© DavidBGray iStockphoto

Jede Behandlung ein Unikat: Zelltherapien aus der Perspektive der Transfusionsmedizin

<p class="article-intro">Bei der Behandlung von hämatologischen Erkrankungen wird zunehmend das Immunsystem einbezogen. Durch Hemmung spezifischer Strukturen an Tumorzellen sowie durch Anwendung von chimären Antigen-Rezeptor-T-Zellen (CAR-T-Zellen) finden diese neuen Therapiemöglichkeiten bereits klinische Verwendung, derzeit meist noch in Studien. Besonders ermutigend ist die zum Teil dramatische Wirkung mit Ansprechraten von 50 bis 70 % bei therapierefraktären ALL-Patienten, die bereits zur FDA-Zulassung eines CAR-T-Produktes geführt haben.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Durch die Einf&uuml;hrung unterschiedlicher monoklonaler Antik&ouml;rper wurden die Behandlungsm&ouml;glichkeiten bei aggressiven h&auml;matologischen Neoplasien wesentlich verbessert. Nun r&uuml;ckt die Aktivierung des Immunsystems in der Behandlung von Neoplasien weiter in den Vordergrund. Eine Errungenschaft ist der Einsatz von Immuncheckpoint-Inhibitoren wie &bdquo;Programmed cell death (PD-1)&ldquo;- und &bdquo;Programmed cell death 1 ligand (PD-L1)&ldquo;- Antik&ouml;rpern, die zu einer Verst&auml;rkung der Immunantwort gegen den Tumor f&uuml;hren. Auch die Entwicklung neuartiger zellul&auml;rer Therapien wie chim&auml;rer Antigen-Rezeptor- T-Zellen (CAR-T) tr&auml;gt zur Verbesserung der Ansprechraten vor allem bei lymphoproliferativen Erkrankungen bei.<br /> Bei der CAR-T-Zell-Therapie handelt es sich um eine neuartige Krebsimmuntherapie, bei der gentechnologisch ver&auml;nderte T-Zellen mit synthetischen antigenspezifischen Rezeptoren zur Anwendung kommen. Die Rezeptoren bestehen aus einer extrazellul&auml;ren Bindungsdom&auml;ne, einer transmembranen Dom&auml;ne und einer intrazellul&auml;ren Dom&auml;ne. CAR-T-Zellen erkennen gezielt Oberfl&auml;chenantigene und f&uuml;hren zur Zerst&ouml;rung der Zielzelle. Derzeit werden bereits mehrere Generationen von CAR aufgrund ihrer kostimulatorischen Dom&auml;ne unterschieden, wobei die erste Generation nur CD3-zeta (CD3&zeta;) als einzelne zytoplasmatische Dom&auml;ne aufwies und bei Folgegenerationen unterschiedliche kostimulierende Signalisierungsdom&auml;nen (CD28, 4-1BB) hinzugef&uuml;gt wurden (Abb. 1). Diese Komponenten werden mittels eines viralen Vektors, Retrovirus oder Lentivirus, in patienteneigene T-Zellen transfiziert, wodurch eine Expression von Anti-CD19 auf T-Zellen induziert wird. Hierbei werden autologe, klonal expandierte T-Zellen (CAR-T), welche an CD19 binden, hergestellt. Nach In-vitro-Expansion werden diese T-Zellen im Anschluss an eine Lymphozyten-depletierende Therapie, meist Fludarabin/Cyclophosphamid (FC), wieder infundiert.<br /> Die Verwendung von CD19 ist insofern attraktiv, da dieses Antigen sowohl auf fr&uuml;hen als auch auf reifen B-Zellen, jedoch nicht auf h&auml;matopoietischen Stammzellen exprimiert wird.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Onko_1803_Weblinks_s47_abb1.jpg" alt="" width="1419" height="759" /></p> <h2>Ausgangsmaterial f&uuml;r die CAR-T-Herstellung</h2> <p>Als Ausgangsmaterial f&uuml;r CAR-T-Produkte dienen unstimulierte autologe mononukle&auml;re Zellen (MNC), welche mittels Zellseparation gewonnen werden. Ob sp&auml;ter die Expansion der transfizierten TZellen gelingt, h&auml;ngt unter anderem von der Qualit&auml;t der Zellen und von der Zusammensetzung des Ausgangsproduktes ab. Bei der Planung der Leukozytenentnahme ist darauf zu achten, dass ein entsprechend ausreichender Abstand zwischen Zellsammlung und der letzten zytostatischen Therapie (&gt;2 Wochen bis &gt;8 Wochen, je nach Substanz), der letzten Gabe von T-Zell-Antik&ouml;rpern (&gt;6 Wochen), der Gabe von h&auml;matopoietischen Wachstumsfaktoren (z.B.: G-CSF; &gt;2 Wochen), der Verabreichung von immunmodulierenden Substanzen (&gt;2 Wochen) und der Gabe von Steroiden (&gt;72 Stunden) eingehalten wird. All diese Substanzen wirken sich auf die Qualit&auml;t der Zellen und deren sp&auml;tere Expansionsf&auml;higkeit aus. Zus&auml;tzlich muss ein ausreichender Abstand zu einer vorherigen Strahlentherapie (ca. 6 Wochen) und auch allogener Transplantation (&gt;3 Monate) eingehalten werden. Die Patienten d&uuml;rfen keine immunsuppressiven Medikamente einnehmen oder an einer Graft-versus-Host-Erkrankung (GvHD) leiden. Die Qualit&auml;t der T-Zellen kann auch mittels Durchflusszytometrie gemessen werden. Es scheint, dass &bdquo;ersch&ouml;pfte (exhausted)&ldquo; und &bdquo;gealterte&ldquo; T-Zellen, erkennbar an ihrer Negativit&auml;t f&uuml;r CD27 und CD28, den Herstellungsprozess von CAR-T-Zellen negativ beeinflussen.<br /> Neben der Qualit&auml;t der Zellen ist auch ihre Quantit&auml;t ein wichtiger Faktor. Nachdem man im Vorfeld nicht genau absch&auml;tzen kann, wie viele der gesammelten Lymphozyten bereits ersch&ouml;pft (exhausted) und deshalb nicht expandierbar sind, ist es empfehlenswert, die Zellsammlung eher gro&szlig;z&uuml;gig durchzuf&uuml;hren. Die Verarbeitung des 3- bis 4-fachen Gesamtblutvolumens ist empfehlenswert. Als Surrogatmarker f&uuml;r den Anteil an CD27- und CD28-negativen Zellen im Leukozytenpr&auml;parat kann man den Wert aus dem peripheren Blut heranziehen.<br /> Ein wichtiger Parameter ist auch die Reinheit des Leukozytenpr&auml;parats. Die angestrebte Konzentration an MNC soll bei zumindest 80 % liegen. Der H&auml;matokrit im Produkt ist so niedrig wie m&ouml;glich einzustellen. Es empfiehlt sich, einen Wert von 2,5 % nicht zu &uuml;berschreiten.</p> <h2>Allogene CAR-T</h2> <p>Derzeit finden vor allem autologe CART Verwendung, was jedoch die individuelle Verf&uuml;gbarkeit von ausreichend modifizierbaren T-Zellen des Patienten voraussetzt. Um ein CAR-T-Produkt patientenunabh&auml;ngig und in gr&ouml;&szlig;erer Menge (&bdquo;off-the shelf&ldquo;) zur Verf&uuml;gung zu stellen, werden zunehmend allogene CAR-T auf ihre Wirksamkeit hin &uuml;berpr&uuml;ft. Allerdings ist bei allogenen CAR-T-Produkten neben dem potenziellen Risiko f&uuml;r eine Graft-versus- Host-Reaktion auch eine Absto&szlig;ung des T-Zell-Produktes und damit ein Wirkungsverlust m&ouml;glich. Um eine erh&ouml;hte Wirksamkeit bei guter Vertr&auml;glichkeit zu gew&auml;hrleisten, werden gegenw&auml;rtig spezifische Zell-Subsets wie Memory-T- oder Gamma/delta-T-Zellen ausgew&auml;hlt bzw. kann durch &bdquo;gene editing&ldquo; mit CRISPR/ Cas9 die Wirksamkeit gezielt beendet werden. Rezent konnten mittels allogener, gegen CD19 gerichteter CAR-T zwei Kinder mit rezidivierter refrakt&auml;rer CD19+ B-Zell-akuter lymphoblastischer Leuk&auml;mie erfolgreich behandelt werden und eine molekulare Remission erreicht werden.</p> <h2>Nebenwirkungen und deren Management</h2> <p>Da es bei der CAR-T-Zell-Therapie mitunter zu schwerwiegender Toxizit&auml;t kommen kann, ist das rechtzeitige Erkennen von Nebenwirkungen, insbesondere des Cytokine-release-Syndroms (CRS), welches mit Fieber, neurologischen Ver&auml;nderungen und arterieller Hypotension bis hin zum Schockgeschehen und Tumorlysesyndrom (TLS) einhergehen kann, essenziell. Um rasch und vor allem mit den richtigen Therapiema&szlig;nahmen reagieren zu k&ouml;nnen, ist die Anwendung von Therapiealgorithmen hilfreich. Neben der symptomatischen Gabe von Antipyretika, Antihistaminika und Fl&uuml;ssigkeit k&ouml;nnen die Gabe von niedrig dosierten Vasopressoren sowie ein Sauerstoffsupport erforderlich sein. Die Gabe von Steroiden sollte nicht unkontrolliert und reflexartig als Ersttherapie erfolgen, da initiale Daten darauf hinweisen, dass die Steroidgabe mit einem gleichzeitigen Wirkungsverlust und reduzierter Expansion der autologen CAR-TZellen einhergehen kann. Neuere Daten konnten allerdings zeigen, dass bei robuster Expansion der CAR-T-Zellen ein Wirkungsverlust nicht unbedingt eintreten muss. Bei Symptomenverschlechterung wird jedenfalls die Gabe von Tocilizumab, einem monoklonalen Antik&ouml;rper gegen den Interleukin-6(IL-6)-Rezeptor, dringend empfohlen. IL-6 spielt eine zentrale Rolle in der Entwicklung eines CRS. Die Gabe von Tocilizumab f&uuml;hrt zu einer raschen Symptomverbesserung, ohne einen Wirkungsverlust von CAR-T zu bedingen. An Sp&auml;ttoxizit&auml;t kann es zu einer anhaltenden B-Zell-Aplasie mit konsekutiver Hypogammaglobulin&auml;mie und Infektionsneigung kommen, da die CAR-T-Zellen auch gegen das CD19-Antigen, welches auf normalen B-Zellen exprimiert wird, gerichtet sind. Besonders bei Kindern wird die regelm&auml;&szlig;ige Gabe von Immunglobulinen empfohlen.</p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>CAR-T-Zellen stellen eine innovative Therapieoption bei Entit&auml;ten dar, die bisher als &bdquo;austherapiert&ldquo; gegolten haben. Es befindet sich derzeit eine Vielzahl von CAR-T-Produkten in klinischer Erprobung, wobei sich die Produkte in der kostimulatorischen Dom&auml;ne und dem verabreichten T-Zell-Typ (alle T-Zellen vs. selektionierte Zellen) unterscheiden. Die reifsten Daten liegen f&uuml;r KT-019 (Dom&auml;ne CD28; Bulk von T-Zellen), CTL019 (Dom&auml;ne 4-1BB; Bulk von T-Zellen) und JCAR017 (Dom&auml;ne 4-1BB; CD4/CD8 Subsets) vor. Allen Produkten gemein ist das potenzielle Risiko f&uuml;r akute Toxizit&auml;ten wie das CRS. Neben der belegten Aktivit&auml;t von immunologischen Mechanismen bei h&auml;matologischen Neoplasien gibt es auch zunehmend Bestrebungen, die CAR-T-Zell-Therapie bei soliden Tumoren einzusetzen. Allerdings erscheint die Wirksamkeit mit den derzeit zur Verf&uuml;gung stehenden Produkten noch limitiert. Als Herausforderungen sind neben dem logistischen Aufwand die extrem hohen Kosten zu nennen. Da ein sorgf&auml;ltiges Monitoring f&uuml;r das Erkennen von therapiebedingten Nebenwirkungen wie CRS unabdingbar ist, sollte die Behandlung mit CAR-T-Zellen derzeit nur spezialisierten Zentren vorbehalten sein.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: 17. Onkologische Wintergespräche, 12.–13. Jänner 2018, Wien </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>bei den Verfassern</p> </div> </p>
Back to top