Neue Optionen für stark vorbehandelte Myelompatienten in Sicht
Bericht:
Dr. Therese Schwender
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Das Programm des dritten European Myeloma Network (EMN) Meeting beinhaltete unter anderem Vorträge zu verschiedenen Aspekten des Managements neudiagnostizierter Myelompatienten. Unter den Best Abstracts und elektronischen Postern wurden mehrere Arbeiten zu neuen Therapieansätzen für stark vorbehandelte rezidivierte/refraktäre Patienten präsentiert.
In der Session „Neu diagnostiziertes multiples Myelom“ ging Prof. Dr. Philippe Moreau (Nantes/F) der Frage nach, welche Induktionstherapie bei transplantierbaren Patienten gewählt werden sollte. Die Rolle der Induktionstherapie sei dabei gut definiert, meinte er einleitend. „Wir wollen eine rasche Krankheitskontrolle bei minimaler Toxizität, sodass wir anschließend genügend Stammzellen gewinnen können“, sagte er. Ebenfalls Ziel sei es, ein möglichst gutes Ansprechen, einschließlich einer MRD(„minimalresidual disease“)-Negativität, zu erreichen.
Viererkombination besser als Dreierkombination
Die aktuellen Guidelines der European Hematology Association (EHA) und der European Society for Medical Oncology (ESMO) sehen für die Induktionstherapie entweder die Dreierkombination VRd (Bortezomib/Lenalidomid/Dexamethason) oder die Viererkombination aus Daratumumab plus Bortezomib/Thalidomid/Dexamethason (Dara-VTd) vor.1 „Doch was ist besser, eine Dreier- oder eine Viererkombination?“, fragte Prof. Moreau.
Die Studie CASSIOPEIA (Dara-VTd vs. VTd, jeweils als Induktion und Konsolidierung) zeigte eine Überlegenheit der Viererkombination gegenüber dem Triplet.2 Nach einem medianen Follow-up von 18,8 Monaten wiesen die mit Dara-VTd behandelten Patienten ein um 53% niedrigeres Risiko für Progress und Tod auf als Patienten, die VTd erhalten hatten. Die Studie machte vor allem auch deutlich, wie wichtig das Erreichen einer MRD-Negativität durch die Induktionstherapie ist. „So konnten wir bei MRD-negativen Patienten ein signifikant längeres progressionsfreies Überleben beobachten“, berichtete er und ergänzte: „Der Anteil an MRD-negativen Patienten war dabei unter Dara-VTd signifikant höher als unter VTd.“ Prof. Moreau gab aber auch zu bedenken, dass Dara-VTd nicht in der Lage war, die mit einer Hochrisiko-Zytogenetik einhergehende schlechte Prognose wettzumachen. „Zudem führten sowohl Dara-VTd als auch VTd zu einer hohen Rate an peripheren Neuropathien aller Grade, aber auch Grad 3 oder 4“, betonte er.
„Die GRIFFIN-Studie zeigte uns, dass sich die Verträglichkeit verbessert, wenn anstelle von Thalidomid Lenalidomid eingesetzt wird“, erläuterte er weiter. In dieser Studie wurde bei neudiagnostizierten Patienten Dara-RVd mit RVd als Induktions- und Konsolidierungstherapie verglichen.3 „Nach Abschluss der Induktion zeigte ein signifikant höherer Anteil der Patienten unter der Viererkombination ein sehr gutes partielles Ansprechen oder besser und auch der Anteil MRD-negativer Patienten lag signifikant höher“, berichtete der Redner. „Ich denke also, dass eine Viererkombination vermutlich die bessere Induktionstherapie darstellt als eine Dreierkombination.“ Die neueste Analyse der Studie, nach einer Erhaltungstherapie von 24 Monaten, ergab einen Trend zu einem verlängerten progressionsfreien Überleben (PFS) unter Dara-RVd (Studie allerdings nicht für PFS gepowert).
„Wir warten nun auf die Resultate der laufenden EMN017/Hovon158/MMY3014-Studie. Sie wird womöglich Dara-RVd als bestes Induktionsregime vor einer Stammzelltransplantation etablieren“, so Prof. Moreau. Erste Resultate liegen auch aus der laufenden Studie GMMG-HD7 vor, in welcher eine Induktionstherapie (3 Zyklen à 6 Wochen) mit Isatuximab-RVd im Vergleich zu RVd untersucht wird.5 Der primäre Endpunkt der Studie ist die Rate an MRD-negativen („next-generation flow“[NGF], 10–5) Patienten zum Ende der Induktion. Prof. Moreau dazu: „Diese Rate war unter der Viererkombination signifikant höher als unter der Dreierkombination. Der Vorteil der Viererkombination war in allen Subgruppen erkennbar, selbst bei Patienten mit Hochrisiko-Zytogenetik. Die Zugabe von Isatuximab zu RVd beeinträchtigte die Verträglichkeit dabei nicht. Damit stellt Isa-RVd auch eine gute Option für die Induktionstherapie dar.“
Abschließend meinte er: „In Zukunft werden wir wohl mehrere unterschiedliche Viererkombinationen zur Verfügung haben, und ich denke, die Viererkombination wird sich zur Standard-Induktionstherapie entwickeln.“
Neue Ansätze für rezidivierte/refraktäre Patienten
Die meisten Myelompatienten kommen heute in den ersten zwei bis drei Therapielinien sowohl mit IMiDs und Proteasominhibitoren (PI) als auch Anti-CD38-Antikörpern in Kontakt. Eine prospektive, nichtinterventionelle Untersuchung in den USA und neun europäischen Ländern zeigte, dass die Wirksamkeit der in dieser Situation eingesetzten Rescue-Therapien mit einer Gesamtansprechrate (ORR) von 28,0%, einem medianen PFS von 4,4 Monaten und einem Gesamtüberleben (OS) von 12,4 Monaten gering war.6,7
Zu den neuen Ansätzen, die den hier bestehenden Bedarf decken sollen, gehören CAR(„chimeric antigen receptor“)-T-Zellen, bispezifische Antikörper, Antikörper-Substanz-Konjugate (ADC) und Cereblon-3-Ligase-Modulatoren (CELMoDs). Am EMN-Meeting wurden dann auch verschiedene Arbeiten vorgestellt, die sich mit solch neuen Ansätzen befassten.
Rodriguez-Otero et al. präsentierten die Resultate der Phase-Ib-Multikohortenstudie zur Kombination von Daratumumab mit unterschiedlichen Dosierungen des subkutan applizierten bispezifischen Antikörpers Teclistamab bei Patienten (n=37), die drei oder mehr Vortherapien erhalten hatten oder doppelt refraktär (IMiD und PI) waren (TRIMM-2-Studie).8 Bei einem medianen Follow-up von 5,1 Monaten lag die ORR zwischen 70 und 100%. Die mediane Zeit bis zum ersten bestätigten Ansprechen betrug einen Monat. Die Therapie zeigte ein kontrollierbares Nebenwirkungsprofil. Keiner der Patienten brach die Studie aufgrund von Nebenwirkungen ab. Vergleichbare Resultate erzielte auch der bispezifische Antikörper Talquetamab.9
Abb. 1: Ansprechraten auf Ciltacabtagen-Autoleucel bei rezidivierten/refraktären Myelompatienten, die eine bis drei Vortherapien erhalten hatten und Lenalidomid-refraktär waren. sCR, stringentes komplettes Ansprechen; VGPR, sehr gutes partielles Ansprechen. Modifiziert nach Einsele et al.10
Die gegen das „B cell maturation antigen“ gerichtete CAR-T-Zell-Therapie mit Ciltacabtagen-Autoleucel (Cilta-cel) zeigte bei Patienten, die eine bis drei Vortherapien erhalten hatten und Lenalidomid-refraktär waren, eine ORR von 95%, wobei 85% mindestens ein komplettes Ansprechen erreichten (Abb. 1).10 Ebenfalls gute Resultate zeigte Cilta-cel bei Patienten mit einem frühen klinischen Rezidiv oder einem Versagen der initialen Therapie.11
Die Phase-I/II-Studie CC-220-MM-001 untersucht den Cereblon-3-Ligase-Modulator Iberdomid in verschiedenen Kombinationen bei rezidivierten/refraktären Myelompatienten. Am Meeting wurden Resultate der Dosisexpansionsphase von Iberdomid kombiniert mit Dexamethason bei 107 stark vorbehandelten, dreifach exponierten (≥1 IMiD, ≥1 Proteasominhibitor [PI] und ≥1 Anti-CD38-Antikörper) Patienten vorgestellt.12 Die mediane Anzahl an Vortherapien betrug dabei 6. Nach einem medianen Follow-up von 7,69 Monaten zeigte sich eine ORR von 26,2%. Die Rate des klinischen Nutzens betrug 36,4%, die Krankheitskontrollrate 79,4%. Das mediane PFS lag bei 3 Monaten, das mediane OS bei 11,2 Monaten. Bei 82,2% der Patienten kam es zu einer behandlungsassoziierten Nebenwirkung vom Grad 3/4 (v.a. hämatologische Nebenwirkungen und Infektionen). Unterbrechungen der Iberdomid-Therapie und Dosisreduktionen aufgrund von Nebenwirkungen wurden bei 52,3% bzw. 18,7% der Patienten registriert. Zu Therapieabbrüchen kam es bei 4,7% der Patienten.
Skelettbezogene Ereignisse und Überleben
Skelettbezogene Ereignisse („skeletal-related events“, SRE), zu denen pathologische Fraktur, Bestrahlung des Knochens, Rückenmarkkompression und operative Eingriffe am Knochen gehören, stellen eine gefürchtete Komplikation der Myelom-bedingten Knochenveränderungen dar. Ebenfalls in der Best-Abstracts-Session des Meetings wurden die Resultate einer prospektiven Beobachtungsstudie zur Häufigkeit von SRE bei mit neuen Substanzen behandelten, neudiagnostizierten Myelompatienten und ihre Korrelation mit Krankheitscharakteristika, Bildgebungsbefunden und Prognose präsentiert.13 Die in die Analyse eingeschlossenen 370 Patienten wiesen ein medianes Alter von 65 Jahren auf. Die Erstlinienbehandlung bestand bei 161 Patienten aus einem IMiD-basierten und bei 152 Patienten aus einem PI-basierten Regime.
Zum Zeitpunkt der Myelomdiagnose wurden die Patienten mit mindestens einer bildgebenden Methode untersucht (Ganzkörper-Röntgen [WBXR], Low-Dose-Ganzkörper-Computertomografie [WBLDCT] oder Magnetresonanztomografie [MRT]). Dabei zeigte sich, dass im WBLDCT 97% der Patienten (Daten von 95 Patienten verfügbar) osteolytische Läsionen aufwiesen. Zwei Prozent zeigten 1–3 Läsionen und 20% mehr als 3 Läsionen. Im MRT (Daten aller Patienten verfügbar) zeigten 16% einen normalen Befund, 40% fokale Läsionen, 38% diffuse und 6% gemischte Veränderungen. SRE wurden zum Zeitpunkt der Myelomdiagnose bei 183 Patienten festgestellt. Am häufigsten handelte es sich um pathologische Frakturen (42%), dabei v.a. um Frakturen im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule sowie um Rippenfrakturen. Die SRE-Inzidenz zum Zeitpunkt der Diagnose war bei Patienten mit osteolytischen Läsionen höher. Bei 92,4% der Patienten mit einem SRE zum Zeitpunkt der Diagnose zeigte das WBLDCT im weiteren Krankheitsverlauf neue SRE.
Patienten ohne MRT-Veränderungen und SRE zum Zeitpunkt der Diagnose hatten ein signifikant längeres medianes OS im Vergleich zu Patienten mit einem abnormen MRT-Befund (diffuse/fokale Läsionen) und SRE zum Zeitpunkt der Diagnose (9,2 vs. 6,5 Jahre, p=0,048). Die Autoren der Arbeit betonten daher abschließend, welch große Bedeutung die Früherkennung und prompte Behandlung von SRE bei Myelompatienten haben.
Quelle:
3rd European Myeloma Network Meeting, 6.–9. April 2022, virtuell
Literatur:
1 Dimopoulos MA et al.: Multiple myeloma: EHA-ESMO Clinical Practice Guidelines for diagnosis, treatment and follow-up. Ann Oncol 2021; 32: 309-22 2 Moreau P et al.: Bortezomib, thalidomide, and dexamethasone with or without daratumumab before and after autologous stem-cell transplantation for newly diagnosed multiple myeloma (CASSIOPEIA): a randomised, open-label, phase 3 study. Lancet 2019; 394: 29-38 3 Voorhees PM et al.: Daratumumab, lenalidomide, bortezomib, and dexamethasone for transplant-eligible newly diagnosed multiple myeloma: the GRIFFIN trial. Blood 2020; 136: 936-45 4 Laubach JP et al.: Daratumumab plus lenalidomide, bortezomib, and dexamethasone in patients with transplant-eligible newly diagnosed multiple myeloma: updated analysis of Griffin after 24 months of maintenance. Blood 2021; 138(Suppl 1): 79-82 5 Goldschmidt H et al.: Addition of isatuximab to lenalidomide, bortezomib and dexamethasone as induction therapy for newly-diagnosed, transplant-eligible multiple myeloma patients: the phase III GMMG-HD7 trial. Blood 2021; 138 (Suppl 1): 463-65 6 Mateos MV et al.: LocoMMotion: a prospective, non-interventional, multinational study of real-life current standards of care in patients with relapsed and/or refractory multiple myeloma. Leukemia 2022 7 Moreau P et al.: LocoMMotion: a prospective, non-interventional, multinational study of real-life current standards of care in patients with relapsed/refractory multiple myeloma who received ≥3 prior lines of therapy. Blood 2021; 138 (Suppl 1): 3057-60 8 Rodriguez-Otero P et al.: B04: Combination of subcutaneous teclistamab with daratumumab in patients with relapsed/refractory multiple myeloma (RRMM): results from a phase 1b multicohort study. HemaSphere 2022; 6(Suppl 2): 7-8 9 Mateos MV et al.: B06: Subcutaneous talquetamab in combination with daratumumab in patients with relapsed/refractory multiple myeloma: phase 1b results. HemaSphere 2022; 6(Suppl 2): 9 10 Einsele H et al.: P08: CARTITUDE-2 update: ciltacabtagene autoleucel, a b-cell maturation antigen–directed chimeric antigen receptor t-cell therapy, in lenalidomide-refractory patients with progressive multiple myeloma after 1-3 prior lines of therapy. HemaSphere 2022; 6(Suppl 2): 15 11 Van de Donk NWCJ et al.: B07: safety and efficacy of ciltacabtagene autoleucel, a chimeric antigen receptor t-cell therapy directed against b-cell maturation antigen in patients with multiple myeloma and early relapse after initial therapy: CARTITUDE-2 results. HemaSphere 2022; 6(Suppl 2): 9 12 Van de Donk NWCJ et al.: P07: results from the CC-220-MM-001 dose-expansion phase of iberdomide plus dexamethasone in patients with relapsed/refractory multiple myeloma. HemaSphere 2022; 6(Suppl 2): 14 13 Terpos E et al.: B03: skeletal-related events and abnormal MRI pattern at diagnosis are associated with inferior overall survival in patients with newly diagnosed multiple myeloma. HemaSphere 2022; 6(Suppl 2): 7 Abstr.# B03
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