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Immuntherapie, Chemotherapie und neue Kombinationen
Jatros
Autor:
Dr. Karl Mayrhofer
Autor:
OÄ Dr. Kathrin Strasser-Weippl, MBA
Medizinische Abteilung, Zentrum für Onkologie und Hämatologie mit Ambulanz und Palliativstation<br> Wilhelminenspital, Wien<br> E-Mail: karl.mayrhofer@wienkav.at<br> kathrin.strasser-weippl@wienkav.at
30
Min. Lesezeit
04.04.2019
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<p class="article-intro">In diesem Artikel werden jene Daten des San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS) diskutiert, die den aktuellen Stellenwert der Immuncheckpoint-Inhibitoren, Neuigkeiten zur neoadjuvanten bzw. adjuvanten Chemotherapie – insbesondere auch bei älteren Patientinnen und Patienten –, den prognostischen Wert von Tumorzellen im Knochenmark zum Zeitpunkt der primären Resektion sowie BCL-2 als neues therapeutisches Target betreffen.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die Expression von PD-L1 auf tumorinfiltrierenden Immunzellen ist derzeit der entscheidende Biomarker für den Einsatz einer Immuncheckpoint- Inhibitortherapie mit Atezolizumab beim Mammakarzinom.</li> <li>Prämenopausale Patientinnen mit Hormonrezeptor-positivem, HER2- und nodal-negativem Mammakarzinom mit einem Oncotype-DX<sup>®</sup>-Rezidiv-Score ≥16 profitieren von einer adjuvanten Chemotherapie bei gleichzeitig akzeptablen Auswirkungen auf die Lebensqualität.</li> <li>Vielversprechende Therapieansätze sind der BCL-2-Hemmer Venetoclax bei BCL-2-Überexpression sowie die Kombination des Immuncheckpoint-Inhibitors Pembrolizumab mit Abemaciclib beim Hormonrezeptor-positiven Subtyp.</li> </ul> </div> <h2>Biomarkeranalyse der IMpassion130-Studie</h2> <p>Mit der Präsentation der Ergebnisse der Phase-III-Studie IMpassion130 beim ESMO-Kongress 2018 hielt die Immuncheckpoint- Inhibitortherapie Einzug beim Mammakarzinom. Konkret wurde Atezolizumab in Kombination mit Nab-Paclitaxel mit Placebo plus Nab-Paclitaxel bei tripelnegativer Histologie verglichen. In der Subgruppe mit positiver PD-L1(„programmed death ligand 1“)-Expression (≥1 % ) auf tumorinfiltrierenden Immunzellen (41 % aller Patientinnen) wurde das mediane Gesamtüberleben von 15,5 Monaten auf 25 Monate verlängert.<br /> Am SABCS 2018 wurde nun ergänzend gezeigt, dass die Höhe der PD-L1-Expression, solange sie ≥1 % war, selbst keine Rolle spielte, bei negativer PD-L1-Expression allerdings keinerlei Benefit für die Zugabe von Atezolizumab zu verzeichnen war.<br /> Die Expression von PD-L1 auf Tumorzellen konnte bei 9 % aller Patientinnen nachgewiesen werden. Dies war prädiktiv für eine Verbesserung des PFS durch Atezolizumab (nicht aber des Gesamtüberlebens – wahrscheinlich aufgrund der kleinen Fallzahl). Da aber der Großteil dieser Patientinnen auch PD-L1-positive Immunzellen aufwies, wurde konkludiert, dass eine zusätzliche Bestimmung der PD-L1- Expression auf Tumorzellen keine wesentliche Zusatzinformation bietet. Der Nachweis von intratumoralen CD8+-Zellen korrelierte im Gegensatz zum Nachweis von stromalen tumorinfiltrierenden Lymphozyten (sTIL) ebenfalls mit positiver PD-L1-Expression auf Immunzellen. CD8+(„cluster of differentiation 8 positive“)-Zellen waren passend dazu auch prädiktiv für die Effektivität von Atezolizumab hinsichtlich PFS und Gesamtüberleben, während sTILs lediglich prädiktiv für einen PFS-Vorteil waren. Der <em>BRCA</em>-Mutationsstatus hatte keinerlei prädiktiven Wert.<br /> Konkludierend lässt sich sagen, dass die Expression von PD-L1 auf Immunzellen derzeit der robusteste prädiktive Biomarker für die Effektivität von Atezolizumab beim Mammakarzinom ist.<sup>1</sup></p> <h2>CDK4/6-Inhibitoren in Kombination mit Immuntherapie</h2> <p>Beim Übergang von der S- (Synthese) in die G1-Phase des Zellzyklus spielen Komplexe aus CDK4/6 („cyclin dependent kinase“) und Zyklin D eine wesentliche Rolle, indem sie für die Zellteilung wichtige Signalwege aktivieren. Eine medikamentöse Hemmung von CDK4/6 erschwert daher die Zellteilung und ist im klinischen Alltag fester Bestandteil der Therapie bei Östrogenrezeptor(ER)-positiver Histologie. Am SABCS beschäftigten sich einige Beiträge mit der Sinnhaftigkeit einer Kombination von CDK4/6-Inhibitoren und Immuntherapie.<sup>2</sup> Auf T-Zellen wirken CDK4/6-Inhibitoren in zweierlei Hinsicht: Einerseits hemmen sie die zyklinabhängige T-Zell-Proliferation (was den Effekt einer Immuntherapie konterkarieren würde), andererseits werden die T-Zell-Differenzierung und Funktion gesteigert (was eine Rationale für eine Kombination mit Immuntherapie sein könnte). Ebenfalls wurde in präklinischen Studien gezeigt, dass CDK4/6-Inhibitoren die Antigenpräsentation durch Tumorzellen verbesserten und daher die Immunogenität steigern könnten. Zusammen bildeten diese Daten die Rationale für eine Phase-Ib-Studie, in der die Kombination von Abemaciclib und Pembrolizumab an 28 Patientinnen getestet wurde und nach 24 Wochen Therapie zu einer ORR („objective response rate“) von 29 % führte. Weitere Studien sind in Planung.</p> <h2>Chemotherapie bei älteren Patienten</h2> <p>Um den Nutzen und die Gründe für eine adjuvante Chemotherapie bei Patienten über 65 Jahre zu bewerten, wurde die US National Cancer Database hinsichtlich Patienten mit neu diagnostiziertem Brustkrebs zwischen den Jahren 2004 und 2015, ausgewertet.<sup>3</sup> Von 160 000 auswertbaren Patienten erhielten 60 % eine adjuvante Chemotherapie, wobei das Alter einen statistisch signifikanten Entscheidungsfaktor darstellte: Patienten, die eine Chemotherapie erhielten, waren im Median 5 Jahre jünger als solche, die keine Chemotherapie erhielten. Der Benefit einer adjuvanten Chemotherapie in Bezug auf das Gesamtüberleben konnte allerdings über alle Subgruppen hinweg bestätigt werden. Zusammenfassend zeigt diese retrospektive Datenauswertung daher, dass auch ältere Patienten von einer Chemotherapie profitieren können.</p> <h2>Pathologische Komplettremission nach neoadjuvanter Therapie</h2> <p>In einer Metaanalyse, welche 52 Studien mit knapp 30 000 Patienten inkludierte, wurde untersucht, ob eine pathologische Komplettremission (pCR) nach präoperativer Chemotherapie das rezidivfreie (EFS) bzw. das Gesamtüberleben verlängert.<sup>4</sup> Über das gesamte Patientenkollektiv hinweg konnte eine deutliche Reduktion sowohl im 5-Jahres-EFS (88 % vs. 67 % ) als auch im Gesamtüberleben (94 % vs. 75 % ) zugunsten einer erreichten pCR festgestellt werden. Vor allem die tripelnegative sowie HER2(„human epidermal growth factor receptor 2“)-positive Population profitierte deutlich, beim luminalen Subtyp ließ sich lediglich ein positiver Trend ausmachen. Hier gelang über verschiedene Studien hinweg auch der formale Beweis, dass eine Steigerung der pCR-Rate direkt mit einer Verlängerung des EFS korreliert. Die Gabe einer zusätzlichen postoperativen („post-neoadjuvanten“) Chemotherapie nach pCR brachte keinen Vorteil und entspricht auch nicht dem derzeitigen Therapiestandard. Die Frage, ob eine postoperative Therapie bei Patienten, die keine pCR erreicht haben, einen Vorteil bringt, wurde leider in dieser Studie nicht analysiert.</p> <h2>Auswertung der Quality of Life (QOL) in der TAILORx-Studie</h2> <p>In der TAILORx-Studie wurde bei Patienten mit nodal-negativer und Hormonrezeptor- positiver Histologie der Genexpressionstest Oncotype DX<sup>®</sup> durchgeführt. Während Patienten mit niedrigem Rezidivrisiko ausschließlich eine Hormontherapie erhielten, wurden jene mit hohem Risiko zusätzlich mit Chemotherapie behandelt. Die Gruppe mit mittlerem Risiko (Oncytoype DX<sup>®</sup> Score 11–25) wurde zwischen Chemotherapie plus endokriner Therapie und endokriner Therapie alleine randomisiert. Dabei zeigte sich hinsichtlich des zeitlichen Auftretens von Metastasen („distant disease-free survival“, DDFS) kein Vorteil für die Hinzugabe der Chemotherapie. Teilt man allerdings die Patienten nach Alter auf, zeigt sich für Patienten ≤50 Jahren ein Anstieg des Auftretens von Fernmetastasen mit steigendem Risiko-Score (innerhalb der Gruppe mit mittlerem Risiko). Dieses höhere Rezidivrisiko wurde ab einem Score von 16 durch eine Chemotherapie statistisch signifikant gesenkt. Für ältere Patienten (>50 Jahre) war unabhängig vom Risikoscore und randomisierter Gruppe kein Unterschied im DDFS feststellbar.<br /> Am SABCS wurde nun die QOL-Auswertung dieser Studie präsentiert.<sup>5</sup> Von den ~6600 Patienten der mittleren Risikogruppe nahmen 454 an der QOL-Befragung teil. Dabei zeigte sich interessanterweise in der Gesamtauswertung kein signifikanter Unterschied zwischen Chemotherapie plus endokriner Therapie und ausschließlicher endokriner Therapie. In der Analyse der einzelnen Faktoren wurde allerdings ein deutlicher Unterschied in Bezug auf Fatigue evident. Sie war unter laufender Chemotherapie am größten und besserte sich dann im Verlauf der Zeit langsam. Eine Analyse nach Menopausenstatus ergab für zwei Skalen interessante Ergebnisse: Für postmenopausale Patientinnen zeigte sich eine signifikante kognitive Verschlechterung sowie Verstärkung von endokrinen Symptomen in der Chemotherapie- Gruppe. Prämenopausale Patientinnen hatten zwar 3 Monaten nach Beginn der Chemotherapie einen Anstieg kognitiver Einschränkungen, dies glich sich aber nach 6 Monaten an die Kontrollgruppe an. Auch in Bezug auf endokrine Symptome wurde die Chemotherapie initial von prämenopausalen Patientinnen zwar schlechter toleriert, nach 12 Monaten war dann aber kein Unterschied zur reinen endokrinen Therapie mehr feststellbar. Offenbar stehen für jüngere Patientinnen die Symptome der vorzeitigen Menopause im Vordergrund, welche unter alleiniger Hormontherapie und Chemo- Hormontherapie in ungefähr gleichem Ausmaß auftreten.<br /> Während ältere bzw. postmenopausale Patientinnen also nicht von einer Chemotherapie profitieren und verstärkt an deren Nebenwirkungen leiden, ist die zusätzliche Chemotherapie für jüngere bzw. prämenopausale Patientinnen im Vergleich zur reinen endokrinen Therapie von akzeptabler Verträglichkeit und bringt ab einem Oncotype DX® Score von 16 einen kleinen, aber signifikanten Vorteil. Eine mögliche Einschränkung der QOL-Auswertung ist die niedrige Beteiligung mit <10 % der Gesamtkohorte.</p> <h2>Prognostische Auswirkung von Tumorzellen im Knochenmark</h2> <p>Die PADDY-Studie untersuchte die Bedeutung von detektierbaren Mammakarzinom- Tumorzellen im Knochenmark.<sup>6</sup> Dazu wurde bei >10 000 Patientinnen aus 11 Zentren während der primären Operation eine Knochenmarkspunktion durchgeführt. Bei 27,3 % aller Patientinnen konnten Tumorzellen nachgewiesen werden, wobei es eine derzeit nicht erklärliche Heterogenität zwischen den Zentren gab (<20 % vs. >40 % ). Wie bereits vorbekannt, korreliert der Nachweis von Tumorzellen im Knochenmark mit einer schlechteren Prognose – in dieser Studie mit einer ca. 20 % igen Reduktion im krankheitsfreien Überleben. Tumorzellen im Knochenmark finden sich häufiger bei Patientinnen mit höherem Grading, höherem T-Stadium, positivem Nodalstatus, negativem Hormonrezeptor-Status, positivem HER2- Status und tripelnegativer Histologie. In der Subgruppenanalyse zeigte sich ein deutlicher prognostischer Vorteil in Bezug auf das DDFS bei fehlendem Nachweis von Tumorzellen im Knochenmark für Patientinnen mit Luminal-B-Subtyp (Hormonrezeptor- positiv, hoher Ki67-Profliferationsindex) sowie geringer auch für HER2-positive Karzinome. Für den Luminal-A-Subtyp (Hormonrezeptor-positiv, niedriger Ki67-Profliferationsindex) sowie tripelnegative Karzinome war ein positiver Trend für eine Verlängerung des DDFS zu sehen, allerdings war dieser nicht statistisch signifikant.</p> <h2>BCL-2 („b-cell lymphoma 2“) als therapeutisches Target</h2> <p>Proteine der BCL-Familie regulieren die Apoptose, wobei es Apoptose-hemmende und Apoptose-fördernde Vertreter gibt. BCL-2 wirkt antiapoptotisch und ist bei Überexpression daher ein mögliches therapeutisches Target. Konkret ist derzeit Venetoclax in der Behandlung der chronischen lymphatischen Leukämie zugelassen. Bekannt ist, dass luminale Mammakarzinome häufig (~70 % ) eine Überexpression von BCL-2 aufweisen und die Höhe der Expression prognostisch relevant ist.<br /> In präklinischen Studien konnte durch die Hinzugabe von Venetoclax zu einer endokrinen Therapie das Tumorzellwachstum reduziert werden. In einer Phase-Ib- Studie bei Patientinnen mit vortherapiertem Hormonrezeptor- und BCL-2-positivem Mammakarzinom zeigte sich unter Venetoclax plus Tamoxifen eine Ansprechrate von 54 % sowie ein klinischer Benefit von 75 % bei jenen 24 Patientinnen, die die volle Dosis von 800mg Venetoclax pro Tag erhielten.<sup>7</sup> Beeindruckend war die mediane Dauer des Ansprechens mit 42 Wochen.<br /> Aufgrund dieser vielversprechenden Daten wird Venetoclax derzeit in der Phase- II-Studie VERONICA in Kombination mit Fulvestrant untersucht.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Emens LA et al.: IMpassion130: Efficacy in immune biomarker subgroups from the global, randomized, doubleblind, placebo-controlled, phase III study of atezolizumab + nab-paclitaxel in patients with treatment-naïve, locally advanced or metastatic triple-negative breast cancer. SABCS 2018, Abstract GS1-04 <strong>2</strong> Hurvitz S et al.: Treatment with abemaciclib modulates the immune response in gene expression analysis of the neoMONARCH neoadjuvant study of abemaciclib in postmenopausal women with HR+, HER2 negative breast cancer. SABCS 2018, Abstract PD2-10 <strong>3</strong> Sinha S et al.: Efficacy and utilization trends of adjuvant chemotherapy for stage I, II, and III breast cancer in the elderly population: a National Cancer Database (NCDB) analysis. SABCS 2018, Abstract GS2-02 <strong>4</strong> Hartkopf AD et al.: International pooled analysis of the prognostic impact of disseminated tumor cells from the bone marrow in early breast cancer: results from the PADDY study. SABCS 2018, Abstract GS5-07 <strong>5</strong> Spring LM et al.: Pathological complete response after neoadjuvant chemotherapy and impact on breast cancer recurrence and mortality, stratified by breast cancer subtypes and adjuvant chemotherapy usage: Individual patient-level meta-analyses of over 27,000 patients. SABCS 2018, Abstract GS2-03 <strong>6</strong> Wagner LI et al.: Symptoms and health-related quality of life on endocrine therapy alone (E) versus chemoendocrine therapy (C+E): TAILORx patient-reported outcomes results. SABCS 2018, Abstract GS6-03 <strong>7</strong> Lindeman GJ et al.: A phase 1b dose-escalation and expansion study of the BCL-2 inhibitor venetoclax combined with tamoxifen in ER and BCL-2-positive metastatic breast cancer (MBC). SABCS 2018, Abstract PD1-06</p>
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