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Highlights vom ASCO 2019 zum Nierenzellkarzinom
Urologik
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Manuela Schmidinger
Klinische Abteilung für Onkologie<br> Univ.-Klinik für Innere Medizin I<br> Medizinische Universität Wien<br> E-Mail: manuela.schmidinger@meduniwien.ac.at
30
Min. Lesezeit
21.08.2019
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<p class="article-intro">Am ASCO 2019 wurden heuer keine Studien präsentiert, die einen Paradigmenwechsel zur Folge hätten, da viele neue Daten bereits in den Monaten vor dem Kongress publiziert worden waren. Jedoch gab es Metaanalysen oder Subgruppenanalysen aus bedeutsamen vorangehenden Studien, die deren Ergebnisse bestätigten oder wichtige zusätzliche Aspekte aufzeigten.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Weiterhin keine Indikation für adjuvante Therapie beim RCC</li> <li>Weiterhin keine Indikation für pseudoadjuvante Therapie nach Resektion von Metastasen beim mRCC</li> <li>Das CARMENA-Update bestätigt die Nichtunterlegenheit von Sunitinib vs. CN gefolgt von Sunitinib auch bei Patienten mit intermediärem Risiko, zeigt aber Gruppen auf, die vielleicht doch von der CN profitieren: nur 1 Risikofaktor, nur Lungenmetastasen. Eine verzögerte CN kann bei selektionierten Patienten sehr sinnvoll sein und das OS verlängern.</li> <li>Nivolumab + Ipilimumab: Standardtherapie für „Intermediate + poor risk“-Patienten: Benefit für alle, unabhängig von der Zahl der Risikofaktoren</li> <li>Pembrolizumab + Axitinib: in der Zukunft als Therapieoption für alle Risikogruppen geeignet</li> <li>Alle Immun-Checkpoint-Inhibitor- Kombinations-Varianten: besonderer Benefit bei sarkomatoider Differenzierung</li> <li>Tivozanib: sicherster TKI bei guter Wirksamkeit</li> </ul> </div> <h2>Adjuvante Situation</h2> <p>Eine neue Metaanalyse<sup>1</sup> mit Daten von 4820 Patienten aus 4 randomisierten Studien weist neuerlich auf den fehlenden Benefit einer adjuvanten Therapie in Bezug auf das Gesamtüberleben (OS) hin. Zudem wurde – wie bereits zuvor von vielen anderen Autoren – darauf hingewiesen, dass auch der Benefit in Bezug auf das krankheitsfreie Überleben (DFS) sehr gering sei. Somit ist auch nach dem ASCO 2019 eine adjuvante Therapie nach Resektion eines Nierenzellkarzinoms nicht indiziert.</p> <h2>Rolle der zytoreduktiven Tumornephrektomie: ein Jahr nach CARMENA</h2> <p>Seit dem ASCO 2018 wurde ja die Rolle der zytoreduktiven Nephrektomie (CN) (Stadium IV) auf Basis der CARMENA-Studie immer mehr hinterfragt bzw. das Vorgehen als solches in seiner Bedeutung für Patienten mit intermediärem oder hohem IMDC-Risiko zurückgedrängt. In dieser Studie konnte die Nichtunterlegenheit von alleiniger Sunitinib-Therapie gegenüber einer CN gefolgt von Sunitinib bei Patienten mit intermediärem oder hohem IMDC-Risiko demonstriert werden.<sup>2</sup> Diese Daten wurden damals vielerorts mit Vorbehalt betrachtet: Einerseits gab es Protokollverletzungen, andererseits Unterschiede in der Patientenpopulation beider Arme. Zudem bestand eine große Unsicherheit, ob beispielsweise Patienten mit intermediärem Risiko tatsächlich biologisch mit Patienten mit hohem Risiko vergleichbar wären. Zu guter Letzt begründete auch die Tatsache, dass Sunitinib ohnedies nicht mehr Standard bei dieser Population ist (sondern Nivolumab plus Ipilimumab), Zweifel über die Konsequenz der Ergebnisse. Beim ASCO 2019 wurden weitere Subgruppenanalysen aus CARMENA präsentiert.<sup>3</sup><br /> Bei Patienten mit intermediärem IMDCRisiko zeigte sich nun auch eine Bestätigung der CARMENA-Daten vom ASCO 2018; demnach war das Gesamtüberleben im Arm A (CN + Sunitinib) 19,0 Monate (16,0–25,3) und im Arm B (Sunitinib allein) 27,9 Monate (21,1–34,7) mit einer HR von 0,97 (0,79–1,19) (Tab. 1). Sunitinib allein ist also auch bei der Subgruppe der Patienten mit intermediärem Risiko einer CN gefolgt von Sunitinib nicht unterlegen (HR für Nichtunterlegenheit: ≤ 1,20).<br />Eine weitere Analyse von CARMENA beschäftigte sich mit der Zahl der Faktoren, die bei einem Patienten ein „intermediate risk“ hervorrufen. Auch hier bestand die Annahme, dass unter Umständen Patienten mit nur einem Risikofaktor doch von einer CN profitieren könnten, im Vergleich zu Patienten mit 2 Risikofaktoren. Diese Annahme wurde in gewisser Weise numerisch bestätigt: Das mediane OS bei Patienten mit nur einem Risikofaktor lag bei 31,4 Monaten (17,3–45,5) im Arm A (CN + Sunitinib) und bei 25,2 Monaten (19,6–35,4) im Arm B (HR: 1,29 [0,85–1,98]; p = 0,232). Bei Patienten mit 2 Risikofaktoren wiederum bestätigt sich die seit CARMENA empfohlene Zurückhaltung betreffend Operation: Patienten mit 2 IMDC-Risikofaktoren hatten ein medianes OS von 17,6 Monaten (13,7–21,5) mit CN + Sunitinib versus 31,2 (20,5–40,4) Monate mit Sunitinib allein (Tab. 2).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Urologik_Uro_1903_Weblinks_urologik_1903_s34_tab1.png" alt="" width="620" height="223" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Urologik_Uro_1903_Weblinks_urologik_1903_s35_tab2.png" alt="" width="620" height="254" /><br /> Auch die Zahl der Metastasenlokalisationen wurde in Bezug auf den Benefit einer CN genauer betrachtet. Hier waren die Ergebnisse in beiden Therapiearmen ähnlich: Bei Patienten mit nur einer Metastasenlokalisation war der CN-Arm numerisch etwas besser, das mediane OS betrug 23,2 Monate (13,9–43,4) versus 22,7 Monate (17,5–31,1) im Sunitinib-allein-Arm. Interessant ist hier die Beobachtung, dass bei Patienten, die Lungenmetastasen als einzige Lokalisation hatten, das mediane OS im CN+Sunitinib-Arm deutlich länger war: 44 (23,2–64,6) versus 31,5 Monate (14,7– 64,4) (Abb. 1).<br />Eine weitere wichtige Beobachtung ergab die Analyse von Arm B (Sunitinib allein): 40 Patienten in diesem Arm wurden dann doch zu einem späteren Zeitpunkt aus diversen Gründen einer CN unterzogen; diese Patienten erreichten ein medianes OS von 48,5 Monaten (27,9–64,4). Patienten im Arm B, die wie im Protokoll geplant keine CN hatten, erreichten ein medianes OS von 15,7 Monaten (13,3– 20,5) (HR: 0,34 [0,22–0,54]; Abb. 2). Sehr wahrscheinlich besteht hier jedoch ein Selektionsbias: Vermutlich handelt es sich bei diesen Patienten, die ja im Sinne einer Protokollverletzung doch operiert wurden, um jene, die besonders gut auf die systemische Therapie angesprochen hatten, also um „Residual disease“-Patienten.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Urologik_Uro_1903_Weblinks_urologik_1903_s35_abb_ohne_untertitel.png" alt="" width="650" height="372" /></p> <p><strong>Abb. 1:</strong> CARMENA-Update: OS, wenn Lunge einzige Metastasenlokalisation (nach Mejean A et al.)<sup>3</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Urologik_Uro_1903_Weblinks_urologik_1903_s35_abb2_ohne_untertitel.png" alt="" width="650" height="391" /></p> <p><strong>Abb. 2:</strong> CARMENA-Update: OS bei verzögerter Nephrektomie versus keine Nephrektomie (Arm B, ungeplante Nephrektomie) (nach Mejean A et al.)<sup>3</sup></p> <h2>Pseudoadjuvante Therapie</h2> <p>Eine klinisch nicht immer eindeutige Situation ergab sich hinsichtlich der Rolle einer vorbeugenden Tyrosinkinase(TKI)- Inhibitor-Therapie bei Patienten, die einer kompletten Resektion von Metastasen unterzogen wurden. Daten hierzu gab es bislang lediglich zu Sorafenib, das aber als schwächster VEGFR-TKI ohnedies eine untergeordnete Rolle beim Nierenzellkarzinom spielt. Am ASCO 2019 wurden die Ergebnisse einer randomisierten Phase-IIIStudie (ECOG-ACRIN E2810)<sup>4</sup> mit pseudoadjuvantem Pazopanib versus Placebo präsentiert. Es zeigte sich bezüglich des DFS kein Benefit durch Pazopanib. Beim Gesamtüberleben fand sich sogar ein Trend für ein längeres OS im Placeboarm. Somit besteht weiterhin keinerlei Indikation für eine pseudoadjuvante Therapie nach kompletter Resektion von Metastasen.</p> <h2>Update First-Line-Therapie</h2> <p><strong>First-Line-Immuntherapie mit Nivolumab plus Ipilimumab</strong><br /> Ähnlich wie bei CARMENA haben sich auch nach der initialen Präsentation der CheckMate-214-Studie, die eine Überlegenheit von Nivolumab plus Ipilimumab versus Sunitinib bei Patienten mit intermediärem und hohem Risiko gezeigt hatte, Zweifel geäußert, ob diese Überlegenheit der Checkpoint-Inhibitoren wirklich auf alle „Intermediate risk“-Patienten zutrifft bzw. ob nicht die Zahl der Risikofaktoren eine maßgebliche Rolle bei der Überlegenheit der Immuntherapie spielt. Eine Subgruppenanalyse von CheckMate 214,5 die am ASCO 2019 präsentiert wurde, bestätigt jedoch die initialen Daten: Responseraten, das progressionsfreie Überleben (PFS) und das OS waren bei allen „Intermediate- poor risk“-Patienten mit Nivolumab plus Ipilimumab höher bzw. länger als mit Sunitinib, ob nun einer oder mehrere Risikofaktoren vorhanden waren.</p> <p><strong>First-Line-Immuntherapie mit Pembrolizumab plus Axitinib</strong><br />Diese Kombination steht auf Basis einer statistisch signifikanten Überlegenheit gegenüber Sunitinib beim Ansprechen, beim PFS und beim OS kurz vor der Zulassung. Diese Studie hatte Patienten mit allen Risikofaktoren inkludiert. Eine neue Auswertung zeigt nun, dass der Benefit nicht allein durch die Population mit „intermediate-poor risk“ getrieben wurde. Tatsächlich profitieren auch Patienten mit günstigem Risikoprofil mehr von Pembrolizumab plus Axitinib als von Sunitinib. Somit kann Pembrolizumab plus Axitinib in Hinkunft als eine Erstlinientherapie für Patienten jedes Risikoprofils gelten.<sup>6</sup></p> <p><strong>First-Line-Immuntherapie bei Patienten mit sarkomatoiden Tumoren</strong><br /> Alle auf Immuntherapie basierenden Phase- III-Studien zeigen bislang einen besonders großen Benefit für Patienten mit diesen extrem aggressiven Tumoren, wie mehrere Subgruppenanalysen am ASCO 2019 zeigten. Demnach ist eine Checkpoint-Inhibitor-Strategie die Therapie der Wahl in der First-Line- Behandlung dieser Patientenpopulation.<sup>7, 8</sup></p> <p><strong>Wenn doch eine alleinige TKI-Monotherapie in der First Line gewählt wird</strong><br />Eine Studie zum indirekten Vergleich der Effektivität und Sicherheit gängiger und weniger gängiger TKI weist darauf hin, dass bei 12 analysierten Studien mit insgesamt 4460 Patienten die TKI Cabozantinib und Sunitinib in Bezug auf das PFS besser sind als Sorafenib, dass jedoch kein Unterschied besteht zwischen Cabozantinib und Sunitinib zu Tivozanib. Des Weiteren zeigte sich in dieser Analyse, daß Tivozanib von allen analysierten TKI das beste Sicherheitsprofil aufweist, erfasst durch die geringste Inzidenz an Grad-3+4-Toxizitäten.<sup>9</sup></p></p>
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<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Almeida DV et al.: J Clin Oncol 2019, 37 (suppl; abstr. 4579)<strong> 2</strong> Mejean A et al.: N Engl J Med 2018; 379(5): 417-27 <strong>3</strong> Mejean A et al.: J Clin Oncol 2019; 37 (suppl; abstr. 4508)<strong> 4</strong> Apleman LJ et al.: J Clin Oncol 2019, 37 (suppl; abstr. 4502) <strong>5</strong> Escudier B et al.: J Clin Oncol 2019, 37 (suppl; abstr. 4575) <strong>6</strong> Rini BI et al.: Clin Oncol 2019, 37 (suppl; abstr. 4500) <strong>7</strong> Rini BI et al.: J Clin Oncol 2019, 37 (suppl; abstr. 4512); <strong>8</strong> McDermott D et al.: J Clin Oncol 2019, 37 (suppl; abstr. 4513)<strong> 9</strong> Manz K et al.: J Clin Oncol 2019, 37 (suppl; abstr. e16074)</p>
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