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Neue Erstlinientherapie zur Behandlung des nicht kleinzelligen Lungenkarzinoms
Jatros
30
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17.11.2016
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<p class="article-intro">Auf dem diesjährigen Kongress der European Society for Medical Oncology (ESMO) wurden mehrere Studien zur Behandlung des nicht kleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC) vorgestellt. Mit PD-1- und PD-L1-Inhibitoren konnten erstaunliche Ergebnisse erzielt werden, die Einfluss auf die zukünftige Erstlinientherapie haben werden. Wir sprachen mit OA Dr. Maximilian Hochmair vom Otto-Wagner-Spital, Wien, über die wichtigsten am Kongress präsentierten Daten und deren Bedeutung für den klinischen Alltag.</p>
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<p class="article-content"><p><strong>Welche Eindrücke haben Sie vom ESMO mitgenommen? <br />M. Hochmair:</strong> Es war dieses Jahr ein extrem spannender Kongress. Gerade im Bereich des fortgeschrittenen NSCLC werden die präsentierten Daten in Zukunft therapieentscheidend sein und einen Wechsel im Therapiealgorithmus bringen.</p> <p><strong>Die Standard-Erstlinientherapie beim NSCLC ist eine platinbasierte Chemotherapie. Als Zweitlinientherapie sind Pembrolizumab und Nivolumab zugelassen. Auf dem Kongress wurden jetzt mehrere Studien zur Erstlinientherapie mit diesen Immuntherapeutika vorgestellt. Was waren für Sie die wichtigsten Erkenntnisse aus diesen Studien? <br />M. Hochmair:</strong> Sehr eindrucksvoll fand ich die Ergebnisse der Phase-III-Studie KEYNOTE-024 mit Pembrolizumab, einem monoklonalen Antikörper gegen PD-1. Auch wir von der 1. Lungenabteilung im Otto-Wagner-Spital waren an dieser Studie beteiligt. In dieser Studie wurden Patienten mit NSCLC entweder mit Standard-Chemotherapie oder mit Pembrolizumab behandelt. Es handelte sich um Patienten ohne EGFR-Mutationen oder ALK-Translokationen. Eingeschlossen wurden aber nur Patienten, die in über 50 % der Tumorzellen PD-L1 exprimierten, das waren etwa ein Drittel aller getesteten Patienten. Patienten mit fortschreitender Erkrankung konnten vom Chemotherapie-Arm in den Pembrolizumab-Arm wechseln. Der primäre Endpunkt der Studie war das progressionsfreie Überleben (PFS), und dieses war wirklich sehr beeindruckend: Während im Chemotherapie-Arm das mediane PFS 6,0 Monate betrug, war es bei Patienten, die Pembrolizumab erhielten, 10,3 Monate (Abb. 1). Auch beim Overall Survival (OS) zeigte die Pembrolizumab-Therapie klare Vorteile gegenüber der Chemotherapie (80 % nach 6 Monaten bzw. 70 % nach 12 Monaten unter Pembrolizumab vs. 72 % nach 6 Monaten bzw. 54 % nach 12 Monaten unter Chemotherapie) trotz der Möglichkeit des Cross-overs. Auch war die Ansprechrate mit 45 % mit Pembrolizumab besser als mit der Chemotherapie (28 % ). Die aus anderen Studien schon bekannten Nebenwirkungen der Immuntherapie waren außerdem unter Pembrolizumab geringer als unter der Chemotherapie.<sup>1, 2</sup> Insgesamt bedeuten die Ergebnisse dieser Studie, dass bei NSCLC-Patienten mit über 50 % iger Expression von PD-L1 in Tumorzellen Pembrolizumab die Chemotherapie als Erstlinientherapie ablösen wird. <img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2016_Jatros_Onko_1605_Weblinks_seite24.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <p><strong>Mit Nivolumab, einem anderen PD-1-Inhibitor, wurden am ESMO ebenfalls Ergebnisse einer Phase-III-Studie vorgestellt. Was waren hier die wichtigsten Erkenntnisse, insbesondere im Vergleich zur Studie mit Pembrolizumab? <br />M. Hochmair:</strong> Die CheckMate-026-Studie war ähnlich aufgebaut wie die KEYNOTE-024-Studie, hatte jedoch einen bedeutenden Unterschied in den Patienten-Einschlusskriterien: Hier wurden Patienten eingeschlossen, die eine PD-L1-Expression im Tumor von mindestens 1 % aufwiesen, das waren etwa zwei Drittel aller Patienten. Anmerken sollte man hier außerdem, dass die Patienten mit sehr hoher PD-L1-Expression (≥25 % , ≥50 % oder ≥75 % ) sich vermehrt im Chemotherapie-Arm der Studie befanden, weil die Patienten nicht nach ihrer PD-L1-Expression randomisiert wurden. Auch hier war der primäre Endpunkt der Studie das PFS, die Ergebnisse wurden für Patienten mit ≥5 % PD-L1-Expression präsentiert. Das PFS unterschied sich in dieser Studie nicht signifikant zwischen Chemotherapie und Nivolumab-Therapie. Auch das OS war in beiden Behandlungsarmen ähnlich. Es wiesen sogar mehr Patienten unter Nivolumab-Therapie eine progrediente Erkrankung auf als Patienten im Chemotherapie-Arm.<sup>3</sup> Zusammenfassend kann man also sagen, dass diese Studie mit Nivolumab die Erwartungen leider nicht erfüllt hat und Nivolumab für die Erstlinientherapie keinen Vorteil gegenüber der bisherigen Standardtherapie hat. In der Zweitlinientherapie wird sich durch diese beiden Studien nichts ändern.</p> <p><strong>Darüber hinaus wurde die Studie mit Atezolizumab, einem Antikörper gegen den PD-1-Liganden (PD-L1), präsentiert. Würden Sie diese Studie bitte für uns zusammenfassen? <br />M. Hochmair:</strong> In der OAK-Studie, einer Phase-III-Studie, wurden NSCLC-Patienten, die vorher bereits ein bis zwei Chemotherapien erhalten hatten, unabhängig von ihrer PD-L1-Expression entweder mit Atezolizumab oder mit Docetaxel behandelt. Bereits nach 850 untersuchten Patienten konnte festgestellt werden, dass das Gesamtüberleben bei Patienten, die mit Atezolizumab behandelt wurden, mit durchschnittlich 13,8 Monaten besser war als im Chemotherapie-Arm mit 9,6 Monaten (Abb. 2). Das Gesamtüberleben war auch bei Patienten mit weniger als 1 % PD-L1-Expression auf Tumor- und/oder Immunzellen besser. Sehr beeindruckend waren die Überlebensraten bei Patienten, die eine PD-L1-Expression von über 50 % auf den Tumorzellen aufwiesen, mit 20,5 Monaten in der Atezolizumab-Gruppe gegenüber 8,9 Monaten in der Docetaxel-Gruppe. Überraschend war, dass es beim PFS insgesamt keinen signifikanten Unterschied zwischen beiden Behandlungsarmen gab. Je höher jedoch die Expression von PD-L1 bei den Patienten war, desto länger war das progressionsfreie Überleben. Erwähnenswert ist hier außerdem, dass diese Immuntherapie nur geringe Nebenwirkungen aufweist.<sup>4</sup> <img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2016_Jatros_Onko_1605_Weblinks_seite25.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <p><strong>In der Phase-II-Studie KEYNOTE-021 wurde nun die Kombination von Chemo- und Immuntherapie bei NSCLC getestet. Was hat diese Studie an Neuigkeiten gebracht? <br />M. Hochmair:</strong> In dieser Studie wurden Patienten ohne EGFR-Mutation und ALK-Translokation und unabhängig von ihrer PD-L1-Expression entweder mit Chemotherapie alleine oder mit Chemo- und Immuntherapie (Pembrolizumab) behandelt. Der primäre Endpunkt der Studie war die objektive Ansprechrate (ORR), die einen klaren Vorteil von Chemo- plus Immuntherapie (55 % ) gegenüber Chemotherapie alleine gezeigt hat (29 % ). Auch der Anteil der Patienten mit einer fortschreitenden Krankheit war bei der Kombinationstherapie mit 3 % geringer als bei alleiniger Chemotherapie mit 17 % . Ebenso war die PFS-Rate im Arm mit Chemotherapie und Pembrolizumab höher als im Chemotherapie-Arm (Abb. 3). Interessant ist hier, dass für die objektive Ansprechrate die PD-L1-Expressionslevel egal sind, so weisen auch Patienten mit weniger als 1 % PD-L1-Expression gute Ansprechraten auf. Am besten sprechen allerdings Patienten mit ≥50 % PD-L1-Expression an (ORR von 80 % ). Für die Zukunft könnte ich mir deshalb vorstellen, dass NSCLC-Patienten mit einer sehr hohen PD-L1-Expression im Tumor Pembrolizumab alleine zur Erstlinientherapie erhalten und Patienten mit geringer oder fehlender PD-L1-Expression Pembrolizumab plus Chemotherapie. Diese Studie hat aber auch gezeigt, dass diese hervorragenden Ergebnisse auf Kosten von mehr Nebenwirkungen zustande kommen, was aber durch die Kombination von Chemo- und Immuntherapie zu erwarten war.<sup>5, 6</sup> Derzeit läuft die Studie KEYNOTE-189, eine Phase-III-Studie mit demselben Design wie KEYNOTE-021. Auch wir sind an dieser Studie beteiligt und schon gespannt, welche Ergebnisse sie bringen wird. <img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2016_Jatros_Onko_1605_Weblinks_seite26.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <p><strong>Auch die neuesten Daten der LUX-Lung-7-Studie und der IMPRESS-Studie wurden am ESMO präsentiert. Was bedeuten diese Daten für die Behandlung von NSCLC-Patienten mit EGFR-Mutationen? <br />M. Hochmair:</strong> Bei EGFR-Mutationen sind in der Erstlinientherapie der ErbB-Blocker Afatinib und die Tyrosinkinaseinhibitoren Gefitinib und Erlotinib zugelassen. In der Phase-II-Studie LUX-Lung 7 wurde die Wirkung von Afatinib mit der von Gefitinib verglichen. Es konnte schon gezeigt werden, dass Afatinib einen signifikanten Vorteil gegenüber Gefitinib in Bezug auf PFS, TTF (Zeit bis zum Therapieversagen) und ORR hat. Am ESMO wurden nun die OS-Daten zu dieser Studie präsentiert, diese wiesen jedoch keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Behandlungsarmen auf, obwohl es einen Trend zugunsten von Afatinib gab. Dieser war jedoch nicht statistisch signifikant.<sup>7</sup> In der Phase-III-Studie IMPRESS wurde die Behandlung von NSCLC-Patienten mit EGFR-Mutation bei Progress unter Gefitinib mit Chemotherapie oder mit der Kombination aus Chemotherapie und Gefitinib verglichen. PFS- und ORR-Daten hatten zuvor schon keinen Unterschied zwischen den Behandlungsarmen gezeigt. Auch die am ESMO präsentierten Überlebensraten wiesen keinen signifikanten Unterschied auf.<sup>8</sup></p> <p><strong>Vielen Dank für das Gespräch!</strong></p></p>
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<p><strong>1</strong> Reck M: KEYNOTE-024: Pembrolizumab vs. platinum-based chemotherapy as first-line therapy for advanced NSCLC with a PD-L1 TPS ≥50 % . ESMO 2016, oral presentation <strong>2</strong> Reck M et al: Pembrolizumab versus chemotherapy for PD-L1-positive non-small-cell lung cancer. N Engl J Med 2016 Oct 8 (Epub ahead of print) <strong>3</strong> Socinski MA: CheckMate 026: A phase 3 trial of nivolumab vs investigatorʼs choice of platinum-based doublet chemotherapy as first-line therapy for stage IV/recurrent programmed death ligand-1-positive NSCLC. ESMO 2016, oral presentation <strong>4</strong> Barlesi F: Primary analysis from OAK, a randomized phase III study comparing atezolizumab with docetaxel in advanced NSCLC. ESMO 2016, oral presentation <strong>5</strong> Langer CJ: Randomized phase 2 study of carboplatin and pemetrexed ± pembrolizumab as first-line therapy for advanced NSCLC: KEYNOTE-021 Cohort G. ESMO 2016, oral presentation <strong>6</strong> Langer CJ et al: Carboplatin and pemetrexed with or without pembrolizumab for advanced, non-squamous non-small-cell lung cancer: a randomised, phase 2 cohort of the open-label KEYNOTE-021 study. Lancet Oncol 2016 (Epub ahead of print; doi 10.1016/S1470-2045(16)30498-3) <strong>7</strong> Paz-Ares L: Afatinib versus gefitinib in patients with EGFR mutation-positive NSCLC: overall survival data from the phase IIb trial LUX-Lung 7. ESMO 2016; oral presentation <strong>8</strong> Soria JC: Gefitinib/chemotherapy versus chemotherapy in EGFR mutation-positive NSCLC after progression on first-line gefitinib (IMPRESS study): final overall survival analysis. ESMO 2016; oral presentation</p>
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