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Immuntherapie 2017 wieder top
Jatros
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Michael Micksche
Ehem. Leiter des Instituts für Krebsforschung, MedUni Wien<br> E-Mail: michael.micksche@meduniwien.ac.at
30
Min. Lesezeit
06.04.2017
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<p class="article-intro">Die Immuntherapie ist 2017 zum zweiten Mal als „Clinical Cancer Advance of the Year“ genannt worden. Diese Entscheidung wurde in Anerkennung der Erfolge der „neuen“ Immuntherapie mit Checkpoint- Inhibitoren getroffen. Begründung war unter anderem, dass mit dieser Therapie häufig eine deutliche Lebensverbesserung bzw. -verlängerung für Krebspatienten erreicht wurde, für die es bislang keine Therapiealternativen gegeben hatte. Die Charakterisierung von Biomarkern soll die Identifizierung von Patienten ermöglichen, die am meisten von Immuntherapien profitieren.</p>
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<p class="article-content"><p>Im Rahmen dieser Kolumne konnte ich mich bereits mehrere Male zum Thema Immuntherapie äußern; ich darf für unsere Arbeitsgruppe am Institut für Krebsforschung (MedUni Wien) in Anspruch nehmen, dass wir bereits 1970 am Konzept des klinischen Einsatzes der Immuntherapie gegen Krebs gearbeitet haben. Retrospektiv gesehen bedeutet dies, dass wir bereits mehrere Phasen von Optimismus, aber auch von Enttäuschung miterlebt haben.<br /><br /> Derzeit befindet sich die „neue“ Immuntherapie auf einer Erfolgswelle, denn die Therapie mit Checkpoint-Inhibitoren hat innerhalb relativ kurzer Zeit die „Szene“ ganz wesentlich verändert: Patienten mit bisher schwer therapierbaren bzw. therapieresistenten malignen Erkrankungen wie dem Melanom, dem nicht kleinzelligen Lungenkarzinom, dem Blasenkarzinom, dem Nierenzellkarzinom oder dem Hodgkin-Lymphom (HL) können auch im fortgeschrittenen Stadium von dieser Immuntherapie profitieren.<br /> Gerade beim fortgeschrittenen Melanom sind die Ergebnisse von zwei Studien besonders beeindruckend. Die 24-MonateÜberlebensraten liegen bei 43 bzw. 49 % der behandelten Patienten. Bei 44 % der Patienten konnte ein Therapieansprechen mit einer Dauer von bis zu einem Jahr dokumentiert werden. Auch in der adjuvanten Therapie des Melanoms ist mit dem Checkpoint-Inhibitor Ipilimumab zum ersten Mal eine Verlängerung des Überlebens erreicht worden. Neben der Hochdosis-Interferon-Therapie („Kirkwood-Schema“) – nach zahlreichen negativen Therapiestudien – ist dies trotz gravierender Nebenwirkungen als wesentlicher Erfolg zu werten.<br /> Beim nicht kleinzelligen Lungenkarzinom hat durch den Einsatz der Checkpoint-Inhibitoren ein Paradigmenwechsel stattgefunden. In der Zweitlinientherapie sind derzeit drei Medikamente (Nivolumab, Pembrolizumab und Atezolizumab) zugelassen, die in klinischen Studien erfolgreich eingesetzt worden sind. Die Registrierung von Pembrolizumab als Erstlinientherapie beim NSCLC erfolgte auf Basis des Nachweises, dass Patienten mit „Programmed cell death ligand“(PD-L1)- positiven Tumoren auf die Therapie mit diesem Antikörperpräparat ein signifikant längeres Überleben im Vergleich zu der Gruppe mit Chemotherapie gezeigt hatten.<br /> Beim Blasenkarzinom stand jahrzehntelang keine neue Therapieoption zur Verfügung, wiewohl die intravesikale Gabe von BCG, dem Tuberkuloseimpfstoff – einem „Relikt“ aus den frühen Tagen der Immuntherapie –, noch immer seine Wertigkeit hat. Die Zulassung von Atezolizumab beim vorbehandelten bzw. metastasierten Urothelkarzinom der Blase erfolgte in den USA auf Basis der Ergebnisse einer klinischen Studie, in der eine deutlich höhere Ansprechrate – im Vergleich zur historischen Chemotherapie – dokumentiert worden war. Pembrolizumab könnte als wirksame initiale Erstlinientherapie bei Patienten, die für eine Chemotherapie nicht geeignet sind, bzw. in früheren, d.h. superfiziellen Tumorstadien nach BCGVersagen seinen Einsatz finden.<br /> Die rezent im „New England Journal of Medicine“ publizierten Ergebnisse einer Studie über das rezidivierte oder metastasierte Plattenepithelkarzinom der Kopf- und Halsregion dokumentieren einen deutlichen Einfluss von Nivolumab auf die Überlebensrate und -zeit im Vergleich zur Chemotherapie. Beim klassischen Hodgkin-Lymphom wird Chemotherapie sehr erfolgreich eingesetzt, wobei die 5-Jahres-Überlebensrate bei 86 % liegt. Bei 20–30 % der Patienten ist aber ein Rezidiv bzw. überhaupt das Nichtansprechen als konstantes therapeutisches Problem anzusehen. Die Basis für den Einsatz von Checkpoint-Inhibitoren beruhte auf der Beobachtung, dass ein hoher Prozentsatz – bis zu 97 % – der 108 getesteten Patientenproben positiv für die Expression von PD-L1/L2-Molekülen gewesen war. Mit Nivolumab-Therapie wurde bei 53 (66 % ) der 80 in die Studie einbezogenen Patienten mit HL eine Remission erzielt, wobei bei diesen eine 50 % ige Rückbildung der Tumorlast im Körper erreicht wurde. Auch für Pembrolizumab konnte eine Aktivität bei dieser Erkrankung nachgewiesen werden.<br /> Weitere translationale Forschung zur Therapie mit Checkpoint- Inhibitoren befasst sich nun mit der Definition bzw. Charakterisierung von Biomarkern, die eine Identifikation von Patienten ermöglicht, die auf diese Immuntherapie ansprechen. Zahlreiche klinische Studien zum Thema Kombinationstherapien (medikamentös und auch strahlentherapeutisch) werden derzeit durchgeführt. Immuntherapie hat – als neueste Errungenschaft der Krebsforschung – zu einer Erweiterung des Armamentariums der Krebstherapie wesentlich beigetragen und wird dies auch in Zukunft tun.</p></p>