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Bewegung und Sport zur Krebsprävention
Jatros
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Michael Micksche
Ehem. Leiter des Instituts für Krebsforschung, MedUni Wien<br> E-Mail: michael.micksche@meduniwien.ac.at
30
Min. Lesezeit
14.07.2016
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<p class="article-intro">Reduziertes Krebsrisiko durch körperliche Aktivität und Sport: Neben den bereits bekannten Empfehlungen zum gesunden Lebensstil wie Nichtrauchen, geringem Alkoholkonsum, „Sonne ohne Reue“, dem Beibehalten eines „gesunden“ Körpergewichts (BMI 18,5–27,5) kristallisiert sich zusehends regelmäßige körperliche Aktivität in der Freizeit als eine wirksame Maßnahme zur Krebsprävention heraus. Die Empfehlung zur körperlichen Aktivität („Fitness“) könnte bzw. sollte eine Hauptkomponente von bevölkerungsnahen Krebspräventions- und Kontrollprogrammen sein.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Im Mai 2016 wurde in der Fachzeitschrift JAMA eine wichtige Studie zu dieser sehr aktuellen Thematik publiziert (Steven C Moore et al, online publication). Auf Basis der gepoolten Daten von 12 prospektiven US-amerikanischen und europäischen Kohortenstudien, die insgesamt 1,44 Millionen Personen (mittleres Alter 59 Jahre) einbezogen, wurde dokumentiert, dass eine vermehrte körperliche Aktivität in der Freizeit von einem signifikant reduzierten Risiko für 13 von 26 untersuchten Krebserkrankungen begleitet war. Die Senkung des Risikos lag bei einzelnen Krebsformen zwischen 10 und 42 % . Karzinome von Lunge, Niere, Endometrium, Ösophagus, Kolon, Rektum, Blase, Kopf und Hals, Brust, Leber, aber auch das multiple Myelom und die myeloische Leukämie waren in dieser Gruppe mit reduzierter Hazard-Ratio (HR: 0,58–0,90) zu finden. Wichtig dabei ist zudem die Beobachtung, dass diese Aussage auch bei Berücksichtigung von Rauchen und einem hohen BMI bestehen blieb.<br /> Mehrere Mechanismen sind für die Risikosenkung durch körperliche Aktivität in Betracht zu ziehen und werden immer wieder diskutiert, wie z.B. im Artikel „Physical Activity and Cancer“ (Rev Nature 2008); aber dennoch sind viele Fragen noch offen. So soll die festgestellte Wirkung auf Übergewicht und Fettleibigkeit neben dem Abbau der Fettdepots auch zu einer Reduktion der Sexualhormonspiegel führen. Dies beeinflusst weitere Regelkreise wie den Insulin- und Glukosespiegel bzw. deren Metabolismus; wobei bekannt ist, dass Insulin bzw. „Insulinresistenz“ ein Krebsrisikofaktor ist. Unter dieser Resistenz versteht man ein vermindertes Ansprechen der Zellen des menschlichen Körpers auf Insulin. Insulinresistenz ist mit einem gesteigerten Risiko für Brust-, Dickdarm-, Pankreas- und Endometriumkarzinom in Zusammenhang gebracht worden. Dementsprechend ist auch bei Typ-2-Diabetes ein erhöhtes Krebsrisiko gegeben.<br /> Insulin kann durch Stimulation von Zellproliferation und Hemmung der Apoptose zur Krebsentstehung beitragen. Spezielle Wachstumsfaktoren („insulin-like growth factors“) bzw. die Expression von entsprechenden Rezeptoren spielen dabei eine Rolle; das Hormon reguliert aber auch Synthese und biologische Verfügbarkeit der Sexualhormone durch Produktion von Bindungsproteinen in der Leber.<br /> Körperliche Aktivität/Sport führt zu einer Verminderung von Entzündungsreaktionen, die einen (co-)kanzerogenen Faktor darstellen. Eine Reduktion der (pro-)inflammatorischen Zytokine und Abfall der Entzündungsmarker sind Kennzeichen dafür. Es wird nun postuliert, dass die infolge kontinuierlicher körperlicher Aktivität verminderte Exposition gegenüber diesen potenziell kanzerogenen Sexual- und Gewebshormonen sowie Entzündungspeptiden zu einer Senkung des Krebsrisikos führt.<br /> Die gesteigerte Funktion des Immunsystems durch Bewegung und Sport gilt als gesichert und kann zu einer wirksamen immunologischen Überwachung („immunosurveillance“) hinsichtlich entarteter Zellen und Krebszellen beitragen. Akutes Training führt zu einer Zunahme der Zahl der Zellen des Immunsystems und insbesondere der zytotoxischen Lymphozyten wie auch der Fresszellen. Kontinuierliche moderate Aktivität führt zu einer Steigerung der Immunfunktion, während extreme Körperbelastung eventuell auch eine (kurzfristige) Immunsuppression bewirken kann.<br /> Ein begleitendes Editorial zu diesem Artikel im JAMA bestätigt, dass sich diese Studie – auch in der Statistik – einer besonderen Präzision bedient, um die Assoziation von Krebsrisiko und Bewegung zu bestimmen. Es gibt bereits zahlreiche Studien, die einen Zusammenhang von körperlicher Aktivität und einer Risikosenkung für die häufigsten Krebsformen nachgewiesen haben. Dennoch erscheint diese rezente Studie besonders bemerkenswert und wichtig, denn sie beweist diesen Einfluss von klar definierter Freizeitaktivität auch für seltenere Krebsformen. Eine Reduktion des Risikos um 20 % wird bei einem Viertel der Krebserkrankungen festgestellt. Die Berücksichtigung von hohem BMI und Raucherstatus als mögliche mitverantwortliche Faktoren beeinträchtigt diese Aussagen keineswegs.<br /> Der „World Cancer Research Fund“ gibt an, dass 20–25 % der Krebserkrankungen auf eine positive Energiebilanz – gekennzeichnet durch Fettleibigkeit, falsche Ernährung und besonders auch durch Bewegungsmangel – zurückzuführen sind. Der Bevölkerungsanteil von Personen, die eine positive Energiebilanz mit all ihren Folgen haben, ist groß. Die Botschaft ist, dass die Empfehlung und Promotion der körperlichen Aktivität in der Freizeit (30 bis 60 Minuten täglich) eine Hauptkomponente der bevölkerungsnahen Krebspräventions- und Kontrollprogramme sein könnten/sollten.</p></p>
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