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Survivorship

Leben mit dem Brustkrebs und Langzeit-Lebensqualität

Die Langzeit-Lebensqualität der Frauen mit Brustkrebs in der Anamnese ist in vielen Bereichen vergleichbar mit der Lebensqualität der gesunden Population. Obwohl die Lebensqualität insgesamt gut ist, sind körperliche und psychische Beschwerden wie die Verminderung der kognitiven Fähigkeiten, finanzielle Schwierigkeiten, Depression, Angstzustände, Fatigue, Dysfunktion der oberen Extremitäten, Lymphödeme und Chemotherapie-induzierte periphere Polyneuropathie nur ein Teil der Beschwerden, die jahrelang bei den Brustkrebs-Patient*innen bestehen bleiben.

Mit über 5600 neuen Erkrankungen/Jahr ist Brustkrebs die meistdiagnostizierte Krebserkrankung bei Frauen in Österreich. Dank der Frühdiagnostik und guter Therapiemöglichkeiten hat sich die Prognose des Brustkrebses (BC) grundlegend verändert. Die Überlebensrate ist von ca. 75% (1975–1977) auf über 90% (2002–2008) gestiegen. Die ausgezeichneten Heilungschancen bei frühem Mammakarzinom und Verlängerung der Überlebensdauer von Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom haben den Fokus auf die Lebensqualität (LQ) erhöht.

Viele Studien zeigen, dass die Langzeit-Lebensqualität der Frauen mit Brustkrebs in der Anamnese gleich, in manchen Studien im Vergleich mit der gesunden Population sogar besser ist. Nach dem ersten Abfall unmittelbar nach der Diagnose und während des ersten Jahres der Therapie verbessert sich die LQ und erreicht nach 5–10 Jahren die Werte der nicht an Brustkrebs erkrankten Bevölkerung. Trotz dieses guten Ergebnisses gibt es eine Reihe von körperlichen und psychischen Beschwerden, die Frauen, die BC hatten, oft lebenslang begleiten.

Im Folgenden angeführt sind nur einige von den Symptomen/Beschwerden, die diese Patient*innen jahrelang noch nach der Diagnose beklagen, von chronischen Schmerzen bis hin zu sexuellen Beschwerden und chronischer Müdigkeit. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit werden einige von diesen Beschwerdebildern näher beleuchtet.

Dysfunktion der oberen Extremitäten

Als Folge der Strahlen- und operativen Therapie bleiben Symptome wie Schwäche, Steifigkeit, Taubheit, Kribbeln in den Armen und chronische Schmerzen in den oberen Extremitäten bzw. der operierten Seite des Rumpfes, Schwellung und verminderte Beweglichkeit der Schulter über Jahre bestehen. Nach 5 Jahren ab der primären Diagnose haben 56% der Frauen noch immer mindestens eines dieser Symptome, nach sechs Jahren sind es noch immer über 50%.

Lymphödem

Ein Problem, das oft unterschätzt wird, stellt das Lymphödem dar, das sich in Form von Schwellung des Arms und/oder Brust, Schulter, Halses und Rumpfs manifestiert. Die Prävalenz des Lymphödems beträgt ca. 20%. Mit der Zeit wird dieses Problem deutlicher. Unter einem chronischem Lymphödem leiden 30–40% der Frauen. Neben den bekannten Risikofaktoren wie Art der Operation, Bestrahlung der Brust bzw. Lymphabflusswege (LAW) spielen auch BMI, Alter, sozioökonomischer Status und körperliche Aktivität eine Rolle. Ältere Frauen, Frauen mit niedrigerem sozioökonomischem Status und körperlich weniger aktive Frauen sind häufiger betroffen. Eine Prävention ist möglich. Bereits die Einführung der SN-Biospie statt der Durchführung einer Dissektion bei klinisch negativen Lymphknoten (LK) in der Axilla hat die Prävalenz des Lymphödems drastisch herabgesetzt (von ca. 20% auf 3–5%). Eine frühzeitige Intervention (innerhalb von 48 Stunden) nach der Operation mit gezielter Physiotherapie für die Schulter, Stretching, Akupressur und myofaszialer Therapie sind in der Prävention des Lymphödems etabliert. Während der Nachsorge ist es wichtig, nach diesen Symptomen zu suchen und bei den Anzeichnen des Lymphödems die Beratung/Therapie einzuleiten, beginnend mit der Beratung über die Hautpflege, Nutzung und Selbstanwendung von den Kompressionsstrümpfen etc. Die Behandlung reicht von der konservativen Therapie (Lymphdrainage, Kompression, Lasertherapie, medikamentöse Therapie) bis hin zur chirurgischen Intervention und ist dadurch sehr vielfältig.

Fatigue

Eines der großen, schwer erkennbaren und definierbaren Symptome ist Fatigue, die diese Frauen oft bis an ihr Lebensende begleitet. Fatigue ist als Verminderung der Energie, die länger als 2 Wochen dauert, definiert und führt zu Beeinträchtigungen in normalen Lebensaktivitäten. Zu unterscheiden sind die sog. zentrale Fatigue, die Unmöglichkeit, Aktivitäten zu starten oder Aufmerksamkeit bei der Durchführung von Aktivitäten aufrechtzuerhalten, und die periphere Fatigue, die sich durch die Verschlechterung der körperlichen Funktionen, inadäquate kardiorespiratorische Funktion und Muskelschwäche zeigt. Die Ätiologie ist komplex und noch immer nicht ganz klar. Eine Rolle spielen proinflammatorische Zytokine, das physiologische und immunologische System, die körperliche Kondition, der kognitive Status und der mentale Zustand der Betroffenen. Fatigue ist mit Schlafstörungen, Alter (junge Frauen leiden häufiger daran als ältere), BMI (Risiko steigt mit dem BMI >25) und schlechter körperlicher Kondition assoziiert. Wichtig ist die physikalische Aktivität entsprechend den Möglichkeiten zu erhalten bzw. zu verbessern. Besonders vulnerable Gruppe sind die Patient*innen , die auch andere Komorbiditäten aufweisen, wie Lymphödem, Kardiomyopathie, Neuropathie etc. Bei diesen Patient*innen ist eine Zusammenarbeit mit den Physiotherapeuten sehr wichtig. Die Therapie ist multidisziplinär und umfasst: körperliches Training, psychosoziale Therapie, unterstützende Maßnahmen und Verhaltensansätze.

Gewichtszunahme

Neben der lokalen Therapie, die Einfluss auf das Körperbild hat, fängt mit der Diagnose schleichend, aber kontinuierlich die Gewichtszunahme an, die zu Unzufriedenheit über das Aussehen führt. Nach dem ersten Jahr zeigt sich eine Gewichtszunahme von mehr als 10% bei 21% der Frauen mit BC-Diagnose, nach 6 Jahren sind bereits 25% der Frauen betroffen.

Chemotherapie-induzierte periphere Neuropathie

Die durch Chemotherapie-induzierte periphere Neuropathie (CIPN) mit ihren sensorischen (Kribbeln, Taubheit, Kälteempfindlichkeit und Schmerzen) und motorischen Symptomen (Schwäche der oberen und besonders unteren Extremitäten, Beeinträchtigung in den normalen Aktivitäten und Propriozeption) sind Symptome, die die LQ besonders schwer beeinträchtigen. CIPN ist Folge der effektiven Chemotherapie wie Paclitaxel und damit nicht vermeidbar. Ca. 27% der Frauen, die eine Therapie mit Paclitaxel haben, berichten über CIPN. Risikofaktoren sind Alter, Diabetes mellitus, Alkoholkonsum, Lungenerkrankungen, lumbale Spinalkanalstenose und hereditäre Neuropathie. Die Therapie ist vielfältig, beginnend mit der Frühdetektion, medikamentöser Therapie wie Pregabalin, Gabapentin, Nervenblockaden, neuromuskuläre Stimulation, Akupunktur und Massage.

Depression und Angstzustände

Die Verschlechterung der LQ ist nicht nur die Folge dieser körperlichen Beeinträchtigungen, sondern auch Folge des vulnerablen psychischen Zustands der Frauen. Bei Frauen, die BC hatten, werden verglichen mit der gesunden Population öfter Depression und Angstzustände diagnostiziert. In einer Studie, die im UK durchgeführt und 2008 publiziert wurde, wurden die Daten von 3300 Frauen, die BC hatten, ausgewertet. 47% der Frauen, die BC hatten, gaben an, dass sie Angst vor einem Wiederauftreten der Erkrankung haben. In einer Metanaalyse, publiziert 2013, betrug die Prävalenz von Angstzuständen bei BC-Überlebenden 18% verglichen mit 13%, welche in der gesunden Population zu finden ist. Die Prävalenz der Depression wurde mit 11,8% vs. 10,2% in der gesunden Population angegeben.

Kognitive Funktion

Die Verminderung der kognitiven Funktion wurde kontrovers beschrieben, abhängig vom Alter der Patientinnen und der verabreichten Therapie. Besonders betroffen sind ältere Frauen sowie Frauen, die eine Chemotherapie erhielten.

Alle diese Daten zeigen, dass Langzeitüberlebende nach BC eine sehr vulnerable Gruppe sind, die unsere Zuwendung besonders stark braucht. Die Verbesserung der LQ ist zum Teil durch Prävention, rechtzeitiges Screening und frühzeitige Therapie möglich. Derzeit wird in einer internationalen Studie (EORTC FU 16-17) untersucht, welche Gruppe der Patientinnen in Bezug auf die LQ besonders betroffen ist und eine besondere Zuwendung während der Nachsorge braucht, um die Langzeit-LQ dieser Gruppe zu verbessern.

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