
Interesse noch nie so groß wie in diesem Jahr
Bericht:
Mag. Dr. Anita Schreiberhuber
Teilnehmer Panel-Diskussion:
Univ.-Prof. Dr. Michael Gnant, Präsident der ABCSG
(Moderation)
Assoc.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Marija Balic, MU Graz
Assoc.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Rupert Bartsch, MU Wien
OÄ Dr. Christine Brunner, MU Innsbruck
OA Dr. Daniel Egle, MU Innsbruck
OA Dr. Simon Gampenrieder, UK Salzburg
Dr. Stephanie Kacerovsky-Strobl, MU Wien
OÄ Dr. Daniela Kauer-Dorner, MU Wien
Univ.-Prof. Dr. Farid Moinfar, OK Linz
Univ.-Prof. Dr. Christian Singer, MU Wien
OA Dr. Christoph Suppan, MU Graz
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Wie fast alle wissenschaftlichen Veranstaltungen wurde auch das Post-SABCS(San Antonio Breast Cancer Symposium)-Meeting aufgrund der Covid-Pandemie dieses Mal virtuell abgehalten. Das brachte auch Vorteile mit sich: Mit mehr als 320 Interessenten meldeten sich so viele Teilnehmer wie noch nie für die Veranstaltung an, was den großen Wirkungskreis dieses Meetings untermauert. Neu war auch, dass die Teilnehmer mittels eines digitalen Tools mit den Vortragenden und Paneldiskutanten interagieren und so zusätzliche Fragen in der 90-minütigen Diskussion mitbehandelt werden konnten.
ADAPT HR+/HER2–: endokriner Teil
In der Phase-II-Studie ADAPT HR+/HER2– (hormonrezeptorpositiv/HER2-negativ) wurden alle Patientinnen mit luminalem Mammakarzinom (BC) im Frühstadium mit einer dreiwöchigen präoperativen gefolgt von einer adjuvanten endokrinen Therapie (ET) behandelt. Bei Patientinnen mit intermediärem und hohem Risiko und 1–3 befallenen Lymphknoten wurde bei einem Ki67-Ansprechen <10% und einem Recurrence-Score <26 gemäß Oncotype DX entschieden, auf eine Chemotherapie zu verzichten. Dabei wurde eine Subgruppe von Patientinnen identifiziert, denen eine adjuvante Chemotherapie erspart werden könnte (definiert als Ki67-Status nach der präoperativen ET <10%).1
Ist eine standardmäßige dreiwöchige präoperative endokrine Therapie zur Beurteilung des Ki-67-Responses zu empfehlen?
Egle: Wir haben zwischen Diagnose eines BC und der darauffolgenden Operation in der Regel ein sogenanntes „window of opportunity“ von zwei bis drei Wochen. Der Ki67-Status bzw. seine Veränderungen bieten durchaus einige interessante Informationen. Zudem kommt es ja durch die Gabe einer ET in dieser Zeitspanne zu keiner Verzögerung der Operation und die Patientin würde die ET ohnehin als adjuvante Therapie erhalten. Ich glaube, dass es sinnvoll wäre, diese Strategie bei allen Patientinnen anzuwenden.
Gnant: Ist das auch realistisch?
Balic: Realistisch ist das nicht: In der Studie wurde der Oncotype DX-Test verwendet und dieser ist in Österreich nicht verfügbar. Die meisten Fragen in San Antonio haben dieses Mal die intermediäre Risikogruppe betroffen und diese können wir mit den uns zur Verfügung stehenden Tests nicht so gut definieren. Das stellt für mich das Problem im klinischen Alltag dar.
Gnant: Inwieweit sind denn die Ergebnisse aus WSG-ADAPT auf andere Tests übertragbar? Ist es ein Nachteil, wenn man über den Endopredict-Test verfügt, für den es solche Daten nicht gibt?
Moinfar: Wir haben eine Arbeit zum Vergleich des MammaPrints mit dem Endopredict publiziert und es gibt auch andere Publikationen dieser Art – man darf sich nicht wundern, dass die Diskrepanzen in den Ergebnissen zwischen verschiedenen Tests bei 30–40% liegen. D.h., bei einem Test kann „high risk“, bei einem anderen „low risk“ herauskommen, das muss uns absolut bewusst sein! Die Tests basieren auf unterschiedlichen Ansätzen und demnach resultieren unterschiedliche Ergebnisse, sodass ich die Daten von Oncotype DX nicht 1:1 mit jenen von Endopredict vergleichen würde.
Singer: Ich sehe das genauso. Ich glaube, man muss davor warnen, die Ergebnisse, die mit Oncotype DX generiert worden sind, auf andere Tests zu übertragen!
SINODAR-ONE: SLND vs. ALND
In der Studie SINODAR-ONE wurde im randomisierten Design untersucht, ob der Verzicht auf eine ALND („axillar lymph node dissection“) bei BC-Patientinnen (Stadium T1–T2; Alter: 40–75 Jahre) bei Nachweis von 1–2 SLN („sentinel lymph nodes“) gegenüber der Durchführung einer ALND zu nachteiligen Outcomes führt. Nach einem medianen Follow-up von 30 Monaten waren in beiden Armen keine axillären Rezidive nachgewiesen worden, womit das niedrige Rezidivrisiko bei alleiniger SLND („SLN dissection“) bestätigt worden ist. Das rezidivfreie 5-Jahres-Überleben wurde für den Standardarm (SLND + ALND) mit 6,5% und für den experimentellen Arm mit 4,85% berechnet.2
Wann kann von einer ALND nach NACT abgesehen werden?
Singer: Ältere Patientinnen dürften bei klinisch nodal-negativer Situation keinen Benefit von einer SLND haben. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass man nach der NACT (neoadjuvante Chemotherapie) bei negativem SLN auf eine weitere Evaluierung der Axilla verzichten kann. Ich würde auch nach und nach dazu übergehen, bei erfolgreicher NACT und einem nachweislich konvertierten LN auf eine ALND zu verzichten.
Kauer-Dorner: Der zunehmende Verzicht auf eine ALND ist der Weg, wo es hingeht. Die Frage ist immer: „Wie viel bestrahlen wir?“ Meine Sorge ist, dass wir immer weniger operieren. Wenn wir jetzt nur mehr den Tumor in der Brust operieren, wir keine SLND durchführen und auch die lokale Strahlentherapie weglassen, wären das zu viele Schritte in einem.
Gnant: Das ist ein wichtiger Punkt. Man muss sich gegen den bestehenden Trend wehren, alles, was chirurgisch deeskaliert wird, radioonkologisch zu eskalieren. Das macht überhaupt keinen Sinn. Wir sprechen ja von präzisen Planungsfeldern, die auch in multinationalen Studien nicht mit derselben Stringenz möglich sind wie z.B. in einem Zentrum in Österreich.
Balic: Genau. Jedes Jahr, wenn es um dieses Thema geht, ist es ähnlich: Die Chirurgen wollen weniger resezieren, die Strahlentherapeuten wollen das nachholen. Wir haben zu dieser Fragestellung in Österreich immer wieder Studien im Rahmen der ABCSG (Austrian Breast and Colorectal Cancer Group). Meiner Meinung nach ist es am besten, wenn man die Patientinnen möglichst in die klinischen Studien einbringt und hier auch die Nachdokumentation sicherstellt. Wir möchten attraktivere Modelle anbieten können, aber auch sicherstellen, dass diese mit einem guten Erfolg einhergehen.
BYlieve: Alpelisib nach CDK4/6-Inhibition
In der Studie BYlieve wurde der PIK3CA-Inhibitor Alpelisib in Kombination mit dem Aromataseinhibitor Letrozol bei Patientinnen mit fortgeschrittenem HR+ BC in drei unterschiedlichen Kohorten untersucht. Die Ergebnisse von jenen Patientinnen, die zuvor mit einem CDK4/6-Inhibitor plus Fulvestrant behandelt worden waren, wurden beim SABCSpräsentiert. Nach sechs Monaten waren 46% der Patientinnen noch progressionsfrei, womit der primäre Endpunkt erreicht war.3
Wie sehen Sie die optimale Therapiesequenz nach Versagen auf CDK4/6-Inhibition in der Erstlinie?
Balic: Es sollte angestrebt werden, bei Vorliegen einer PIK3CA-Mutation eine Therapie mit Alpelisib zu initiieren. Wir haben in der Steiermark Probleme in Bezug auf die Bewilligung, obwohl Alpelisib initial zwei Monate über die Firma bezogen werden kann. Wir bekommen laufend Rückfragen, warum wir nicht Everolimus oder eine Chemotherapie verabreichen.
Gnant: Über diese Probleme wird auch aus dem Publikum berichtet. Bezüglich der Testung sind wir uns in Österreich einig, dass die Testung auf das Vorliegen einer PIK3CA-Mutation spätestens während der Erstlinientherapie erfolgen soll.
Macht es Sinn, nach Versagen von Alpelisib Everolimus einzusetzen, also zweimal in ein- und denselben Pathway einzugreifen?
Suppan: Prinzipiell macht es schon Sinn, weil wir wissen, dass jede Therapielinie gewisse Änderungen im Pathway mit sich bringt. Trotzdem fehlt uns dazu eine Studie, die dies untersucht. Erfolgversprechender sind sicher neue Substanzen wie die Aurora-Kinase-Inhibitoren, auf die wir jetzt noch warten müssen.
Repetitive Bestimmung von CTC
Bereits aus mehreren Studien liegen Hinweise vor, wonach CTC („circulating tumor cells“) ein unabhängiger prognostischer Faktor für das progressionsfreie und das Gesamtüberleben sind.4 In einer am SABCS präsentierten gepoolten Analyse wurde der klinische Nutzen einer wiederholten Bestimmung von CTC als Monitoringtool anhand von individuellen Patientendaten untersucht. Die Blutuntersuchung auf den Nachweis von CTC wurde zu Baseline und im Median 29 Tage danach durchgeführt. Dabei wurde eine Korrelation zwischen Detektion von CTC und dem Überleben beobachtet: Jene Patientinnen, bei denen zu beiden Messzeitpunkten keine CTC detektiert worden sind, wiesen das längste Überleben auf. Das Gegenteil war bei jenen Patientinnen der Fall, bei denen das Ergebnis zweimal positiv ausfiel.5
Welche Rolle spielt die Bestimmung von CTC in der klinischen Anwendung?
Balic: Es werden immer wieder Studien mit dem CellSearch®-CTC-Test durchgeführt und wir wissen ja, dass es eine prognostische Signifikanz gibt, wenn ≥70 CTC nachgewiesen werden. Es gibt aber nach wie vor keinen Beleg, wonach eine Intervention in solchen Fällen Sinn macht. Das Ergebnis bietet nur eine zusätzliche prognostische Information, aber diese Studie wird nicht zu einer Änderung des klinischen Alltags führen.
Egle: Die Patientin hat keinen Vorteil, wenn sie weiß, wie viele CTC zu Beginn und danach nachgewiesen worden sind – das ist für sie maximal beunruhigend!
Singer: Es ist erschreckend: Wenn eine Patientin in die Gruppe mit der ungünstigsten Prognose fällt, kann sie ja nichts dagegen tun! Nachdem die CTC-Testung keine therapeutische Konsequenz hat, sollte man diese Testung gar nicht durchführen! Das beunruhigt die Patientin, und ich sehe überhaupt keinen Mehrwert darin! Die Situation wäre eine andere, wenn im Fall des Vorliegens einer hohen Zahl an CTC eine spezielle Therapie verfügbar wäre, aber dies ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht der Fall.
Balic: In der Studie SO500 der SWOG (Southwest Oncology Group) wurde bereits untersucht, ob mit einem Wechsel auf eine andere Therapie aufgrund der Persistenz von CTC nach dem ersten Chemotherapiezyklus (≥5 CTC/7,5ml Blut) für die Patientinnen ein Benefit hinsichtlich der Outcomes erzielt werden kann – die Studie fiel negativ aus.6
Schwangerschaft nach Brustkrebstherapie
In einer umfassenden Metaanalyse von Frauen im gebärfähigen Alter, die BC überlebt haben, wurde bestätigt, dass die Wahrscheinlichkeit, nach einer Krebserkrankung schwanger zu werden, gering ist. Dies unterstreicht die Relevanz einer Fertilitätsberatung bei Diagnose. Im Vergleich zu Frauen, die nach der Krebstherapie nicht schwanger geworden sind, hatten jene mit einer darauffolgenden Schwangerschaft ein um 44% reduziertes Mortalitätsrisiko und ein um 27% reduziertes Rezidivrisiko.7
Wirkt sich eine Schwangerschaft protektiv auf das krankheitsfreie und das Gesamtüberleben aus?
Egle: Die Daten sind dahingehend beruhigend, dass man den Patientinnen sagen kann: „Sie gehen mit einer Schwangerschaft kein Risiko ein.“ Möglicherweise handelt es sich bei jenen Patientinnen, die schwanger geworden sind, um solche, die von vornherein eine bessere Ausgangslage hatten.
Balic: Ich glaube, dass man diese Daten dazu verwenden sollte, die Beratung und die Maßnahmen für die Patientinnen finanziell tragbar zu machen. Zurzeit können wir den Patientinnen alle Optionen nur auf ihre eigenen Kosten anbieten.
Singer: Die Kryokonservierung von Eizellen muss in Österreich von der Patientin selbst bezahlt werden.
Welcher Score ist für die Bestimmung der PD-L1-Expression vor der Stellung der Indikation für Checkpoint-Inhibitoren zu empfehlen?
Bartsch: Diese Frage lässt sich zumindest für das Mammakarzinom im Moment relativ einfach beantworten: Derzeit besteht für eine Immuntherapie ja nur für das tripelnegative BC und nur für Atezolizumab eine Zulassung. Demnach ist das der IC(„immune cell“)-Score, der mittels des SP142D-Assays bestimmt wird. Sobald Pembrolizumab von der EMA (European Medicines Agency) zugelassen wird, sieht die Situation anders aus. Dann kommt auch der CPS (Combined Positive Score) dazu, der mittels ICH(Immunhistochemie)-22.C3-Klon-Assay bestimmt wird. Das wird meiner Einschätzung nach dazu führen, dass wir dann beide Assays verlangen werden, um ganz sicher zu sein, dass wir einer Patientin eine dieser beiden Optionen anbieten können.
Wann soll bei asymptomatischen Patientinnen ein Screening auf Hirnmetastasen erfolgen?
Balic: Ich glaube, wir haben noch nicht die richtige Vorgehensweise, wann und wie ein Screening erfolgen und welche Interventionen gesetzt werden sollen. Man könnte die Frage auch umdrehen: Ist es früh genug, wenn die Patientin symptomatisch wird, da wir inzwischen über Substanzen verfügen, mit denen wir in der metastasierten Situation etwas bewirken können? Ich würde eher dafür plädieren, dass wir das Screening im frühen Setting implementieren, weil da die Art der Intervention eventuell eine andere ist.
Singer: Ich sehe keinen Mehrwert in der Entdeckung von Hirnmetastasen, die asymptomatisch sind, was die Chemotherapie anbelangt, da nicht gezeigt worden ist, dass das Sinn macht oder dass es besser wäre, wenn man die Hirnmetastasen früher entdeckt. Eventuell bringt die lokale Strahlentherapie in diesem Zusammenhang einen gewissen Mehrwert mit sich.
Kauer-Dorner: Es gibt die Theorie der Oligometastasierung. Wir wissen von der Knochenmetastasierung: Auch, wenn wir eine oder zwei Metastasen mit einer oder drei Fraktionen stereotaktisch bestrahlen, hat das Effekte auf das Gesamtsystem. Zur prophylaktischen Radiatio gibt es noch keine Daten. Die Metastasen müssen eine gewisse Größe aufweisen, um eine Bestrahlung mittels Gamma-Knife durchführen zu können.
Quelle:
8. Post-SABCS-Meeting, 15. Jänner 2021, Wien
Literatur:
1 Harbeck N et al.: SABCS 2020; Abstr. #GS4-04 2 Tinterri C et al.: SABCS 2020; Pub. #PD4-01 3 Rugo HS et al.: SABCS 2020; Pub. #PD2-07 4 Paoletti C, Hayes DF: Adv Exp Med Biol 2016; 882: 235-58 5 Janni W et al.: SABCS 2020; Abstract #GS4-08 6 Schochter F et al.: Cells 2019; 8: 1412 7 Blondeaux E et al.: SABCS 2020; Abstr. #GS3-09
Das könnte Sie auch interessieren:
Adjuvantes Osimertinib reduziert ZNS-Rezidive bei EGFR-mutierter Erkrankung
Etwa 30% der Patienten mit nicht kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) präsentieren sich mit resezierbarer Erkrankung und werden einer kurativen Operation unterzogen. Viele Patienten ...
Highlights zu Lymphomen
Assoc.Prof. Dr. Thomas Melchardt, PhD zu diesjährigen Highlights des ASCO und EHA im Bereich der Lymphome, darunter die Ergebnisse der Studien SHINE und ECHELON-1
Aktualisierte Ergebnisse für Blinatumomab bei neu diagnostizierten Patienten
Die Ergebnisse der D-ALBA-Studie bestätigen die Chemotherapie-freie Induktions- und Konsolidierungsstrategie bei erwachsenen Patienten mit Ph+ ALL. Mit einer 3-jährigen ...