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Multiples Myelom – die Highlights vom ASH 2019
Jatros
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Heinz Ludwig
Wilhelminen-Krebsforschungsinstitut<br> c/o I. Medizinische Abteilung<br> Zentrum für Onkologie und Hämatologie mit<br> Ambulanz und Palliativstation<br> Wilhelminenspital, Wien<br> E-Mail: heinz.ludwig@wienkav.at
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05.03.2020
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<p class="article-intro">Das warme und freundliche, im Sommer durchaus feuchte Klima Orlandos bietet ideale Voraussetzungen für einen im Dezember stattfindenden Großkongress. Entsprechend dem Treibhausklima gab es auch beim diesjährigen ASH eine Vielzahl von neuen Einblicken in die Pathophysiologie des multiplen Myeloms und in Ergebnisse zu neuen Therapiekombinationen und neuen Substanzen. Aus Platzgründen kann hier nur eine subjektive Selektion von interessanten Präsentationen vorgestellt werden, wenn auch im klinischen Bereich Daratumumab-basierte Kombinationen die Szene beherrscht haben.</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2>Erstlinientherapie für Patienten, die für eine Transplantation geeignet sind</h2> <p>In der GRIFFIN-Studie wurden 207 Patienten in einen Arm mit Daratumumab plus Bortezomib, Lenalidomid und Dexamethason (VRd) bzw. VRd alleine randomisiert. Mit der Antikörper-VRd-Kombination konnte eine höhere Ansprechrate erreicht werden (Gesamtansprechrate [ORR]: 99 % vs. 91,8 % ; stringente komplette Remission [sCR]: 42,4 % vs. 32 % ; mindestens sehr gute partielle Remission [≥VGPR]: 90,9 % vs. 73,2 % ) (Abb. 1). Im Laufe des Therapiefortschritts wurde erwartungsgemäß eine Verbesserung der Ansprechtiefe in beiden Behandlungsarmen beobachtet. Nach einem medianen Follow-up von 22,1 Monaten liegt die Rate an progressionsfreiem Überleben (PFS) nach 2 Jahren im Antikörper-Kombinationsarm bei 95,8 % und im VRd-Arm bei 89,8 % . Die Überlebensraten sind derzeit nicht unterschiedlich (95,8 % vs. 92,4 % ).<sup>1</sup></p> <p>Mehrere Gruppen haben nun versucht, mit einem Maximalkonzept die Ergebnisse weiter zu optimieren, und anstelle von VRd Carfilzomib-Rd (KRd) als Backbone eingesetzt und mit Daratumumab (Dara-KRd) kombiniert. Luciano Costa hat mit der MASTER-Studie ein sogenanntes Response- adaptiertes Behandlungskonzept entwickelt, welches eine Beendigung der Behandlung nach Bestätigung eines negativen Status in Bezug auf MRD (minimale Resterkrankung) vorsieht. Die MRD-Testung erfolgt nach der Transplantation und nach 4 sowie nach 8 Zyklen Konsolidierungstherapie. Die Induktionstherapie besteht aus 4 Zyklen Dara-KRd, danach folgt eine autologe Stammzelltransplantation. Sind die Patienten nach autologer Stammzelltransplantation (ASCT) MRD-positiv, so werden weitere 4 Zyklen Dara-KRd-Konsolidierung verabreicht. Ist danach der MRD-Status positiv, so werden 4 zusätzliche Dara-KRd- Konsolidierungszyklen appliziert. Wenn zu den vorgegebenen Untersuchungszeitpunkten ein MRD-negativer Status erreicht wird, wird die Behandlung beendet und auch keine Lenalidomid-Erhaltungstherapie verabreicht. Mit diesem Konzept wurde eine Ansprechrate von 100 % erreicht; sCR/CR wurden bei 91 % und MRD-negative Befunde (10<sup>–6</sup>) bei 65 % der Patienten beobachtet. Die Ansprechrate war bei Patienten mit Hoch- und Standardrisiko-Zytogenetik bei einer Sensitivität der MRD-Testung von 10<sup>–5</sup> vergleichbar. Im Gegensatz dazu fand sich bei einer Sensitivität der MRD-Testung von 10<sup>–6</sup> eine deutlich höhere MRD-negative Rate (73 % vs. 42 % ) bei den Standardrisiko-Patienten, was die Bedeutung einer hohen Sensitivität der MRDTestmethode unterstreicht.<sup>2</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Onko_2001_Weblinks_jat_onko_2001_s10_abb1_ludwig.jpg" alt="" width="550" height="413" /></p> <h2>Erstlinientherapie für Patienten, die für eine Transplantation nicht geeignet sind</h2> <p>Robert Rifkin hat ein interessantes Konzept vorgestellt: Patienten wurden nach 3 Zyklen einer Bortezomib-basierten Induktionstherapie auf die orale Kombination Ixazomib-Revlimid-Dexamethason umgestellt. Nach Umstellung fand sich eine weitere Verbesserung der Ansprechtiefe bei guter Therapietoleranz und ausgezeichneter Compliance.<sup>3</sup></p> <p>Der Siegeszug der monoklonalen Antikörper, im Speziellen von Daratumumab, wurde durch die Präsentation der Langzeit- Follow-up-Daten der ALCYONE-Studie nun endgültig besiegelt. In dieser Studie wurden bekanntlich nicht für eine Transplantation geeignete Patienten in eine Gruppe mit Daratumumab plus Bortezomib, Melphalan und Prednison (Dara- VMP) und eine Gruppe mit VMP randomisiert. Die initialen Beobachtungen wurden nun nach längerem Follow-up bestätigt. Die Ansprechraten (ORR: 91 % vs. 74 % ; MRD-negativ: 27 % vs. 7 % ) waren in der Kombinationstherapie-Gruppe deutlich höher. Ebenso eindrucksvoll war die Verlängerung des progressionsfreien Überlebens mit einer Reduktion des Risikos für Progression um 58 % . Beim diesjährigen ASH-Meeting wurden nun als wichtigste neue Information zur ALCYONE- Studie zum ersten Mal die Überlebensdaten vorgestellt, die einen signifikanten Überlebensvorteil für die Dara- VMP-Kombination aufzeigten (3-Jahres-OS-Raten: 78 % vs. 67 % ) (Abb. 2).<sup>4</sup> Damit wurde für eine Antikörper-Chemotherapie- Kombination zum ersten Mal der wichtigste Zielparameter jeder Myelomtherapie, nämlich eine Verlängerung des Überlebens, eindeutig nachgewiesen. Dies lässt ähnlich erfreuliche Ergebnisse für die anderen derzeit laufenden randomisierten Studien mit CD38-Antikörper- Kombinationen erwarten.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Onko_2001_Weblinks_jat_onko_2001_s12_abb2_ludwig.jpg" alt="" width="550" height="329" /></p> <h2>Erhaltungstherapie</h2> <p>Nach autologer Transplantation stellt die Lenalidomid-Erhaltungstherapie die Behandlung der Wahl dar. Ravi Vij hat 237 Patienten nach autologer Transplantation einer Konsolidierungstherapie mit 4 Zyklen VRd unterzogen und danach die Patienten in eine Erhaltungstherapie mit Lenalidomid bzw. Ixazomib randomisiert. Das primäre Studienziel lag im Nachweis einer Nichtunterlegenheit von Ixazomib gegenüber Lenalidomid. Dieses Ziel wurde zum Zeitpunkt der Zwischenanalyse zwar erreicht, allerdings war aufgrund der limitierten Fallzahlen die Studie ungenügend „gepowert“, um dies auch statistisch einwandfrei belegen zu können.<sup>5</sup></p> <h2>Weitere interessante Resultate</h2> <p>Ein PET/CT ist bekanntermaßen ein hervorragendes bildgebendes Untersuchungsverfahren, um aktive Myelomläsionen, sowohl im Skelettsystem als auch extramedullär, nachzuweisen. In der CASSIOPET-Studie (eine Substudie der CASSIOPEIA-Studie, die Daratumumab plus Bortezomib, Thalidomid und Dexamethason [VTd] mit VTd verglichen hat) wurden sequenzielle PET/CT-Untersuchungen vor Therapiebeginn und nach 4 Zyklen Konsolidierung durchgeführt. Ein negativer PET/CT-Befund vor dem ersten Therapiezyklus war mit einem signifikant besseren progressionsfreien Überleben verbunden. Überraschenderweise waren 20 % der untersuchten Patienten vor Therapiebeginn PET-negativ, allerdings muss berücksichtigt werden, dass in die CASSIOPEIA-Studie auch Patienten mit SLiM-CRAB-positiver Erkrankung eingebracht werden konnten, bei denen ja definitionsgemäß keine Skelettmanifestationen (≤1 fokale Läsion) vorliegen. Die besten Überlebensraten wurden bei „doppelt negativen“ Patienten, die sowohl PET/CT- als auch MRD-negativ waren, beobachtet. War eines der beiden Untersuchungsergebnisse positiv, so war dies mit einem schlechteren Überleben verknüpft. In einer Cox-Regressionsanalyse war das Vorliegen von paramedullären Läsionen der einzige Parameter, welcher signifikant mit dem progressionsfreien Überleben korrelierte, während die anderen Faktoren, wie fokale Läsion, diffuse Knochenmarksinfiltration, oder extramedulläre Manifestationen nur in der univariaten, nicht aber in der multivariaten Analyse mit dem progressionsfreien Überleben korrelierten.<sup>6</sup></p> <p>Evangelos Terpos präsentierte eine Subgruppenanalyse des randomisierten Vergleichs zwischen Denosumab und Zoledronat zur Reduktion des Risikos für „skeletalrelated events“, die diesbezüglich keinen Unterschied zwischen beiden Therapieoptionen gezeigt hat. Bereits in der ersten Analyse wurde eine Reduktion des Risikos für Progression um 18 % in der Denosumab- Gruppe festgestellt. In der nun vorgestellten Post-hoc-Auswertung wurden Patienten, die für eine Transplantation vorgesehen waren, mit den übrigen Patienten verglichen. Erstaunlicherweise fand sich in der jüngeren Patientengruppe im Denosumab-Arm eine signifikante Reduktion des Progressionsrisikos um 28 % , allerdings nur bei Patienten, die mit einer Tripeltherapie (VRd, VCd, VTd, CTd) behandelt wurden (Abb. 3). Bei Patienten, die eine Zweierkombination (Vd, Rd, Td) erhielten, sowie bei älteren, nicht für eine Transplantation vorgesehenen Patienten konnte kein wesentlicher Unterschied im progressionsfreien Überleben zwischen den beiden Therapiegruppen beobachtet werden. Derzeit muss die Frage nach den Mechanismen der Alters- oder Therapie-abhängigen Antimyelomwirkung von Denosumab bei jüngeren Patienten unbeantwortet bleiben. Eine Erklärung könnte das Vorliegen eines gut funktionierenden Immunenvironments sein, das bei älteren Patienten durch die „immune senescence“ deutlich geschwächt ist.<sup>7</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Onko_2001_Weblinks_jat_onko_2001_s13_abb3_ludwig.jpg" alt="" width="550" height="311" /></p> <h2>Neue Therapien bzw. Therapiestrategien bei relapsierten/ refraktären Patienten</h2> <p>In Tabelle 1 sind neue Therapiestrate gien sowie deren Erfolgsrate in ausgewählten Studien angeführt. Besonders bemerkenswert ist ein neuer CD38-Antikörper (TAK- 079), welcher als Monotherapie eine Ansprechrate von 49 % ergeben hat.<sup>8</sup> Als eines der wichtigsten Highlights wurde von manchen Experten der neue asymmetrische bispezifische T-Zell-Antikörper (BiTE), welcher bei umfangreich vorbehandelten Patienten (Median 6 Vor therapien) zu einer Gesamtansprechrate von 83 % inklusive 58,3 % VGPR geführt hat, genannt. Allerdings ist es bei einem Teil der Patienten zu einem „cytokine-release syndrome“ gekommen. Bisher wurde davon ausgegangen, dass nur Patienten mit einer t(11;14)-Translokation eine hohe Wahrscheinlichkeit für ein Ansprechen auf Venetoclax zeigen. Nun wurde die Therapieindikation auf Patienten erweitert, die eine hohe BCL2-Expression – auch ohne t(11;14)-Translokation (entweder mit Immunhistochemie oder Genexpressionsanalyse nachgewiesen) – aufweisen, da diese Patienten ebenfalls eine hohe Sensitivität für Venetoclax-Kombinationen zeigen.<sup>9</sup></p> <p>Selinexor, der in den USA bereits zugelassene Inhibitor des nuklearen Transportproteins XPO, scheint ein gut geeigneter Kombinationspartner bei umfangreich vorbehandelten Patienten zu sein. Mit der Kombination Selinexor plus Bortezomib- Pomalidomid konnte bei Pomalidomid-naiven Patienten eine Remissionsrate von 58 % erzielt werden. Bei Patienten, die Lenalidomid- bzw. Pomalidomid-refraktär waren, wurde immerhin noch eine Ansprechrate von 31 % erreicht. Das mediane PFS war aber mit 4,2 Monaten relativ kurz.<sup>10</sup><br /> Zahlreiche Arbeitsgruppen haben ihre Ergebnisse mit „Chimeric antigen receptor“ (CAR)-T-Zellen bei umfangreich vortherapierten Patienten vorgestellt. BCMA ist das am häufigsten adressierte Zielantigen auf Myelomzellen. Der Therapieerfolg korreliert mit der Expression von BCMA, die erfahrungsgemäß nach Verabreichung der CART- Zellen stark abnimmt. Mithilfe eines Inhibitors der Gammasekretase kann die Expression von BCMA verstärkt werden und – wie erste Ergebnisse aufzeigen – ein verbessertes Langzeitansprechen erreicht werden. <sup>11</sup> In Tabelle 1 sind noch interessante Ergebnisse mit Iberdomid, Melflufen und Belantamab-Mafodotin angeführt. Auf eine genauere Besprechung muss aus Platzgründen verzichtet werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Onko_2001_Weblinks_jat_onko_2001_s11_tab1_ludwig.jpg" alt="" width="850" height="955" /></p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Voorhees P et al.: ASH 2019, Abstr. #691 <strong>2</strong> Costa L et al.: ASH 2019, Abstr. #860 <strong>3</strong> Rifkin R et al.: ASH 2019, Abstr. #863<strong> 4</strong> Mateos M et al.: ASH 2019, Abstr. #859<strong> 5</strong> Vij R et al.: ASH 2019, Abstr. #602 <strong>6</strong> Moreau P et al.: ASH 2019, Abstr. #692 <strong>7</strong> Terpos E et al.: ASH 2019, Abstr. #606 <strong>8</strong> Krish nan A et al.: ASH 2019, Abstr. #140<strong> 9</strong> Harrison S et al.: ASH 2019, Abstr. #142 <strong>10</strong> Chen C et al.: ASH 2019, Abstr. #141 <strong>11</strong>Cowan A et al.: ASH 2019, Abstr. #204 <strong>12</strong> Amatangelo M et al.: ASH 2019, Abstr. #1775 <strong>13</strong> Costa L et al.: ASH 2019, Abstr. #143 <strong>14</strong> Ocio E et al.: ASH 2019, Abstr. #3124 <strong>15</strong> Lonial S et al.: Lancet Oncol 2019, pii: S1470-2045(19)30788-0</p>
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