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Kolorektales Karzinom

<p class="article-intro">Drei Themenkreise standen beim diesjährigen Kongress der Amerikanischen Gesellschaft für Klinische Onkologie (ASCO) in Chicago im Vordergrund der Sitzung über kolorektale Karzinome, die von Gunnar Folprecht aus Dresden und Christopher H. Lieu aus Denver geleitet wurde: chirurgische Deeskalation, Einfluss der Lokalisation des Primärtumors auf Prognose und Therapiewirksamkeit und – wie könnte es anders sein – Immuntherapie.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Immuntherapie spielt auch beim metastasierten kolorektalen Karzinom eine Rolle.</li> <li>Die schlechtere Prognose der Karzinome des rechten Hemikolons beruht weitgehend auf bekannten klinischen und molekularen Faktoren.</li> <li>Die Wirksamkeit von Bevacizumab und Cetuximab h&auml;ngt von der Lokalisation des Prim&auml;rtumors ab.</li> <li>Ein Stent kann die Notfalloperation beim stenosierenden Kolonkarzinom vermeiden helfen.</li> </ul> </div> <h2>Immunzellinfiltrat zur Prognosevorhersage</h2> <p>Jerome Galon pr&auml;sentierte die Ergebnisse einer aufwendig qualit&auml;tskontrollierten Studie zur Evaluation einer &laquo;Immunoscore&raquo; genannten Methode, die von einer Firma angeboten wird, deren Mitgr&uuml;nder Galon ist. Standardisierte computergest&uuml;tzte Messung der lymphozyt&auml;ren Infiltrate im Prim&auml;rtumor (Kolonkarzinom Stadium I&ndash;III) bei 2667 auswertbaren Patienten ergab eine Einteilung in 26 % mit hohem, 49 % mit mittlerem und 25 % mit niedrigem Immunoscore. Diese Einteilung erlaubte eine gute Separation der Patienten bez&uuml;glich der Zeit bis zum Rezidiv, des krankheitsfreien &Uuml;berlebens und des Gesamt&uuml;berlebens. Es wurde allerdings nicht berichtet, ob der Immunoscore als prognostischer Marker von anderen bekannten Pr&auml;diktoren, z.B. dem Mikrosatellitenstatus, unabh&auml;ngig ist.</p> <h2>Immuntherapie &ndash; nicht nur bei MSI-H-Tumoren</h2> <p>Drei relativ kleine Studien (Phase I und II) zur Immuntherapie hatten es in die Auswahl geschafft: Michael J. Overman aus Houston berichtete &uuml;ber die Ergebnisse einer Studie beim metastasierten kolorektalen Karzinom (mKRK) mit hoher Mikrosatelliteninstabilit&auml;t (MSI-H). In diesem kleinen Patientenkollektiv (4 % aller mKRK) wurden 70 Patienten mit dem Checkpoint-Inhibitor Nivolumab therapiert, wobei 25 % eine partielle Remission (PR) und 30 % eine Krankheitsstabilisierung (SD) erreichten. 27 Patienten erhielten eine Kombination aus Nivolumab mit dem Anti-CTLA-4-Antik&ouml;rper Ipilimumab. Unter Inkaufnahme einer h&ouml;heren Toxizit&auml;t erreichten 33 % der Patienten eine PR, 52 % eine SD. Bemerkenswert war, dass 3 Monate nach Therapiebeginn kaum noch Krankheitsprogressionen beobachtet wurden &ndash; bei allerdings noch recht kurzer Nachbeobachtungszeit.<br /> Johanna C. Bendell aus Nashville konnte bei 20 Patienten mit <em>KRAS</em>-mutiertem, Mikrosatelliten-stabilem mKRK zeigen, dass die Kombination zweier Agentien, die einzeln beim mKRK unwirksam sind, in Kombination zu einem Ansprechen f&uuml;hren k&ouml;nnen: Der MEK1/2-Inhibitor Cobimetinib, der nach pr&auml;klinischen Daten die intratumorale T-Zell-Akkumulation f&ouml;rdert und eine vermehrte Expression von MHC Klasse I bewirkt, konnte in Kombination mit dem gegen PD-L1 gerichteten Checkpoint-Inhibitor Atezolizumab bei jeweils 4 der 20 Patienten eine PR und SD bewirken.<br /> Erstaunlicherweise war es in einem nordamerikanischen Netzwerk m&ouml;glich, innerhalb von 6 Monaten 39 Patienten mit therapierefrakt&auml;rem metastasiertem Analkarzinom in eine Studie mit Nivolumab einzuschliessen. Cathy Eng berichtete &uuml;ber eine Ansprechrate von 24 % sowie 46 % SD, allerdings bei einem progressionsfreien &Uuml;berleben (PFS) von im Mittel nur 3,9 Monaten.</p> <h2>Die Seite entscheidet</h2> <p>Der n&auml;chste Themenkomplex mutete schon fast politisch an: Was ist gef&auml;hrlicher, rechts oder links? Zumindest beim kolorektalen Karzinom l&auml;sst sich diese Frage beantworten.<br /> Deborah Schrag aus Boston pr&auml;sentierte eine SEER-Datenbankanalyse an &uuml;ber 200&thinsp;&thinsp;000 Patienten zum Vergleich der Prognose von Tumoren des rechten und des linken Hemikolons. W&auml;hrend sich die Prognose im Stadium II als nicht von der Lokalisation des Prim&auml;rtumors abh&auml;ngig zeigte, hatten Patienten, deren Tumor im Stadium III im rechten Hemikolon erstdiagnostiziert wurde, eine deutlich schlechtere Prognose im Vergleich zu Patienten mit linksseitigem Tumor. Auch beim mKRK (Stadium IV) war das Gesamt&uuml;berleben bei rechtsseitigen Karzinomen deutlich ung&uuml;nstiger. Bekanntermassen zeichnen sich Tumoren des rechten Hemikolons allerdings durch ein Auftreten in h&ouml;herem Alter, geringere Symptome, z.B. weniger sichtbare Blutungen, flachere Beschaffenheit, schlechteren Differenzierungsgrad, geh&auml;uft Siegelring- und muzin&ouml;se Histologie und eine Tendenz zur peritonealen Metastasierung aus, wie Kimmie Ng, ebenfalls aus Boston, in der Diskussion darstellte. Sie erw&auml;hnte auch den m&ouml;glichen Einfluss des unterschiedlichen Mikrobioms, etwa eine st&auml;rkere Besiedelung mit <em>Fusobacterium nucleatum</em>, welche die Prognose ebenfalls ung&uuml;nstig beeinflusst. Wurden die SEER-Daten f&uuml;r das Patientenalter adjustiert, waren die prognostischen Unterschiede deutlich geringer ausgepr&auml;gt.<br /> Ein Teil der schlechteren Prognose bei rechtsseitigen kolorektalen Tumoren l&auml;sst sich vermutlich auch auf das h&auml;ufigere Vorkommen ung&uuml;nstiger molekularer Aberrationen zur&uuml;ckf&uuml;hren. Michael S. Lee aus Chapel Hill berichtete &uuml;ber molekulare Analysen an <em>KRAS</em>-Wildtyp-mKRK nach Anti-EGFR-Antik&ouml;rpertherapie. Auch in diesem Patientenkollektiv war das durchschnittliche Gesamt&uuml;berleben bei rechtsseitigen Tumoren k&uuml;rzer als bei linksseitigen. Rechtsseitige Karzinome waren gekennzeichnet durch einen h&ouml;heren Anteil prognostisch ung&uuml;nstiger molekularer Charakteristika, wie MSI-H, <em>BRAF</em>-Mutationen und Hypermethylierung (CIMP-H). Von den vier sogenannten &laquo;consensus molecular subtypes&raquo; (CMS) waren die beiden ung&uuml;nstigsten, n&auml;mlich CMS1 (immun) und CMS3 (metabolisch), im rechten Hemikolon h&auml;ufiger vertreten. Die Seitenunterschiede lassen sich also vermutlich zumindest gr&ouml;sstenteils durch eine Imbalance bereits bekannter molekularer und klinischer Faktoren erkl&auml;ren.</p> <h2>Verschiedene Therapien f&uuml;r rechts- vs. linksseitiges mKRK?</h2> <p>Eine retrospektive Analyse der CALGB/SWOG80405-Studie, bei der eine systemische Prim&auml;rtherapie des mKRK mit Bevacizumab vs. Cetuximab auf Basis einer Chemotherapie mit FOLFOX oder FOLFIRI verglichen wurde, erbrachte interessante Unterschiede in Abh&auml;ngigkeit von der Lokalisation des Prim&auml;rtumors. Alan Vanook aus San Francisco berichtete &uuml;ber eine Verteilung von 68 % linksseitigen und 27 % rechtsseitigen Tumoren in der Studienpopulation, wobei das mittlere Gesamt&uuml;berleben des <em>KRAS</em>-Wildtyp-Subkollektivs bei linksseitigen Tumoren 34,2 Monate, bei rechtsseitigen 19,4 Monate betrug. Betrachtete man nun das &Uuml;berleben in Abh&auml;ngigkeit von dem in der Prim&auml;rtherapie gew&auml;hlten Antik&ouml;rper, war dieses bei rechtsseitigen Tumoren unter Bevacizumab mit 24,5 Monaten deutlich l&auml;nger als unter Cetuximab mit 16,4 Monaten, bei linksseitigen Tumoren kehrte sich die Prognose mit 32,1 Monaten unter Bevacizumab und 37,5 Monaten unter Cetuximab um. Inwiefern sich diese Unterschiede allerdings durch weitere molekulare Faktoren erkl&auml;ren lassen, blieb offen. Die Diskussion, ob diese Ergebnisse, die sich in &auml;hnlicher Weise in der deutschen FIRE-3-Studie in einer Post-hoc-Analyse gezeigt haben, einen Einfluss auf die klinische Praxis haben sollten, wurde allerdings sehr kontrovers gef&uuml;hrt.</p> <h2>Kann weniger Chirurgie mehr sein?</h2> <p>Etwa 20 % aller kolorektalen Karzinome pr&auml;sentieren sich bereits im Stadium der Obstruktion. In dieser Situation untersuchte die britische randomisierte CREST-Studie, ob mit der Einlage eines Stents eine Notfalloperation vermieden werden kann, um Zeit zu gewinnen f&uuml;r einen pr&auml;operativen Ausgleich des Fl&uuml;ssigkeits- und Elektrolythaushaltes, die Therapie allf&auml;lliger Komorbidit&auml;ten, ein pr&auml;operatives Staging und die Zuweisung an spezialisierte Kolorektalchirurgen. Des Weiteren gab es die Hoffnung, durch das Stenting die Rate an Stomata zu verringern. James Hill aus Manchester pr&auml;sentierte die Ergebnisse: Die Sorge wegen interventioneller Probleme, die das onkologische Ergebnis verschlechtern k&ouml;nnten, bewahrheitete sich nicht. So kam es nur bei 6 % der Patienten zu einer Perforation und das 1-Jahres-&Uuml;berleben war bei beiden Gruppen gleich. Die Stomarate konnte von 69 % auf 46 % gesenkt werden. Die Stenteinlage war bei 82 % der Patienten erfolgreich.<br /> Die Operation des Rektumkarzinoms im Stadium II und III schliesst in Japan neben der auch in Europa heutzutage als Standard durchgef&uuml;hrten totalen mesorektalen Exzision (TME) eine laterale Lymphknotenresektion (LLND) ein, die eine Lymphadenektomie entlang der Iliaca communis und interna sowie in der Fossa obturatoria umfasst. Eine neoadjuvante Radiochemotherapie geh&ouml;rt in Japan nicht zum Standard &ndash; bei trotzdem sehr gutem onkologischem Ergebnis. Vor diesem Hintergrund wurde die grosse randomisierte JCOG0212-Studie durchgef&uuml;hrt, von deren Ergebnissen Shin Fujita berichtete. Zwar war das rezidivfreie &Uuml;berleben &uuml;ber 5 Jahre in beiden Armen praktisch identisch, statistisch konnte eine Nichtunterlegenheit des Verzichts auf die LLND aber nicht best&auml;tigt werden. Der Therapiestandard in Japan wird sich also wohl nicht &auml;ndern.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>Literatur beim Verfasser<br /><br /></p> </div> </p>
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