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Neuerungen in der frühen Brustkrebschirurgie

<p class="article-intro">Deeskalation v.a. in puncto Axillachirurgie lautet der Trend: Die Datenlage deutet vermehrt darauf hin, dass die Axilladissektion beim frühen Mammakarzinom auch bei Patientinnen mit tumorbefallenem Sentinellymphknoten keinen Vorteil in Bezug auf das krankheitsfreie Überleben oder das Gesamtüberleben aufweist. Die chirurgische Deeskalation reflektiert sich auch in der Brustchirurgie im Sinne zunehmender Brusterhaltung, dank Reduktion der Sicherheitsabstände, lokalem «downstaging» mittels neoadjuvanter Systemtherapie sowie Abschaffung der Tumormultizentrizität als Kontraindikation.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Axillachirurgie</h2> <p>Eine der wichtigsten Neuigkeiten in der Axillachirurgie seit der letzten St.-Gallen- Konsensus-Konferenz 2017 beinhaltet die Ver&ouml;ffentlichung der Langzeit-Follow-up- Daten aus zwei grossen multizentrischen Phase-III-Nichtunterlegenheitsstudien, in denen klinisch nodal negative Patientinnen mit limitiert tumorbefallenem Sentinellymphknoten in eine Kontrollgruppe mit Axilladissektion (ALND) und eine Experimentalgruppe ohne axill&auml;re Therapie randomisiert wurden.<sup>1, 2</sup> In den zwei Studien, IBCSG 23-01 und ACOSOG Z0011, lagen die Raten an axill&auml;ren Rezidiven beider Gruppen unter 2 % , wobei sich keine statistisch signifikanten Unterschiede in Bezug auf das krankheitsfreie &Uuml;berleben oder das Gesamt&uuml;berleben zeigten (Abb. 1). Dies weist nachdr&uuml;cklich darauf hin, dass ALND nicht l&auml;nger als Standardtherapie bei allen nodal positiven Brustkrebspatientinnen angesehen werden kann.<sup>1&ndash;5</sup><br /> Aktuell wird im Falle von residuellem Tumor nach neoadjuvanter Chemotherapie und bei palpablen Lymphknotenmetastasen weiterhin eine ALND durchgef&uuml;hrt. Ersteres k&ouml;nnte sich in naher Zukunft &auml;ndern, da die ersten Ergebnisse der Alliance- A011202-Studie (NCT01901094) im Jahr 2024 verf&uuml;gbar sein werden. In dieser grossen Phase-III-Nichtunterlegenheitsstudie werden Patientinnen mit residuellen Mikro-/Makrometastasen in den Sentinellymphknoten nach neoadjuvanter Chemotherapie inkludiert und in eine Kontrollgruppe mit ALND und in eine experimentelle Gruppe mit axill&auml;rer Radiotherapie im Sinne einer ausgedehnten region&auml;ren Radiotherapie randomisiert. Somit kl&auml;rt diese Studie die wichtige Frage, ob auch bei neoadjuvant behandelten Patientinnen residueller Tumor in der Axilla zur&uuml;ckgelassen werden darf, wenn eine region&auml;re Radiotherapie folgt.<br /> Noch einen Schritt weiter geht die multizentrische TAXIS-Studie (NCT03513614):<sup>6</sup> Diese Phase-III-Studie stellt das Paradigma infrage, dass bei Patientinnen mit palpablen Lymphknotenmetastasen eine neoadjuvante Systemtherapie unabh&auml;ngig von der Tumorbiologie bzw. eine ALND im Falle einer prim&auml;ren chirurgischen Therapie durchgef&uuml;hrt werden muss. Dabei wird ein neues chirurgisches Konzept, die fokussierte Axillachirurgie (&laquo;tailored axillary surgery&raquo;, TAS) eingef&uuml;hrt, welche die Entfernung aller palpatorisch auff&auml;lligen Befunde und der Sentinellymphknoten beinhaltet und somit das Ausmass der Axillachirurgie an das Ausmass des Lymphknotenbefalls anpasst. Nodal positive Patientinnen, sowohl solche, bei denen eine neoadjuvante Chemotherapie durchgef&uuml;hrt wird, als auch solche, die sich keiner neoadjuvanten Chemotherapie unterziehen, werden in eine Experimentalgruppe mit TAS in Kombination mit einer ausgedehnten region&auml;ren Radiotherapie und eine Kontrollgruppe mit radikaler ALND randomisiert. Mittels Non- Inferiority-Design wird die Hypothese getestet, dass die ALND im Vergleich zur TAS keinen Vorteil in Bezug auf das krankheitsfreie &Uuml;berleben oder das Gesamt&uuml;berleben aufweist.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Onko_1903_Weblinks_lo_onko_1903_s27_abb1.jpg" alt="" width="550" height="313" /></p> <h2>Brustchirurgie</h2> <p>Die Tendenz zur chirurgischen Deeskalation reflektiert sich auch in der Brustchirurgie: 2014 zeigten Moral et al. mittels einer Metaanalyse auf, dass das lokalrezidivfreie &Uuml;berleben nicht vom Millimeterabstand des Karzinoms zum Tumorrand abh&auml;nge, sondern nur davon, ob der Resektionsrand bzw. die tuschemarkierten R&auml;nder mit Zellen (&laquo;no ink on tumor&raquo;) befallen seien, und dementsprechend wurden die Guidelines modifiziert.<sup>7, 8</sup> Als Konsequenz davon wurde nun in einer k&uuml;rzlich publizierten Metaanalyse eine deutliche Reduktion der Reexzisionsraten beschrieben, n&auml;mlich von 22 % (95 % CI: 20&ndash;23) vor Ver&ouml;ffentlichung der Guidelines auf 14 % (95 % CI: 12&ndash;15) danach.<sup>9</sup><br /> Ein weiterer relevanter Punkt ist der Resektionsabstand nach neoadjuvanter Systemtherapie, da in solchen F&auml;llen ein h&ouml;heres Risiko f&uuml;r Lokalrezidive besteht, wie in diversen Studien gezeigt wurde. Eine Metaanalyse des &laquo;Early Breast Cancer Trialist Collaborative Group&raquo;, welche &uuml;ber 4000 Patientinnen aus zehn randomisierten Studien inkludierte, beschrieb ein 15-Jahre-Lokalrezivrisiko von 21,4 % bei den neoadjuvant und 15,9 % bei den adjuvant behandelten Patientinnen (Abb. 2).<sup>10</sup> Eine k&uuml;rzlich publizierte retrospektive Studie weist darauf hin, dass &laquo;no ink on tumor&raquo; auch nach neoadjuvanter Therapie ausreichend sei, basierend auf einer hohen 5-Jahres-Rate an rezidivfreiem &Uuml;berleben, n&auml;mlich 96,3 % (CI: 94,0&ndash; 98,6), ohne erwiesenen Unterschied zwischen bzw. &uuml;ber 2mm Resektionsabstand.<sup>11</sup> Jedoch bedarf es noch weiterer Studien, um den angemessenen Resektionsabstand nach neoadjuvanter Therapie zu determinieren.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Onko_1903_Weblinks_lo_onko_1903_s28_abb2.jpg" alt="" width="550" height="367" /></p> <p>Neben der Verringerung der Sicherheitsabst&auml;nde und dem lokalen &laquo;downstaging &raquo; durch die neoadjuvante Systemtherapie ist ein weiterer m&ouml;glicher Weg zur F&ouml;rderung der brusterhaltenden Operationen das &Uuml;berdenken der Tumormultizentrizit&auml;t als Kontraindikation hierf&uuml;r. An der St.-Gallen-Konsensus-Konferenz 2017 empfahlen 61 % der Experten die brusterhaltende Operation auch f&uuml;r multizentrische Tumoren, sofern die Resektionsr&auml;nder eindeutig seien und eine Radiotherapie problemlos durchgef&uuml;hrt werden k&ouml;nne. K&uuml;rzlich publizierte prospektive, nicht randomisierte Daten der ACOSOG-Z11102- Studie unterst&uuml;tzen diese Empfehlung.<sup>12</sup> Dabei wurden 198 Patientinnen prospektiv erfasst, 96 % von ihnen wiesen zwei Tumorherde auf und die mittlere Gr&ouml;sse des gr&ouml;ssten Tumorfokus betrug 1,5cm (0,1&ndash;7,0). In 67,6 % der F&auml;lle wurde die Brusterhaltung erfolgreich in einer einzigen Operation durchgef&uuml;hrt, die Rate an Konversionen zur Mastektomie betrug nur 7,1 % (95 % CI: 3,9&ndash;10,6 % ). Somit k&ouml;nnen wir aus diesen Resultaten schliessen, dass brusterhaltende Operationen im Sinne von grossvolumigen Tumorektomien bei den meisten dieser Patientinnen durchf&uuml;hrbar sind, jedoch m&uuml;ssen noch weitere Ergebnisse bzgl. sekund&auml;rer Endpunkte wie &Auml;sthetik, Strahlungstoxizit&auml;t und onkologische Sicherheit abgewartet werden, bevor die Brusterhaltung als Standardtherapie auch bei multizentrischen Tumoren angesehen werden kann.</p> <p>Eine Methode, grossvolumige Tumorektomien durchzuf&uuml;hren und trotzdem ein gutes kosmetisches Resultat zu erreichen, ist die Kombination von plastischen chirurgischen und onkologischen Operationstechniken, die sogenannte onkoplastische Chirurgie. Clough et al. ver&ouml;ffentlichten im letzten Jahr eine grosse prospektive Serie von 350 onkoplastischen Reduktionsmammoplastiken, die zwischen 2004 und 2016 durchgef&uuml;hrt wurden.<sup>13</sup> Die mittlere Tumorgr&ouml;sse betrug dabei 26mm (0&ndash;180mm). Die Rate von tumorbefallenen Resektionsr&auml;ndern fiel mit 12,6 % niedrig aus, wie auch die Komplikationsrate mit 8,9 % . Die kumulative 5-Jahres-Inzidenz betrug f&uuml;r lokale Rezidive 2,2 % , f&uuml;r regionale Rezidive 1,1 % sowie f&uuml;r Fernrezidive 12,4 % . Daraus l&auml;sst sich schliessen, dass das Verfahren onkologisch sicher ist und als Alternative zur Mastektomie angewandt werden kann.</p> <p>Die wichtigste offene Frage auf dem Gebiet der onkoplastischen Chirurgie stellt sich zum positiven Effekt auf die Lebensqualit&auml;t durch die Verbesserung der kosmetischen Ergebnisse. Um u.a. auch diese Frage zu beantworten, wurde 2017 ausgehend von Prof. Walter Weber, Chefarzt der Brustchirurgie des Universit&auml;tsspitals Basel, das &laquo;Oncoplastic Breast Consortium &raquo; (OPBC) gegr&uuml;ndet.<sup>14</sup> Das OPBC ist eine rapide wachsende, globale Non- Profit-Organisation, die sich der Ermittlung und Priorisierung von Wissensl&uuml;cken in diesem Bereich verschrieben hat. Zum Stand von 1. April 2019 besteht das OPBC aus 390 spezialisierten Brustchirurgen aus den Bereichen Gyn&auml;kologie, Chirurgie und plastische Chirurgie aus 68 verschiedenen Nationen sowie 33 Patientenvertretern aus 18 L&auml;ndern. Gegenw&auml;rtig konzentriert sich das OPBC auf Forschungsprojekte, die sich mit der grossen Heterogenit&auml;t in der Brustrekonstruktionspraxis nach Mamillen- sparender Mastektomie befassen und hat sich generell verpflichtet, onkologisch sichere und effektive onkoplastische Operationen in der Routineversorgung von Brustkrebspatientinnen zu etablieren.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Galimberti V et al.: Axillary dissection versus no axillary dissection in patients with breast cancer and sentinelnode micrometastases (IBCSG 23-01): 10-year follow-up of a randomised, controlled phase 3 trial. Lancet Oncol 2018; 19: 1385-93 <strong>2</strong> Giuliano AE et al.: Effect of axillary dissection vs no axillary dissection on 10-year overall survival among women with invasive breast cancer and sentinel node metastasis: the ACOSOG Z0011 (Alliance) randomized clinical trial. JAMA 2017; 318: 918-26 <strong>3</strong> Giuliano AE et al.: Axillary dissection vs no axillary dissection in women with invasive breast cancer and sentinel node metastasis: a randomized clinical trial. JAMA 2011; 305: 569-75 <strong>4</strong> Giuliano AE et al.: Locoregional recurrence after sentinel lymph node dissection with or without axillary dissection in patients with sentinel lymph node metastases: the American College of Surgeons Oncology Group Z0011 randomized trial. Ann Surg 2010; 252: 426-32; discussion 32-3 <strong>5</strong> Galimberti V et al.: Axillary dissection versus no axillary dissection in patients with sentinel-node micrometastases (IBCSG 23-01): a phase 3 randomised controlled trial. Lancet Oncol 2013; 14: 297-305 <strong>6</strong> Henke G et al.: Tailored axillary surgery with or without axillary lymph node dissection followed by radiotherapy in patients with clinically node-positive breast cancer (TAXIS): study protocol for a multicenter, randomized phase-III trial. Trials 2018; 19: 667 <strong>7</strong> Moran MS et al.: Society of Surgical Oncology-American Society for Radiation Oncology consensus guideline on margins for breastconserving surgery with whole-breast irradiation in stages I and II invasive breast cancer. Ann Surg Oncol 2014; 21: 704-16 <strong>8</strong> Moran MS et al.: Society of Surgical Oncology- American Society for Radiation Oncology consensus guideline on margins for breast-conserving surgery with whole-breast irradiation in stages I and II invasive breast cancer. J Clin Oncol 2014; 32: 1507-15 <strong>9</strong> Havel L et al.: Impact of the SSO-ASTRO margin guideline on rates of re-excision after lumpectomy for breast cancer: a meta-analysis. Ann Surg Oncol 2019; doi: 10.1245/s10434-019- 07247-5 [Epub ahead of print] <strong>10</strong> Early Breast Cancer Trialists' Collaborative G: Long-term outcomes for neoadjuvant versus adjuvant chemotherapy in early breast cancer: meta-analysis of individual patient data from ten randomised trials. Lancet Oncol 2018; 19: 27-39 <strong>11</strong> Choi J et al.: Margins in breast-conserving surgery after neoadjuvant therapy. Ann Surg Oncol 2018; 25: 3541-7 <strong>12</strong> Rosenkranz KM et al.: The feasibility of breast-conserving surgery for multiple ipsilateral breast cancer: an initial report from ACOSOG Z11102 (Alliance) trial. Ann Surg Oncol 2018; 25: 2858-66 <strong>13</strong> Clough KB et al.: Long-term results after oncoplastic surgery for breast cancer: a 10-year follow-up. Ann Surg 2018; 268: 165-71 <strong>14</strong> https://oncoplasticbc.org/ (accessed march 17th, 2019)</p> </div> </p>
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