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Kombination zielgerichteter Therapien im Fokus der Forschung
Leading Opinions
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28.02.2019
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<p class="article-intro">In der Behandlung der chronischen lymphatischen Leukämie (CLL) waren Chemoimmunkombinationen lange Zeit Therapiestandard. Nun erweisen sich chemotherapiefreie Kombinationen zielgerichteter Therapien als vielversprechende Optionen sowohl für Patienten im therapienaiven als auch im rezidivierten/refraktären Erkrankungsstatus. Beim ASH 2018 wurden diverse Kombinationsstrategien mit Venetoclax und Ibrutinib vorgestellt, die zu vielversprechenden Ergebnissen geführt hatten.</p>
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<p class="article-content"><p>Für die Behandlung der CLL ist Venetoclax in der Schweiz als Monotherapie bei Vorliegen einer 17p-Deletion oder einer TP53-Mutation nach Versagen eines B-Zell-Rezeptor-Signalweg-Inhibitors und Rituximab in Kombination mit Fludarabin und Cyclophosphamid (FCR) bei therapiebedürftigen Patienten zugelassen. Die MURANO-Studie zeigte für die Kombination (VenR) einen signifikanten Therapievorteil gegenüber der bei älteren Patienten angewendeten Chemoimmuntherapie mit Bendamustin plus Rituximab (BR).</p> <h2>Lang anhaltendes progressionsfreies Überleben mit VenR</h2> <p>In der randomisierten Phase-III-Studie MURANO wurde Venetoclax mit einer festgelegten Therapiedauer von maximal 2 Jahren in Kombination mit Rituximab (VenR) gegen 6 Zyklen BR geprüft.<sup>1</sup> Eingeschlossen waren 389 Patienten mit rezidivierter oder refraktärer CLL. Die primäre Analyse der MURANO-Studie mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 23,8 Monaten bestätigte einen signifikanten Vorteil von VenR gegenüber BR bezüglich des progressionsfreien Überlebens (PFS) (HR: 0,17; p<0,001). Beim ASH wurden nun die Ergebnisse nach abgeschlossener Therapie bei allen Studienteilnehmern präsentiert.<br /> Patienten im VenR-Arm waren median 24,4 Monate unter Medikation, Patienten im BR-Arm 5,5 Monate. 130 von 194 Patienten komplettierten die 2-jährige VenRTherapie ohne Tumorprogress und 154 von 195 Patienten erhielten alle 6 Zyklen BR. Das Erreichen des primären Endpunkts, der bereits in der primären Analyse mit einer Risikoreduktion von 83 % gezeigt wurde, konnte mit nunmehr median 36,0 Monaten Nachbeobachtungszeit bestätigt werden: Das mediane PFS war im VenR-Arm weiterhin nicht erreicht und betrug unter BR 17,0 Monate. Nach 3 Jahren waren 71,4 % versus 15,2 % der Patienten ohne Progress (HR: 0,16; 95 % CI: 0,12–0,23). Der Vorteil von Venetoclax gegenüber Bendamustin wurde über alle prädefinierten Subgruppen gesehen. Auch bezüglich des Gesamtüberlebens (OS) wurde eine klinisch relevante Verlängerung nachgewiesen: Die 3-Jahres-OS-Rate betrug 87,9 % versus 79,5 % , was mit einer Reduktion des Sterberisikos um 50 % einherging (HR: 0,50; 95 % CI: 0,30–0,85) (Abb. 1). Der Überlebensvorteil wurde erreicht, obwohl die meisten Patienten nach Progress unter BR eine weitere aktive Therapie erhielten, davon die Hälfte Ibrutinib und 8 % Venetoclax. Trotz einer längeren Dauer unter Medikation traten im VenRArm weniger Grad-3- bis -4-Nebenwirkungen auf. Mit der längeren Nachbeobachtungszeit kam es nicht zur Wahrnehmung neuer Sicherheitssignale.<br /> Anhand der Daten der MURANO-Studie wurde der prädiktive Wert des MRD(minimale Resterkrankung)-Status auch für die neuen zielgerichteten Substanzen gezeigt.<sup>2</sup> Die MRD wurde zentral ausgewertet und das Ergebnis an den Zeitpunkten «Ende der Chemotherapie» (EOCT) und «Ende der Therapie» (EOT) mit dem PFS korreliert. Es wurde eine hohe Übereinstimmung (90 % ) bezüglich des MRD-Status zwischen den Proben aus dem Blut und dem Knochenmark festgestellt, sodass für die Korrelation mit dem PFS der MRD-Status per Blutproben verwendet wurde.<br /> Zum Zeitpunkt der Beendigung der BRTherapie (EOCT) wurde bereits eine um absolut 49 % erhöhte MRD-Negativitätsrate im VenR-Arm gegenüber BR beobachtet. Der MRD-Status bei EOCT war in beiden Studienarmen hoch prädiktiv für die Länge des PFS, sowohl in der Unterscheidung von MRD-negativen (<10<sup>–4</sup>) und MRDpositiven (≥10<sup>–4</sup>) als auch MRD-geringpositiven (10<sup>–4</sup> bis <10<sup>–2</sup>) versus MRDhochpositiven (≥10<sup>–2</sup>) Patienten. Ob die Patienten ein komplettes oder partielles Ansprechen zeigten, war bei Erreichen der MRD-Negativität nicht von Bedeutung. Zum Zeitpunkt der Beendigung der Venetoclax- Therapie (EOT) hatten im VenRArm die meisten Patienten mit MRD-Negativität ihren MRD-Status behalten. Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 9,9 Monaten ab Ende der Venetoclax- Monotherapie behielten 58 % von 83 % der bei EOT MRD-negativen Patienten den MRD-negativen Status bei.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Onko_1901_Weblinks_lo_onko_1901_s8_abb1.jpg" alt="" width="600" height="404" /></p> <h2>Erstlinientherapie mit Ibrutinib plus Rituximab</h2> <p>Die Ibrutinib-Monotherapie ist in der Erstlinienbehandlung der CLL indiziert für Patienten, für die eine Fludarabin-basierte Immunchemotherapie in voller Dosis nicht infrage kommt. Beim ASH wurden Ergebnisse der A041202-Studie der Alliance North American Intergroup präsentiert, die neben der Monotherapie auch Ibrutinib plus Rituximab (IR) gegen BR verglich.<sup>3</sup> Das Risiko für einen Progress wurde mit IR um 62 % gegenüber BR reduziert (HR: 0,38; 95 % CI 0,25–0,59; p<0,001). Die beiden Therapiearme mit Ibrutinib-Monotherapie bzw. Ibrutinib- Kombinationstherapie unterschieden sich allerdings nicht (HR: 1,00; 95 % CI 0,62– 1,62; p=0,49). Es sprachen 93 % der Patienten unter Ibrutinib, 94 % unter IR und 81 % der Patienten im BR-Arm auf die Studienmedikation an. Ein komplettes Ansprechen erreichten 7 % , 12 % und 26 % der Patienten. Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 38 Monaten unterschied sich das Gesamtüberleben (OS) zwischen den Studienarmen nicht.<br /> Die Kombination von Ibrutinib plus Rituximab wurde auch in einer zweiarmigen Studie mit 529 Chemotherapie-geeigneten, therapienaiven Patienten 2:1-randomisiert gegen FCR untersucht.<sup>4</sup> Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 33,6 Monaten war das Risiko für einen Progress im experimentellen Studienarm der ITT-Population gegenüber dem Standard um 65 % reduziert (HR: 0,35; 95 % CI 0,22–0,50; p<0,0001). In einer Subgruppenanalyse wurde der Therapievorteil von Ibrutinib plus Rituximab für alle untersuchten Patientengruppen gezeigt. Der PFS-Vorteil übertrug sich in eine Verlängerung des Gesamtüberlebens mit einer Reduktion des Risikos, zu sterben, um 83 % für die ITT-Population (HR: 0,17; 95 % CI: 0,05–0,54; p<0,0003) und 87 % für Patienten, die wenigstens eine Dosis der Studienmedikation erhalten hatten (HR: 0,13; 95 % CI: 0,03–0,46; p<0,0001).</p> <h2>Vielversprechende Kombination von Ibrutinib und Venetoclax</h2> <p>Venetoclax und Ibrutinib unterscheiden sich nicht nur im Wirkmechanismus, sondern auch bezüglich des Nebenwirkungsprofils, wodurch sie möglicherweise eine gute Kombination für die Behandlung von CLL-Patienten sein könnten. In einer wissenschaftlich initiierten Phase-II-Studie wurden therapienaive Patienten mit CLL oder SLL und wenigstens einem der Hochrisikofaktoren 17p-Deletion oder TP53- Mutation, 11q-Deletion, nicht mutiertes IGHV und Alter ≥65 Jahre mit 3 Zyklen Ibrutinib gefolgt von 24 Zyklen Ibrutinib plus Venetoclax behandelt.<sup>5</sup> Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 14,8 Monaten waren alle 80 Studienteilnehmer ohne Progress und am Leben. Das Ansprechen vertiefte sich im Laufe der Therapie. Nach 12 Monaten der Kombinationstherapie zeigten 88 % der 75 Patienten, die eine Kombinationstherapie erhielten, ein komplettes Ansprechen und 61 % MRD-Negativität, nach 18 Monaten waren es 96 % mit Komplettremission und 69 % MRDnegative Patienten (Abb. 2). Die Kombination wurde insgesamt gut vertragen. Sechs Patienten brachen Ibrutinib aufgrund von Nebenwirkungen ab und erhielten Venetoclax als Monotherapie weiter.<br /> Auch für die rezidivierte oder refraktäre Situation wurden mit der Kombination von Venetoclax plus Ibrutinib vielversprechende Ergebnisse erreicht. In der Phase- II-Studie CLARITY erhielten Patienten erst für 2 Monate Ibrutinib (420mg/d) und ab dem dritten Monat Venetoclax in steigenden Dosierungen bis auf 400mg/d.<sup>6</sup> Primärer Endpunkt war die MRD-Negativität im Knochenmark nach 12 Monaten der Kombinationstherapie. Nach 14 Monaten (12 Monate Kombinationstherapie) waren 57 % der Studienteilnehmer MRD-negativ im peripheren Blut und 39 % MRD-negativ im Knochenmark. Bei 81 % war die Knochenmarkbiopsie unauffällig. Ein Ansprechen nach IWCLL-Kriterien erreichten 94 % , wobei 44 % der Patienten eine komplette Remission (CR), 10 % eine CRi und 40 % eine partielle Remission (PR) aufwiesen. Die Kombinationstherapie wurde gut vertragen. Nur bei einem Patienten wurde das Tumorlysesyndrom als Laborparameter festgestellt. Die bekannten Nebenwirkungen traten im Wesentlichen mit geringem Schweregrad auf.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Onko_1901_Weblinks_lo_onko_1901_s10_abb2.jpg" alt="" width="600" height="480" /></p> <h2>Tripelkombination zielgerichteter Substanzen</h2> <p>Obinutuzumab ist ein neuer Anti- CD20-Antikörper, der sich in diversen Studien als dem etablierten Anti-CD20-Antikörper Rituximab überlegen gezeigt hat. In einer Phase-II-Studie wurden 50 CLLPatienten mit Venetoclax, Ibrutinib und Obinutuzumab über insgesamt 14 Zyklen behandelt.<sup>7</sup> Das Ansprechen wurde nach 8 Zyklen sowie 2 Monate nach der letzten Gabe erhoben. Eingeschlossen waren 25 therapienaive und 25 rezidivierte/refraktäre Patienten. Ein Ansprechen wurde bei 84 % bzw. 88 % der Patienten beider Kohorten beobachtet, MRD-Negativität erreichten 67 % bzw. 50 % der Patienten. Die Therapie mit der Dreierkombination erwies sich als tolerabel.</p> <h2>Neue Therapien für Patienten mit Richter-Transformation</h2> <p><em>Für CLL-Patienten mit Richter-Transformation gibt es derzeit keine Standardbehandlung und betroffene Patienten überleben im Median weniger als 12 Monate. Da bei der CLL häufig eine Dysfunktion des Immunsystems vorliegt, wird die PD-1-Checkpoint-Blockade in diversen Studien für Patienten mit Richter- Transformation untersucht.</em></p> <p>In einer Phase-II-Studie erhielten 24 Patienten mit DLBCL-Richter-Transformation nach einem Zyklus Nivolumab die Kombination von Nivolumab plus Ibrutinib.<sup>8</sup> Die Patienten waren median 64,5 Jahre alt und hatten im Median 3 vorhergehende Therapien erhalten. Bei 10 der Patienten (42 % ) wurde unter der Studienmedikation ein Ansprechen gesehen, davon wiesen 8 Patienten ein komplettes metabolisches Ansprechen und 2 Patienten ein partielles metabolisches Ansprechen auf. 4 Patienten konnten bei Ansprechen einer allogenen Stammzelltransplantation zugeführt werden, 4 weitere Patienten erhielten eine allogene Stammzelltransplantation nach nachfolgender Salvage-Therapie. Die mediane Dauer des Ansprechens war zur Zeit der Auswertung noch nicht erreicht. Bei Zensur der allogenen Stammzelltransplantation betrug die mediane Dauer des Ansprechens 9,3 Monate. Das Gesamtüberleben betrug im Median 13,8 Monate. Die kombinierte Therapie wurde gut vertragen. Mit der Tripelkombination von dem PI3K-Inhibitor Umbralisib, dem Anti-CD20- Antikörper Ublituximab und dem PD-1-Inhibitor Pembrolizumab wurden vielversprechende Ergebnisse für die Behandlung von BTKi-refraktären CLL-Patienten (n=10) und Patienten mit Richter-Transformation (n=4) berichtet.<sup>9</sup> In der Phase- I/II-Studie wurde ein Ansprechen bei 9 der CLL-Patienten (90 % ) sowie 2 der Patienten mit Richter-Transformation (50 % ), in beiden Fällen Komplettremissionen, gesehen. Immunvermittelte Nebenwirkungen traten nicht häufiger auf, als mit Umbralisib oder Pembrolizumab als Monotherapien erwartet worden wäre.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Jahresversammlung der American Society of Hematology
(ASH), 1. bis 4. Dezember 2018, San Diego
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<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Seymour J et al.: MURANO trial establishes feasibility of time-limited venetoclax-rituximab (VenR) combination therapy in relapsed/refractory chronic lymphocytic leukemia (CLL). ASH 2018, Abstr. #184 <strong>2</strong> Kater A et al.: First prospective data on impact of minimal residual disease on long-term clinical outcomes after venetoclax plus rituximab versus bendamustine plus rituximab: phase III MURANO study. ASH 2018, Abstr. #695 <strong>3</strong> Woyach JA et al.: Ibrutinib alone or in combination with rituximab produces superior progression free survival (PFS) compared with bendamustine plus rituximab in untreated older patients with chronic lymphocytic leukemia (CLL): results of Alliance North American Intergroup study A041202. ASH 2018, Abstr. #6 <strong>4</strong> Shanafelt T et al.: Ibrutinib & rituximab improves progression free and overall survival relative to FCR in younger patients with previously untreated chronic lymphocytic leukemia (CLL). ASH 2018, Abstr. #LBA4 <strong>5</strong> Jain N et al.: Combined ibrutinib and venetoclax in patients with treatment-naive high-risk chronic lymphocytic leukemia (CLL). ASH 2018, Abstr. #186 <strong>6</strong> Hillmen P et al.: Ibrutinib plus venetoclax in relapsed, refractory CLL: results of the bloodwise TAP CLARITY study. ASH 2018, Abstr. #182 <strong>7</strong> Rogers K et al.: Phase 2 study of combination obinutuzumab, ibrutinib, and venetoclax in treatment-naive and relapsed/refractory chronic lymphocytic leukemia. ASH 2018, Abstr. #693 <strong>8</strong> Jain N et al.: A phase II trial of nivolumab combined with ibrutinib for patients with Richter transformation. ASH 2018, Abstr. #296 <strong>9</strong> Mato A et al.: Phase I/II study of umbralisib (TGR-1202) in combination with ublituximab (TG-1101) and pembrolizumab in patients with relapsed/refractory CLL and Richter´s transformation. ASH 2018, Abstr. #297</p>
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