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Neues zur Sarkom-Behandlung
Jatros
Autor:
Ao. Univ.-Prof. Dr. Thomas Brodowicz
Klinische Abteilung für Onkologie<br> Medizinische Universität Wien<br> E-Mail: thomas.brodowicz@meduniwien.ac.at
30
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12.09.2019
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<p class="article-intro">Zahlreiche Präsentationen waren auch beim Jahresmeeting 2019 der American Society of Clinical Oncology (ASCO) der Therapie von Sarkomen gewidmet. Aufgrund der Heterogenität dieser Tumoren kommt es nicht unerwartet, dass es neben vielversprechenden Studienergebnissen auch die eine oder andere negative Überraschung gab. Die aus meiner Sicht interessantesten Daten habe ich im Folgenden zusammengefasst.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Doxorubicin bleibt Therapiestandard bei selektierten STS-Histologien.</li> <li>Pazopanib/Gemcitabin ist eine wirksame Alternative zu Docetaxel/Gemcitabin (sofern man Docetaxel/Gemcitabin als indiziert sieht).</li> <li>Cabozantinib sollte in größeren Studien als Therapie bei GIST untersucht werden.</li> <li>Abemaciclib sollte in einer Phase-III-Studie bei DDLS untersucht werden.</li> <li>Sofern neoadjuvant chemotherapeutisiert wird und drei Zyklen als suffizient erachtet werden: Epirubicin/Ifosfamid ist weiterhin die Standardtherapie bei selektierten STS der Extremitäten und des Rumpfes.</li> <li>Eine präoperative Radiatio bei abdominellen STS ist bei selektierten Liposarkomen zumindest überlegenswert.</li> </ul> </div> <h2>ANNOUNCE – Versprechen nicht gehalten</h2> <p>Doxorubicin (Dox) ist sowohl als Monotherapie als auch in Kombination Therapiestandard bei vielen lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Weichteilsarkomhistologien („soft tissue sarcomas“, STS). Dabei liegt das mediane Überleben bei 14 bis 19 Monaten, die 2-Jahres-Überlebensrate bei 20 bis 30 % . In einer Phase-II-Studie hatte Olaratumab, ein humaner IgG1-Antikörper gegen „platelet-derived growth factor receptor alpha“ (PDGFRα), in Kombination mit Dox im Vergleich zu Dox alleine ein verlängertes Gesamtüberleben (OS) und ein längeres progressionsfreies Überleben (PFS) gezeigt. Die daraufhin initiierte Phase-III-Studie ANNOUNCE (NCT02451943) sollte diesen OS-Vorteil bestätigen. Dazu wurden mehr als 500 Patienten mit nicht resezierbaren lokal fortgeschrittenen oder metastasierten STS randomisiert. Sie erhielten entweder Olaratumab (Olara) oder Placebo (PBO), jeweils in Kombination mit Dox. Die Randomisierung wurde nach der Histologie der STS, vorangegangenen systemischen Therapien, Eastern-Cooperative-Oncology Group(ECOG)-Performancestatus und geografischer Region stratifiziert. Um die Kardiotoxizität von Dox zu mildern, konnte Dexrazoxan eingesetzt werden. Primärer Endpunkt war das OS in der Intent-to- Treat(ITT)-Population und/oder der Leiomyosarkom-Subgruppe der ITT-Population. Sekundäre Endpunkte beinhalteten unter anderem PFS und Sicherheit.<br /> Leider konnte ANNOUNCE die vielversprechenden Resultate der Phase-II-Studie nicht bestätigen. Das mediane OS beider Gruppen war nahezu identisch: 20,4 (Olara) vs. 19,7 (PBO) Monate (p=0,69); in der Leiomyosarkom-Subgruppe: 21,6 vs. 21,9 Monate (p=0,76). Das mediane PFS war im Olara-Arm sogar kürzer als im PBO-Arm: 5,4 vs. 6,8 Monate (p=0,04), ebenso bei den Leiomyosarkompatienten: 4,3 vs. 6,9 Monate (p=0,17). Die Sicherheitsdaten beider Studienarme waren vergleichbar. Als mögliche Ursachen für den negativen Ausgang der Studie nannten die Autoren, dass Olaratumab in Kombination mit Doxorubicin bei STS nicht wirksam ist oder dass der Antikörper zwar eine gewisse Wirkung entfaltet, dies aber aufgrund der kleinen Studienpopulation mit histologisch und klinisch sehr unterschiedlichen Tumoren sowie den unterschiedlichen Designs der Phase-II- und -III-Studie nicht sichtbar wurde. Möglich sei auch, dass der Placeboarm in ANNOUNCE besser abgeschnitten hatte als erwartet, da das OS länger war als in jeder vorhergehenden STS-Studie.<sup>1</sup> Ein Central-Pathology-Review bei einer so heterogenen Tumorentität wäre retrospektiv sicher sinnvoll gewesen.</p> <h2>Pazopanib/Gemcitabin als Alternative zu Docetaxel/ Gemcitabin</h2> <p>Der Multikinase-Inhibitor Pazopanib (P) ist bei verschiedenen Sarkomtypen wirksam. Daher wurde P in einer Open- Label-Phase-II-Studie in Kombination mit Gemcitabin (G) gegen die übliche Kombination Gemcitabin/Docetaxel (G+T) bei STS getestet (NCT01593748). Eingeschlossen waren 90 Patienten mit fortgeschrittenen nicht adipozytischen STS, die mit einer Anthrazyklin-basierten Therapie vorbehandelt worden waren. Sie wurden zu G+P oder G+T randomisiert. Die Randomisierung wurde danach stratifiziert, ob es sich um ein Leiomyosarkom handelte oder nicht und ob bereits eine Radiotherapie des Beckens stattgefunden hatte. Primäre Endpunkte waren das mediane PFS und die Rate an Nebenwirkungen Grad 3 oder höher. Sekundäre Endpunkte waren unter anderem OS und klinischer Benefit (partielle Response und stabile Krankheit). Ein Cross-over war bei einer Progression nach „Response Evaluation Criteria In Solid Tumors“ (RECIST) erlaubt.<br /> Die Patientencharakteristika waren in beiden Studienarmen ausgewogen, in jedem Arm waren etwa ein Drittel Leiomyosarkompatienten und 11 % mit einer Radiotherapie des Beckens. Das mediane PFS betrug in beiden Armen 4,1 Monate (p=0,3). Die Rate des klinischen Benefits lag unter G+P bei 68 % , unter G+T bei 66 % (p>0,99). Das mediane OS betrug im G+PArm 12,4 Monate, im G+T-Arm 15,9 Monate. Nebenwirkungen Grad 3 oder höher traten bei 20,6 % der Patienten im G+PArm und bei 19,9 % der Patienten im G+TArm auf. Zusammenfassend kann man festhalten, dass G+P aufgrund einer vergleichbaren Wirksamkeit und Toxizität als Alternative zu G+T erwogen werden kann, vor allem bei Patienten, die für eine G+TTherapie nicht geeignet sind oder T nicht vertragen.<sup>2</sup> Meines Erachtens ist die Kombination aus G+T aufgrund der Toxizität nur sehr selektiv bei gewissen STS-Histologien anzuwenden.</p> <h2>Gastrointestinale Stromatumoren</h2> <p>Der gastrointestinale Stromatumor (GIST) ist das häufigste Sarkom des Magen- Darm-Trakts. Die Behandlung der lokalisierten Erkrankung besteht in der chirurgischen Entfernung, bei Hochrisikopatienten (und selektierten Intermediär-Risiko-Patienten) eine nachfolgende adjuvante Therapie mit Imatinib. Im metastasierten Stadium sind die Tryosinkinaseinhibitoren (TKI) Imatinib/Sunitinib/Regorafenib die registrierten Standardtherapien. Allerdings entwickeln die meisten Patienten im Lauf der Zeit eine TKI-Resistenz, die vom GIST-Genotyp abhängt. Cabozantinib (Cabo) zielt auf mehrere bei GIST relevanten Mutationen (KIT/MET/AXL /„Vascular Endothelial Growth Factor 2“ [VEGFR2]) ab und hatte bereits im Tiermodell gute Ergebnisse geliefert. Die einarmige Open-Label-Phase-IIStudie der European Organisation for Research and Treatment of Cancer (EORTC) 1317 „CaboGIST“ (NCT02216578) untersuchte die Wirksamkeit und Sicherheit von Cabo bei 50 Patienten, deren GIST nach Imatinib und Sunitinib progredient geworden waren.<br /> Die Teilnehmer erhielten 60 mg Cabo p. o. täglich, mit der Möglichkeit zur Dosisreduktion aufgrund signifikanter Toxizität. Primärer Endpunkt war das PFS in der 12. Woche (nach RECIST 1.1). Zu den sekundären Endpunkten gehörten unter anderem das OS und die Rate an klinischem Benefit. In der 12. Woche waren 60 % der Patienten progressionsfrei. Das mediane PFS betrug 6 Monate, das mediane OS 14,4 Monate. 14 % der Patienten erreichten eine partielle Response, 80 % einen klinischen Benefit. Diese Resultate bestätigen die präklinischen Daten und rechtfertigen weitere Studien zu Cabo bei GIST.<sup>3</sup></p> <h2>Abemaciclib bei entdifferenziertem Liposarkom</h2> <p>Bei mehr als 90 % der gut differenzierten/ dedifferenzierten Liposarkome (WD/ DDLS) findet sich eine „Cyclin-dependent Kinase 4“(CDK4)-Amplifikation. In früheren Studien hatte der CDK4-Inhibitor Palbociclib zu günstigen PFS-Raten geführt. Beim ASCO wurde eine Phase-II-Studie (NCT02846987) mit dem neueren und potenteren CDK4-Inhibitor Abemaciclib bei DDLS vorgestellt. Eingeschlossen waren 30 Patienten mit fortgeschrittenem DDLS, messbarer Krankheit nach RECIST 1.1, keiner oder irgendeiner Vortherapie sowie Krankheitsprogression nach RECIST innerhalb von sechs Monaten vor Studienbeginn. Primärer Endpunkt war das PFS in Woche 12, wobei es als positives Outcome gewertet wurde, wenn mindestens 15 Patienten in Woche 12 progressionsfrei waren.<br /> Die Hälfte der Patienten war nicht vorbehandelt. Alle erhielten zweimal täglich 200 mg Abemaciclib p. o. In Woche 12 erreichten 76 % den primären Endpunkt. Das mediane PFS betrug 30 Wochen. Dies rechtfertigt die Untersuchung von Abemaciclib in einer randomisierten Phase-IIIStudie.<sup>4</sup></p> <h2>Neoadjuvante Chemotherapie bei Hochrisiko-STS</h2> <p>Frühere Studien der Italian Sarcoma Group (ISG) hatten bereits 2001 und 2012 gezeigt, dass eine adjuvante Chemotherapie mit Epirubicin/Ifosfamid (EI) bei Patienten mit einem lokalisierten Hochrisiko-STS zu einem OS-Vorteil führt, wobei fünf Chemotherapiezyklen keinen Vorteil gegenüber drei Zyklen hatten. In der aktuellen Studie wurde die neoadjuvante Gabe von drei Zyklen EI („Standard-Chemotherapie“) mit einem auf der Histologie beruhenden maßgeschneiderten neoadjuvanten Regime (Tab. 1) verglichen (NCT01710176). Primärer Endpunkt war das krankheitsfreie Überleben (DFS). Einer der sekundären Endpunkte war das OS.<br /> Insgesamt wurden 287 Patienten mit lokalisierten Hochrisiko-STS randomisiert (97 = undifferenziertes pleomorphes Sarkom [UPS]; 65 = myxoides Liposarkom; 70 = SS; 27 = maligner peripherer Nervenscheidentumor [MPNST]; 28 = Leiomyosarkom [LMS]). Sie erhielten entweder die Standard-Chemotherapie oder eine maßgeschneiderte Therapie. Nach einem medianen Follow-up von 45,44 Monaten (bei den überlebenden Patienten 51,75 Monate) lag die 5-Jahres-DFS-Rate im Standardchemotherapiearm bei 54,6 % (vs. 47,4 % ; p=0,323). Die 5-Jahres-OSRate betrug unter der Standardtherapie 75,7 % (vs. 65,9 % ; p=0,018). Damit konnte nicht gezeigt werden, dass im neoadjuvanten Setting eine auf der Tumorhistologie beruhende maßgeschneiderte Therapie der Standardchemotherapie überlegen ist. EI sollte daher weiterhin Standard der (neo)adjuvanten Therapie bei Hochrisiko-STS der Extremitäten und des Rumpfes bleiben.<sup>5</sup> Allerdings: kein Kontrollarm ohne Chemotherapie. Sind drei Zyklen genug?</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1905_Weblinks_jat_onko_1905_s84_tab1_brodowicz.jpg" alt="" width="550" height="214" /></p> <h2>Präoperative Radiatio bei Retroperitonealsarkomen</h2> <p>Das Lokalrezidiv ist die Haupttodesursache bei Patienten mit retroperitonealen Sarkomen (RPS). Retrospektive Studien zur (neo)adjuvanten Strahlentherapie bei RPS lieferten widersprüchliche Ergebnisse, weshalb die EORTC und das EU-Forschungsnetzwerk euroSARC die STRASS-Studie initiierten (EORTC 62092). Eingeschlossen waren Patienten mit histologisch bestätigtem lokalisiertem primärem RPS, das operabel und für eine Bestrahlung geeignet war. Primärer Endpunkt war das abdominelle rezidivfreie Überleben (ARFS). Sekundäre Endpunkte waren unter anderem OS, Toxizität, perioperative und späte Komplikationen.<br /> Insgesamt wurden 266 Patienten, von denen 198 (74,5 % ) ein Liposarkom hatten, randomisiert und mit oder ohne vorherige Strahlentherapie operiert. Außer bei den Liposarkompatienten brachte die präoperative Radiotherapie keinen ARFS-Vorteil: Die 3-Jahres-ARFS-Rate lag bei 60,4 % (vs. 58,7 % ; p=0,954). In der vom Independent Data-Monitoring Committee (IDMC) vorgeschlagenen Sensitivitätsanalyse ergab sich eine 3-Jahres-ARFS-Rate von 66 % unter Strahlentherapie vs. 58,7 % (p=0,34). Bei den Liposarkompatienten zeigte sich ein signifikanter Vorteil der Strahlentherapie (71,6 % vs. 60,4 % ; p=0,049).<sup>6</sup></p></p>
<p class="article-footer">
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<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Tap WD et al.: J Clin Oncol 2019; 37 (suppl): Abstr. LBA3 <strong>2</strong> Somaiah N et al.: J Clin Oncol 2019; 37 (suppl): Abstr. 11008 <strong>3</strong> Schoffski P et al.: J Clin Oncol 2019; 37 (suppl): Abstr. 11006 <strong>4</strong> Dickson MA et al.: J Clin Oncol 2019; 37 (suppl): Abstr. 11004 <strong>5</strong> Gronchi A et al.: J Clin Oncol 2019; 37 (suppl): Abstr. 11000 <strong>6</strong> Bonvalot S et al.: J Clin Oncol 2019; 37 (suppl): Abstr. 11001</p>
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