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Metastasenbiopsie und Metastasendestruktion aus radiologischer Sicht
Jatros
Autor:
Leo Pallwein-Prettner
Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie<br>Ordensklinikum Linz<br>Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Linz<br>E-Mail: leo.pallwein-prettner@ordensklinikum.at
30
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13.07.2017
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<p class="article-intro">Die radiologische interventionelle Onkologie hat sich in den Bereichen der invasiven Diagnostik und Therapie einen fixen Stellenwert im onkologischen Setting erarbeitet. Die laufend erfolgten Fortschritte haben die Möglichkeiten der minimal invasiven Techniken entscheidend erweitert.</p>
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<p class="article-content"><h2>Metastasenbiopsie</h2> <p>Die Indikation zur Metastasenbiopsie sollte immer in einem interdisziplinären Tumorboard gestellt werden. Ziele dabei sind:</p> <ul> <li>die Diagnosesicherung,</li> <li>ein Beitrag zum Staging bzw. Erfassen der Tumorausbreitung,</li> <li>die Rezidivdiagnostik,</li> <li>in Spezialfällen die Gewebegewinnung bzw. -typisierung.</li> </ul> <p>Organabhängig ist bei besonders schwierigen Lokalisationen eine kontrollierte Nadelführung zur Gewinnung einer repräsentativen Gewebemenge besonders wichtig, da mit der Freihandtechnik das Komplikationsrisiko für den Patienten steigt. Nadelführungssysteme, z.B. auf Basis eines Roboterarms, erlauben die dreidimensionale Planung des Nadelpfads an CT/MRT-Datensätzen und ermöglichen damit eine navigierte doppelt angulierte Nadelführung. Außerdem können die perkutanen Eingriffe mittels der „cone-beam CT“ (CBCT) auch in die „angio suite“ verlegt werden. Die CBCT bietet zwar, im Vergleich zur konventionellen CT, eine eingeschränkte Bildauflösung, die integrierte Planungssoftware ermöglicht aber die Fusion von externen CT und MRT und neuerdings auch von PET-Daten, wodurch sich die Akkuranz von Gewebeentnahmen deutlich verbessern lässt. Zusätzlich lassen sich die Nadeln durchleuchtungsgezielt im Echtzeitmodus in der sogenannten Progressionsebene bzw. in der Trajektorenlinie bis zum Zielpunkt einbringen (Abb. 1). Braak et al haben gezeigt, dass mit der CBCT-geführten Technik eine Dosisreduktion von 13,6–41,5 % im Vergleich zur konventionellen CT möglich ist.1 Die zwischenzeitlich sehr ausgereifte Planungssoftware eignet sich auch hervorragend zum Simulationstraining. Abschließend sei noch erwähnt, dass abteilungsintern die Erstellung von Kennzahlen zur Ermittlung der Biopsietrefferquote empfehlenswert ist.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1704_Weblinks_s69_1.jpg" alt="" width="1618" height="748" /></p> <h2>Metastasendestruktion</h2> <p>Der interventionellen Radiologie stehen zur Metastasendestruktion fokal-ablative und endovaskuläre Verfahren zur Verfügung. Auch beim therapeutischen Ansatz wird die Indikation zum Eingriff immer in einem interdisziplinären Tumorboard gestellt unter Berücksichtigung der Tumorentität und der Tumorausbreitung (z.B. „liver-only disease“ oder „liver-dominant disease“). Die genannten Techniken kommen zurzeit seltener im potenziell kurativen (adjuvanten) und häufiger im palliativen Setting als sogenannte Salvage- oder Endpoint-Therapie zum Einsatz. <br />Um den individuellen Herausforderungen in einem fortgeschrittenen Erkrankungsstadium gerecht werden zu können, sollte der Radiologe alle Methoden aus der interventionell-onkologischen „Tool-Box“ auf höchstem technischem Niveau beherrschen.</p> <h2>Fokal-ablative Verfahren</h2> <p>Folgende fokal-ablative Verfahren können dabei in verschiedenen Lokalisationen angeboten werden:</p> <ul> <li>Radiofrequenzablation (in Leber, Lunge, Niere, Weichteilen und Knochen),</li> <li>Mikrowellenablation (in Leber, Lunge, Niere, Weichteilen und Knochen),</li> <li>irreversible Elektroporation (in Leber, Pankreas, Niere, Weichteilen und Knochen),</li> <li>Kryoablation (in Leber, Niere, Weichteilen und Knochen).</li> </ul> <p>Die Methode sollte je nach Position und Region ausgewählt werden.<br />In den letzten Jahren haben vor allem die irreversible Elektroporation (IRE) und die Kryoablation (KA) das fokal-ablative Setting deutlich erweitert. <br />Irreversible Elektroporation<br />Die irreversible Elektroporation verursacht mittels Strompulsen eine Zerstörung der Zellmembranintegrität mit einem kontrollierten thermischen Effekt nur im Inneren der Ablationszone. Dabei wird die Architektur des Stützgewebes geschont und die Integrität der Wandstrukturen, z.B. von Blutgefäßen und Drüsengängen, gewahrt, was eine Anwendung an kritischen anatomischen Strukturen ermöglicht (Abb. 1).<br />In einer prospektiven, monozentrischen Studie von Scheffer et al konnte bei 65 Patienten mit malignen Lebertumoren nach 12 Monaten ein lokalrezidivfreies Überleben von 74,8 % und eine mediane Zeit bis zur Progression der Krankheit von 15,6 Monaten erreicht werden, bei einer relativ niedrigen Komplikationsrate.2 Derzeit findet man zum Thema „IRE und Leber“ über 100 Nennungen in PubMed mit vielversprechenden Ergebnissen in der Behandlung von Lebermetastasen. Dennoch muss gesagt werden, dass bisher Langzeitergebnisse und multizentrische Analysen noch ausständig sind.<br />Kryoablation<br />Die Kryoablation (KA) ist ebenfalls eine Mehrnadeltechnik, bei der im Sinne einer Schockgefrierung „ice balls“ im Gewebe platziert werden, wobei die mechanische Zellschädigung durch Kristallbildung der intra- und extrazellulären Flüssigkeit erreicht wird. Die KA ermöglicht große Ablationsvolumina und wird bei der Tumorbehandlung in der Niere, in den Knochen, in den Weichteilen und in der Leber angewendet. Yılmaz et al3 und Hinshaw et al4 berichten bei der Behandlung von kleinen Nierentumoren (<4cm) von einem Langzeit-Outcome in einem Beobachtungszeitraum von 5 bis 10 Jahren, das durchaus vergleichbar ist mit den Ergebnissen der Resektion, bei einer allerdings geringeren Komplikationsrate.<br />Die KA bietet aber auch Möglichkeiten in der palliativen Schmerzbehandlung im muskuloskelettalen Bereich. Callstrom et al5 berichten über die erfolgreiche Behandlung von 61 Patienten, bei denen eine >90 % ige Schmerzreduktion erreicht werden konnte, mit einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität. Da die „ice balls“ gut visualisierbar sind, ist eine Ablation in der Nähe kritischer anatomischer Strukturen möglich (Abb. 1). Außerdem kann die KA mit der Zementoplastie kombiniert werden, wodurch die mechanische Integrität der Knochenstrukturen im Vergleich zur Strahlentherapie deutlich verbessert werden kann. Es existieren allerdings bislang nur monozentrische Fallsammlungen, weshalb die Datenlage teilweise noch unklar ist.</p> <h2>Endovaskuläre Verfahren</h2> <p>Die onkologische Embolotherapie wird in mehreren Techniken angeboten:</p> <ul> <li>der Chemoembolisation (TACE) mittels Irinotecan-beladener Mikrosphären (DEBIRI) in der Leber,</li> <li>der Radioembolisation (TARE/SIRT) mittels radioaktiv geladener Mikrosphären in der Leber,</li> <li>der mechanischen Embolisation in allen Organen mittels unbeladener Mikrosphären oder Flüssigembolisaten zur lokalen Tumorwachstumskontrolle und zum Management von Tumorblutungen.</li> </ul> <p>Martin et al6 berichten anhand von 55 Patienten und 99 Eingriffen, dass beim kolorektalen Karzinom (CRC) mit leberdominanter Metastasierung und Therapieversagen bei der Erst- und Zweitlinienchemotherapie mittels der TACE bei einer mittleren Dosis von 100mg Irinotecan eine Response-Rate von 66 % nach 6 Monaten und eine von 75 % nach 12 Monaten erreicht worden ist. <br />Die Rationale hinter der SIRT/TARE unterscheidet sich etwas von der bei TACE. Bei dieser selektiven leberinternen Bestrahlung nutzen wir den anhaltenden Effekt der Radiopartikel (Yttrium90: HWZ 64,2 Stunden) zur Zytoreduktion mit geringeren systemischen Nebenwirkungen. Es geht dabei nicht um den Verschluss der tumorversorgenden Arterien, sondern eben um eine Anreicherung der Radiopartikel im hypervaskularisierten Tumorgewebe, womit sich der Begriff „Radioembolisation“ eigentlich als widersprüchlich erweist. Das Protokoll der TARE/SIRT ist aufwendig (siehe Tab. 1).<br />Die TARE/SIRT wird gemäß den ESMO-Guidelines nur bei der irresektablen CRC-Lebermetastasierung als palliative Methode angewendet. Interessante Ergebnisse haben sich aber auch im Falle der potenziell resektablen Lebermetastasierung gezeigt. In den meisten Studien wird die SIRT/TARE als Additiv-Methode zur Erst- bis Drittlinien-Chemotherapie beurteilt. In mehreren Metaanalysen zeigte sich dabei ein medianes Überleben von 10,8–29,4 Monaten. Aktuell zeigen die Ergebnisse der SIRFLOX-Studie7, dass die SIRT/TARE in der Erstlinientherapie in Kombination mit der Chemotherapie die Kontrolle von mCRC-Lebermetastasen erhöhen und damit möglicherweise auch das Gesamtüberleben verlängern kann, wobei allerdings der Einfluss der initialen Zytoreduktion („salvage situation“) auf das Gesamtüberleben immer noch diskutiert wird. Garlipp B et al8 haben außerdem bewiesen, dass die sekundäre Resektabilität nach SIRT/TARE durch eine Hypertrophieinduktion im nicht behandelten gesunden Lebergewebe unter Einhaltung eines zeitlichen Abstands zwischen SIRT/TARE und Resektion durchaus gegeben ist (Abb. 2). Die SIRT/TARE kann zudem bei vielen Tumorentitäten (u.a. HCC, CRC, CCC, NET, Mamma-Ca, Melanom) zum Einsatz gebracht werden, vorausgesetzt, dass die Leberfunktionsreserve erhalten ist und die Lebertumoren hypervaskularisiert sind (Abb. 2).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1704_Weblinks_s69_2.jpg" alt="" width="1419" height="609" /><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1704_Weblinks_s69_3.jpg" alt="" width="1418" height="628" /></p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Abschließend sei noch einmal auf die Notwendigkeit der gut gefüllten „Tool-Box“ in der interventionellen Onkologie hingewiesen, wobei das technische Können und das Wissen um die Möglichkeiten und Grenzen der verschiedenen Methoden als Voraussetzung zu betrachten sind. Der interventionelle Radiologe muss auch sein onkologisches Fachwissen trainieren, um den klinischen Partnern im interdisziplinären Tumorboard auf Augenhöhe begegnen zu können.</p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Braak SJ et al: Effective dose during needle interventions: cone-beam CT guidance compared with conventional CT guidance. J Vasc Interv Radiol 2011; 22(4): 455-61 <strong>2</strong> Scheffer HJ et al: Irreversible electroporation for nonthermal tumor ablation in the clinical setting: a systematic review of safety and efficacy. J Vasc Interv Radiol 2014; 25(7): 997-1011 <strong>3</strong> Yılmaz S et al: Use of cryoablation beyond the prostate. Insights Imaging 2016; 7(2): 223-32 <strong>4</strong> Hinshaw JL et al: Percutaneous tumor ablation tools: microwave, radiofrequency, or cryoablation – what should you use and why? Radiographics 2014; 34(5): 1344-62 <strong>5</strong> Callstrom MR et al: Percutaneous image-guided cryoablation of painful metastases involving bone: multicenter trial. Cancer 2013; 119(5): 1033-41 <strong>6</strong> Martin RC: Adjuvant treatment of stage II colon cancer: is there a true no-chemotherapy group? Ann Surg Oncol 2006; 13(6): 766-7 <strong>7</strong> van Hazel GA et al: SIRFLOX: Randomized phase III trial comparing first-line mFOLFOX6 (plus or minus bevacizumab) versus mFOLFOX6 (plus or minus bevacizumab) plus selective internal radiation therapy in patients with metastatic colorectal cancer. J Clin Oncol 2016; 34(15): 1723-31 <strong>8</strong> Garlipp B et al: Left-liver hypertrophy after therapeutic right-liver radioembolization is substantial but less than after portal vein embolization. Hepatology 2014; 59(5): 1864-73</p>
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