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Neue Erstlinientherapie zur Behandlung des nicht kleinzelligen Lungenkarzinoms

<p class="article-intro">Auf dem diesjährigen Kongress der European Society for Medical Oncology (ESMO) wurden mehrere Studien zur Behandlung des nicht kleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC) vorgestellt. Mit PD-1- und PD-L1-Inhibitoren konnten erstaunliche Ergebnisse erzielt werden, die Einfluss auf die zukünftige Erstlinientherapie haben werden. Wir sprachen mit OA Dr. Maximilian Hochmair vom Otto-Wagner-Spital, Wien, über die wichtigsten am Kongress präsentierten Daten und deren Bedeutung für den klinischen Alltag.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><strong>Welche Eindr&uuml;cke haben Sie vom ESMO mitgenommen? <br />M. Hochmair:</strong> Es war dieses Jahr ein extrem spannender Kongress. Gerade im Bereich des fortgeschrittenen NSCLC werden die pr&auml;sentierten Daten in Zukunft therapieentscheidend sein und einen Wechsel im Therapiealgorithmus bringen.</p> <p><strong>Die Standard-Erstlinientherapie beim NSCLC ist eine platinbasierte Chemotherapie. Als Zweitlinientherapie sind Pembrolizumab und Nivolumab zugelassen. Auf dem Kongress wurden jetzt mehrere Studien zur Erstlinientherapie mit diesen Immuntherapeutika vorgestellt. Was waren f&uuml;r Sie die wichtigsten Erkenntnisse aus diesen Studien? <br />M. Hochmair:</strong> Sehr eindrucksvoll fand ich die Ergebnisse der Phase-III-Studie KEYNOTE-024 mit Pembrolizumab, einem monoklonalen Antik&ouml;rper gegen PD-1. Auch wir von der 1. Lungenabteilung im Otto-Wagner-Spital waren an dieser Studie beteiligt. In dieser Studie wurden Patienten mit NSCLC entweder mit Standard-Chemotherapie oder mit Pembrolizumab behandelt. Es handelte sich um Patienten ohne EGFR-Mutationen oder ALK-Translokationen. Eingeschlossen wurden aber nur Patienten, die in &uuml;ber 50 % der Tumorzellen PD-L1 exprimierten, das waren etwa ein Drittel aller getesteten Patienten. Patienten mit fortschreitender Erkrankung konnten vom Chemotherapie-Arm in den Pembrolizumab-Arm wechseln. Der prim&auml;re Endpunkt der Studie war das progressionsfreie &Uuml;berleben (PFS), und dieses war wirklich sehr beeindruckend: W&auml;hrend im Chemotherapie-Arm das mediane PFS 6,0 Monate betrug, war es bei Patienten, die Pembrolizumab erhielten, 10,3 Monate (Abb. 1). Auch beim Overall Survival (OS) zeigte die Pembrolizumab-Therapie klare Vorteile gegen&uuml;ber der Chemotherapie (80 % nach 6 Monaten bzw. 70 % nach 12 Monaten unter Pembrolizumab vs. 72 % nach 6 Monaten bzw. 54 % nach 12 Monaten unter Chemotherapie) trotz der M&ouml;glichkeit des Cross-overs. Auch war die Ansprechrate mit 45 % mit Pembrolizumab besser als mit der Chemotherapie (28 % ). Die aus anderen Studien schon bekannten Nebenwirkungen der Immuntherapie waren au&szlig;erdem unter Pembrolizumab geringer als unter der Chemotherapie.<sup>1, 2</sup> Insgesamt bedeuten die Ergebnisse dieser Studie, dass bei NSCLC-Patienten mit &uuml;ber 50 % iger Expression von PD-L1 in Tumorzellen Pembrolizumab die Chemotherapie als Erstlinientherapie abl&ouml;sen wird. <img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2016_Jatros_Onko_1605_Weblinks_seite24.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <p><strong>Mit Nivolumab, einem anderen PD-1-Inhibitor, wurden am ESMO ebenfalls Ergebnisse einer Phase-III-Studie vorgestellt. Was waren hier die wichtigsten Erkenntnisse, insbesondere im Vergleich zur Studie mit Pembrolizumab? <br />M. Hochmair:</strong> Die CheckMate-026-Studie war &auml;hnlich aufgebaut wie die KEYNOTE-024-Studie, hatte jedoch einen bedeutenden Unterschied in den Patienten-Einschlusskriterien: Hier wurden Patienten eingeschlossen, die eine PD-L1-Expression im Tumor von mindestens 1 % aufwiesen, das waren etwa zwei Drittel aller Patienten. Anmerken sollte man hier au&szlig;erdem, dass die Patienten mit sehr hoher PD-L1-Expression (&ge;25 % , &ge;50 % oder &ge;75 % ) sich vermehrt im Chemotherapie-Arm der Studie befanden, weil die Patienten nicht nach ihrer PD-L1-Expression randomisiert wurden. Auch hier war der prim&auml;re Endpunkt der Studie das PFS, die Ergebnisse wurden f&uuml;r Patienten mit &ge;5 % PD-L1-Expression pr&auml;sentiert. Das PFS unterschied sich in dieser Studie nicht signifikant zwischen Chemotherapie und Nivolumab-Therapie. Auch das OS war in beiden Behandlungsarmen &auml;hnlich. Es wiesen sogar mehr Patienten unter Nivolumab-Therapie eine progrediente Erkrankung auf als Patienten im Chemotherapie-Arm.<sup>3</sup> Zusammenfassend kann man also sagen, dass diese Studie mit Nivolumab die Erwartungen leider nicht erf&uuml;llt hat und Nivolumab f&uuml;r die Erstlinientherapie keinen Vorteil gegen&uuml;ber der bisherigen Standardtherapie hat. In der Zweitlinientherapie wird sich durch diese beiden Studien nichts &auml;ndern.</p> <p><strong>Dar&uuml;ber hinaus wurde die Studie mit Atezolizumab, einem Antik&ouml;rper gegen den PD-1-Liganden (PD-L1), pr&auml;sentiert. W&uuml;rden Sie diese Studie bitte f&uuml;r uns zusammenfassen? <br />M. Hochmair:</strong> In der OAK-Studie, einer Phase-III-Studie, wurden NSCLC-Patienten, die vorher bereits ein bis zwei Chemotherapien erhalten hatten, unabh&auml;ngig von ihrer PD-L1-Expression entweder mit Atezolizumab oder mit Docetaxel behandelt. Bereits nach 850 untersuchten Patienten konnte festgestellt werden, dass das Gesamt&uuml;berleben bei Patienten, die mit Atezolizumab behandelt wurden, mit durchschnittlich 13,8 Monaten besser war als im Chemotherapie-Arm mit 9,6 Monaten (Abb. 2). Das Gesamt&uuml;berleben war auch bei Patienten mit weniger als 1 % PD-L1-Expression auf Tumor- und/oder Immunzellen besser. Sehr beeindruckend waren die &Uuml;berlebensraten bei Patienten, die eine PD-L1-Expression von &uuml;ber 50 % auf den Tumorzellen aufwiesen, mit 20,5 Monaten in der Atezolizumab-Gruppe gegen&uuml;ber 8,9 Monaten in der Docetaxel-Gruppe. &Uuml;berraschend war, dass es beim PFS insgesamt keinen signifikanten Unterschied zwischen beiden Behandlungsarmen gab. Je h&ouml;her jedoch die Expression von PD-L1 bei den Patienten war, desto l&auml;nger war das progressionsfreie &Uuml;berleben. Erw&auml;hnenswert ist hier au&szlig;erdem, dass diese Immuntherapie nur geringe Nebenwirkungen aufweist.<sup>4</sup> <img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2016_Jatros_Onko_1605_Weblinks_seite25.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <p><strong>In der Phase-II-Studie KEYNOTE-021 wurde nun die Kombination von Chemo- und Immuntherapie bei NSCLC getestet. Was hat diese Studie an Neuigkeiten gebracht? <br />M. Hochmair:</strong> In dieser Studie wurden Patienten ohne EGFR-Mutation und ALK-Translokation und unabh&auml;ngig von ihrer PD-L1-Expression entweder mit Chemotherapie alleine oder mit Chemo- und Immuntherapie (Pembrolizumab) behandelt. Der prim&auml;re Endpunkt der Studie war die objektive Ansprechrate (ORR), die einen klaren Vorteil von Chemo- plus Immuntherapie (55 % ) gegen&uuml;ber Chemotherapie alleine gezeigt hat (29 % ). Auch der Anteil der Patienten mit einer fortschreitenden Krankheit war bei der Kombinationstherapie mit 3 % geringer als bei alleiniger Chemotherapie mit 17 % . Ebenso war die PFS-Rate im Arm mit Chemotherapie und Pembrolizumab h&ouml;her als im Chemotherapie-Arm (Abb. 3). Interessant ist hier, dass f&uuml;r die objektive Ansprechrate die PD-L1-Expressionslevel egal sind, so weisen auch Patienten mit weniger als 1 % PD-L1-Expression gute Ansprechraten auf. Am besten sprechen allerdings Patienten mit &ge;50 % PD-L1-Expression an (ORR von 80 % ). F&uuml;r die Zukunft k&ouml;nnte ich mir deshalb vorstellen, dass NSCLC-Patienten mit einer sehr hohen PD-L1-Expression im Tumor Pembrolizumab alleine zur Erstlinientherapie erhalten und Patienten mit geringer oder fehlender PD-L1-Expression Pembrolizumab plus Chemotherapie. Diese Studie hat aber auch gezeigt, dass diese hervorragenden Ergebnisse auf Kosten von mehr Nebenwirkungen zustande kommen, was aber durch die Kombination von Chemo- und Immuntherapie zu erwarten war.<sup>5, 6</sup> Derzeit l&auml;uft die Studie KEYNOTE-189, eine Phase-III-Studie mit demselben Design wie KEYNOTE-021. Auch wir sind an dieser Studie beteiligt und schon gespannt, welche Ergebnisse sie bringen wird. <img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2016_Jatros_Onko_1605_Weblinks_seite26.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <p><strong>Auch die neuesten Daten der LUX-Lung-7-Studie und der IMPRESS-Studie wurden am ESMO pr&auml;sentiert. Was bedeuten diese Daten f&uuml;r die Behandlung von NSCLC-Patienten mit EGFR-Mutationen? <br />M. Hochmair:</strong> Bei EGFR-Mutationen sind in der Erstlinientherapie der ErbB-Blocker Afatinib und die Tyrosinkinaseinhibitoren Gefitinib und Erlotinib zugelassen. In der Phase-II-Studie LUX-Lung 7 wurde die Wirkung von Afatinib mit der von Gefitinib verglichen. Es konnte schon gezeigt werden, dass Afatinib einen signifikanten Vorteil gegen&uuml;ber Gefitinib in Bezug auf PFS, TTF (Zeit bis zum Therapieversagen) und ORR hat. Am ESMO wurden nun die OS-Daten zu dieser Studie pr&auml;sentiert, diese wiesen jedoch keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Behandlungsarmen auf, obwohl es einen Trend zugunsten von Afatinib gab. Dieser war jedoch nicht statistisch signifikant.<sup>7</sup> In der Phase-III-Studie IMPRESS wurde die Behandlung von NSCLC-Patienten mit EGFR-Mutation bei Progress unter Gefitinib mit Chemotherapie oder mit der Kombination aus Chemotherapie und Gefitinib verglichen. PFS- und ORR-Daten hatten zuvor schon keinen Unterschied zwischen den Behandlungsarmen gezeigt. Auch die am ESMO pr&auml;sentierten &Uuml;berlebensraten wiesen keinen signifikanten Unterschied auf.<sup>8</sup></p> <p><strong>Vielen Dank f&uuml;r das Gespr&auml;ch!</strong></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Reck M: KEYNOTE-024: Pembrolizumab vs. platinum-based chemotherapy as first-line therapy for advanced NSCLC with a PD-L1 TPS &ge;50 % . ESMO 2016, oral presentation <strong>2</strong> Reck M et al: Pembrolizumab versus chemotherapy for PD-L1-positive non-small-cell lung cancer. N Engl J Med 2016 Oct 8 (Epub ahead of print) <strong>3</strong> Socinski MA: CheckMate 026: A phase 3 trial of nivolumab vs investigatorʼs choice of platinum-based doublet chemotherapy as first-line therapy for stage IV/recurrent programmed death ligand-1-positive NSCLC. ESMO 2016, oral presentation <strong>4</strong> Barlesi F: Primary analysis from OAK, a randomized phase III study comparing atezolizumab with docetaxel in advanced NSCLC. ESMO 2016, oral presentation <strong>5</strong> Langer CJ: Randomized phase 2 study of carboplatin and pemetrexed &plusmn; pembrolizumab as first-line therapy for advanced NSCLC: KEYNOTE-021 Cohort G. ESMO 2016, oral presentation <strong>6</strong> Langer CJ et al: Carboplatin and pemetrexed with or without pembrolizumab for advanced, non-squamous non-small-cell lung cancer: a randomised, phase 2 cohort of the open-label KEYNOTE-021 study. Lancet Oncol 2016 (Epub ahead of print; doi 10.1016/S1470-2045(16)30498-3) <strong>7</strong> Paz-Ares L: Afatinib versus gefitinib in patients with EGFR mutation-positive NSCLC: overall survival data from the phase IIb trial LUX-Lung 7. ESMO 2016; oral presentation <strong>8</strong> Soria JC: Gefitinib/chemotherapy versus chemotherapy in EGFR mutation-positive NSCLC after progression on first-line gefitinib (IMPRESS study): final overall survival analysis. ESMO 2016; oral presentation</p> </div> </p>
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