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Highlights vom SABCS zu lokaler und operativer Therapie und Radiotherapie
Jatros
Autor:
Dr. Michael Bolliger
E-Mail: michael.bolliger@meduniwien.ac.at
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Florian Fitzal
E-Mail: florian.fitzal@meduniwien.ac.at<br> Universitätsklinik für Chirurgie<br> Medizinische Universität Wien
30
Min. Lesezeit
04.04.2019
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<p class="article-intro">Zum bereits 41. Mal fand zwischen 4. und 8. Dezember 2018 das San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS) statt. Wie auch in den vergangenen Jahren bietet dieser Kongress die meisten wissenschaftlichen Neuerungen zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms. Die unserer Meinung nach für die momentane klinische Praxis interessanten Daten möchten wir in diesem Artikel präsentieren.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die neoadjuvante Chemotherapie hat in einer amerikanischen Registerstudie bei jungen Brustkrebspatientinnen zu keiner Erhöhung der Brusterhaltungsrate geführt.</li> <li>Studien zur Lebensqualität werden wissenschaftlich hochwertiger und liefern inzwischen längere Nachbeobachtungszeiträume.</li> <li>Die Rekonstruktion der Brust bringt Patientinnen eine sehr gute Lebensqualität, eine Brusterhaltung ist aber immer anzustreben und zeigt noch signifikant bessere Lebensqualitätswerte als eine Brustentfernung mit Rekonstruktion.</li> <li>Die Bestrahlung der regionalen Lymphknoten zeigt erst bei Frauen mit 4 oder mehr positiven Lymphknoten einen Benefit.</li> <li>Die Teilbrustbestrahlung erweist sich als gleich gut wie eine Ganzbrustbestrahlung, aber die Tele-Teilbrustbestrahlung scheint kosmetisch schlechter zu sein als eine Ganzbrustbestrahlung. Eine Brachy-Teilbrustbestrahlung könnte den kosmetischen Nachteil vermindern, bei derzeit besten Lokalrezidivraten für kleine Niedrigrisikokarzinome.</li> </ul> </div> <h2>Brusterhaltende Therapie nach neoadjuvanter Chemotherapie und Lebensqualität</h2> <p>Die Young Women Breast Cancer Study Group (YWS) führte in 12 Spitälern prospektive Studien zur Lebensqualität junger Brustkrebspatientinnen im Alter von unter 40 Jahren zum Zeitpunkt der Diagnosestellung durch. Insgesamt konnte sie rund 1300 Patientinnen zwischen 2006 und 2016 einschließen. Durch die neoadjuvante Chemotherapie wäre in dieser Kohorte in 16 % aller Fälle eine Brusterhaltung möglich geworden, im endgültigen Setting wurden jedoch statt dieser insgesamt 42 % nur 23 % brusterhaltend operiert, der Rest ein- oder zweiseitig mastektomiert.<sup>1</sup><br /> Retrospektiv wurde in einem Teil der Kohorte zwischen 2016 und 2017 (560 Patientinnen) der BreastQ abgefragt, um die Lebensqualität zu bewerten. Von den 400 mastektomierten Patientinnen gaben 11 % an, keinerlei Rekonstruktion gehabt zu haben, 29 % gaben ein Lymphödem nach einem Jahr an. Statistisch signifikant zeigten sich hier die Unterschiede zugunsten der brusterhaltenden Therapie in den Domains des psychosozialen Wohlbefindens und des sexuellen Wohlbefindens (Tab. 1).<sup>2</sup><br /> Dies konnte in einer weiteren Studie, die statt des BreastQ den FACT-B („Functional Assessment of Cancer Therapy – Breast“) heranzog, bestätigt werden. Auch hier zeigten mastektomierte Patientinnen signifikant niedrigere Zufriedenheitswerte als brusterhaltend Operierte.<sup>3</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1902_Weblinks_jatros_onko_1902_s47_tab1_bollinger.jpg" alt="" width="550" height="289" /></p> <h2>Lokale Behandlung von primären Karzinomen</h2> <p>Zur Reduktion von positiven Resektionsrändern wurden an der Yale University knapp 400 Patientinnen in eine Gruppe mit und eine ohne intraoperatives „cavity shaving“ 1:1 randomisiert. Durch diese Prozedur konnten die R1-Raten und damit die Reoperations- sowie Mastektomieraten von 38,1 % auf 8,6 % reduziert werden. Da in den USA der intraoperative Gefrierschnitt bei Weitem nicht so verbreitet ist und standardmäßig eingesetzt wird wie in Österreich und Mitteleuropa, kann dies als für die heimische klinische Praxis nicht relevant eingestuft werden und somit kann keine Empfehlung hierfür abgegeben werden.<sup>4</sup></p> <h2>Management der axillären Lymphknoten</h2> <p>Die 10-Jahres-Follow-up-Daten der AMAROS-Studie, die zwischen 2001 und 2010 Patientinnen rekrutierte und zwischen Axilladissektion und axillärer Radiotherapie randomisierte, zeigten keine signifikanten Unterschiede in der Lokalrezidivrate in der Axilla. Die bestrahlten Patientinnen hatten insgesamt weniger Lymphödeme, jedoch mehr Probleme mit der Beweglichkeit des Arms der bestrahlten Seite. Wenig überraschend neigten dissezierte Patientinnen zu einer stärkeren Schwellung der betroffenen Seite. Bestrahlte Patientinnen hatten jedoch in der Nachbeobachtung signifikant öfter Sekundärkarzinome (11 % vs. 7,7 % ).<sup>5</sup><br /> Eine Neuerung in der pathologischen Aufarbeitung der Axillalymphknoten versprach die mikroskopische extrakapsuläre Extension des Karzinoms zu sein (mECE). In einer zwischen 2010 und 2017 am Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York durchgeführten Studie konnte dieser Faktor (der bei 31 % der 685 eingeschlossenen Patientinnen vorhanden war) jedoch keinen signifikanten Unterschied in der 5-Jahres-Lokalrezidivrate zeigen (2,3 % vs. 1,3 % ). Mikroskopisch extrakapsuläre Extension allein ist somit kein Faktor, der dafür spricht, bei 1–2 Makrometastasen eine Axilladissektion zu empfehlen.<sup>6</sup><br /> Gleich drei Einreichungen behandelten die Konversionsrate von primär klinisch positiver Axilla (cN1) nach der Chemotherapie auf cN0. In der MINT-Studie fand sich eine Rate an Turnover zu ypN0 von 45 % , im B-Arm der SENTINA-Studie von 78 % und im C-Arm von 64 % (Tab. 2). Der Turnover korreliert in diesen Studien signifikant mit kompletter pathologischer Remission, tripelnegativen und HER2- positiven Karzinomen sowie G3-Karzinomen. Dies bedeutet im klinischen Alltag, dass nach einer neoadjuvanten Chemotherapie unbedingt eine Sentinellymphknotenbiopsie durchgeführt werden sollte, da anhand dieser Daten sonst im Schnitt um die 60 % der Patientinnen mit einer Axilladissektion übertherapiert wären.<sup>7–9</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1902_Weblinks_jatros_onko_1902_s47_tab2_bollinger.jpg" alt="" width="550" height="168" /></p> <h2>Prädiktion der pathologischen Komplettremission</h2> <p>Die iSpy-Studiengruppe überprüfte retrospektiv cT1–4/cN0-Karzinome auf ihren längsten Durchmesser im Präparat (LD) und auf das funktionelle Tumorvolumen (FTV) im MRT. Diese beiden Faktoren korrelierten bei hormonrezeptornegativen/ HER2-positiven Karzinomen und tripelnegativen Karzinomen gut mit der pathologischen Komplettremission (0,80–0,85). Weiters gaben sie für Patientinnen mit niedrigem „residual cancer burden“ (RCB) eine signifikant höhere Rate an 3-Jahres-Lokalrezidivfreiheit von 95,1 % im Vergleich zu hohem RCB an (89,9 % ). Ebenfalls wichtig ist die Aussage, dass das Ausmaß der Operation, ob nun Brusterhaltung oder Mastektomie, nicht mit der Tumorkontrolle assoziiert ist und Patientinnen mit gutem Ansprechen somit die weniger invasive Therapie anzubieten ist.<sup>10</sup></p> <h2>Lokalrezidive nach Brusterhaltung oder Mastektomie und adjuvanter Radiotherapie</h2> <p>In einer retrospektiven Analyse aus Schweden (904 Patientinnen zwischen 2004 und 2008), die nach der Operation eine lokale Radiatio erhalten hatten, konnte in einer medianen Nachbeobachtungszeit von 9,8 Jahren eine niedrige Rate an lokoregionärem Therapieversagen durch die Radiotherapie gezeigt werden. Dieses trat in 6,5 % der Fälle auf, im Mittel nach 2,8 Jahren, und teilte sich circa zur Hälfte in lokales und regionales Therapieversagen auf (30 Fälle mit lokalem, 31 mit regionalem Therapieversagen, jeweils ca. 3,3 % ). Die Lokalrezidive fanden sich zu 80 % im alten Radiationsfeld, wobei HER2- positive und tripelnegative Karzinome signifikant resistenter als hormonrezeptorpositive/ HER2-negative Mammakarzinome zu sein schienen.<sup>11</sup><br /> Eine weitere schwedische Forschungsgruppe konnte in einem Langzeit-Followup keine erhöhte Wahrscheinlichkeit für Herztod 20 Jahre nach einer Radiatio bei Brustkrebspatientinnen feststellen. Die Zahl an zerebrovaskulären Events war ohne erkennbare Ursache in dieser Gruppe jedoch im Vergleich zu nicht bestrahlten Patientinnen signifikant erhöht (6,7 % vs. 3,4 % ).<sup>12</sup></p> <h2>Akzelerierte, partielle Brustbestrahlung vs. Ganzbrustbestrahlung und Lebensqualität</h2> <p>Eine kanadische Studiengruppe konnte im Vergleich der Tele-Teilbrustbestrahlung mit der konventionellen Ganzbrustbestrahlung eine Non-Inferiorität in Bezug auf die Lokalrezidive berichten. In dieser prospektiven Analyse von über 2100 randomisierten Patientinnen aus drei Ländern, genannt RAPID, konnte weiters eine reduzierte lokale Toxizität gezeigt werden, jedoch eine signifikant schlechtere subjektive Kosmesis bis zu sieben Jahre nach der initialen Bestrahlung.<sup>13</sup></p> <h2>Bestrahlung der regionalen Lymphknotenstationen</h2> <p>Zur Frage, ob und ab wann man neben den axillären auch die regionalen sowie supraklavikulären Lymphknoten und die Mammaria-interna-Lymphknoten bestrahlen soll, führte eine englische Gruppe eine Metaanalyse über 14 Arbeiten durch, die insgesamt mehr als 13 000 Patientinnen einschloss. Hier konnte ein Benefit erst ab vier positiven Axillalymphknoten gezeigt werden, mit einer verringerten jährlichen Mortalitätsrate mit einer RR von 0,82 (0,75–0,9). Die untersuchten rezenteren Studien zeigten für die generelle Bestrahlung eine Reduktion des Rezidivrisikos, der brustkrebsassoziierten und der generellen Mortalität.<sup>14</sup></p></p>
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<p><strong>1</strong> Kim HJ, Dana-Farber Cancer Institute Boston, MA, USA <strong>2</strong> Dominici LS, Dana-Farber Cancer Institute Boston, Brigham and Women’s Cancer Center, Boston MA, USA <strong>3</strong> Rosenberg SM, Dana-Farber Cancer Institute Boston, MA, USA <strong>4</strong> Chagpar AB, Yale University, Connecticut, USA <strong>5</strong> Rutgers EJ, Antoni van Leeuwenhoek Hospital, Netherlands Cancer Institute, Amsterdam, Netherlands <strong>6</strong> Barrio AV, Memorial Sloan Kettering Cancer Center, New York, USA <strong>7</strong> Kolberg H-C, Marienhospital Bottrop, Deutschland (Sentina B) <strong>8</strong> Liedtke C, Charité Berlin, Deutschland (Sentina C) <strong>9</strong> Blumencranz P, MINT Investigators Group Morton Plant Hospital, Clearwater, Florida, USA <strong>10</strong> Silverstein J, iSpy Consortium, University of California, San Francisco, USA 11 Adra J, University of Gothenburg, Sweden <strong>12</strong> Malmström P, Swedish Breast Cancer Group, Lund University, Sweden <strong>13</strong> Whelan T, McMaster University, Ontario, Canada <strong>14</strong> Dodwell D, Dept. of Population Health, Oxford, UK</p>
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