Frauen- und Brustkrebshilfe Österreich

Ein offenes Ohr für Frauen mit Krebs

Eine Krebsdiagnose kann Betroffene aus der Bahn werfen. Frauen, die an frauenspezifischen Krebsarten wie Brust- oder Eierstockkrebs leiden, finden bei der Frauen- und Brustkrebshilfe Österreich einen geduldigen Ansprechpartner. Der steirische Verein bietet Hilfestellungen, u.a. in Form von Beratungen und Fachvorträgen, sowie Gruppentreffen und Bewegungsangebote. Erfahren Sie mehr im Interview mit der Vereinsvorsitzenden Claudia Petru, MPH.

Sie sind Vorsitzende der Frauen- und Brustkrebshilfe Österreich. Können Sie kurz umreißen, wie es zur Gründung Ihres Vereins kam?

C. Petru: Vor mehr als zehn Jahren, 2011, habe ich gemeinsam mit Gudrun Schinagl, die hauptberuflich als Friseurin und Perückenmacherin tätig ist, sowie mehreren betroffenen Frauen die Frauen- und Brustkrebshilfe gegründet. Unser Fokus liegt klar auf der Salutogenese. Wir wollen den Patientinnen dabei helfen, ihre eigenen Ressourcen zu entdecken. Zur Wiederherstellung und Erhaltung der Gesundheit braucht es schließlich nicht nur eine medizinisch orientierte Behandlung, sondern auch psychische Stabilität, moderate Bewegung, gute Schlafqualität sowie eine angepasste Ernährung. Mit der Gründung des Vereins wollten wir zudem die Sichtweise der Patientinnen erweitern: „Du hast zwar Krebs, aber du bist nicht Krebs – sondern viel, viel mehr.“

Finanziert wird unser Verein zu 100% aus Spendengeldern. Wir sind in Graz, Bad Gleichenberg und Deutschlandsberg tätig. Hauptsächlich betreuen wir also Patientinnen aus der Steiermark. Die modernen Medien ermöglichen es uns zudem, über die Landesgrenzen hinaus Betroffene zu unterstützen.

Wie finden betroffene Patientinnen den Weg zu Ihnen?

C. Petru: Sie finden vorwiegend über Mundpropaganda oder das Internet zu uns. Unser Verein arbeitet eng mit dem Pflegepersonal, wie Breast Care Nurses, und auch Ärzt*innen der Krankenhäuser zusammen. Auch empfehlen Patientinnen uns an andere Hilfesuchende weiter. Manche Patientinnen suchen gezielt im Internet nach Angeboten, weil im Krankenhaus oft die nötige Zeit für den Informationsaustausch fehlt. Natürlich fände sich im Internet auch zahlreiches Infomaterial, ein echtes Gespräch kann dies jedoch oft nicht ersetzen. So führt ihr Weg sie dann zu unserem Verein.

<< Besonders stolz sind wir auf unser Projekt ,Rosa Yoga‘, das bereits eine Auszeichnung erhalten hat.>>
Welche Angebote stehen Betroffenen in Ihrem Verein zur Verfügung?

C. Petru: Wir veranstalten zweiwöchentliche Gruppentreffen in Form von Kaffeerunden, die dem Austausch der Betroffenen untereinander dienen sollen. Zusätzlich haben wir die Betroffenen unterstützt, WhatsApp-Gruppen einzurichten, über welche sich die Frauen auch ohne unser Zutun für kleine Unternehmungen zusammenschließen können.

Besonders stolz sind wir auf unser Projekt „Rosa Yoga“, das bereits eine Auszeichnung erhalten hat. Es handelt sich hierbei um ein sanftes Yoga, welches Bewegungsübungen mit Meditation und Atemübungen zur Entspannung kombiniert. Dieses bieten wir in 12-wöchigen Kursen an. Die Teilnehmerinnen werden von uns angehalten, so regelmäßig wie möglich an den einzelnen Einheiten teilzunehmen, damit sich eine schöne Gruppendynamik entwickeln kann. Sowohl genesene als auch akut erkrankte Frauen sind beim „Rosa Yoga“ willkommen. Uns ist es wichtig, eine Begegnungszone für Betroffene zu schaffen, bei welcher nicht nur deren Krebskrankheit im Mittelpunkt steht.

Weiters bieten wir alle zwei Monate Fachvorträge und Workshops zu verschiedenen spannenden Themen an, etwa Mentaltraining, Humangenetik, Lachyoga, „Schreiben gegen Krebs“, Gedächtnistraining, Aromatherapie und Sexualität mit Krebserkrankung. Diese konnten ursprünglich ohne Voranmeldung besucht werden; Covid-19 hat uns hier aber einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Generell versuchen wir derzeit, einige unserer Angebote auf Online-Varianten umzustellen. Dies ist jedoch nicht ganz so einfach; unsere älteren Damen sind mit dieser Neueinführung nicht glücklich. Als Ersatz bieten wir Einzelgespräche an. Wenn die Jahreszeit es zugelassen hat, haben wir die Meetings nach draußen verlegen können. Die psychische Belastung, die die Angst vor einer Covid-19-Infektion bei Krebserkrankten mit sich bringt, darf nicht unterschätzt werden.

Zusätzlich zu den genannten Projekten unterstützen wir Betroffene gern etwa mit Informationen zum Wiedereinstieg in den Beruf oder ernährungsmedizinischer Beratung während und nach der Therapie.

Sie sind ja hauptberuflich als Diätologin tätig und haben bereits das Kochbuch „Kochen gegen Krebs“ herausgebracht. Was sind Ihre Erfahrungen in der Beratung krebskranker Frauen?

C. Petru: Während einer Krebstherapie kann es bekanntlich auch im Magen-Darm-Trakt zu unangenehmen Nebenwirkungen kommen, etwa Übelkeit, Durchfall, Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust. Für Frauen, die eine länger dauernde Antihormontherapie erhalten, ist oft auch eine Gewichtszunahme ein belastendes Thema.

Mit einer den Bedürfnissen eines geschwächten Körpers angepassten Ernährung kann frau sich viel Gutes tun. Die Ernährung ist eine wunderbare Möglichkeit, sich eigenverantwortlich in den persönlichen Genesungsprozess einzubringen. Außerdem gibt es zum Thema Nahrungsergänzungsmittel einen großen Informationsbedarf, was die Hauptmotivation für die Veröffentlichung meines Buches „Kochen gegen Krebs“ war.

Mit welchen anderen Problemen und Fragestellungen treten Betroffene an Ihren Verein heran?

C. Petru: Für manche Frauen ist es nach dem Schock der Diagnose erst einmal wichtig, dass wir ihnen all ihre offenen Fragen zum Krankheitsbild beantworten. Ein Arztgespräch im Krankenhaus kann doch ziemlich überfordern. Gerne sprechen wir mit den Patientinnen in ruhiger Atmosphäre und dienen quasi als Dolmetscherinnen.

Den Verein Frauen- und Brustkrebshilfe gibt es seit mehr als 10 Jahren

Nicht zu vernachlässigen ist auch der sozial-gesellschaftliche Aspekt der Krebserkrankung, der viele betroffene Frauen zu uns führt. Manchmal führt die Krankheit dazu, dass Partnerschaften in die Brüche gehen. Manche werden nach Bekanntgabe ihrer Diagnose vom Arbeitgeber gekündigt. Nicht wenige Frauen leiden unter finanziellen Problemen. Um dies so gut wie nur möglich zu verhindern, halte ich beispielsweise die Wiedereingliederungsteilzeit „fit2work“ für sehr sinnvoll. Mit unseren vereinsinternen Mitteln können wir die Betroffenen leider nur begrenzt finanziell unterstützen, aber kleinere Aufwendungen sind durchaus möglich. Etwa haben wir schon öfters für Kinder von betroffenen Alleinerzieherinnen Weihnachtsgeschenke besorgt.

Auch Männer können an Brustkrebs erkranken. Wenden sich denn auch männliche Betroffene an Ihren Verein?

C. Petru: Brustkrebs bei Männern ist sehr selten, in Österreich treten etwa 60 Fälle pro Jahr auf. Vereinzelt kontaktieren uns Betroffene, die wir gern in Einzelgesprächen beraten.

Eher kommt es vor, dass männliche Angehörige von betroffenen oder verstorbenen Frauen sich an uns wenden. Bei manchen Veranstaltungen können sie gern teilnehmen; oft wird es aber von den Frauen explizit gewünscht, dass sie sich ganz unter Frauen zu bestimmten Themen austauschen. Diesem Wunsch geben wir selbstverständlich nach.

Da es Ihren Verein nun schon mehr als 10 Jahre gibt –hat sich im letzten Jahrzehnt etwas geändert?

C. Petru: Drei Punkte sind für uns bemerkenswert. Erstens hat sich die Versorgung von Krebspatientinnen mit einem Rezidiv massiv verbessert. Die betroffenen Frauen können ihren Alltag meist gut bewältigen und ihre Lebensqualität ist hoch. Dennoch darf nicht vergessen werden, dass es sich bei ihnen um schwerkranke Frauen handelt. Im Familienalltag wird dies oftmals weniger wahrgenommen, da die Frauen voll einsatzfähig scheinen. Bei uns im Verein ist deshalb zunehmend ein Coaching gefragt, bei welchem Betroffene dazu ermutigt werden, für ihre Bedürfnisse einzustehen und diese auch von ihren Angehörigen einzufordern.

Zweitens ist es erstaunlich, wie offen die jüngeren Betroffenen mittlerweile mit ihrer Erkrankung umgehen. Sie sind meist sehr gut informiert und konfrontieren ihre Umgebung mit ihrem Schicksal. Sie möchten sich nicht verstecken. Viele jüngere Betroffene verzichten bewusst auf eine Perücke und outen sich in den sozialen Medien.

Und drittens zeigen sich zunehmend bundesländerspezifische Unterschiede in der Versorgung von Krebserkrankten. Die Vereinheitlichung der Versorgung mit den neuesten Therapieoptionen wäre wünschenswert.

Vielen Dank für das Gespräch!

Für Ihre Patientinnen & Patienten – unsere neue Rubrik

Ärztinnen und Ärzte wollen nur das Beste für ihre Patientinnen und Patienten. Neben einer optimalen medizinischen Betreuung können auch Angebote wie die hier von Claudia Petru vorgestellte Selbsthilfegruppe Patienten in der schwierigen Zeit nach einer Krebsdiagnose unterstützen. Damit Sie aus der stetig wachsenden Zahl an Angeboten für Ihre Patientinnen und Patienten die passendsten auswählen können, halten wir Sie ab sofort in unserer neuen Rubrik auf dem Laufenden.

Back to top