten aufgrund des hohen Rezidivrisikos bereits vor Resektion einer systemischen Chemotherapie zugeführt.<br />Die Risikostratifizierung mithilfe des MRT ist in Abbildung 2 laut Guidelines der European Society for Medical Oncology (ESMO) zusammengefasst.<sup>1</sup></p> <h2>Ansprechen auf neoadjuvante Therapie</h2> <p>Das zweite wichtige Einsatzgebiet der HR-MRT liegt im Restaging nach neoadjuvanter Therapie (meist Langzeit-CRT). Dieses sollte 6–8 Wochen nach Abschluss der Bestrahlung, vor einer etwaigen OP, erfolgen, um zu beurteilen, ob das chirurgische Ausmaß adaptiert werden kann oder ob ein sehr gutes Ansprechen mit kompletter (CR) oder fast kompletter klinischer Remission erzielt wurde. Hier kommen zunehmend diffusionsgewichtete Sequenzen zum Einsatz, welche die Sensitivität konventioneller T2w-Sequenzen deutlich anheben können (von ca. 50 % auf über 80 % ). Die Wahrscheinlichkeit für eine CR wird je nach Institution mit etwa 25 % angegeben und sollte in Zusammenschau mit dem klinischen Palpationsbefund, der Endoskopie sowie der HR-MRT (T2w und diffusionsgewichtete Sequenzen) beurteilt werden.<sup>2</sup> Die Kombination aller drei Modalitäten erreicht eine Nachtestwahrscheinlichkeit von 98 % für CR, das bedeutet, dass lediglich bei 2 % dieser Patienten, bei denen eine CR vermutet wird, noch Resttumor vorliegt. Falls nach CRT allerdings noch residuärer Tumor vermutet wird, besteht immer noch eine 15 % ige Chance auf eine histologische CR.<sup>2</sup> Für Patienten mit CR gibt es zunehmend Ansätze, entweder organerhaltend zu operieren oder überhaupt eine „Watch and wait“-Strategie mit engmaschigen Kontrollen zu verfolgen. Erste Kohortenstudien bzw. Registerdaten weisen auf die Möglichkeit hin, dass dieses differenzierte Vorgehen mit einem Gesamtüberleben (OS) von 87 % und einem lokalrezidivfreien Überleben von 78 % nach 3 Jahren onkologisch sicher ist.<sup>3</sup> Ergebnisse prospektiv-randomisierter Studien stehen noch aus, daher ist dieses Vorgehen noch nicht als klinischer Standard zu betrachten. Die HR-MRT ermöglicht zusätzlich zur klinisch-endoskopischen Beurteilung ein Monitoring hinsichtlich des Auftretens eines Rezidivs in der Nachbeobachtungsphase. Untersuchungen in größeren Kohorten und der Langzeitverlauf werden weitere Erkenntnisse auf diesem spannenden Gebiet liefern.</p> <h2>Potenzielle Einsatzbereiche für das PET/MRT</h2> <p>Das PET/MRT ermöglicht die gleichzeitige Durchführung einer HR-MRT-Untersuchung des Beckens mit einer Positronenemissionstomografie (PET). Obwohl in Studien zum Einsatz der PET oder PET/CT kein zusätzlicher Mehrwert im lokalen Staging gezeigt werden konnte, ist die gleichzeitige Darstellung von Anatomie und Funktion mit keiner anderen Methode so gut möglich wie mit der PET/MRT. Vielversprechend ist vor allem die Prädiktion des Ansprechens auf eine Radiochemotherapie (vor und nach Therapie) bzw. das Monitoring hinsichtlich eines Lokalrezidivs bei Patienten mit CR und Versuch des Organerhalts. Die Möglichkeit, das Staging des Rektumkarzinoms mit einer einzigen Ganzkörper-PET/MRT-Untersuchung durchzuführen, wird derzeit im Rahmen von Studien untersucht. Zusätzlich zur besseren Detektion von Lebermetastasen und entfernten Lymphknoten könnte ein zusätzlicher Mehrwert dieser Untersuchung in der Darstellung von Zweitkarzinomen bei nicht durchführbarer Koloskopie liegen. Die Detektion von Knochenmetastasen ist im Vergleich zum CT verbessert (Abb. 3), für die optimale Darstellung von Lungenmetastasen wird allerdings derzeit noch eine zusätzliche CT-Untersuchung des Thorax benötigt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1705_Weblinks_s91_1.jpg" alt="" width="686" height="904" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1705_Weblinks_s91_2.jpg" alt="" width="1762" height="607" /></p> <p><strong>Acknowledgment:</strong></p> <p>Die Untersuchungen wurden in Kooperation mit Prof. Dr. A. Haug und Prof. Dr. A. Ba-Ssalamah an der Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin der Medizinischen Universität Wien durchgeführt.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Glimelius B et al.: Rectal cancer: ESMO clinical practice guidelines for diagnosis, treatment and follow-up. Ann Oncol 2013; 24(6): vi81-8 <strong>2</strong> Maas M et al.: Assessment of clinical complete response after chemoradiation for rectal cancer with digital rectal examination, endoscopy, and MRI: selection for organ-saving treatment. Ann Surg Oncol 2015; 22(12): 3873-80 <strong>3</strong> Renehan AG et al.: Watch-and-wait approach versus surgical resection after chemoradiotherapy for patients with rectal cancer (the OnCoRe project): a propensity-score matched cohort analysis. Lancet Oncol 2016; 17(2): 174-83<br />Weitere Referenzen beim Autor<br /><br /></p>
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