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Die Ablösung der klassischen Zytostatika durch BCL-2- und BCR-Inhibitoren geht in die nächste Runde
Leading Opinions
Autor:
Dr. med. Martin Andres
Oberarzt<br> Univ.-Klinik für Hämatologie und Hämatologisches Zentrallabor (UKH-HZL)<br> Inselspital, Universitätsspital Bern<br> E-Mail: martin.andres@insel.ch
30
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08.03.2018
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<p class="article-intro">Die Präsentationen von klinischen Studien zu Zwei- und Dreifachkombinationstherapien mit Venetoclax, Ibrutinib und Anti-CD20- Antikörpern in verschiedenen Variationen standen am ASH Annual Meeting 2017 im Fokus. Sie zeigen, dass eine chemotherapiefreie Behandlung bei Patienten mit CLL durchaus möglich ist und ein gutes Ansprechen mit einer hohen Rate an MRD-Negativität erreicht werden kann.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Venetoclax plus Rituximab verlängert das PFS und OS signifikant im Vergleich mit Bendamustin plus Rituximab bei rezidivierter und/oder refraktärer CLL.</li> <li>Die Kombination von Ibrutinib mit Rituximab zeigt keinen Vorteil bezüglich PFS oder OS gegenüber Ibrutinib-Monotherapie.</li> <li>Frühe Auswertungen diverser explorativer Studien mit Zweiund Dreifachkombinationen ohne klassische Zytostatika zeigen eine gute Verträglichkeit und ein gutes Ansprechen.</li> </ul> </div> <p>Klinisch relevant waren vor allem die beiden Phase-III-Studien: zum einen Venetoclax plus Rituximab gegen Bendamustin plus Rituximab bei rezidivierten und/oder refraktären CLL-Patienten und zum anderen der Vergleich von Ibrutinib mit Ibrutinib plus Rituximab. Daneben gibt es eine Reihe explorativer Studien mit verschiedenen Kombinationen, von welchen die meisten eine gute Verträglichkeit mit einem guten Ansprechen gezeigt haben.</p> <h2>Venetoclax plus Rituximab rückt in der Therapie rezidivierter und/oder refraktärer CLL-Patienten vor die klassische Immunchemotherapie</h2> <p>Die grösste klinische Relevanz und Aufmerksamkeit hatte die Präsentation der MURANO-Studie. Diese randomisierte, kontrollierte Phase-III-Studie verglich den selektiven BCL-2-Inhibitor Venetoclax in Kombination mit Rituximab (VenR) und Bendamustin plus Rituximab (BR) bei rezidivierten und/oder refraktären CLL-Patienten.<sup>1</sup><br /> Eingeschlossen wurden Patienten mit 1–3 Vortherapien, davon mindestens eine chemotherapiehaltige Behandlung; Bendamustin war erlaubt, sofern das Ansprechen mindestens 24 Monate angedauert hatte. Im Therapiearm wurde nach einer 5-wöchigen Ramp-up-Phase Venetoclax 400mg einmal täglich bis zur Progression, aber nicht länger als zwei Jahre, appliziert. Rituximab wurde in der CLLüblichen Dosierung für 6 Zyklen dazugegeben. Der Kontrollarm bestand aus Bendamustin in einer Dosis von 70mg/m<sup>2</sup> an Tag 1 und 2 kombiniert mit Rituximab für 6 Zyklen. Die Studienpopulation von 389 Patienten hatte ein medianes Alter von rund 65 Jahren. Der Anteil an Patienten mit del(17p) von je 27 % und mit mutiertem TP53 von 25 % in der Therapieund 28 % in der Kontrollgruppe war recht hoch. Mehr als die Hälfte der Patienten hatten eine Vortherapie, über 90 % aller Patienten hatten zuvor Alkylanzien erhalten; die Verteilung von Bendamustin in den Vortherapien wurde nicht gezeigt. Nach einem medianen Follow-up von rund 2 Jahren wurde im primären Endpunkt, dem «investigator-assessed» progressionsfreien Überleben, eine über 80 % ige Risikoreduktion zugunsten von VenR gefunden (medianes PFS: NR vs. 17 Monate; HR: 0,17; 95 % CI: 0,11–0,25; p<0,0001; 2-Jahres-PFS-Rate: 84,9 % versus 36,3 % ; Abb. 1). Der Behandlungseffekt bezüglich PFS war konsistent über alle Subgruppen.<br /> Auch das Gesamtüberleben war in der VenR-Gruppe signifikant länger (medianes OS in beiden Gruppen nicht erreicht; HR: 0,48; 95 % CI: 0,25–0,90; p=0,0186; 2-Jahres- OS-Rate: 91,9 % vs. 86,6 % ; Abb. 2). Die MRD-Negativitäts-Rate im peripheren Blut (gemessen mittels ASO-PCR oder Multicolor- Flowzytometrie mit einem Cut-off von 10<sup>–4</sup>) erreichte mit VenR nach 9 Monaten rund 60 % und blieb anschliessend bis zum Monat 18 auf diesem Niveau stabil. Mit BR wurden deutlich weniger als 20 % der Patienten MRD-negativ.<br /> Die Verträglichkeit der beiden Gruppen war ähnlich und bewegte sich im Rahmen dessen, was für dieses Patientenkollektiv erwartet werden kann. Neutropenien Grad 3–4 traten unter VenR häufiger auf als unter BR, Fieber bei Neutropenie oder höhergradige Infektionen waren jedoch nicht häufiger. Neutropenien traten auch im historischen Vergleich mit der Venetoclax- Monotherapie häufiger mit VenR auf. Ein Tumorlysesyndrom (TLS) Grad 3–4 wurde bei 6 Patienten (3,1 % ) mit VenR und 2 Patienten (1,1 % ) mit BR berichtet, in beiden Gruppen ereignete sich je 1 klinisches TLS.<br /> Mit diesen Studienergebnissen wird Venetoclax mit Rituximab in der Wahl der Behandlungsoptionen für rezidivierte und/oder refraktäre CLL-Patienten vor die klassische Chemotherapie rücken.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Onko_1801_Weblinks_lo_onko_1801_s29_abb1+2.jpg" alt="" width="1470" height="1939" /></p> <h2>Ibrutinib plus Rituximab bringt gegenüber der Monotherapie mit Ibrutinib keinen Vorteil bezüglich PFS oder OS</h2> <p>Am MD Anderson Cancer Center in Houston, Texas, wurde in einer randomisierten, kontrollierten Single-Center-Studie die Kombination von Ibrutinib mit Rituximab (IbrR) und Ibrutinib (Ibr) allein mit PFS als primärem Endpunkt verglichen.<sup>2</sup> Die Studienpopulation bestand aus 179 Patienten mit rezidivierter und/ oder refraktärer CLL und aus 27 Patienten mit unbehandelter CLL mit del(17p) oder mutiertem TP53. Das mediane Alter lag bei 65 Jahren, del(17p) und mutiertes TP53 wurden bei 29 % respektive 20 % der Patienten mit IbrR und bei 26 % respektive 28 % der Patienten mit Ibr detektiert. Rund zwei Drittel der Patienten hatten 1–2 Vortherapien erhalten. Ibrutinib wurde in beiden Armen in der Dosis von 420mg täglich bis zur Progression und Rituximab im Therapiearm 375mg/m<sup>2</sup> initial viermal wöchentlich, dann monatlich für insgesamt 6 Zyklen – d.h. mit einem etwas anderen Schema als sonst üblich – verabreicht. Nach einem medianen Follow-up von rund 2 Jahren waren PFS (93 % vs. 94 % ; p=0,788) und OS (94 % vs. 98 % ; p=0,533) nicht signifikant unterschiedlich (Abb. 3 und 4). Mit der Zugabe von Rituximab zu Ibrutinib wurden eine raschere Normalisierung der Lymphozytenzahl im peripheren Blut (median 3,0 vs. 8,9 Monate; p<0,001) und eine frühere CR (median 11,5 vs. 21,1 Monate; p=0,032) erreicht. Angesichts dieser Resultate scheint die Zugabe von Rituximab zu Ibrutinib in der klinischen Routine kaum einen Mehrwert zu erbringen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Onko_1801_Weblinks_lo_onko_1801_s30_abb3+4.jpg" alt="" width="1457" height="1943" /></p> <h2>Explorative Studien mit Kombinationstherapien</h2> <p>Frühe Daten von diversen Phase-IIStudien zeigen eine gute Verträglichkeit und ein gutes Ansprechen von Kombinationen mit neuen Medikamenten, beispielsweise Ibrutinib plus Venetoclax, Venetoclax plus Anti-CD20-Antikörper und Anti- CD20-Antikörper plus Ibrutinib plus Venetoclax. Relevante Unterschiede zwischen den einzelnen Kombinationen bezüglich Wirksamkeit und Verträglichkeit sind aktuell noch sehr schwierig abzuschätzen, weil keine Direktvergleiche vorliegen, die Studienpopulationen teils recht klein und unterschiedlich zusammengesetzt sind, das maximale Ansprechen in den frühen Daten wohl oft noch nicht erreicht wird und härtere Endpunkte fehlen.<br /> Die Kombination von Ibrutinib und Venetoclax bei 54 rezidivierten und/oder refraktären CLL-Patienten beispielsweise zeigte nach 8 Monaten bei 38 Patienten mit auswertbaren Daten eine ORR von 100 % mit einer CR/CRi-Rate von 47 % und einer MRD-Negativitätsrate von 32 % (gemessen im Knochenmark mit 8-Farben- Flowzytometrie und einem Cut-off von 10<sup>–4</sup>).<sup>3</sup> Am häufigsten traten gastrointestinale Beschwerden und Neutropenien als Nebenwirkung auf.<br /> Erste Resultate mit Obinutuzumab, Ibrutinib und Venetoclax als Erstlinientherapie bei 25 Patienten mit einem medianen Alter von 59 Jahren zeigen nach einem medianen Follow-up von 14,7 Monaten eine gute Verträglichkeit. Die häufigsten Nebenwirkungen Grad 3–4 waren Neutropenien bei 48 % , Thrombozytopenien bei 36 % und arterielle Hypertonie bei 76 % . Bei den nicht hämatologischen Nebenwirkungen Grad 1–2 waren Infusionsreaktionen (76 % ), Übelkeit (60 % ), Hauthämatome (56 % ) und orale Mukositis (52 % ) am häufigsten.<sup>4</sup> Mit dieser Dreifachkombination wurde nach 8 Zyklen ein ORR von 96 % , eine CR/CRi-Rate von 52 % und MRD-Negativität in beiden Kompartimenten (peripheres Blut und Knochenmark, gemessen mittels 4-Farben-Flowzytometrie, Cut-off 10<sup>–4</sup>) bei 58 % erreicht.<br /> Diese Therapien bleiben attraktiv für den zukünftigen Einsatz auch als Erstlinientherapie, wobei hierzu Ergebnisse aus aktuell laufenden randomisierten kontrollierten Studien, die neue chemotherapiefreie Kombinationstherapien mit etablierten Immunchemotherapien bei therapienaiven, fitten CLL-Patienten ohne del(17p) oder mutiertes TP53 vergleichen, wie z.B. aus der CLL13-Studie (FCR oder BR vs. Venetoclax, Ibrutinib und Obinutuzumab vs. Venetoclax plus Obinutuzumab vs. Venetoclax plus Rituximab), die auch an mehreren Zentren in der Schweiz Patienten rekrutiert, oder der FLAIR-Studie (Venetoclax plus Ibrutinib vs. Ibrutinib plus Rituximab vs. FCR) in Grossbritannien, abgewartet werden sollten.</p> <h2>Nivolumab als Hoffnung für die Behandlung bei Richter- Transformation?</h2> <p>141 Patienten mit rezidivierten Non- Hodgkin-Lymphomen oder CLL, von diesen 36 mit CLL/LL und 20 mit Richter- Transformation, wurden mit Ibrutinib 420mg täglich plus Nivolumab i.v. 300mg/ kg behandelt.<sup>5</sup> Das Ergebnis bei den einzelnen Entitäten entsprach etwa dem, was von einer Ibrutinib-Monotherapie erwartet worden wäre, mit Ausnahme der Richter- Transformation. Dort lag die ORR mit 65 % höher als historische Werte mit Ibrutinib allein.<br /> Somit bleibt die Hoffnung, zukünftig eine Kombination mit Nivolumab zu finden, welche die ungünstige Prognose bei Richter-Transformation verbessern könnte. Man darf gespannt sein, ob hier zukünftige Studien Klarheit schaffen.</p> <h2>Acalabrutinib als Nachfolger von Ibrutinib?</h2> <p>Acalabrutinib, ein BTK-Inhibitor mit stärkerer Selektivität in vitro für das Enzym BTK im Vergleich zu Ibrutinib, zeigt in zwei Phase-II-Studien als Monotherapie bei 134 rezidivierten und/oder refraktären Patienten<sup>6</sup> und in Kombination mit Obinutuzumab bei 45 CLL-Patienten<sup>7</sup> ein günstigeres Nebenwirkungsprofil im Vergleich zu historischen Daten mit Ibrutinib. Insbesondere Vorhofflimmern und Blutungskomplikationen scheinen seltener aufzutreten. Mit der Acalabrutinib-Monotherapie bei rezidivierten und/oder refraktären CLLPatienten mit einem Follow-up von rund zwei Jahren wurden ein ORR von 87 % , eine CR-Rate von 3 % und ein progressionsfreies Überleben nach 18 Monaten von 90 % erreicht. Mit Acalabrutinib in Kombination mit Obinutuzumab, ebenfalls nach rund zwei Jahren Follow-up, resultierten ein ORR von 95 % bei der therapienaiven Subgruppe und 92 % bei rezidivierter und/ oder refraktärer CLL, eine CR-Rate von 16 % respektive 8 % und ein progressionsfreies Überleben nach 21 Monaten von 94,4 % respektive 69,0 % .<br /> Phase-III-Studien sind am Laufen, wobei hier v.a. der Direktvergleich mit Ibrutinib bei rezidivierter und/oder refraktärer CLL (NCT02477696) interessant sein wird.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Seymour JF et al.: ASH 2017; LBA-2 <strong>2</strong> Burger JA et al.: ASH 2017; Abstract 427 <strong>3</strong> Hillmen P et al.: ASH 2017; Abstract 428 <strong>4</strong> Rogers KA et al.: ASH 2017; Abstract 431 <strong>5</strong> Younes A et al.: ASH 2017; Abstract 833 <strong>6</strong> Byrd JC et al.: ASH 2017; Abstract 498 <strong>7</strong> Woyach JA et al.: ASH 2017; Abstract 432</p>
</div>
</p>
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