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Nuklearmedizinische Forschung mit onkologisch-hämatologischer Ausrichtung
Jatros
Autor:
Dr. Ine Schmale
30
Min. Lesezeit
13.07.2017
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<p class="article-intro">Bei der gemeinsamen Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Nuklearmedizin wurde die Stärke der Nuklearmedizin für individualisierte Therapieansätze reflektiert. Auch im Bereich der nuklearmedizinischen Diagnostik werden neue Verfahren implementiert, die die Bildererstellung verbessern und im klinischen Ablauf robuster machen. Im Folgenden eine kleine Zusammenschau interessanter Forschungsergebnisse der Nuklearmedizin aus dem onkologisch-hämatologischen Bereich.</p>
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<p class="article-content"><p>Der Einsatz der Szintigrafie zur bilateralen Wächterlymphknotenlokalisation wird beim Vulvakarzinom kontrovers beurteilt. In einer retrospektiven Analyse gingen Wissenschaftler des Universitätsklinikums Köln dem klinischen Nutzen der Methode nach.<sup>1</sup> Dazu wurde bei 52 Patientinnen mit klinisch und sonografisch negativen inguinalen Lymphknoten eine Wächterlymphknotenszintigrafie durchgeführt. Die Patientinnen erhielten 2 Injektionen mit 100 MBq Tc-99m-Kolloid paratumoral bzw. in die rechte und linke Labia minora und es wurden sequenzielle Aufnahmen bis zur Darstellung der beidseitigen inguinalen Wächterlymphknoten gemacht. Die szintigrafischen Befunde wurden mit den operativen Befunden abgeglichen und akute sowie spätere Nebenwirkungen durch Aktenauswertung und Telefoninterviews erfasst. Bei allen Patientinnen wurden beidseitig inguinal Wächterlymphknoten lokalisiert, die intraoperativ mit einer in der Hand zu haltenden Gammamesssonde detektiert werden konnten. Insgesamt wurden 244 Wächterlymphknoten entfernt, die bei lediglich 6 der 52 Patientinnen einen Tumorbefall aufwiesen. Eine nachfolgende ausgedehnte inguino-femorale Lymphadenektomie konnte somit 46 Patientinnen erspart werden. Nur eine Patientin entwickelte ein mildes Lymphödem. Die Wächterlymphknotenszintigrafie solle Vulvakarzinompatientinnen mit klinisch und sonografisch negativem Nodalstatus angeboten werden, so das Fazit der Autoren.</p> <h2>Detektion ossärer Metastasen mit risikoadaptiertem SPECT/CT beim Prostatakarzinom</h2> <p>Bisher ergänzt die SPECT/CT die planare Ganzkörperszintigrafie lediglich. Um die Detektion ossärer Filiae bei Prostatakarzinompatienten zu verbessern, etablierten Wissenschaftler vom Universitätsklinikum Tübingen ein optimiertes Untersuchungsprotokoll, welches risikoadaptiert eine für den Ganzkörperstatus repräsentative quantifizierungsfähige SPECT/CT-Untersuchung ermöglicht.<sup>2</sup> In die retrospektive Analyse wurden 50 Patienten mit histologisch gesichertem Hochrisiko-Prostatakarzinom und/oder gesicherten ossären Filiae eingeschlossen, die eine planare Ganzkörperszintigrafie gefolgt von einer niedrig dosierten SPECT/CT erhielten. Herdbefunde wurden durch erfahrene Nuklearmediziner ausgewertet und mit dem PSA-Spiegel korreliert. Im Ergebnis konnte mit der SPECT/CT im Vergleich zur Ganzkörperszintigrafie, sowohl auf Patientenebene als auch auf einzelne Körperregionen bezogen, eine um bis 50 % höhere Anzahl an Läsionen detektiert werden. Metastasen kaudal des proximalen Femurs und somit außerhalb des 3FOV SPECT/CT machten nur 1,6 % der Läsionen aus, lagen aber bei 28 % der Patienten vor. Als unabhängiger Prädiktor für eine Metastasierung kaudal des proximalen Femurs erbrachte der PSA-Spiegel mit einer AUC von 0,95 einen sehr guten Vorhersagewert. Ein risikoadaptiertes SPECT/CT-Protokoll könne im Vergleich zur konventionellen Szintigrafie die Detektion ossärer Filiae bei Prostatakarzinompatienten mit hohem Risiko signifikant steigern, folgerten die Autoren. Der PSA-Spiegel diene als Prädiktor einer ossären Metastasierung in die unteren Extremitäten. Eine SPECT/CT bis zur Mitte des Femurs sei somit bei einem PSA-Wert <80µg/l ausreichend und in 30 Minuten Akquisitionszeit standardmäßig durchführbar.</p> <h2>Höhere Hintergrundaktivität in FET-PET unter Dexamethason und bei Frauen</h2> <p>Bei der FET-PET von Hirntumoren wird die Tumoraktivität mittels Tumor/Hirnquotient (T/H) bestimmt. Diese ist, aufgrund höherer Hintergrundaktivität im Gehirn, signifikant niedriger nach Therapie mit Dexamethason, so das Ergebnis in Tiermodellen. Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich untersuchten dieses Phänomen nun auch bei menschlichen Patienten mit Hirntumoren.<sup>3</sup> In einer prospektiven Studie wurde die FET-PET von jeweils 80 männlichen und weiblichen Hirntumorpatienten ausgewertet. Jeweils die Hälfte der Patienten erhielt 0,25 bis 24mg Dexamethason pro Tag. Der SUV im Hirngewebe wurde mittels eines Volume of Interest von 15,5ml (SUV-H) kontralateral zum Tumor bestimmt. Unter Dexamethason-Therapie war der SUV-H sowohl bei Männern als auch bei Frauen signifikant erhöht. Aber auch zwischen Männern und Frauen wurde ein signifikanter Unterschied beobachtet. Der maximale Unterschied des SUV-H von 37 % zeigte sich zwischen Männern ohne Dexamethason-Therapie und Frauen mit Dexamethason-Therapie (Abb. 1). Die zusätzliche intraindividuelle Untersuchung des Dexamethason-Einflusses bei 9 Patienten zeigte in acht der Fälle einen deutlichen Anstieg des SUV-H und einen entsprechenden Abfall des T/H. Die Ergebnisse bestätigen somit eine selektiv höhere FET-Anreicherung im normalen Gehirn nach Dexamethason-Therapie. Außerdem konnte ein signifikanter Unterschied auch zwischen männlichen und weiblichen Patienten festgestellt werden. Der höhere SUV-H führt bei einer schwellenwertbasierten Auswertung zu kleineren Tumorvolumina und Senkung des T/H. Zudem wird die Verlaufsbeurteilung nach Aufnahme/Absetzen einer Dexamethason-Therapie beeinträchtigt. Die Ursachen des Phänomens konnten die Wissenschaftler nicht erklären.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1704_Weblinks_s40_1.jpg" alt="" width="1421" height="779" /></p> <h2>Vergleich von FET-PET und MRT beim progredienten Glioblastom</h2> <p>Die FET-PET zeigt bezüglich der Differenzierung einer Tumorprogression gegenüber einer therapiebedingten Gewebereaktion (Pseudoprogression) nach Radiochemotherapie mit Temozolomid bessere Ergebnisse als das MRT.<sup>4</sup> Wissenschaftler vom Forschungszentrum Jülich veröffentlichten beim DGN 2017 die Fallstudie einer 61-jährigen Glioblastompatientin, bei der 11 Wochen nach Abschluss einer Radiochemotherapie mittels FET-PET eine Tumorprogression des zuvor teilresezierten Glioblastoms diagnostiziert wurde.<sup>5</sup> Die Patientin verstarb 3 Tage später und das tumortragende Gehirn wurde entnommen. Nach Fixierung, Anfertigung von 3500 koronalen Schnitten und Färbung wurde eine histologische 3D-Rekonstruktion generiert, die nach Fusion des Datensatzes mit den In-vivo-PET/MRT-Daten korreliert wurde. Zudem wurden die regionalen Zeit-Aktivitäts-Kurven der FET-Anreicherung ausgewertet. Im Ergebnis wurden die Areale mit Glioblastomgewebe durch eine vermehrte FET-Anreicherung mit einem T/H von 2,3 korrekt wiedergegeben. In einem Bereich mit Astrogliose war die FET-Aufnahme mit einem T/H von 1,5 nur leicht erhöht. Das Glioblastomgewebe zeigte eine für hochgradige Gliome typische Zeitaktivitätskurve mit raschem Anstieg gefolgt von einer abfallenden Kurve, während der Bereich mit reaktiver Astrogliose einen kontinuierlich ansteigenden Kurvenverlauf zeigte (Abb. 2). Die FET-PET trage erheblich zur korrekten Identifikation von Tumorgewebe und somit zur Abgrenzung von einer Pseudoprogression nach Radiochemotherapie bei, folgerten die Wissenschaftler aus diesen Ergebnissen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1704_Weblinks_s40_2.jpg" alt="" width="1457" height="844" /></p> <h2>FDG-PET/CT beim Schilddrüsenkarzinom unter Vandetanib-Therapie</h2> <p>Um die prognostische Wertigkeit der <sup>18</sup>F-FDG-PET bei Patienten mit medullärem Schilddrüsenkarzinom unter Therapie mit dem Tyrosinkinaseinhibitor Vandetanib zu prüfen, analysierten Wissenschaftler der Universitätsklinik Würzburg retrospektiv die Daten von 18 Patienten.<sup>6</sup> Ein CT-Staging nach RECIST 1.1 erfolgte alle 3 Monate, eine <sup>18</sup>F-FDG-PET wurde vor Vandetanib-Therapie und im Follow-up (median nach 3 Monaten) durchgeführt. Das progressionsfreie Überleben (PFS) wurde mit klinischen Parametern und dem mittleren/maximalen FDG-SUV in Lymphknoten (SUV-LN) und Organmetastasen (SUV-MTS) korreliert. Innerhalb einer Nachbeobachtungszeit von median 3,7 Jahren schritt die Erkrankung bei 9 Patienten fort und 8 Patienten starben. Ein initial höherer Glukosemetabolismus in den Lymphknoten (SUV-LNmax >3,95) konnte ein kürzeres PFS mit einer Genauigkeit von 82 % vorhersagen (p=0,03; AUC=0,78). Ebenso war ein SUV-MTSmax >2,7 unter Vandetanib-Therapie prognostisch ungünstig. Weder die klinischen Parameter noch ein Abfall des SUV zwischen den beiden PET-Scans zeigten einen prognostischen Nutzen. Initial stoffwechselaktivere medulläre Schilddrüsenkarzinome sind demnach prognostisch für ein kürzeres PFS, ebenso wie ein höherer Glukosemetabolismus 3 Monate nach Beginn der TKI-Behandlung, folgern die Autoren.</p> <h2>Redifferenzierung des BRAF-mutierten Schilddrüsenkarzinoms mit Dabrafenib</h2> <p>In einer aktuellen Veröffentlichung wurden vielversprechende Daten zur Redifferenzierung von BRAF-mutierten radio­jodrefraktären Schilddrüsenkarzinomen mit dem BRAF-Inhibitor Dabrafenib in einem kleinen Patientenkollektiv publiziert.<sup>7</sup> Wissenschaftler des Klinikums Augsburg berichteten beim DGN von ersten deutschen Erfahrungen. Zwei Patienten mit BRAF-mutiertem lokal fortgeschrittenem papillärem Schilddrüsenkarzinom, die zuvor keine bzw. nur eine marginale Radiojodspeicherung gezeigt hatten, erhielten über 4 Wochen Dabrafenib (300mg/Tag) gefolgt von einer diagnostischen Radiojodgabe nach rhTSH. Bei einem der Patienten zeigte das Lokalrezidiv nach Redifferenzierung in weiten Anteilen eine deutliche, persistierende Radio­jodspeicherung. Bei dem zweiten Patienten wurde eine signifikante Speicherung in den mediastinalen und disseminierten pulmonalen Filiae beobachtet. Dementsprechend folgte unter Fortführung von Dabrafenib nach zwei Wochen eine Radiojodtherapie mit 11 bzw. 9,5GBq I-131 nach rhTSH. In der posttherapeutischen Bildgebung zeigte sich erneut eine deutliche Radiojodaufnahme in den bekannten Tumormanifestationen, darüber hinaus fanden sich auch neue radiojodpositive Herde. Die Dabrafenib- und Radiojodtherapie wurden gut vertragen. Die Redifferenzierung mit Dabrafenib kann laut diesen Erfahrungen eine interessante Therapiealternative bieten, die aber einer breiteren Datenbasis bedarf.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Gemeinsame Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Nuklearmedizin, 26.–29. April 2017, Dresden
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Schmidt M et al: Klinischer Nutzen der bilateralen Wächterlymphknoten-Szintigraphie vor Operation eines Vulva-Ca. DGN 2017, Abstr. V43 <strong>2</strong> Weissinger M et al: Ist eine SPECT/CT des Stammskeletts ausreichend zum Staging ossärer Filiae des high-risk Prostatakarzinoms (hrPC)? DGN 2017, Abstr. V45 <strong>3</strong> Stegmayr C et al: FET-PET bei Hirntumoren: Höhere Hintergrundaktivität unter Dexamethason-Therapie und bei weiblichen Patienten. DGN 2017, Abstr. V60 <strong>4</strong> Galldiks N et al: Diagnosis of pseudoprogression in patients with glioblastoma using O-(2-<sup>18</sup>F-fluoroethyl-)-l-tyrosine PET. Eur J Nucl Med Mol Imaging 2015; 42: 685-695 <strong>5</strong> Lohmann P et al: Erstmaliger Vergleich von FET PET und Ganzhirn-Histologie bei einem Patienten mit progredientem Glioblastom. DGN 2017, Abstr. P59 <strong>6</strong> Werner RA et al: FDG-PET/CT beim medullären Schilddrüsenkarzinom unter Vandetanib-Therapie. DGN 2017, Abstr. V73 <strong>7</strong> Rothenberg SM et al: Redifferentiation of iodine-refractory BRAF<sup>V600E</sup>-mutant metastatic papillary thyroid cancer with dabrafenib. Clin Cancer Res 2015; 21: 1028-1035 <strong>8</strong> Kreissl MC et al: Redifferenzierung des fortgeschrittenen radiojodrefraktären BRAF-mutierten Schilddrüsenkarzinoms mit Dabrafenib – erste deutsche Erfahrungen. DGN 2017, Abstr. V74</p>
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