
©
Getty Images/iStockphoto
Das Tumor-Metabolom und Metabolomics – ein Beitrag zur personalisierten Krebsmedizin
Jatros
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Michael Micksche
Ehem. Leiter des Instituts für Krebsforschung, MedUni Wien<br> E-Mail: michael.micksche@meduniwien.ac.at
30
Min. Lesezeit
01.03.2018
Weiterempfehlen
<p class="article-intro">Die Kenntnis von tumorspezifischen Stoffwechseleigenschaften – des Tumor-Metaboloms – ist die Basis für die Identifizierung und Charakterisierung von „metabolischen Biomarkern“ und deren Einsatz zur Krebsfrüherkennung, zur Beurteilung von Prognose und Therapieverlauf wie auch zur Entwicklung von neuen Therapiekonzepten für die personalisierte Onkologie.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Die Transformation von Normalzellen in Tumorzellen ist mit einschneidenden Stoffwechselveränderungen verbunden. Stoffwechselanalysen von verschiedenen Tumorzelllinien und Tumoren haben ergeben, dass während der Tumorentstehung bei bestimmten Parametern sich immer die gleichen Stoffwechselveränderungen einstellen. Zum ersten Mal hat Otto Heinrich Warburg im Jahr 1924 bei Krebs die vermehrte Umsetzung von Glukose zu Milchsäure (Laktat) trotz Gegenwart von Sauerstoff – die anaerobe Glykolyse – als tumorspezifisches Stoffwechselmerkmal beschrieben. Dieses Phänomen ist als „Warburg-Hypothese“ in die Literatur eingegangen.</p> <p>Der spezielle Stoffwechselphänotyp von Tumorzellen – das <strong>Tumor-Metabolom</strong> – wurde in den letzten Jahren genauer charakterisiert. So wurde gezeigt, dass Tumoren im Allgemeinen zu einer Erhöhung der Phospholipidspiegel führen und eine gesteigerte glykolytische Kapazität, eine hohe glutaminolytische Funktion und eine Überexpression des glykolytischen Enzyms Pyruvatkinase Typ M2 aufweisen – um nur einige dieser Veränderungen zu erwähnen.</p> <p><strong>Metabolomics</strong> ist die Bezeichnung für die systematische Identifizierung und Quantifizierung aller Metaboliten in einem Organismus oder einer biologischen Probe. Metabolomics reflektiert, im Unterschied zu Genomics oder Proteomics, Änderungen im Phänotyp und spiegelt damit auch den Einfluss von Lebensstil- und Umweltfaktoren wieder. Krebserkrankungen wie auch andere komplexe Erkrankungen sind das Resultat von Fehlregulationen einer Vielzahl von metabolischen Regelkreisen, die meistens nicht isoliert agieren, sondern einander direkt (Protein-Protein-Interaktionen) oder indirekt (Transkription/Translation) beeinflussen. Veränderungen von Onkogenen (z.B. <em>RAS, PTEN, ERK</em>) oder Transkriptionsfaktoren (<em>HIF, p53, c-Myc</em>) können sekundär zur Aktivierung von bestimmten Schlüsselenzymen beitragen, die dann zu den metabolischen Veränderungen, wie sie bei Krebs festgestellt werden, führen. Es wird angenommen, dass die Gesamtanzahl dieser Metaboliten im Bereich von Tausenden bis Zehntausenden liegt.</p> <p>Metabolomics hat das Ziel, ein Profil einer maximalen Anzahl von Metaboliten in einer biologischen Probe zu erstellen. Die Komplexität der Bestimmung ergibt sich aus den unterschiedlichen chemophysikalischen Eigenschaften der Metaboliten. Die gebräuchlichsten Analysemethoden für Metabolomics sind Kernspinresonanz-Spektroskopie (NMR), Gaschromatografie- Massenspektometrie (GC-MS) und auch Flüssigkeitschromatografie- Tandem-Massenspektometrie (LC-MS/ MS). Bioinformatik, d.h. Datenprozessierung, ist ein wesentlicher Teil der Analyse und Interpretation der Untersuchungsergebnisse. Die Kombination von Metabolomics mit Genomics, Transcriptomics und Proteomics kann wesentlich zum Verständnis der pathophysiologischen Mechanismen der Krebsentstehung beitragen. In der Biomarkerforschung wird Metabolomics für die gezielte („targeted“) und ungezielte Suche nach neuen Biomarkern sowie deren Validierung in verschiedenen Probenansätzen eingesetzt.</p> <p>Ein Literatur-Review zum Thema „Metabolomics und Krebs“ (Liesenfeld et al. 2013) von 106 Studien mit 21 unterschiedlichen Krebsformen und 7 Probentypen hat die Bedeutung von Metabolomics für die Zukunft der personalisierten Krebsmedizin dokumentiert. Forschungen zu Metabolomics und Krebs können wesentlich zu Verbesserungen in Epidemiologie, Screening, Früherkennung und Diagnostik beitragen. Dennoch sind noch eine Standardisierung und Validierung der Methodik, sowohl was Probenpräparation, -analyse als auch Datenerhebung betrifft, erforderlich.</p> <p>Biomarker auf Metabolombasis können auch zur Charakterisierung der individuellen Variation von Krebserkrankung, Prognose und Therapieansprechen eingesetzt werden. Die Metabolomforschung sollte damit einen wesentlichen Beitrag für die Präzisionsmedizin in der Onkologie leisten.</p></p>