© skynesher E+

Microbiomics

Methoden & Techniken in der Mikrobiomforschung

<p class="article-intro">Das Wissen und die Forschung über das humane Mikrobiom und die Interaktion mit seiner Umgebung revolutionieren derzeit das Bild des Menschen und eröffnen uns völlig neue Ansätze für Diagnose und Therapie einer Vielzahl unterschiedlicher Erkrankungen.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>In Abh&auml;ngigkeit von der biologischen Fragestellung stehen &Auml;rzten und Forschern heute hoch entwickelte OMIC-Technologien zur Verf&uuml;gung, um mikrobiologische Parameter in Stuhl-, Haut-, Urin- und vielen anderen Proben zu untersuchen. Dieser Artikel fasst die aktuellen OMIC-Technologien mit ihren Vor- und Nachteilen zusammen und beschreibt ihre Anwendung im klinischen Alltag.</p> <h2>Microbiomics</h2> <p>Der Ausdruck OMIC-Technologien charakterisiert methodische Vorgehensweisen, die ohne Erwartungshaltung auf ganzheitliche und naive Weise Molek&uuml;le einer Zelle, eines Gewebes oder &auml;hnlicher biologischer Proben analysieren. Unter Verwendung von OMIC-Technologien k&ouml;nnen Wissenschaftler und Forscher Gene (Genomics), RNA-Transkripte (Transcriptomics), Proteine (Proteomics) und Metabolite (Metabolimics/Lipidomics) universell detektieren. Zur Untersuchung des humanen Mikrobioms &ndash; der Gesamtheit aller Mikroorganismen, die in und auf unseren K&ouml;rpern leben &ndash; gibt es DNA-basierte Fingerprinttechniken (beispielsweise DGGE, TRFLP), Hybridisierungsmethoden (PhyloChips, Checkerboard, Arrays), Sequenzanalyse (Sanger, Next Generation Sequencing)<sup>1</sup>, verschiedene massenspektrometrische Ans&auml;tze, Visualisierungstechniken sowie Methoden zur Hochdurchsatzkultivierung (Abb. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2015_Jatros_Onko_1501_Weblinks_Seite162.jpg" alt="" width="509" height="492" /></p> <h2>Genomics und Transcriptomics</h2> <p>Die zurzeit bedeutendsten Techniken zur Generierung des vorwiegenden Anteils an Mikrobiomdaten sind die (i) amplikonbasierte Analyse zur phylogenetischen Zuordnung von Bakterien (16s), Archaeen (16s) und Pilzen (ITS), die (ii) Metagenomanalyse zur Beschreibung der genetischen Ausstattung und des funktionelles Potenzials von Mikroorgansimen und (iii) die Metatranskriptomanalyse zur Bestimmung der transkriptionell aktiven Gene in einer Probe.<sup>2</sup><br /> Im Zuge der amplikonbasierten, deskriptiven Analyse werden ein oder mehrere Markergene zur phylogenetischen Charakterisierung der Proben herangezogen. In einem PCR-basierten Ansatz werden unter Verwendung degenerierter Primer, die an konservierte DNA-Regionen binden, hypervariable Regionen amplifiziert und sequenziert. Anhand dieser Sequenzinformation k&ouml;nnen Reads &bdquo;operational taxonomical units&ldquo; (OTU) zugeordnet und die dadurch definierten Gruppen relativ zueinander in verschiedenen Proben quantifiziert werden. Diese Methode ist sehr kosteneffizient und damit auch f&uuml;r Hochdurchsatzprojekte geeignet. Durch zahlreiche bereits vorhandene Datenbanken (Greengenes, SILVA, Ribosomal Database Project) ist eine Auswertung mit verschiedensten Pipelines (z.B. Mothur, Qiime, CloVR) einfach m&ouml;glich. Von Nachteil sind die sehr vielen, die Ergebnisse beeinflussenden Faktoren wie Primerauswahl, Definition der PCR-Bedingungen, Wahl der hypervariablen Region, Tiefe der Analyse sowie das Vorhandensein von unterschiedlichen 16s-Kopienzahlen in unterschiedlichen Spezies.<br /> Eine interessante Kombination aus Amplifikation und Hybridisierung ist der PhyloChip G3: Dabei wird nicht nur eine ausgew&auml;hlte, sondern die gesamte 16s-rRNA-Region durch PCR amplifiziert, fragmentiert und auf PhyloChip-Arrays gespottet. Die Arrays sind sehr gut reproduzierbar, k&ouml;nnen selten vorkommende Spezies in einer Probe noch detektieren und haben aufgrund der langen verwendeten Sequenz (ca. 1.500bp) eine sehr hohe Sequenzaufl&ouml;sung bis auf Subspezies-Level.</p> <h2>Metagenomanalyse</h2> <p>Erfordert die biologische/medizinische Fragestellung mehr als eine beschreibende Aufstellung oder relative Quantifizierung der vorhandenen Bakterien in einer Probe, kann die Metagenomanalyse zielf&uuml;hrend sein. Dabei wird die totale doppelstr&auml;ngige DNA einer Probe isoliert, auf diverse Arten fragmentiert, Adaptoren anligiert und die Fragmente &uuml;ber PCR amplifiziert. Um eine ausreichende Abdeckung in der Sequenzierung zu erreichen ist es wichtig, bei hohem Anteil an menschlicher DNA diesen Hintergrund zu entfernen. Die fertige &bdquo;Bibliothek&ldquo; &ndash; bestehend aus den Sequenzen aller unter diesen Bedingungen erfassten Genome &ndash; wird sequenziert und die Genome werden rekonstruiert. Durch die Verwendung von Barcodes k&ouml;nnen Proben in einem Analyselauf gemischt und so kosteneffizient bearbeitet werden. Da Organismen, die durch 16s-Analysen ein und derselben Spezies zugeordnet wurden, au&szlig;erhalb der 16s-Sequenz sehr voneinander abweichen k&ouml;nnen, ist es m&ouml;glich, mithilfe der Metagenomanalyse ein klareres Bild des Mikrobioms zu erlangen. Die Technik bietet zus&auml;tzlich das Potenzial, v&ouml;llig neue Organismen in menschlichen Proben zu identifizieren und funktionell zu charakterisieren.<sup>3</sup><br /> In Abh&auml;ngigkeit von den Umgebungsbedingungen (Ern&auml;hrung, individuelle Unterschiede, medizinische Intervention etc.) wird aber nur ein kleines Set an detektierten Genen von den Mikroorgansimen tats&auml;chlich ben&ouml;tigt und transkribiert. Um diesen aktiven Anteil zu erfassen und damit tiefer in die funktionelle Charakterisierung eines Mikrobioms zu gehen, wird die RNA einer Probe isoliert und das transkriptionelle Profil untersucht. Nach der Extraktion der Gesamt-RNA m&uuml;ssen kurze, nicht codierende RNAs entfernt werden (rRNA, tRNA). Beim Vorgang der reversen Transkription wird komplement&auml;re DNA synthetisiert, diese optional amplifiziert und aus dieser DNA wieder eine Bibliothek f&uuml;r die Sequenzierung hergestellt. Auch hier ist die Entfernung der humanen Hintergrund-RNA wichtig, um die ben&ouml;tigte Abdeckung mit Reads in jeder Probe zu erhalten. F&uuml;r die Durchf&uuml;hrung von Genomics- und Transcriptomics-Ans&auml;tzen stehen verschiedene Sequenziertechnologien (z.B. Illumina, Pacific Bioscience und Oxford Nanopore Technologies) zur Verf&uuml;gung, die je nach Anwendung, m&ouml;glicher Lesel&auml;nge, Outputvolumen, Probendurchsatz, Fehlerraten, Kosten und Verf&uuml;gbarkeit verglichen und ausgew&auml;hlt werden m&uuml;ssen.</p> <h2>Proteomics, Lipidomics, Metabolomics</h2> <p>Verl&auml;sst man den DNA- und RNA-basierten Weg der Analyse, trifft man auf eine ebenso gro&szlig;e F&uuml;lle an massenspektrometrischen Methoden, um Proteine und kleine Molek&uuml;le (Lipide, Metabolite) zu untersuchen. Proteomics-Technologien k&ouml;nnen zur routinem&auml;&szlig;igen Identifizierung kultivierter Mikroorganismen mithilfe eines MALDI-TOF-MS-Systems eingesetzt werden. Dabei werden Kolonien gepickt und mit Alpha-Cyano-4-Hydroxy-Zinks&auml;ure als Matrix gemischt. Der so gebildete Komplex wird mithilfe eines Lasers ionisiert und durch eine TOF(&bdquo;time of flight&ldquo;)-R&ouml;hre geschickt. Ein Detektor erkennt die auftreffenden Molek&uuml;le. Mithilfe von Datenbanken wird &ndash; &auml;hnlich der 16s-amplikonbasierten Methode &ndash; aus dem Proteinprofil auf die Spezieszugeh&ouml;rigkeit r&uuml;ckgeschlossen. Proteomics-Techniken werden aber nicht nur zur routinem&auml;&szlig;igen Identifizierung, sondern genauso wie Lipidomics- und Metabolomics-Technologien zur Entdeckung von Biomarkern f&uuml;r die klinische Anwendung von Erkenntnissen aus der Mikrobiomforschung eingesetzt.<br /> Die massenspektrometrische Lipidomics- und Metabolomics-Analyse mittels GC-MS (Gaschromatografen-Massenspektrometer) oder LC(Fl&uuml;ssigkeitschromatograf)-MS er&ouml;ffnet die M&ouml;glichkeit, die tats&auml;chlich produzierten kleinen Molek&uuml;le des mikrobiellen Stoffwechsels zu charakterisieren und nicht nur ihr genetisches Potenzial. Diese Stoffwechselprodukte spielen eine zentrale Rolle f&uuml;r die Hom&ouml;ostase des Menschen und k&ouml;nnen in einem R&uuml;ckkopplungsprozess wiederum zu Ver&auml;nderungen im Mikrobiom f&uuml;hren.</p> <h2>Culturomics</h2> <p>Eine innovative Erg&auml;nzung zu den kulturunabh&auml;ngigen Untersuchungsmethoden des humanen Mikrobioms bietet ein Ansatz zur Hochdurchsatz-Kultivierung von Mikroorgansimen. Dabei werden automatisiert Hunderte verschiedene Kulturbedingungen angeboten, um vielen Mikroorganismen ideale Wachstumsbedingungen anzubieten.<sup>4</sup> Diese Methode hat den Vorteil, auch seltene Spezies detektieren zu k&ouml;nnen, sofern die Wachstumsbedingungen ad&auml;quat sind, und nicht dem Bias der DNA-Isolationsmethode etc. zu unterliegen. Die reinen Kulturen k&ouml;nnen danach taxonomisch charakterisiert werden.</p> <h2>Ausblick</h2> <p>Auf dem Weg der Microbiomics-Technologien in den klinischen Alltag m&uuml;ssen noch viele Faktoren standardisiert, Tools entwickelt, Hintergrunddatenbanken generiert und Organismen erfasst werden.<sup>5</sup> Microbiomics weist das innovative Potenzial auf, v&ouml;llig neue Ans&auml;tze im Bereich von Erkenntnis, Vorbeugung und Behandlung menschlicher Erkrankungen zu entwickeln.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: Core Facility Molecular Biology, Zentrum für Medizinische Grundlagenforschung, Medizinische Universität Graz, Stiftingtalstraße 24, 8010 Graz<br/> E-Mail: ingeborg.klymiuk@medunigraz.at<br/> Quelle: „Microbiomes in oncology: from basic science to therapeutic visions“, 14. November 2014, Wien </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Kuczynski J et al: Nat Rev Genet 2011; 13(1): 47-58<br /><strong>2</strong> Goodrich JK et al: Cell 2014; 158(2): 250-262<br /><strong>3</strong> Dutilh BE et al: Nat Commun 2014; 5: 4498<br /><strong>4</strong> Lagier JC et al: Clin Microbiol Infect 2012; 18(12): 1185-1193<br /><strong>5</strong> Klymiuk I et al: PLoS Med 2014; 11(4): e1001627</p> </div> </p>
Back to top