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Nuklearmedizin

Nuklearmedizinische Forschung mit onkologisch-hämatologischer Ausrichtung

<p class="article-intro">Bei der gemeinsamen Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Nuklearmedizin wurde die Stärke der Nuklearmedizin für individualisierte Therapieansätze reflektiert. Auch im Bereich der nuklearmedizinischen Diagnostik werden neue Verfahren implementiert, die die Bildererstellung verbessern und im klinischen Ablauf robuster machen. Im Folgenden eine kleine Zusammenschau interessanter Forschungsergebnisse der Nuklearmedizin aus dem onkologisch-hämatologischen Bereich.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Der Einsatz der Szintigrafie zur bilateralen W&auml;chterlymphknotenlokalisation wird beim Vulvakarzinom kontrovers beurteilt. In einer retrospektiven Analyse gingen Wissenschaftler des Universit&auml;tsklinikums K&ouml;ln dem klinischen Nutzen der Methode nach.<sup>1</sup> Dazu wurde bei 52 Patientinnen mit klinisch und sonografisch negativen inguinalen Lymphknoten eine W&auml;chterlymphknotenszintigrafie durchgef&uuml;hrt. Die Patientinnen erhielten 2 Injektionen mit 100 MBq Tc-99m-Kolloid paratumoral bzw. in die rechte und linke Labia minora und es wurden sequenzielle Aufnahmen bis zur Darstellung der beidseitigen inguinalen W&auml;chterlymphknoten gemacht. Die szintigrafischen Befunde wurden mit den operativen Befunden abgeglichen und akute sowie sp&auml;tere Nebenwirkungen durch Aktenauswertung und Telefoninterviews erfasst. Bei allen Patientinnen wurden beidseitig inguinal W&auml;chterlymphknoten lokalisiert, die intraoperativ mit einer in der Hand zu haltenden Gammamesssonde detektiert werden konnten. Insgesamt wurden 244 W&auml;chterlymphknoten entfernt, die bei lediglich 6 der 52 Patientinnen einen Tumorbefall aufwiesen. Eine nachfolgende ausgedehnte inguino-femorale Lymphadenektomie konnte somit 46 Patientinnen erspart werden. Nur eine Patientin entwickelte ein mildes Lymph&ouml;dem. Die W&auml;chterlymphknotenszintigrafie solle Vulvakarzinompatientinnen mit klinisch und sonografisch negativem Nodalstatus angeboten werden, so das Fazit der Autoren.</p> <h2>Detektion oss&auml;rer Metastasen mit risikoadaptiertem SPECT/CT beim Prostatakarzinom</h2> <p>Bisher erg&auml;nzt die SPECT/CT die planare Ganzk&ouml;rperszintigrafie lediglich. Um die Detektion oss&auml;rer Filiae bei Prostatakarzinompatienten zu verbessern, etablierten Wissenschaftler vom Universit&auml;tsklinikum T&uuml;bingen ein optimiertes Untersuchungsprotokoll, welches risikoadaptiert eine f&uuml;r den Ganzk&ouml;rperstatus repr&auml;sentative quantifizierungsf&auml;hige SPECT/CT-Untersuchung erm&ouml;glicht.<sup>2</sup> In die retrospektive Analyse wurden 50 Patienten mit histologisch gesichertem Hochrisiko-Prostatakarzinom und/oder gesicherten oss&auml;ren Filiae eingeschlossen, die eine planare Ganzk&ouml;rperszintigrafie gefolgt von einer niedrig dosierten SPECT/CT erhielten. Herdbefunde wurden durch erfahrene Nuklearmediziner ausgewertet und mit dem PSA-Spiegel korreliert. Im Ergebnis konnte mit der SPECT/CT im Vergleich zur Ganzk&ouml;rperszintigrafie, sowohl auf Patientenebene als auch auf einzelne K&ouml;rperregionen bezogen, eine um bis 50 % h&ouml;here Anzahl an L&auml;sionen detektiert werden. Metastasen kaudal des proximalen Femurs und somit au&szlig;erhalb des 3FOV SPECT/CT machten nur 1,6 % der L&auml;sionen aus, lagen aber bei 28 % der Patienten vor. Als unabh&auml;ngiger Pr&auml;diktor f&uuml;r eine Metastasierung kaudal des proximalen Femurs erbrachte der PSA-Spiegel mit einer AUC von 0,95 einen sehr guten Vorhersagewert. Ein risikoadaptiertes SPECT/CT-Protokoll k&ouml;nne im Vergleich zur konventionellen Szintigrafie die Detektion oss&auml;rer Filiae bei Prostatakarzinompatienten mit hohem Risiko signifikant steigern, folgerten die Autoren. Der PSA-Spiegel diene als Pr&auml;diktor einer oss&auml;ren Metastasierung in die unteren Extremit&auml;ten. Eine SPECT/CT bis zur Mitte des Femurs sei somit bei einem PSA-Wert &lt;80&micro;g/l ausreichend und in 30 Minuten Akquisitionszeit standardm&auml;&szlig;ig durchf&uuml;hrbar.</p> <h2>H&ouml;here Hintergrundaktivit&auml;t in FET-PET unter Dexamethason und bei Frauen</h2> <p>Bei der FET-PET von Hirntumoren wird die Tumoraktivit&auml;t mittels Tumor/Hirnquotient (T/H) bestimmt. Diese ist, aufgrund h&ouml;herer Hintergrundaktivit&auml;t im Gehirn, signifikant niedriger nach Therapie mit Dexamethason, so das Ergebnis in Tiermodellen. Wissenschaftler des Forschungszentrums J&uuml;lich untersuchten dieses Ph&auml;nomen nun auch bei menschlichen Patienten mit Hirntumoren.<sup>3</sup> In einer prospektiven Studie wurde die FET-PET von jeweils 80 m&auml;nnlichen und weiblichen Hirntumorpatienten ausgewertet. Jeweils die H&auml;lfte der Patienten erhielt 0,25 bis 24mg Dexamethason pro Tag. Der SUV im Hirngewebe wurde mittels eines Volume of Interest von 15,5ml (SUV-H) kontralateral zum Tumor bestimmt. Unter Dexamethason-Therapie war der SUV-H sowohl bei M&auml;nnern als auch bei Frauen signifikant erh&ouml;ht. Aber auch zwischen M&auml;nnern und Frauen wurde ein signifikanter Unterschied beobachtet. Der maximale Unterschied des SUV-H von 37 % zeigte sich zwischen M&auml;nnern ohne Dexamethason-Therapie und Frauen mit Dexamethason-Therapie (Abb. 1). Die zus&auml;tzliche intraindividuelle Untersuchung des Dexamethason-Einflusses bei 9 Patienten zeigte in acht der F&auml;lle einen deutlichen Anstieg des SUV-H und einen entsprechenden Abfall des T/H. Die Ergebnisse best&auml;tigen somit eine selektiv h&ouml;here FET-Anreicherung im normalen Gehirn nach Dexamethason-Therapie. Au&szlig;erdem konnte ein signifikanter Unterschied auch zwischen m&auml;nnlichen und weiblichen Patienten festgestellt werden. Der h&ouml;here SUV-H f&uuml;hrt bei einer schwellenwertbasierten Auswertung zu kleineren Tumorvolumina und Senkung des T/H. Zudem wird die Verlaufsbeurteilung nach Aufnahme/Absetzen einer Dexamethason-Therapie beeintr&auml;chtigt. Die Ursachen des Ph&auml;nomens konnten die Wissenschaftler nicht erkl&auml;ren.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1704_Weblinks_s40_1.jpg" alt="" width="1421" height="779" /></p> <h2>Vergleich von FET-PET und MRT beim progredienten Glioblastom</h2> <p>Die FET-PET zeigt bez&uuml;glich der Differenzierung einer Tumorprogression gegen&uuml;ber einer therapiebedingten Gewebereaktion (Pseudoprogression) nach Radiochemotherapie mit Temozolomid bessere Ergebnisse als das MRT.<sup>4</sup> Wissenschaftler vom Forschungszentrum J&uuml;lich ver&ouml;ffentlichten beim DGN 2017 die Fallstudie einer 61-j&auml;hrigen Glioblastompatientin, bei der 11 Wochen nach Abschluss einer Radiochemotherapie mittels FET-PET eine Tumorprogression des zuvor teilresezierten Glioblastoms diagnostiziert wurde.<sup>5</sup> Die Patientin verstarb 3 Tage sp&auml;ter und das tumortragende Gehirn wurde entnommen. Nach Fixierung, Anfertigung von 3500 koronalen Schnitten und F&auml;rbung wurde eine histologische 3D-Rekonstruktion generiert, die nach Fusion des Datensatzes mit den In-vivo-PET/MRT-Daten korreliert wurde. Zudem wurden die regionalen Zeit-Aktivit&auml;ts-Kurven der FET-Anreicherung ausgewertet. Im Ergebnis wurden die Areale mit Glioblastomgewebe durch eine vermehrte FET-Anreicherung mit einem T/H von 2,3 korrekt wiedergegeben. In einem Bereich mit Astrogliose war die FET-Aufnahme mit einem T/H von 1,5 nur leicht erh&ouml;ht. Das Glioblastomgewebe zeigte eine f&uuml;r hochgradige Gliome typische Zeitaktivit&auml;tskurve mit raschem Anstieg gefolgt von einer abfallenden Kurve, w&auml;hrend der Bereich mit reaktiver Astrogliose einen kontinuierlich ansteigenden Kurvenverlauf zeigte (Abb. 2). Die FET-PET trage erheblich zur korrekten Identifikation von Tumorgewebe und somit zur Abgrenzung von einer Pseudoprogression nach Radiochemotherapie bei, folgerten die Wissenschaftler aus diesen Ergebnissen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1704_Weblinks_s40_2.jpg" alt="" width="1457" height="844" /></p> <h2>FDG-PET/CT beim Schilddr&uuml;senkarzinom unter Vandetanib-Therapie</h2> <p>Um die prognostische Wertigkeit der <sup>18</sup>F-FDG-PET bei Patienten mit medull&auml;rem Schilddr&uuml;senkarzinom unter Therapie mit dem Tyrosinkinaseinhibitor Vandetanib zu pr&uuml;fen, analysierten Wissenschaftler der Universit&auml;tsklinik W&uuml;rzburg retrospektiv die Daten von 18 Patienten.<sup>6</sup> Ein CT-Staging nach RECIST 1.1 erfolgte alle 3 Monate, eine <sup>18</sup>F-FDG-PET wurde vor Vandetanib-Therapie und im Follow-up (median nach 3 Monaten) durchgef&uuml;hrt. Das progressionsfreie &Uuml;berleben (PFS) wurde mit klinischen Parametern und dem mittleren/maximalen FDG-SUV in Lymphknoten (SUV-LN) und Organmetastasen (SUV-MTS) korreliert. Innerhalb einer Nachbeobachtungszeit von median 3,7 Jahren schritt die Erkrankung bei 9 Patienten fort und 8 Patienten starben. Ein initial h&ouml;herer Glukosemetabolismus in den Lymphknoten (SUV-LNmax &gt;3,95) konnte ein k&uuml;rzeres PFS mit einer Genauigkeit von 82 % vorhersagen (p=0,03; AUC=0,78). Ebenso war ein SUV-MTSmax &gt;2,7 unter Vandetanib-Therapie prognostisch ung&uuml;nstig. Weder die klinischen Parameter noch ein Abfall des SUV zwischen den beiden PET-Scans zeigten einen prognostischen Nutzen. Initial stoffwechselaktivere medull&auml;re Schilddr&uuml;senkarzinome sind demnach prognostisch f&uuml;r ein k&uuml;rzeres PFS, ebenso wie ein h&ouml;herer Glukosemetabolismus 3 Monate nach Beginn der TKI-Behandlung, folgern die Autoren.</p> <h2>Redifferenzierung des BRAF-mutierten Schilddr&uuml;senkarzinoms mit Dabrafenib</h2> <p>In einer aktuellen Ver&ouml;ffentlichung wurden vielversprechende Daten zur Redifferenzierung von BRAF-mutierten radio&shy;jodrefrakt&auml;ren Schilddr&uuml;senkarzinomen mit dem BRAF-Inhibitor Dabrafenib in einem kleinen Patientenkollektiv publiziert.<sup>7</sup> Wissenschaftler des Klinikums Augsburg berichteten beim DGN von ersten deutschen Erfahrungen. Zwei Patienten mit BRAF-mutiertem lokal fortgeschrittenem papill&auml;rem Schilddr&uuml;senkarzinom, die zuvor keine bzw. nur eine marginale Radiojodspeicherung gezeigt hatten, erhielten &uuml;ber 4 Wochen Dabrafenib (300mg/Tag) gefolgt von einer diagnostischen Radiojodgabe nach rhTSH. Bei einem der Patienten zeigte das Lokalrezidiv nach Redifferenzierung in weiten Anteilen eine deutliche, persistierende Radio&shy;jodspeicherung. Bei dem zweiten Patienten wurde eine signifikante Speicherung in den mediastinalen und disseminierten pulmonalen Filiae beobachtet. Dementsprechend folgte unter Fortf&uuml;hrung von Dabrafenib nach zwei Wochen eine Radiojodtherapie mit 11 bzw. 9,5GBq I-131 nach rhTSH. In der posttherapeutischen Bildgebung zeigte sich erneut eine deutliche Radiojodaufnahme in den bekannten Tumormanifestationen, dar&uuml;ber hinaus fanden sich auch neue radiojodpositive Herde. Die Dabrafenib- und Radiojodtherapie wurden gut vertragen. Die Redifferenzierung mit Dabrafenib kann laut diesen Erfahrungen eine interessante Therapiealternative bieten, die aber einer breiteren Datenbasis bedarf.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: Gemeinsame Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Nuklearmedizin, 26.–29. April 2017, Dresden </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Schmidt M et al: Klinischer Nutzen der bilateralen W&auml;chterlymphknoten-Szintigraphie vor Operation eines Vulva-Ca. DGN 2017, Abstr. V43 <strong>2</strong> Weissinger M et al: Ist eine SPECT/CT des Stammskeletts ausreichend zum Staging oss&auml;rer Filiae des high-risk Prostatakarzinoms (hrPC)? DGN 2017, Abstr. V45 <strong>3</strong> Stegmayr C et al: FET-PET bei Hirntumoren: H&ouml;here Hintergrundaktivit&auml;t unter Dexamethason-Therapie und bei weiblichen Patienten. DGN 2017, Abstr. V60 <strong>4</strong> Galldiks N et al: Diagnosis of pseudoprogression in patients with glioblastoma using O-(2-<sup>18</sup>F-fluoroethyl-)-l-tyrosine PET. Eur J Nucl Med Mol Imaging 2015; 42: 685-695 <strong>5</strong> Lohmann P et al: Erstmaliger Vergleich von FET PET und Ganzhirn-Histologie bei einem Patienten mit progredientem Glioblastom. DGN 2017, Abstr. P59 <strong>6</strong> Werner RA et al: FDG-PET/CT beim medull&auml;ren Schilddr&uuml;senkarzinom unter Vandetanib-Therapie. DGN 2017, Abstr. V73 <strong>7</strong> Rothenberg SM et al: Redifferentiation of iodine-refractory BRAF<sup>V600E</sup>-mutant metastatic papillary thyroid cancer with dabrafenib. Clin Cancer Res 2015; 21: 1028-1035 <strong>8</strong> Kreissl MC et al: Redifferenzierung des fortgeschrittenen radiojodrefrakt&auml;ren BRAF-mutierten Schilddr&uuml;senkarzinoms mit Dabrafenib &ndash; erste deutsche Erfahrungen. DGN 2017, Abstr. V74</p> </div> </p>
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