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Immunmodulation durch Strahlentherapie
Jatros
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Michael Micksche
Ehem. Leiter des Instituts für Krebsforschung, MedUni Wien<br> E-Mail: michael.micksche@meduniwien.ac.at
30
Min. Lesezeit
11.07.2019
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<p class="article-intro">Strahlentherapie ist eine wichtige Säule der Krebstherapie. Etwa 50 % aller Krebspatienten erhalten im Laufe ihrer Erkrankung eine Bestrahlung. Eine DNA-Schädigung von Krebszellen wird als der primäre antitumorale Effekt der Strahlentherapie angesehen. Oft ist Strahlentherapie auch mit Immunsuppression, d. h. mit einem negativen Einfluss auf das Immunsystem von Krebspatienten, gleichgesetzt worden. Neueste Forschungen beweisen jedoch, dass Strahlentherapie einen positiven, d. h. aktivierenden Effekt auf immunologische Tumorabwehrreaktionen hat.</p>
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<p class="article-content"><p>In den letzten Jahren wurde mehrfach dokumentiert, dass Strahlentherapie zur Immunmodulation, und da besonders auch zur Regulation der Immunantworten sowohl von T-Lymphozyten („adaptive immunity“) als auch von Zellen der natürlichen Immunität („innate immunity“) beiträgt. Die Aktivierung von lokalen und systemischen Immunantworten wird durch das bestrahlte Gewebe getriggert und kann auch als eine der weiteren möglichen antitumoralen Effekte der Strahlentherapie angesehen werden.</p> <h2>Strahlentherapie bewirkt immunologische Veränderungen im Tumor-Microenvironment</h2> <p>Neuere Untersuchungen zeigen, dass eine Bestrahlung eine bessere Tumorerkennung durch das Immunsystem bewirken kann. „Immunogenic cell death“ (ICD) ist die Folge einer Attacke des Immunsystems auf Krebszellen und ist sowohl von den intrinsischen Charakteristika der Tumorzelle als auch vom Immunstatus des Patienten abhängig. Strahlentherapie wirkt aktivierend auf diesen Prozess. Es kommt zu einer Translokation eines Chaperon-Proteins (CRT) vom Zytosol in die Zelloberfläche, wodurch das Signal „Eat me“ gegeben wird. Gleichzeitig setzt das bestrahlte Gewebe sogenannte Gefahrensignale wie „danger-associated molecular pattern“ (DAMP) frei. Dadurch signalisieren bestrahlte (Tumor-)Zellen „Gewebezerstörung“ und initiieren proinflammatorische Ereignisse, die von immunologischen Tumorabwehrreaktion gefolgt sind. Der prophagozytische Effekt der Strahlentherapie fördert die Phagozytose der Debris von zerstörten Tumorzellen und kann dadurch eine bessere Antigenpräsentation und damit das Priming von T-Lymphozyten einleiten. Ein besonderes klinisches Phänomen ist der „abscopal effekt“, der dadurch gekennzeichnet ist, dass eine lokale Tumorverkleinerung durch Strahlentherapie eine systemische Immunantwort auslöst , die dann zur Rückbildung von nicht bestrahlten Metastasen führt. Die Förderung der Freisetzung von Tumorantigenen bzw. von mutierten Nukleinsäuren und Proteinen, die Aufregulierung der MHC-1-Moleküle an Krebszellen und damit eine bessere Antigenerkennung und Steigerung der T-Zell-Infiltration sind wichtige Schritte bei Initiierung von spezifischen immunologischen Tumorabwehrreaktionen durch Strahlentherapie.</p> <h2>Strahlentherapie-sensibilisierende Wirkung der Immuntherapie</h2> <p>Des Weiteren besteht schon lange die Hypothese, dass Strahlentherapie sich zur Therapie mit Checkpoint-Inhibitoren komplementär verhält. Mehrfach gibt es Hinweise darauf, dass diese Immuntherapie einen Strahlentherapie-sensibilisierenden Effekt hat, wodurch die Wirkung dieser lokoregionalen Therapie gesteigert wird. <br />Strahlentherapie kann aber auch durch die Aktivierung der Expression von Immuncheckpoint-Molekülen wie den T-Zell- Oberflächenproteinen CTLA-4 und PD-1 wirken und somit zu einer Dysfunktion von zytotoxischen T-Zellen bzw. einer Immunsuppression führen. Andererseits ermöglicht diese vermehrte Expression von Checkpoint-Molekülen an Tumorzellen und Lymphozyten einen therapeutischen Effekt, der durch Einsatz von Immuncheckpunkt-Inhibitoren mit den entsprechenden Antikörperpräparaten zu erzielen ist. <br />Die Mechanismen, durch die Strahlentherapie eine Immuntherapie verstärkt, sind zusammengefasst wie folgt zu beschreiben: Spezifische Peptide, die von zerstörten Krebszellen freigesetzt werden, erleichtern die Antigenaufnahme, das Processing und in der Folge die Präsentation durch dendritische Zellen (DC). Strahlentherapie reduziert das Antiphagozytosesignal (CD 47) und verstärkt das Prophagozytosesignal (Calreticulin). Dadurch wird die Phagozytose durch DC/Makrophagen gefördert und sowohl die Antigenpräsentation als auch das T-Zell-Priming werden gesteigert. Zusätzlich ist gezeigt worden, dass die Zellen der natürlichen/angeborenen Immunität („innate immunity“), wie eben Makrophagen, DC und auch natürliche Killerzellen, aktiviert werden und ebenfalls wesentliche Mediatoren in der Strahlentherapie-induzierten Immunantwort sind. <br />Verbesserungen im therapeutischen Potenzial von Strahlentherapie sind durch Kombination mit immuntherapeutischen Maßnahmen wie Vakzinen, Zytokintherapie, Checkpoint-Hemmung und mit adoptiver Immunzelltherapie zu erwarten. Derzeit wird in zahlreichen klinischen Studien diese Kombination von Immuntherapie mit Strahlentherapie untersucht.</p></p>