
Lokalablative Therapie beim oligometastasierten Mammakarzinom
Autor:
OA Dr. Stefan Konrad, MBA
Universitätsklinik für Radioonkologie, Comprehensive Cancer Center Vienna, Medizinische Universität Wien
E-Mail: stefan.konrad@meduniwien.ac.at
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Das Konzept der oligometastasierten Tumorerkrankung (OMD) hat in jüngerer Vergangenheit durch ermutigende Daten verstärkte Aufmerksamkeit gewonnen und bietet eventuell die Möglichkeit, die Grenzen der Kuration in der Onkologie zu verschieben. Die Radioonkologie hat mit der stereotaktischen Radiotherapie mittlerweile ein neues, schonendes und hocheffektives lokalablatives Therapieverfahren zur Verfügung, das auch beim Mammakarzinom vermehrt Anwendung findet.
Keypoints
-
Es bestehen derzeit große Bemühungen, das Konzept der oligometastasierten Tumorerkrankung (OMD) genauer zu definieren.
-
Die stereotaktische Radiotherapie als neue, moderne und schonende Therapieform ist eine hervorragende Möglichkeit zur lokalablativen Behandlung von Metastasen mit exzellenten Kontrollraten.
-
Es laufen derzeit zumindest sechs prospektiv randomisierte Studien mit der Fragestellung des Einflusses einer lokalablativen Therapie beim oligometastasierten Mammakarzinom, weshalb die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer solchen Therapie nicht vorschnell verworfen, sondern individuell an die jeweilige Patientin angepasst im Tumorboard diskutiert werden sollte.
Blick in die Vergangenheit
Metastasierter Brustkrebs wurde bis in die jüngere Vergangenheit in der Regel als palliative Krankheitssituation charakterisiert und entsprechend behandelt. Dieses Bild hat sich im Laufe der Zeit, basierend auf Beobachtungen auch bei anderen soliden Tumoren, gewandelt. Philip Rubin stellte sich bereits 1968 als Erster die Frage: „Sind Metastasen heilbar?“1 Weiter befeuert wurden diese Überlegungen in den 1990er-Jahren, als die Radioonkologen Samuel Hellman und Ralph R. Weichselbaum ihre Hypothese der oligometastasierten Erkrankung als Übergang zwischen lokaler und weitgestreuter Tumorsituation postulierten.2 Daraus entwickelte sich der Ansatz, Patient*innen mit einer geringen Anzahl makroskopischer Metastasen durch eine konsequente lokale Therapie, oft kombiniert mit einer entsprechenden Systemtherapie, heilen zu wollen. Dieser wurde initial durch einige vielversprechende Erfolge im Rahmen der chirurgischen Sanierung insbesondere von Lungen- und Lebermetastasen unterstützt.3–5
Durch die Etablierung der stereotaktischen Radiotherapie (SBRT) mit der Möglichkeit, in wenigen Fraktionen sehr hohe ablativ wirkende Einzeldosen auf eng umschriebene Areale applizieren zu können, erweiterten sich die Möglichkeiten der lokal-kurativen Therapie. Hand in Hand mit neuen Substanzen in der systemischen Therapie konnte der Ansatz, oligometastasierten Patient*innen zu einem verlängerten Überleben zu verhelfen, weiterverfolgt werden. Der Einsatz der SBRT bei OMD wurde in der Folge in einigen prospektiven, vergleichenden Phase-II-Studien untersucht, die unterschiedliche Tumorentitäten einschlossen.6–8 Diese Studien zeigten hohe lokale Kontrollraten und auch positive Effekte auf das Langzeitüberleben. Ein Grundproblem ist aufgrund der ausgeprägten Heterogenität des Patient*innenkollektivs die Identifizierung prognostisch günstiger Subgruppen der OMD.
Im Jahr 2020 hat sich eine internationale Expertengruppe der ESTRO und des EORTC-OligoCare-Projekts aufgemacht, ein nachvollziehbares System für die Klassifizierung der OMD zu entwickeln,9 um damit eine Basis für zukünftige Studien zu schaffen. Kriterien für die Subklassifizierung umfassen beispielsweise den Zeitpunkt der Erkrankung (synchron – metachron), die Vorgeschichte (de novo OMD – Rückfall), die Systemtherapie zum Zeitpunkt der OMD-Diagnose und das Ansprechen auf die systemische Therapie. Diese Klassifikation konnte bereits in einer größeren retrospektiven Studie mit 385 Patient*innen validiert werden.10 Angewendet wird sie derzeit hauptsächlich auf neu etablierte wissenschaftliche Projekte, die unter https://project.eortc.org/e2-radiate/cohorts abrufbar sind.
Status quo
Ein Grundproblem bei der Betrachtung der Evidenz in der Behandlung der OMD beim Mammakarzinom ist die Tatsache, dass in den meisten bis dato vorliegenden Studien unterschiedliche Tumorentitäten eingeschlossen waren und insbesondere Prostatakarzinome, neben Lungentumoren, eine häufige Subgruppe darstellen. Ein systematischer Review aus dem Vorjahr untersuchte allerdings gezielt die Effektivität und Sicherheit der stereotaktischen Radiotherapie für OMD-Patientinnen mit Mammakarzinom,11 wobei Studien mit einer sehr geringen Anzahl an Patientinnen (<10) und einer sehr kurzen Nachbeobachtungszeit (<18 Monate) ausgeschlossen wurden.
Analysiert wurden letztendlich 10 Publikationen mit 467 Patientinnen in 7 retrospektiven und 3 prospektiven Studien. Die Oligometastasierung wurde definiert als ≤5 Läsionen, die lokalablative Strahlentherapie musste Einzeldosen ≥5 Gy und ≤10 Fraktionen umfassen. Als primärer Endpunkt wurde das Overall Survival (OS) definiert, sekundäre Endpunkte umfassten die lokale Kontrolle (LC), das progressionsfreie Überleben (PFS) und ≥Grad-2-Toxizitäten. Um die Zusammenhänge zwischen Ort der Metastasen, des Studiendesigns (prospektiv/retrospektiv), des Hormonstatus, des HER2-Status, der Anzahl der Läsionen und der Dosis der stereotaktischen Bestrahlung zu evaluieren, wurde eine Meta-Regressionsanalyse durchgeführt. Es zeigten sich lokale Kontrollraten von 97% (95% CI: 95–99%) nach einem und 90% (95% CI: 84–94%) nach zwei Jahren. Hinsichtlich des Overall Survival zeigten sich Werte von 93% (95% CI: 89–96%) nach einem und 81% (95% CI: 78–86%) nach zwei Jahren.
In der Metaregressionsanalyse zeigten die Parameter „bone only“ und „prospektives Studiendesign“ eine signifikante Assoziation zum OS. Einige der eingeschlossenen Studien berichteten auch über das PFS. In der Analyse zeigten sich hier Werte von 63% (95% CI: 50–75%) nach einem und 46% (95% CI: 29–62%) nach zwei Jahren. Die Toxizität war mit Werten von 4,3% (95% CI: 0,4–4,7%) für Grad-2- und 0,7% (95% CI: 0,3–1,1%) für Grad-3-Nebenwirkungen sehr überschaubar, eine Grad-4- oder -5-Toxizität trat überhaupt nicht auf. Zusammengefasst zeigt sich hier, analog zu anderen Publikationen, die hohe Effektivität der stereotaktischen Radiatio bei der lokalen Kontrolle von Metastasen mit dem großen Potenzial, einen allfällig notwendigen Wechsel der Systemtherapie zeitlich zu postponieren und eventuelle Nebenwirkungen dieser Therapien zu reduzieren oder den Patientinnen ganz zu ersparen. Auch das Overall Survival zeigte sehr erfreuliche Werte, die auch kongruent zur vorhandenen Datenlage sind.
Etwas gebremst wurden die positiven Gefühle beim ASCO 2022, wo die Ergebnisse von NRG-BR002 präsentiert wurden, einer Phase-2R-Studie die untersuchte, ob Patientinnen mit maximal 4 Metastasen von einer zielgerichteten lokalablativen Therapie hinsichtlich des PFS als primärem Endpunkt profitieren.12 Nach 35 Monaten zeigten die Ergebnisse der 125 eingeschlossenen Patientinnen keine prognostischen Vorteile zugunsten der zusätzlich lokal Behandelten, das mediane PFS unterschied sich nicht vom Kontrollarm mit alleiniger systemischer Therapie (23,0 Monate vs. 19,5 Monate; HR: 0,92; p=0,36). Nach drei Jahren zeigten sich die lokalablierten Patientinnen zu 38,1% progressionsfrei, die Patientinnen im Kontrollarm zu 32,8%. Das 3-Jahres-Überleben betrug 68,9% vs. 71,8% (HR: 1,23; p=0,54). Es zeigte sich, dass die stereotaktische Bestrahlung die Rate neuer Metastasen im behandelten Bereich deutlich reduziert hatte (7% vs. 29%), dies gilt aber nicht für Bereiche außerhalb des Bestrahlungsfeldes. Insgesamt schlossen die Autoren, dass der lokalablative Therapieansatz bei einer OMD von Brustkrebspatientinnen kein sinnvoller Ansatz sei, eine geplante Überführung der Untersuchung in eine Phase-III-Studie wurde gestoppt. Diese Conclusio könnte aufgrund der Wahl von PFS als primärem Endpunkt allerdings voreilig sein, weil eine lokale Behandlung von Metastasen typischerweise bei limitierter Progression auch wiederholt werden kann.
Tatsache ist, dass die Fragestellung des Einflusses einer lokalablativen Metastasentherapie auf das PFS und/oder OS bei Brustkrebs derzeit in zumindest sechs13 weiteren randomisiert-kontrollierten Studien untersucht wird und eine abschließende Beurteilung der Sinnhaftigkeit eines solchen Vorgehens derzeit noch nicht vorgenommen werden sollte.
Fazit
Die hohe Effektivität der SBRT zur Lokalkontrolle von Metastasen ist unbestritten. Patientinnen mit Mammakarzinom und einer OMD sollten jedenfalls interdisziplinär im Tumorboard besprochen, das jeweils individuell passende therapeutische Vorgehen gewählt und die Patient*innen möglichst in klinische Studien eingeschlossen werden.
Literatur:
1 Rubin P: Comment: are metastases curable? JAMA 1968; 204(7): 612-13 2 Hellman S, Weichselbaum RR: Oligometastases. J Clin Oncol 1995; 13(1): 8-10 3 Pastorino U et al.: Long-term results of lung metastasectomy: prognostic analyses based on 5206 cases. J Thorac Cardiovasc Surg 1997; 113(1): 37-49 4 Treasure T et al.: Pulmonary metastasectomy for sarcoma: a systematic review of reported outcomes in the context of Thames cancer registry data. BMJ 2012 5 Fong Y et al.: Clinical score for predicting recurrence after hepatic resection for metastatic colorectal cancer: analysis of 1001 consecutive cases. Annals of Surgery 1999; 230(3): 309-18 6 Palma DA et al.: Stereotactic ablative radiotherapy versus standard of care palliative treatment in patients with oligometastatic cancers (SABR-COMET): a randomised, phase 2, open-label trial. The Lancet 2019; 393(10185): 2051-8 7 Deek, Matthew P et al.: Long-term outcomes and genetic predictors of response to metastasis-directed therapy versus observation in oligometastatic prostate cancer: analysis of STOMP and ORIOLE trials. Journal of Clinical Oncology(2022): JCO-22 8 Tree, Alison C et al.: Stereotactic body radiotherapy for oligometastases. The Lancet Oncology 2013; 14(1): e28-37 9 Guckenberger M et al.: Characterisation and classification of oligometastatic disease: aEuropean society for radiotherapy and oncology and European organisation for research and treatment of cancer consensus recommendation. Lancet Oncol 2020; 21(1): e18-e28 10 Willmann J et al.: (2022) Evaluation of the prognostic value of the ESTRO EORTC classification of oligometastatic disease in patients treated with stereotactic body radiotherapy: a retrospective single center study. Radiother Oncol 2022 11 Viani, Gustavo A et al.: Stereotactic body radiotherapy to treat breast cancer oligometastases: a systematic review with meta-analysis. Radiotherapy and Oncology 2021; 164: 245-50 12 Chmura SJ et al.: NRG-BR002: a phase IIR/III trial of standard of care systemic therapy with or without stereotactic body radiotherapy (SBRT) and/or surgical resection (SR) for newly oligometastatic breast cancer (NCT02364557). (2022): 1007-1007 13 OLIGOMA (NCT04495309), NRG-BR002 (NCT02364557), STEREO-SEIN (NCT02089100), OMIT (NCT04413409), Chinese Academy of Sciences (NCT04646564), LARA (NCT04698252)
Das könnte Sie auch interessieren:
Adjuvantes Osimertinib reduziert ZNS-Rezidive bei EGFR-mutierter Erkrankung
Etwa 30% der Patienten mit nicht kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) präsentieren sich mit resezierbarer Erkrankung und werden einer kurativen Operation unterzogen. Viele Patienten ...
Highlights zu Lymphomen
Assoc.Prof. Dr. Thomas Melchardt, PhD zu diesjährigen Highlights des ASCO und EHA im Bereich der Lymphome, darunter die Ergebnisse der Studien SHINE und ECHELON-1
Aktualisierte Ergebnisse für Blinatumomab bei neu diagnostizierten Patienten
Die Ergebnisse der D-ALBA-Studie bestätigen die Chemotherapie-freie Induktions- und Konsolidierungsstrategie bei erwachsenen Patienten mit Ph+ ALL. Mit einer 3-jährigen ...