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OeGHO-Frühjahrstagung

Effizient kommunizieren als Onkolog:in

400000 Gespräche führen Onkolog*innen im Laufe ihres Berufslebens. Traditionellerweise denkt man dabei zunächst an das Überbringen schlechter Nachrichten. Tatsächlich sind die kommunikativen Herausforderungen deutlich vielfältiger.

Keypoints

  • Patient*innenzentrierte Kommunikation fördert nicht nur das Verständnis und die Lebensqualität von Patient*innen und Gesundheitsmitarbeiter*innen, sondern trägt auch zu gesprächsbezogener Effizienzerhöhung und einer Reduktion der Kosten im Gesundheitssystem bei.

  • Mit interaktiven Trainings (z.B.ÖPGK-tEACH) können kommunikative Kompetenzen erfolgreich und für alle gewinnbringend erweitert werden.

  • Das Üben spezifischer kommunikativer Herausforderungen im Rollenspiel mit Schauspielpatient*innen wird als sehr realistisch erlebt und führt zu einer authentischen Selbstwahrnehmung. Der Austausch in der Gruppe fördert den Lernerfolg und quasi nebenbei auch die Teamkommunikation.

Onkolog*innen müssen komplexe Informationen in kurzer Zeit patient*innenzentriert und verständlich vermitteln. Außerdem gilt es herauszufinden, inwieweit Patient*innen in Therapieentscheidungen miteinbezogen werden möchten, die richtigen Worte am Übergang von kurativer Behandlung zu palliativer Versorgung zu finden, mit Angehörigen zu kommunizieren und mit auftretenden Emotionen auf allen Seiten adäquat umzugehen. Erfolgreiche Kommunikation in der Onkologie benötigt nicht nur das Vermitteln verständlicher Informationen, sondern auch die emotionale Unterstützung der Betroffenen (Abb. 1 und 2). Dadurch wird die Therapiemotivation gefördert und Ängste werden reduziert.1 Komplexe Anforderungen, denen sich Onkolog*innen tagtäglich stellen müssen, gehen weit über alltägliche Gesprächsführung hinaus.2

Abb. 1: Modell der erfolgreichen Kommunikation. Modifiziert nach Christalle E et al.1

Abb. 2: Anleitung zum Aufbau eines Gesprächs (u.a.) im Bereich Onkologie und Palliativmedizin. Modifiziert nach Silverman J et al.5

Können kommunikative Fertigkeiten gelehrt werden?

Während medizinische Ausbildungsstätten wie die Medizinische Universität Wien die Vermittlung kommunikativer Kompetenzen im Pflichtcurriculum verankert haben,3 wird dem Thema in der Weiterbildung bislang weniger Aufmerksamkeit geschenkt. Zudem fokussieren viele Fortbildungsangebote vor allem das Thema „Breaking bad news“, was nur einen Teil der Komplexität abdeckt. Somit müssen auch heute noch viele Ärzt*innen ohne entsprechende Vorbereitung und Unterstützung „ins kalte Wasser springen“. Dies wirkt sich nicht zuletzt ungünstig auf das Wohlbefinden der Behandler*innen aus. Auch Ärzt*innen leiden, wenn sie spüren, dass sie ihren kommunikativen Ansprüchen nicht gerecht werden können.

Sicher ist, dass kommunikative Kompetenzen gelehrt und gelernt werden können.4–6 Die positiven Auswirkungen sind mittlerweile vielfach belegt.7

Kommunikative Kompetenzen trainieren – „wie“ und „was“

Weiterentwicklung kommunikativer Kompetenzen bedeutet die Modifikation gut eingeübten Verhaltens. Das kann nicht durch alleinigen Wissenserwerb oder Beobachtung erreicht werden, sondern vor allem durch konkretes und wiederholtes Anwenden. Ausgangspunkt sind die Identifikation von adäquaten kommunikativen Fertigkeiten (WAS) für die Bewältigung unterschiedlicher Gesprächsaufgaben und deren wiederholtes Üben in realitätsnahen Situationen (WIE).

Mit dem ÖPGK(Österreichische Plattform Gesundheitskompetenz)-tEACH-Kommunikationstraining für die Onkologie8, welches auf einem in internationaler Kooperation erarbeiteten Qualitätsstandard (ÖPGK & EACH) basiert, steht nun ein evidenzbasiertes Kommunikationstraining für klinisch tätige Gesundheitsmitarbeiter*innen zur Verfügung.8 Mithilfe von Schauspielpatient*innen, Videobeispielen und kurzen Theorie-Inputs werden die kommunikativen Fertigkeiten entsprechend den spezifischen kommunikativen Bedürfnissen der Teilnehmer*innen weiterentwickelt.

Gesundheitsmitarbeiter*innen in der Onkologie und Palliativmedizin werden im Training jene kommunikative Fertigkeiten an die Hand gegeben, die ihnen bei der Bewältigung der täglichen kommunikativen Herausforderungen helfen und ihnen somit die Arbeit erleichtern sollen. Das Training erfolgt in kleinen Gruppen, ist hochstrukturiert und interaktiv. Fünf vierstündige Module, die folgende Schwerpunkte haben, stehen zur Auswahl:

  1. Verständlich, objektiv und effizient im Behandlungsverlauf informieren

  2. Mit starken Emotionen zielführend umgehen

  3. Schlechte Nachrichten überbringen

  4. Motivieren und mit Widerstand umgehen

  5. Gemeinsame Entscheidungsfindung

Die Module 1 und 2 bilden die Basis jedes Trainings, aus den weiteren kann frei gewählt werden. Idealerweise werden mindestens drei der fünf Module im Abstand von drei bis vier Wochen durchgeführt.

Ablauf eines Trainings

Zu Beginn schildern die Teilnehmer*innen, mit welchen kommunikativen Herausforderungen sie im täglichen klinischen Alltag konfrontiert sind. Zum Beispiel berichtet eine Ärztin, dass sie oft zu wenig Zeit habe, um ausführlich über Behandlungsoptionen zu sprechen. Anhand einer von ihr geschilderten, konkreten Gesprächssituation wird nach der Methode der „agenda-led outcome-based analysis“ (ALOBA, Abb. 3)5 die Übungssituation vorbereitet.

Abb. 3: Skills der ALOBA-Methode mit dem Ziel, (A) verständliche Informationen zu vermitteln und (B) adäquat auf Emotionen einzugehen. „Teach back“-Methode: Patient*in wird angehalten, die erhaltenen Informationen in eigenen Worten wiederzugeben

Gemeinsam wird zunächst das individuelle Lernziel (LZ) formuliert. Im oben genannten Beispiel könnte das Ziel sein, dass sie einen bestimmten zeitlichen Rahmen für das Gespräch einhält und trotzdem die Gewissheit erreicht, dass die Patientin die wesentlichen Informationen verstanden hat.

Auf Basis des Ziels werden konkrete Fertigkeiten („skills“) erarbeitet, die zur Erreichung des Zieles hilfreich sind. Verschiedene Techniken wie „agenda setting“ und „teach back“ können der Ärztin in der oben genannten Situation helfen. Sobald Ziel und Skills identifiziert sind, beginnt die simulierte Gesprächssituation.

Schauspieler*innen übernehmen dabei die Patient*innen- oder Angehörigenrolle. Die Gesprächssituation kann jederzeit von der/dem Gesprächsführenden oder der/dem Trainer*in unterbrochen werden. Dabei erfolgt die Reflexion, inwieweit das Lernziel mit den Skills erreicht werden konnte oder ob eine Adaption hilfreich wäre. Die/der Trainierende erhält einen konkreten alternativen Handlungsvorschlag und wird eingeladen, diesen unmittelbar anzuwenden. An einer zuvor definierten Stelle wird wieder in das Gespräch eingestiegen und die/der Gesprächsführende erlebt unmittelbar, welche Auswirkung ihr/sein verändertes kommunikatives Verhalten auf den Gesprächsverlauf hat.

Diese Erfahrung der Selbstwirksamkeit ist für die Teilnehmer*innen sehr eindrücklich. Ein weiteres didaktisches Element ist das Feedback der Simulationspatient*innen aus Sicht der Patientin/des Patienten. Um beim oben genannten Beispiel zu bleiben, schildert die Schauspielerin beispielsweise, wie sie die Länge des Gespräches erlebt hat und was sie genau verstanden hat. Bei Bedarf meldet die Schauspielerin auch zurück, was die Ärztin hätte tun können, was ihr geholfen hätte, die Botschaft noch leichter aufzunehmen.

Reflexion von bisher durchgeführten Trainings

Die durchgeführten Simulationen werden durch die authentische Darstellung der Schauspieler*innen und die Gesprächsaufgaben aus dem unmittelbaren Arbeitsumfeld als sehr realistisch erlebt. Die Trainees erleben sich in der Simulation authentisch und haben nicht den Eindruck, eine Rolle zu spielen.

Praxistipp
Kommunikative Skills zur Förderung von nachhaltigem Verständnis des Patienten/der Patient*in: Informationsbedürfnisse eruieren, vom Überblick zum Detail vorgehen, aktives Zuhören, kurze Sätze, einfache Sprache, Chunk- & Check-Methode (kleine „Happen“, die das Gegenüber erst wiedergeben muss, bevor fortgefahren wird), wiederholen, zusammenfassen, Teach-back-Methode (den Patienten/die Patientin anhalten, das Gesagte ineigenen Worten wiederzugeben).

Diese authentische Selbstwahrnehmungserfahrung führt dazu, dass das Gelernte leichter in den beruflichen Alltag integriert werden kann.9 Die meisten Teilnehmenden berichteten von den positiven Auswirkungen der gesteigerten kommunikativen Kompetenz. So erspare das Stellen offener Fragen und das damit verbundene Warten auf die Antwort im späteren Gesprächsverlauf Zeit. Wenn es gelinge, für kurze Zeit die Zuhörer*innenrolle zu übernehmen, erfahre man zu Beginn alles Wesentliche und müsse dann im Gesprächsverlauf nicht zeitaufwendig alles extra nachfragen. Auch positive Auswirkungen auf das eigene Wohlbefinden wurden berichtet. Dazu trug häufig die gesteigerte Kompetenz hinsichtlich des Umganges mit starken Emotionen bei. Tagelanges Grübeln über vermeintlich nicht gut gelungene Gespräche fielen nun weg. Somit ist anzunehmen, dass sich durch die Trainings nicht nur die Gesprächsqualität, sondern auch die Lebensqualität aller Beteiligten erhöht.

1 Christalle E et al.: Assessment of patient information needs: A systematic review of measures. PloS One 2019; 14(1): e0209165 2 Feraco AM et al.: Communication skills training in pediatric oncology: Moving beyond role modeling. Pediatr Blood Cancer 2016; 63(6): 966-72 3 Frischenschlager O & Hladschik-Kermer B (Ed.): Gesprächsführung in der Medizin. Facultas, 2013 4 Langewitz W: Zur Erlernbarkeit der Arzt-Patienten-Kommunikation in der Medizinischen Ausbildung. Bundesgesundheitsbl 2012; 1176-82 5 Silverman J et al.: Skills for communicating with patients. CRC Press 2013; 3rd Edition 6 Drossman DA et al.: A review of the evidence and recommendations on communication skills and the patient-provider relationship: A Rome Foundation Working Team report. Gastroenterology 2021; 161(5): 1670-88.e7 7 Boissy et al.: Communication skills training for physicians improves patient satisfaction. J Gen Intern Med 2016; 31(7): 755-61
8 Sator M et al.: Kommunikationstraining für Gesundheitsberufe in der Onkologie. Standard-Curriculum, Gesundheit Österreich 2023 9 Sator M et al.: Training patientenzentrierter Gesprächsführung in der Onkologie. Österreichischer Krebsreport. Initiative der Österreichischen Krebshilfe und der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie 2022; 54-6 10 Stewart M et al.: Is patient-centered care associated with lower diagnostic costs? Healthcare Policy 2011; 6(4): 27-31 11 Marvel MK et al.: Soliciting the patient’s agenda: Have we improved? JAMA 1999; 281(3): 283-87

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