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Multiples Myelom – die wichtigsten Studienergebnisse im Überblick
Jatros
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Heinz Ludwig
Wilhelminen-Krebsforschungsinstitut<br> c/o I. Medizinische Abteilung<br> Zentrum für Onkologie und Hämatologie mit Ambulanz und Palliativstation<br> Wilhelminenspital, Wien<br> E-Mail: heinz.ludwig@wienkav.at
30
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12.09.2019
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<p class="article-intro">Wer hätte zur Zeit der ersten Berichte über die Wirksamkeit von Thalidomid beim multiplen Myelom (MM) im Jahr 1999 geahnt, dass zwanzig Jahre später zumindest zehn weitere neue Substanzen für die Behandlung zur Verfügung stehen werden? Der diesjährige EHAKongress nährt die Hoffnung, dass sich die Verdoppelungszeit für neue Substanzen bzw. Strategien in Zukunft deutlich verkürzen wird.</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2>Hochrisiko-Smoldering MM (HR SMM)</h2> <p><strong>CESAR-Studie</strong><br /> Marivi Mateos berichtete über aktualisierte Ergebnisse der CESAR-Studie, in der Patienten mit HR SMM einer aggressiven Behandlung mit Carfilzomib in Kombination mit Lenalidomid und Dexamethason (KRd, 4 Zyklen), gefolgt von autologer Stammzelltransplantation (ASCT) und 4 Zyklen KRd-Konsolidierung, sowie Erhaltungstherapie mit Lenalidomid und Dexamethason (Rd) über zwei Jahre, unterzogen wurden. Nach einer Nachbeobachtungszeit von im Median 32 Monaten sind 98 % der Patienten am Leben und 93 % ohne Progressionszeichen, die Rate an ≥CR und MRD-Negativität beträgt 70 % bzw. 57 % . Leider hat man es, wie bei mehreren anderen Studien beim SMM, verabsäumt, eine unbehandelte Kontrollgruppe mitzuführen, sodass die zentrale Frage, ob damit die Überlebenszeit verlängert werden kann, unbeantwortet bleiben wird.<sup>1</sup></p> <h2>Patienten, die für eine Transplantation geeignet sind (TE)</h2> <p><strong>CASSIOPEIA-Studie</strong><br /> In der Presidential-Sitzung wurden die Ergebnisse der CASSIOPEIA-Studie, die Daratumumab plus Bortezomib, Thalidomid und Dexamethason (VTd) mit VTd vor und nach ASCT verglichen hat, vorgestellt. In einer zweiten Randomisierung wurden die Patienten einer Gruppe mit Daratumumab-Erhaltungstherapie bzw. einer unbehandelten Kontrollgruppe zugewiesen. Die Daratumumab-Kombination mit VTd war der VTd-Gruppe in Hinblick auf Ansprechrate (93 % vs. 90 % ), Rate an sCR (29 % vs. 20 % ), MRD-Negativität (64 % vs. 44 % ) sowie progressionsfreien Überleben (PFS, 93 % vs. 85 % zum Zeitpunkt 18 Monate) signifikant überlegen (Abb. 1). Allerdings waren die Ansprechraten bei Patienten mit Hochrisiko(HR)-Zytogenetik und jenen mit ISS III in beiden Behandlungsgruppen vergleichbar. Durch die Kombination mit Daratumumab kam es aber zu einer geringeren Ausbeute an CD34<sup>+</sup>-Stammzellen (Median 6,0 vs. 8,9 x 10<sup>6</sup>/kg) und dementsprechend zu einem häufigeren Einsatz von Plerixafor. Das Nebenwirkungsprofil war bis auf die Daratumumab-bedingten Infusionsreaktionen in beiden Gruppen vergleichbar. Mit diesen Ergebnissen wird auch bei TE-Patienten eine neue Therapieära mit Einbindung eines monoklonalen Antikörpers in die Erstlinienbehandlung eröffnet.<sup>2</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1905_Weblinks_jat_onko_1905_s36_abb1_ludwig.jpg" alt="" width="550" height="409" /></p> <p><strong>GRIFFIN-Studie</strong><br /> In Zusammenhang mit den CASSIOPEIA- Daten sind die ersten Ergebnisse der Run-in-Phase einer randomisierten Phase- II-Studie mit VRd mit oder ohne Daratumumab, die bereits beim ASH-Meeting präsentiert wurden, bemerkenswert, da mit Daratumumab-VRd bei allen 16 Patienten eine VGPR oder besser zu verzeichnen war. Eine CR oder sCR wurde bei 63 % , ein MRD–-Status bei 50 % erreicht (Abb. 2). Nach einem medianen Follow-up von 15,6 Monaten waren 94 % der Patienten ohne Progression.<sup>3</sup> Allerdings wurde eine relativ hohe Infektionsrate von 75 % berichtet.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1905_Weblinks_jat_onko_1905_s37_abb2_ludwig.jpg" alt="" width="800" height="345" /></p> <p><strong>FORTE-Studie</strong><br /> Francesca Gay hat einen Teilaspekt der FORTE-Studie vorgestellt und den Vergleich der Ansprech- und Rezidivraten bei TE-Patienten, die entweder eine prolongierte Induktionstherapie mit 12 Zyklen KRd oder eine ASCT mit jeweils 4 Zyklen KRd als Induktions- und Konsolidierungstherapie erhalten haben, vorgestellt. Beide Patientengruppen wurden anschließend in eine Gruppe mit Carfilzomib-Lenalidomid bzw. mit Lenalidomid-Erhaltungstherapie randomisiert. Beide Therapiearme führten zu vergleichbar hohen Ansprechraten: ≥VGPR und MRD-Negativität (89 % vs. 87 % bzw. 58 % vs. 54 % ). Interessanterweise wurde bei Patienten mit R-ISS II und R-ISS III eine signifikant höhere Rezidivrate (23 % vs. 12 % ) in der Gruppe ohne ASCT beobachtet. Dies bestätigt frühere Ergebnisse, die bei zytogenetisch- definierten HR-Patienten einen Vorteil mit ASCT aufzeigen.<sup>4</sup></p> <p><strong>NORDIC-MM-Studie</strong><br /> Die NORDIC-MM-Gruppe berichtete ihre Ergebnisse bei 168 Patienten mit Rezidiv nach erster autologer ASCT. Die Patienten wurden einer Behandlung mit 4 Zyklen Carfilzomib plus Cyclophosphamid und Dexamethason (KCd) gefolgt von einer neuerlichen ASCT und anschließender Randomisierung in eine Erhaltungstherapiegruppe mit Kd (27–56 mg q 2 Wochen) bzw. Beobachtung unterzogen. Mit Erhaltungstherapie konnte ein etwa 6 Monate längeres PFS erreicht werden (25,1 vs. 18,9 Monate; HR: 0,5, p=0,006) (Abb. 3).<sup>5</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1905_Weblinks_jat_onko_1905_s37_abb3_ludwig.jpg" alt="" width="550" height="398" /></p> <h2>Patienten, die für eine Transplantation nicht geeignet sind (NTE)</h2> <p><strong>MAIA-Studie</strong><br /> Die überlegenen PFS-Daten, die mit Rd in Kombination mit Daratumumab im Vergleich zu Rd alleine bei NTE-Patienten erzielt wurden, sind bereits im Dezember beim ASH in der Late-Breaking-Abstract- Sitzung vorgestellt worden. Beim EHA wurde nun eine Subgruppenanalyse bei Patienten 6</p> <h2>Neue Therapieansätze für Patienten mit relapsiertem/refraktärem MM</h2> <p><strong>ICARIA-Studie</strong><br /> Paul Richardson hat die Ergebnisse der ICARIA-Studie vorgestellt. In dieser Phase-III-Studie wurde Pomalidomid-Dexamethason (Pd) mit und ohne Isatuximab (I) bei Patienten mit RRMM verglichen. Die Patienten hatten zuvor zumindest zwei Vortherapien, welche Lenalidomid (93 % refraktär) und einen Proteasom-Inhibitor enthielten, und waren zusätzlich auf die letzte Therapie refraktär. Isatuximab ist ein monoklonaler Antikörper mit Spezifität gegen ein anderes Epitop auf CD38 als Daratumumab und mit ausgeprägter direkter apoptotischer Wirkung. Mit der Tripelkombination konnte fast eine Verdoppelung der Ansprechrate von 60,4 vs. 35,3 % und eine Verlängerung des PFS von 11,5 vs. 6,5 Monate erzielt werden (Abb. 4). Die IPd- Kombination führte bei verschiedenen Risikogruppen, wie Patienten mit HRZytogenetik, Lenalidomid-refraktären und mit mehreren Behandlungslinien vorbehandelten Patienten, zu vergleichbaren Verbesserungen. Allerdings wurden in der IPd-Gruppe etwas mehr Grad-3/4-Nebenwirkungen (86,8 % vs. 70,5 % ) beobachtet. Isatuximab-bedingte Infusionsreaktionen wurden bei etwas mehr als einem Drittel der Patienten 38,2 % (2,6 % Grad 3/4) verzeichnet. Vorteilhaft ist auch die relativ kurze Infusionsdauer von 3 Stunden.<sup>7</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1905_Weblinks_jat_onko_1905_s38_abb4_ludwig.jpg" alt="" width="550" height="350" /></p> <p><strong>BELLINI-Studie</strong><br /> Venetoclax ist ein potenter Inhibitor von BCL-2, einem antiapoptotischen Protein, das nicht nur bei der chronischen lymphatischen Leukämie und bestimmten B-Zell- Lymphomen stark exprimiert ist, sondern auch bei Patienten mit multiplem Myelom und einer t(11;14)-Translokation. Venetoclax führt in Kombination mit Dexamethason (Hemmung von BCL-x) und Proteasom- Inhibitoren (Hemmung von MCL-1) zur Inhibition des BCL-2-Protein-Komplexes und fördert dadurch die Apoptose. In der BELLINI-Studie wurden Patienten mit 1–3 Vortherapien 2 : 1 in eine Gruppe mit Venetoclax plus Bortezomib und Dexamethason (Vd) bezüglich Vd randomisiert. Mit der Kombinationstherapie konnte eine signifikant höhere Ansprechrate (82 % vs. 68 % ) sowie eine höhere Rate an MRDnegativen Patienten (<10<sup>–5</sup>) erzielt werden (13 % vs. 1 % ). Besonders hervorzuheben sind die hervorragenden Ergebnisse bei dem Patientenkollektiv mit t(11;14). Hier lagen die entsprechenden Vergleichswerte bei 90 % vs. 47 % bzw. bei 25 % vs. 0 % (Abb. 5). Mit der Tripelkombination wurden auch eine Verdoppelung des PFS (Median 22,4 vs. 11,5 Monate) sowie eine Verlängerung des Gesamtüberlebens (OS) (Median in beiden Armen noch nicht erreicht) mit einer HR von 2,027 (p <0,034) erzielt. Allerdings fand sich auch eine erhöhte Mortalitätsrate (21 % vs. 11 % ), weswegen von der FDA ein temporärer Stopp der Studie und eine genaue Untersuchung der Ursachen veranlasst wurde.<sup>8</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1905_Weblinks_jat_onko_1905_s39_abb5_ludwig.jpg" alt="" width="800" height="287" /></p> <p><strong>IBERDOMID-MM-001-Studie</strong><br /> Diese Substanz gehört zur Klasse der CELMoDs, welche Cereblon weitaus stärker binden und zu einer höheren Degradation von Ikaros und Aiolos führen, was zu beträchtlicher Aktivität selbst bei Lenalidomid- und Pomalidomid-resistenten Ziellinien führt. In Kombination mit Dexamethason konnte in einer Phase-I/II-Studie bei IMiD- bzw. Daratumumab/Pomalidomid-refraktären Patienten eine Ansprechrate von 35,5 bzw. 29,8 % erzielt werden.<sup>9</sup></p> <p><strong>AMG-420-Studie</strong><br /> Beim letzten ASH-Meeting wurden bereits bemerkenswerte Resultate mit diesem „T-cell-engager“ (BiTE), welcher CD3 auf T-Zellen und BCMA auf Myelom-Zellen bindet, berichtet. Nun wurden von Martin Topp die Ergebnisse einer größeren Patientengruppe, die mit einer Tagesdosis von 420 mg/kg behandelt wurde, vorgestellt. 13 der 42 Patienten zeigten ein Therapieansprechen, wovon 6 Patienten einen MRD-negativen Status erreichten. Als derzeitige Limitation sind die Notwendigkeit, den BiTE-Antikörper über eine kontinuierliche Infusion zu verabreichen, sowie eine erhöhte Infektionsrate zu nennen.<sup>10</sup></p> <p><strong>HORIZON-Studie</strong><br /> Melflufen ist ein neues „peptide-conjugated“ Alkylans auf Basis von Melphalan, welches über eine überlegene Penetrationsfähigkeit in Myelomzellen verfügt, wodurch es zu höheren intrazellulären Konzentrationen und verstärkter Wirksamkeit kommt. Melflufen-Dexamethason führte bei umfangreich vorbehandelten Patienten (>2 Vortherapien, IMiDund PI-exponiert, Pomalidomid- oder Daratumumab-refraktär) zu einer Ansprechrate von 30 % , einem PFS von 4 und einem OS von 10 Monaten. Die häufigsten Grad-3/4-Nebenwirkungen betrafen Neutropenie, Thrombopenie und Anämie: Grad-3/4-Infektionen waren selten (Pneumonie-Rate: 3 % ).<sup>11</sup></p> <p><strong>Spannende Pipeline</strong><br /> Aus Platzgründen kann leider nur kursorisch auf weitere Erfolg versprechende Medikamente bzw. Strategien eingegangen werden. Selinexor ist ein Inhibitor von XP01, einem nuklearen Transportsystem, welcher als Monotherapie (mit Dexamethason) in Kombination mit Vd oder Daratumumab evaluiert wird. Mittlerweile sind mehr als 50 verschiedene CAR-TZell- Therapieansätze in klinischer Erprobung (die Hälfte davon in China). Die hohe damit erzielbare Ansprechrate inklusive MRD-negativer Status wird durch ein relativ kurzes PFS ein wenig getrübt. Zusätzlich sollen hier noch Antikörper- Toxin-Konjugate erwähnt werden, wobei mit dem GSK2857916, einem Antikörper gegen BCMA, Ansprechraten von 60 % erzielt wurden.</p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Mateos MV et al.: EHA 2019, Abstr. #S871 <strong>2</strong> Avet-Loiseau H et al.: EHA 2019, Abstr. #S874 <strong>3</strong> Voorhees et al.: ASH 2018, Abstr. #151 <strong>4</strong> Gay F et al.: ASCO 2019, Abstr. #8002 <strong>5</strong> Gregersen H et al.: Abstract S1602, EHA 2019 <strong>6</strong> Hulin C et al.: EHA 2019, Abstr. #PF592 <strong>7</strong> Richardson P et al.: ASCO 2019, Abstr. #8004 <strong>8</strong> Kumar S et al.: EHA 2019, Abstr. #PF564 <strong>9</strong> Lonial S et al.: Abstract S1603, EHA 2019 <strong>10</strong> Topp M et al.: EHA 2019, Abstr. #S825 <strong>11</strong> Richardson P et al.: EHA 2019, Abstr. #S1605 12</p>
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