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Neues Therapieziel wird die Heilung sein
Leading Opinions
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21.09.2017
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<p class="article-intro">Mit den potenten neuen Wirksubstanzen werden bei der chronischen lymphatischen Leukämie hohe Raten an Komplettremissionen und MRD-Negativität erreicht. Dies geht mit einem langfristig anhaltenden progressionsfreien Überleben und Gesamtüberleben einher. Mit dem Therapieziel der tiefen Remission und der Freiheit von minimaler Resterkrankung (MRD) kann möglicherweise bei einem Teil der Patienten die Heilung der CLL erreicht werden. Dies zeigen die Studienergebnisse, die aktuell am EHA in Madrid vorgestellt wurden.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Bei Patienten mit neu diagnostizierter CLL wurden zur Therapieoptimierung insbesondere Kombinationstherapien untersucht. In einer Phase-II-Studie wurde das iFCG-Regime mit Ibrutinib, Fludarabin, Cyclophosphamid und Obinutuzumab in unterschiedlichen Dosierungen bei 31 Patienten mit unbehandelter CLL, mit IGHV- und ohne del(17p)- oder TP53-Mutation geprüft.<sup>1</sup> Primärer Studienendpunkt waren das komplette Ansprechen und die MRD-Negativität im Knochenmark nach 3 Therapiezyklen. Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 8,9 Monaten waren 85 % der 27 ansprechenden Patienten MRD-negativ. Hohe B2M(Beta2-Mikroglobulin)-Werte zu Therapiebeginn sind möglicherweise prädiktiv für eine geringere Rate an MRD-Negativität. Neutropenie und Thrombozytopenie zeigten sich als typische Nebenwirkungen der iFCGTherapie.</p> <h2>Chemotherapiefreie Induktionsund Erhaltungstherapie</h2> <p>In der Phase-II-Studie CLL2-BAG erhielten 63 CLL-Patienten ein Debulking mit Bendamustin, gefolgt von einer Induktion sowie einer MRD-geleiteten Erhaltungstherapie mit Obinutuzumab und Venetoclax. <sup>2</sup> 34 der eingeschlossenen Patienten waren therapienaiv und 29 Patienten befanden sich im rezidivierten/refraktären Setting mit median 2 Vortherapien (Spanne: 1–9). 27 % aller Patienten wiesen eine 17p-Deletion oder eine TP53-Mutation auf und 74 % waren nicht IGHV-mutiert. Es wurde keine kumulative oder unerwartete Toxizität durch die sequenzielle Therapie mit Bendamustin, Obinutuzumab und Venetoclax beobachtet. Ein Tumorlysesyndrom (TLS) trat bei einem Patienten in der Debulking-Phase und in zwei Fällen in der Induktionsphase auf. Nur in einem Fall wurde das TLS in der sequenziellen Therapie unter Venetoclax in der Laboruntersuchung gesehen. Am Ende der Induktion mit Obinutuzumab und Venetoclax wurden ein Ansprechen bei 95 % (therapienaiv: 100 % , rezidiviert/refraktär: 90 % ) und eine MRD-Negativität laut Blutuntersuchung bei 87 % der Patienten (therapienaiv: 91 % , rezidiviert/refraktär: 83 % ) erreicht. Nach 15 Monaten waren 100 % der therapienaiven Patienten sowie 83 % der rezidivierten/refraktären Patienten progressionsfrei. Damit bilden die Ergebnisse der präsentierten Studie die Grundlage für eine weitere Evaluation von Obinutuzumab und Venetoclax bei Patienten mit CLL in einer Phase-III-Studie.<br /> Die Sicherheitsanalyse einer wegen Toxizitäten vorzeitig abgebrochenen Phase- II-Studie mit Idelalisib plus Rituximab schloss 102 therapienaive CLL-Patienten mit 17p-Deletion ein.<sup>3</sup> Die Patienten waren der Therapie im Median 6,4 Monate ausgesetzt. Nebenwirkungen von Grad =3 traten bei 80 % der Patienten auf und klinisch relevante Nebenwirkungen bei 45 % . Bei 70 % der Patienten führten die Nebenwirkungen zu einer Dosisunterbrechung, bei 28 % zu einem Abbruch der Studienmedikation. 4 Patienten starben aufgrund therapieassoziierter Nebenwirkungen.</p> <h2>Grosse Therapiefortschritte im rezidivierten/refraktären Setting</h2> <p>In der Behandlung der Patienten nach Krankheitsrückfall oder in der refraktären Situation bewährten sich die neuen potenten Substanzen Ibrutinib und Venetoclax als Monotherapie und in Kombination.<br /> Zur Therapie mit Ibrutinib bei vorhandelten CLL/SLL-Patienten wurde in der Primäranalyse der Phase-III-Studie RESONATE eine Reduktion des Risikos für Progression von 78 % und für das Versterben von 57 % gegenüber Ofatumumab gezeigt. Am EHA wurde nun die aktualisierte Auswertung der Studie mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 44 Monaten im Ibrutinib-Arm präsentiert.<sup>4</sup> Nach drei Jahren waren noch 59 % der Patienten unter Ibrutinib und 3 % unter Ofatumumab ohne Progress (HR: 0,133). In einer multivariaten Analyse waren eine höhere Anzahl vorangegangener Therapielinien und erhöhte B2M-Werte mit einem kürzeren PFS unter Ibrutinib assoziiert. Das mediane Gesamtüberleben (OS) wurde in keinem der beiden Studienarme erreicht. Nach drei Jahren lebten noch 74 % der Patienten im Ibrutinib- Arm. Wurde das OS-Ergebnis im Ofatumumab- Arm um die 68 % der Patienten, die bei Progress in den Ibrutinib-Arm gewechselt waren, bereinigt, so betrug die Reduktion des Risikos, zu versterben, unter Ibrutinib gegenüber Ofatumumab 63 % (HR: 0,37). Im Median wurden die Patienten 41 Monate mit Ibrutinib behandelt. Hauptgründe für das Abbrechen der Therapie waren Progress (27 % ) und Nebenwirkungen (12 % ). Die häufigsten Nebenwirkungen, die zum Therapieabbruch führten, waren Pneumonie, Anämie, Thombozytopenie, Diarrhö und Stuhlinkontinenz. Die meisten Nebenwirkungen von Grad =3 traten im ersten Therapiejahr unter Ibrutinib auf und verringerten sich im Laufe der folgenden Jahre.<br /> Die Kombination von Ibrutinib und Venetoclax bei rezidivierter/refraktärer CLL erwies sich in der CLARITY-Studie als gut verträglich, mit nur einem Fall von gut kontrollierbarem Tumorlysesyndrom.<sup>5</sup> Die rasche Reduktion von CLL-Zellen im Blut bereits in der Eskalationsphase von Venetoclax und Ibrutinib war vielversprechend und bestätigt die potente Synergie der beiden Wirksubstanzen. Die CLARITY- Studie rekrutierte 50 Patienten, von denen die Daten von 45 Patienten in die präsentierte Auswertung eingingen. Die Patienten erhielten erst 8 Wochen Ibrutinib in Monotherapie, gefolgt von wöchentlich eskaliertem Venetoclax (10mg bis 400mg) plus Ibrutinib (420mg). Die Anzahl von CLL-Zellen im peripheren Blut stieg während der 8 Wochen Monotherapie mit Ibrutinib von median 50x10<sup>9</sup>/l auf 60x10<sup>9</sup>/l an und fiel in den nachfolgenden 8 Wochen unter der Kombination mit Venetoclax von median 60x10<sup>9</sup>/l auf 0,042x10<sup>9</sup>/l ab.</p> <h2>2-Jahres-Überlebensrate von 73 % unter Venetoclax-Monotherapie</h2> <p>Die Zulassung von Venetoclax als Monotherapie für die Behandlung von CLLPatienten mit 17p-Deletion erfolgte aufgrund der hohen Ansprechrate (79 % ) unter 107 Patienten in der Phase-II-Studie M13-983. Die Studie wurde um eine Sicherheitskohorte von 51 Patienten erweitert. Am EHA wurden aktuell die Ergebnisse aller eingeschlossenen Patienten zu Wirksamkeit und Sicherheit, inklusive der MRD-Daten laut Durchflusszytometrie und NGS («next generation sequencing»), präsentiert.<sup>6</sup> Zur TLS-Prophylaxe wurde Venetoclax wochenweise von täglich 20mg auf 50mg, 100mg und 200mg eskaliert, ab Woche 5 erhielten die Patienten täglich 400mg Venetoclax. Das Ansprechen wurde nach den 2008-iwCLL-Kriterien<sup>7</sup> einmal monatlich bewertet. Zeigten Patienten in zwei konsekutiven Messungen MRD-Negativität im peripheren Blut, so wurde eine Knochenmarksprobe genommen, um den Status zu bestätigen. Bezüglich der Nebenwirkungen wurden Infektionen aller Grade bei 81 % der Patienten und von Grad 3/4 bei 23 % der Patienten gesehen, wobei das Spektrum konsistent mit der zugrunde liegenden Erkrankung war. TLS wurde auf Laborbasis bei 5 % der Patienten während der Dosiseskalation beobachtet, konnte aber gut kontrolliert werden, sodass alle Patienten auf die Enddosis von 400mg täglich eskaliert wurden. Es trat keine Episode eines klinischen TLS auf.<br /> Die mediane Zeit bis zum ersten Ansprechen betrug 1 Monat (0,5–4,4 Monate) und die mediane Zeit bis zu einer kompletten Remission (CR/CRi) 9,8 Monate (2,7–31,1 Monate). Ein Ansprechen erreichten 77 % der 158 Patienten der ITTPopulation wie auch 61 % der 18 bereits mit Ibrutinib vorbehandelten Patienten. Das progressionsfreie Überleben betrug median 27,2 Monate, das mediane OS war noch nicht erreicht. Nach 24 Monaten lebten 73 % der Patienten und 54 % waren progressionsfrei.<br /> Von 78 Patienten wurden 257 Proben für die MRD-Messung genommen. Es zeigte sich eine hohe Übereinstimmung der Bewertung von MRD-positiven und -negativen Proben beim Einsatz von NGS oder Durchflusszytometrie. Patienten, die unter Venetoclax eine komplette Remission und MRD-Negativität aufwiesen, erreichten zu 100 % ein PFS von wenigstens 2 Jahren (Abb. 1).<img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Onko_1705_Weblinks_s20-abb1.jpg" alt="" width="2187" height="871" /></p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: 22. Kongress der European Hematology Association
(EHA), 22.–25. Juni 2017, Madrid
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Jain N et al.: Ibrutinib, fludarabine, cyclophosphamide, and obinutuzumab (GA101) (IFCG) for previously untreated patients with chronic lymphocytic leukemia (CLL) with mutated IGHV and non-del(17p). EHA 2017, Abstr. #S463 <strong>2</strong> Cramer P et al.: Bendamustine (B), followed by obinutuzumab (G, GA101) and venetoclax (A, ABT-199) in patients with chronic lymphocytic leukemia (CLL): CLL2-BAG phase-II-trial of the German CLL study group (GCLLSG). EHA 2017, Abstr. #464 <strong>3</strong> Hillmen P et al.: Safety results of terminated phase 2 study of idelalisib plus rituximab in treatment naive chronic lymphocytic leukemia (CLL) with del(17p). EHA 2017, Abstr. #S465 <strong>4</strong> Moreno C et al.: Ibrutinib in previously treated chronic lymphocytic leukemia: updated efficacy and safety of the RESONATE study with up to four years of follow-up. EHA 2017, Abstr. #769 <strong>5</strong> Hillmen P et al.: The initial report of the bloodwise TAP CLARITY study combining ibrutinib and venetoclax in relapsed, refractory CLL shows acceptable safety and promising early indications of efficacy. EHA 2017, Abstr. #770 <strong>6</strong> Stilgenbauer S et al.: Venetoclax in relapsed/refractory chronic lymphocytic leukemia (CLL) with 17p deletion: outcome and minimal residual disease from the full population of the pivotal M13-982 trial. EHA 2017, Abstr. #771 <strong>7</strong> Hallek M et al.: Guidelines for the diagnosis and treatment of chronic lymphocytic leukemia: a report from the International Workshop on Chronic Lymphocytic Leukemia updating the National Cancer Institute-Working Group 1996 guidelines. Blood 2008; 111: 5446-5456</p>
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