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Paradigmenwechsel in der Brustchirurgie
Jatros
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Florian Fitzal
E-Mail: florian.fitzal@meduniwien.ac.at<br> Universitätsklinik für Chirurgie<br> Medizinische Universität Wien
Autor:
Dr. Kerstin Wimmer
E-Mail: kerstin.wimmer@meduniwien.ac.at
Autor:
Dr. Michael Bolliger
E-Mail: michael.bolliger@meduniwien.ac.at
30
Min. Lesezeit
28.02.2019
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<p class="article-intro">Nachdem die Brusterhaltungsrate zwischenzeitlich auf bis zu 90 % in einzelnen Jahren gestiegen ist, liegt sie nunmehr international bei 70 % aller Brustkrebsfälle. Insgesamt werden bis zu 35 % der Fälle auch schon onkoplastisch behandelt, also brusterhaltend mit Mastopexien, Reduktionen oder Brustentfernung mit Sofortrekonstruktion. Auch die neoadjuvante Chemotherapie hilft, die Rate an brusterhaltenden Operationen hoch zu halten. Dieser Artikel beleuchtet die letzten Neuerungen auf diesem Gebiet.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Neoadjuvante Chemotherapie kann die Brusterhaltungsrate deutlich erhöhen und die Reoperationsrate deutlich senken sowie das Ausmaß der axillären Operation reduzieren.</li> <li>Es ist onkologisch sicher, in den neuen Grenzen nach neoadjuvanter Chemotherapie zu operieren, ohne dabei das Lokalrezidivrisiko der Patientinnen zu erhöhen.</li> <li>Eine Wächterlymphknotenentnahme ist auch bei primär klinisch positivem, aber nach Chemotherapie negativem Lymphknotenstatus (cN1/ycN0) als Standard anzusehen.</li> <li>Möglicherweise kann in der Zukunft durch bioptischen Nachweis einer pCR nach Chemotherapie auf die Operation verzichtet werden.</li> <li>Onkoplastik wird nun immer öfter verwendet und erweitert das Repertoire des Brustchirurgen um eine ästhetisch ansprechende Technik, die onkologisch sicher ist.</li> <li>Die präpektorale Implantatrekonstruktion nach einer nippeloder hautsparenden Mastektomie ist immer öfter die Methode der Wahl, muss aber noch wissenschaftlich weiter erforscht werden.</li> </ul> </div> <h2>Neuerungen für Chirurgen nach der neoadjuvanten Chemotherapie – weniger ist mehr</h2> <p><strong>Bedeutung des Resektionsrandes nach der Chemotherapie</strong><br /> Im Idealfall führt eine neoadjuvante Chemotherapie, je nach Immuhistochemie, bei 30–80 % der Patientinnen zu einer kompletten pathologischen Remission (pCR). Auch durch das Schrumpfen des Tumors kann die Brusterhaltungsrate um über 40 % gesteigert werden,<sup>1</sup> die Notwendigkeit einer Reexzision sinkt um die Hälfte.<sup>2, 3</sup> Aus eigenen, noch nicht publizierten Daten können wir belegen, dass das Operieren in den neuen Grenzen, also nach neoadjuvanter Chemotherapie, unabhängig vom Resektionsrand, sicher ist, da es keine signifikanten Unterschiede im Lokalrezidivrisiko mit sich bringt.<sup>4, 5</sup><br /> Eine andere, neue Herangehensweise wurde 2015 von Heil et al. in einer Pilotstudie präsentiert. Hierbei wurde nach absolvierter Chemotherapie neuerlich eine Biopsie entnommen, um im Falle der Komplettremission auf die OP verzichten zu können und die pCR nur mittels Biopsie zu verifizieren. In der oben genannten Studie kam es im Durchschnitt jedoch zu relativ hohen falsch negativen Ergebnissen (47 % ), sodass hier noch keine eindeutige Empfehlung, die Operation als kurativen Ansatz auszulassen, gegeben werden kann (Tab. 1).<sup>6</sup> Vakuumassistierte radiologisch überprüfte Biopsien zeigen hier aber eine geringere Falsch-negativ-Rate (FNR: 4,4 % ) als normale Stanzbiopsien. Die Effizienz dieses Vorgehens soll nun in zwei großen prospektiven Multicenterstudien (RESPONDER in Deutschland und VISION I in Österreich und der Schweiz) überprüft werden.<sup>7</sup></p> <p><strong>Einfluss des Nodalstatus – ist eine Axilladissektion immer noch notwendig?</strong><br /> Eine partielle oder komplette Remission ist auch eine gute Möglichkeit, das Ausmaß der axillären Operation und somit auch die zu erwartende Morbidität einer Axilladissektion zu vermindern. Bei 30– 40 % der Patientinnen kommt es durch die Chemotherapie zu einer Änderung des Nodalstatus von cN1 zu ycN0(8). Intraoperativ kann somit bei eindeutiger Identifikation des Sentinellymphknotens von der Axilladissektion abgesehen werden, wenn der Wächterlymphknoten negativ ist. Eine niedrige falsch negative Entdeckungsrate ist durch duale Markierung (Nukleid/ Farbstoff) oder durch das Entfernen mindestens dreier Lymphknoten gesichert.<sup>9–11</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1901_Weblinks_jatros_onko_1901_s59_tab1.jpg" alt="" width="1419" height="1060" /></p> <h2>Die wachsende Rolle der Onkoplastik</h2> <p><strong>Bedeutung</strong><br /> Durch die gezielte Ausbildung von spezialisierten Brustchirurginnen und Brustchirurgen nimmt die Onkoplastik eine immer größere Rolle in der chirurgischen Therapie ein. Sie soll Patientinnen eine Erhöhung der Brusterhaltungsrate bei gleichzeitig besserer Kosmetik bieten, was wiederum zu einer Lebensqualitätserhöhung der betroffenen Patientinnen führen kann. Durch die größeren exzidierten Volumina ist zudem seltener eine Nachresektion notwendig, da die R1-Raten stark reduziert sind.<sup>12</sup> Auch bei vorangegangenen R1-Resektionen mit klassischen Operationsmethoden ist oftmals noch ein Operationserfolg dank onkoplastischer Techniken möglich. Mittlerweile kann man durch ausführliche OP-Atlanten Techniken für jede erdenkliche Position des Tumors in den Quadranten der Brust erlernen und so, ohne die natürliche Form einzuschränken, bis zu 50 % des Volumens exzidieren.<sup>13</sup> Weiters wurde in mehreren Studien die onkologische Gleichwertigkeit und somit die Sicherheit dieser Techniken bewiesen.<sup>14</sup></p> <p><strong>Weiterbildung – Vienna Breast Surgery Day</strong><br /> Um diese Techniken zunehmend in den klinischen Alltag zu bringen, gibt es mittlerweile mehrere onkoplastische OP-Kurse in Österreich, einen in Graz, einen in Linz und einen in Wien. Das Hospitieren an den genannten Kliniken ist schon zur Routine geworden, doch es fehlt noch an einem klaren von der Gesellschaft ausgearbeiteten Curriculum für Brustchirurgie. Erwähnt werden soll an dieser Stelle der am 19. März 2019 im Van-Swieten-Saal der Medizinischen Universität Wien stattfindende 4. Vienna Breast Surgery Day, der sich dieses Jahr dem Thema „Oncoplastic surgery from eminence to evidence“ widmen wird.</p> <h2>Die verschiedenen Arten der Mastektomie und ihre Sofortrekonstruktion</h2> <p><strong>SSM vs. NSM</strong><br /> Die Sofortrekonstruktion geht mit einer subkutanen (SSM) oder nippelsparenden Mastektomie (NSM) einher. Frauen mit kosmetisch ungünstiger Brust-Tumor-Relation oder genetisch erhöhtem Risiko kann hiermit eine ebenso ästhetisch wie onkologisch zufriedenstellende Methode der operativen Therapie angeboten werden. Ob man hierbei nippelerhaltend (nipple-sparing mastectomy, NSM) oder nur hauterhaltend (skin-sparing mastectomy, SSM) operiert, macht onkologisch keinen Unterschied,<sup>15</sup> wohl aber gaben Patientinnen mit NSM postoperativ eine deutlich erhöhte Zufriedenheit an, sowohl in Bezug auf ihr weibliches Selbstbild als auch mit dem Gesamtergebnis (Tab. 2).<sup>16</sup><br /> Zur weiteren Klärung der onkologischen Sicherheit und der Frage, wie viel Brustgewebe nach einer SSM oder NSM tatsächlich überbleibt, wurden im SKINITrial von Tausch et al. nach der Mastektomie an 10–14 definierten Stellen Biopsien entnommen. Bei etwa der Hälfte der Patientinnen fand man noch Residualgewebe, davon in ca. 8 % aller Proben. In diesen Proben wurde jedoch nur in 0,2 % noch Karzinomgewebe entdeckt. Durch die adjuvante Therapie scheint es aber zu keinem höheren Lokalrezidivrisiko zu kommen verglichen mit herkömmlicher Mastektomie.<sup>15</sup></p> <p><strong>Prä- vs. retropektorale Implantate</strong><br /> Nach der erfolgten Mastektomie stellt sich als Nächstes die Frage, mit welcher Technik die Brust rekonstruiert werden soll. Auf der einen Seite steht hier die aus der Mammaaugmentation wohlbekannte retropektorale Implantationsmöglichkeit, auf der anderen die über die letzten Jahre wieder beliebter gewordene präpektorale und somit anatomisch korrektere Variante. Bei letzterer Methode kommen auch immer mehr azelluläre, dermale Matrizes (ADM) oder diverse Meshes zum Einsatz, um das Implantat zu fixieren und die Rotationen sowie sekundäre Spätserome und Asymmetrien zu vermeiden. Zur Klärung der Frage, welcher Implantationsort für die Patientinnen der bessere wäre und zu einer höheren Lebensqualität führt, werden einige prospektive Vergleichsstudien geplant, unter anderem die OPBC-2-Studie vom Oncoplastic Breast Consortium (oncoplasticbc. org). Ergebnisse hierzu werden in frühestens fünf Jahren zu erwarten sein. Durch bisher vorhandene Daten kann gezeigt werden, dass bei präpektoraler Lage eine geringe Kontrakturrate von 7,5 % auftritt sowie in 84 % ein gutes bis sehr gutes optisches Ergebnis erzielt werden kann.<sup>17</sup><br /> Zur Wahl der verschiedenen Implantate beziehungsweise ihrer Oberflächenbeschaffenheit kann für die mit Polyurethan beschichteten Implantate eine geringe Kontrakturrate berichtet werden.<sup>18</sup> Dies ist möglicherweise der im Vergleich zu glatten Silikonimplantaten dicker ausgebildeten Kapsel zuzuschreiben, die zudem weniger Myofibrillen beinhaltet und so auch zu einem geringeren „Rippling“, sprich sichtbaren Kräuselungen unter der Haut, bei präpektoralen Implantaten führt.<sup>19</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1901_Weblinks_jatros_onko_1901_s59_tab2.jpg" alt="" width="1419" height="897" /></p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Golshan M et al.: Ann Surg 2015; 262(3): 434-9 <strong>2</strong> Waljee JF et al.: Ann Surg Onc 2008; 15(5): 1297-303 <strong>3</strong> Landercasper J et al.: Ann Surg Oncol 2017; 24(6): 1507-15 <strong>4</strong> Mieog JS et al.: Br J Surg 2007; 94(10): 1189-200 <strong>5</strong> Fitzal F et al.: Breast Cancer Res Treat 2011; 127(1): 121-8 <strong>6</strong> Heil J et al.: Br J Cancer 2015; 113(11): 1565-70 <strong>7</strong> Heil J et al.: BMC Cancer 2018; 18(1): 851 <strong>8</strong> Alvarado R et al.: Ann Surg Oncol 2012; 19(10): 3177-84 <strong>9</strong> Boileau JF et al.: J Clin Oncol 2015; 33(3): 258-64 <strong>10</strong> Kuehn T et al.: Lancet Oncol 2013; 14(7): 609-18 <strong>11</strong> Boughey JC et al.: Ann Surg 2015; 261(3): 547-52 <strong>12</strong> Losken A et al.: Aesthet Surg J 2014; 34(8): 1185-91 <strong>13</strong> Clough KB et al.: Br J Surg 2012; 99(10): 1389-95 <strong>14</strong> Clough KB et al.: Ann Surg 2018; 268(1): 165-71 <strong>15</strong> Mota BS et al.: Cochrane Database Syst Rev 2016; 11: CD008932 <strong>16</strong> Bailey CR et al.: Plast Reconstr Surg 2017; 140(2): 219-26 <strong>17</strong> Salibian AH et al.: Plast Reconstr Surg 2017; 139(1): 30-9 <strong>18</strong> Adams WP et al.: Plast Reconstr Surg 2017; 140(3): 427-31 <strong>19</strong> Bergmann PA et al.: J Plast Reconstr Aesthet Surg 2014; 67(10): 1364-70</p>
</div>
</p>
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