<p class="article-intro">Beim ASH-Kongress 2017 in Atlanta wurden zahlreiche neue präklinische und klinische Daten aus dem gesamten Spektrum der Hämatoonkologie präsentiert. Einige davon werden den zukünftigen Praxisalltag entscheidend verändern. Die interessantesten Arbeiten, welche vermutlich die Therapiestrategien bei der chronischen lymphatischen Leukämie in Zukunft entscheidend beeinflussen werden, sind im Folgenden zusammengefasst.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die Immunchemotherapie hat bei der Therapie der CLL (zumindest) ab der 2. Linie keinen Stellenwert mehr.</li> <li>BTK- und Bcl2-Inhibitoren sind kombinierbar und zeigen eine synergistische Wirkung.</li> </ul> </div> <h2>iFCG als First-Line-Therapie für IGHV-mutierte CLL-Patienten ohne TP(„tumor supressor gene“)53- Mutation</h2> <p>FCR (Fludarabin [F], Cyclophosphamid [C], Rituximab [R]) ist eine Standard- First-Line-Behandlung für fitte CLLPatienten mit CR(„complete response“)- Raten nach 6 Zyklen von 40–72 % und MRD(„minimal residual disease“)-Negativität im Knochenmark von 43–58 % . Allerdings besteht im späteren Verlauf ein etwa 5 % iges Risiko für eine therapieassoziierte AML (akute myeloische Leukämie) oder ein MDS (myelodysplastisches Syndrom). <em>IGHV</em>-mutierte CLL-Patienten (<em>IGHV</em>, variable Anteile der Immunglobulin- Schwerketten-Gene) zeigen ein 10-Jahres-PFS (progressionsfreies Überleben) von >60 % nach First-Line-Therapie mit FCR. Obinutuzumab als glykolisierter Typ-II-anti-CD20-Antikörper hat in der CLL11-Studie in der Kombinationstherapie mit Chlorambucil eine bessere Wirksamkeit als Rituximab bewiesen. Auch Ibrutinib ist für die Therapie der CLL/SLL („small lymphocytic lymphoma“) bereits zugelassen. Erste Ergebnisse der HELIOSStudie weisen darauf hin, dass die Kombination von Ibrutinib mit Chemotherapie sowohl sicher als auch wirksam ist.<br /> Ziel der Phase-II-Studie iFCG (Ibrutinib [i], Fludarabin, Cyclophosphamid und Obinutuzumab [GA101]) ist es, die First-Line-Chemotherapie auf 3 Zyklen zu reduzieren, um die therapieassoziierte Toxizität zu minimieren und gleichzeitig durch Zugabe von Ibrutinib und Obinutuzumab als dem potenteren Antikörper anhaltende und therapiefreie Remissionen zu induzieren.<sup>1</sup> Im Studienprotokoll sind 3 Zyklen iFCG zunächst für alle Patienten vorgesehen. Primärer Endpunkt ist das Erreichen von CR/CRi („complete response with incomplete blood count recovery“) mit MRD-Negativität im Knochenmark nach 3 Zyklen iFCG. Patienten, die nach 3 Zyklen den primären Endpunkt erreichen, erhalten Ibrutinib in Kombination mit Obinutuzumab von Zyklus 4 bis 6 und Ibrutinib allein von Zyklus 7 bis 12. Patienten mit MRD-Negativität nach einem Jahr beenden die Therapie inklusive Ibrutinib. MRD-positive Patienten nach einem Jahr können Ibrutinib weiter erhalten.<br /> Seit April 2016 haben 32 Patienten die Therapie begonnen. Davon haben 28 Patienten 3 Therapiezyklen inklusive der initialen Beurteilung des Therapieansprechens beendet. Alle 28 Patienten haben auf die Behandlung angesprochen. 24/28 (86 % ) erreichten MRD-Negativität im Knochenmark nach 3 Monaten. 13/28 (46 % ) Patienten erzielten eine CR/CRi mit MRD-Negativität nach 3 Monaten. Die Ansprechtiefe verbesserte sich im Laufe der Zeit (6 Monate: CR/CRi: 74 % , MRD-Negativität: 91 % ; 12 Monate: CR/ CRi: 75 % , MRD-Negativität: 100 % ). 12 Patienten haben mittlerweile ein 12-Monats- Follow-up erreicht. Alle 12 Patienten sind MRD-negativ (9 CR/CRi, 3 PR) und haben die Therapie beendet. Nach einem weiteren medianen Follow-up von 3,2 Monaten sind alle diese Patienten immer noch MRD-negativ.<br /> Beobachtete Nebenwirkungen waren vor allem Grad-3/4-Neutropenien und Thrombozytopenien mit 68 % und 48 % . 2 Patienten entwickelten Vorhofflimmern. Ein Todesfall wurde berichtet. Dabei handelte es sich um einen 26-jährigen Patienten ohne bekannte kardiale Vorerkrankungen, der während des 9. Zyklus unter Therapie mit Ibrutinib und Obinutuzumab eine Herzinsuffizienz entwickelte und daran starb.</p> <h2>Acalabrutinib-Monotherapie bei Patienten mit RR CLL – Update der ACE-CL-001-Studie</h2> <p>Acalabrutinib ist ein neuer hochselektiver und potenter kovalenter BTK(Bruton- Tyrosinkinase)-Inhibitor. Erste Ergebnisse der laufenden Phase-I/II-Studie ACECL- 001 belegen ein vielversprechendes Wirksamkeits- und Sicherheitsprofil bei Patienten mit RR (relapsiertem/refraktärem) CLL/SLL, auch bei Vorliegen von Hochrisikofaktoren.<sup>2</sup> In der Studie therapiert wurden mittlerweile 134 Patienten (132 mit CLL, 2 mit SLL) mit einem medianen Alter von 66 Jahren. Davon wiesen 27/116 (23 % ) eine del(17)(p13.1) (Deletion 17p), 21/116 (18 % ) eine del(11)(q22.3) (Deletion 11q) auf und 81/111 (73 % ) waren IGHV-unmutiert. Die Patienten hatten im Median 2 Vortherapien erhalten, das mediane Follow-up liegt aktuell bei 19,8 Monaten. Acalabrutinib wurde oral in einem 28-Tage-Zyklus mit 100–400mg QD oder 100–200mg BID gegeben. Die ORR (Gesamtansprechrate: CR + partielles Ansprechen [PR]) betrug 85 % und die ORR mit PR und Lymphozytose eingeschlossen 93 % . 2 % der Patienten erzielten eine CR. Die mediane DOR (Ansprechdauer) ist nicht erreicht, die 18-Monats-DOR beträgt 85 % . Das mediane PFS ist ebenfalls noch nicht erreicht worden. Das 18-Monats-PFS liegt bei 88 % .<br /> Bemerkenswerterweise waren die ORR konsistent in allen Subgruppen (del(17): 85 % , del(11): 86 % und <em>IGHV</em>-unmutiert: 88 % ). Für Patienten mit Hochrisikozytogenetik lagen DOR und FS bei beeindruckenden 71–100 % . Insgesamt zeigte sich die Therapie sehr gut verträglich mit einer geringen Rate an Grad-3/4-Nebenwirkungen (11 % Neutropenien, 10 % Pneumonien). Die Häufigkeit für das Auftreten von Vorhofflimmern lag bei 3 % . Schwerwiegende Blutungskomplikationen Grad >3 wurden nicht beobachtet.</p> <h2>Erste Ergebnisse der CLARITYStudie mit Ibrutinib plus Venetoclax bei RR CLL</h2> <p>Ein aktuelles Therapieziel in der Behandlung der CLL ist das Erreichen von MRD-Negativität, da dies mit einem besseren Outcome der Patienten einhergeht. Antigen-mediierte Zellproliferation und Bcl2(„B-cell lymphoma 2“)-mediiertes Zellüberleben sind pathogenetische Schlüsselmechanismen der Erkrankung. Ibrutinib ist ein oraler BTK-Inhibitor, welcher die Antigen-mediierte Proliferation und Zellmigration/-adhäsion beeinflusst, während Venetoclax als hochselektiver oral bioverfügbarer Bcl2-Inhibitor direkt am Überleben der CLL-Zelle ansetzt. Beide Substanzen haben ihre Wirksamkeit bei der CLL bereits in mehreren Studien demonstriert. Ibrutinib führt zu einem raschen Therapieansprechen mit Regression der nodalen Manifestationen und Rückverteilung der CLL-Zellen ins Peripherblut, während Venetoclax zu einer massiven Depletion der CLL-Zellen führt, sodass diese bei manchen Patienten nicht mehr nachweisbar sind. Ibrutinib führt darüber hinaus zu einer Reduktion von antiapoptotischen Molekülen wie MCL1, wodurch möglicherweise die Wirkung von Venetoclax gesteigert werden kann. Die CLARITY-Studie untersucht die Anwendbarkeit sowie die Sicherheit und Wirksamkeit der Kombination von Ibrutinib mit Venetoclax bei Patienten mit RR CLL.<sup>3</sup><br /> Insgesamt wurden 50 Patienten rekrutiert, die entweder innerhalb von 3 Jahren auf RFC (Rituximab, Fludarabin, Cyclophosphamid) oder BR (Bendamustin, Rituximab) hin relapsiert waren (44/47, 94 % ) oder die eine 17p-Deletion (9/45, 20 % ) bzw. 11q-Deletion (12/45, 27 % ) aufwiesen und zumindest auf eine Therapielinie vor Rekrutierung hin progredient waren. 36/47 (77 % ) Patienten waren <em>IGHV</em>-unmutiert. Die mediane Zahl der Vortherapien war 2 (1–6). Ibrutinib wurde über 8 Wochen als Monotherapie in einer Dosis von 420mg/d gegeben, Venetoclax wurde in der ersten Dosis mit 10mg/d verabreicht und dann wöchentlich auf 20mg, 50mg, 100mg, 200mg bis zu einer finalen Dosis von 400mg/d gesteigert. Primärer Endpunkt der Studie ist MRD-Eradikation, definiert als <1 CLL-Zelle in 10<sup>4</sup> gemessen mit 8-Farben- Flowzytometrie im Knochenmark nach 12 Monaten Therapie mit Ibrutinib/Venetoclax. Sekundäre Endpunkte sind MRDEradikation im Knochenmark nach 6 und 24 Monaten Ibrutinib + Venetoclax sowie Sicherheit. Alle Patienten erhielten prophylaktisch Harnsäure-reduzierende Substanzen zumindest 72 Stunden vor Beginn der Venetoclax-Therapie.<br /> Bislang haben 41 Patienten die Dosiseskalation von Venetoclax beendet. 2 biochemische Tumorlysesyndrome (TLS) wurden beobachtet. Erwähnenswert sind zudem 5 Grad-3/4-Infektionen und 19 Episoden von Grad-3/4-Neutropenien. Alle Nebenwirkungen konnten unter adäquaten Therapiemaßnahmen suffizient kontrolliert werden. Bei den 25 Patienten, die 8 Monate Therapie (6 Monate Ibrutinib plus Venetoclax) beendet hatten, zeigte sich eine ORR von 100 % und eine CR von 60 % . 28 % der Patienten erreichten MRDNegativität im Knochenmark.</p> <h2>Kombination von Venetoclax und Ibrutinib für Patienten mit bislang unbehandelter CLL bzw. RR CLL</h2> <p>Die Effektivität und Sicherheit einer Kombinationstherapie mit Ibrutinib und Venetoclax – sowohl bei RR-CLL- (Kohorte 1) als auch bei primär unbehandelten CLL-Patienten (Kohorte 2) – wird derzeit in einer Phase-II-Studie untersucht.<sup>4</sup> Seit August 2016 haben 72 Patienten die Behandlung im Rahmen dieser Studie begonnen (Kohorte 1: n=33, Kohorte 2: n=39). Um in die Studie eingeschlossen zu werden, müssen primär unbehandelte Patienten mindestens einen Hochrisikofaktor aufweisen (del(17p), <em>TP53</em>-Mutation, del(11q), IGHV-unmutiert). Ibrutinib wird in einer Dosierung von 420mg pro Tag in den ersten 3 Monaten gegeben und dann mit Venetoclax in wöchentlicher Dosiseskalation bis zur Zieldosis von 400mg täglich kombiniert. Ibrutinib soll kontinuierlich, Venetoclax für insgesamt 2 Jahre weiter verabreicht werden. Primärer Endpunkt ist das Erreichen einer CR/CRi. Das Therapieansprechen wird mittels Knochenmarksbiopsie und Computertomografie alle 3 Monate im ersten Jahr und dann alle 6 Monate beurteilt. Die MRD-Bestimmung erfolgt mittels 4-Farben-Flowzytometrie.<br /> Derzeit beträgt das mediane Follow-up 7,5 Monate, wobei insgesamt 61 Patienten die Ibrutinib-Monotherapie beendet und die Venetoclax-Dosiseskalation begonnen haben. In der Kohorte 1 haben 14 von insgesamt 29 Patienten mindestens 3 Monate die Kombinationstherapie erhalten. Alle 14 Patienten zeigten ein Therapieansprechen (9 CR/CRi, 5 PR). Zudem zeigte sich eine signifikante Verminderung der Knochenmarksinfiltration einschließlich des Erreichens von MRD-Negativität mit <0,1 % bei einigen Patienten mit Hochrisikozytogenetik nach Zugabe von Venetoclax zur Ibrutinib-Monotherapie. Auch in der Kohorte 2 erzielten alle 16 von insgesamt 32 Patienten, die die Kombinationstherapie für zumindest 3 Monate erhalten hatten, ein Therapieansprechen (9 CR/CRi, 7 PR). Wiederum konnte durch Hinzufügen von Venetoclax MRD-Negativität in einigen Fällen dokumentiert werden.<br /> Insgesamt erwies sich die Kombinationstherapie als sicher in der Anwendung und zudem als ausgesprochen wirksam mit signifikanter Reduktion der Knochenmarksinfiltration und deutlich höherer Rate an MRD-Negativität. Eine Dosisreduktion war bei 24 % der Patienten für Ibrutinib und bei 18 % der Patienten für Venetoclax erforderlich, meist aufgrund von Neutropenien. Ibrutinib-assoziiertes Vorhofflimmern trat bei 11 % der Patienten auf. Ein laborchemisches und ein klinisches TLS wurden beobachtet. Dabei führte die Vortherapie mit Ibrutinib als Monosubstanz bei 51 % der Patienten zu einem Downgrading der TLS-Risikokategorie.</p> <h2>Venetoclax plus Rituximab versus Bendamustin plus Rituximab bei Patienten mit RR CLL (MURANO-Studie)</h2> <p>Die offene randomisierte Phase-IIIStudie MURANO verglich die Kombination von Venetoclax plus Rituximab (VR) mit der Kombination Bendamustin plus Rituximab (BR) bei Patienten mit RR CLL.<sup>5</sup> Eingeschlossen wurden 389 Patienten mit 1–3 Vortherapien einschließlich einer Chemotherapie und ECOG PS 1 (Eastern Cooperative of Oncology Group Performance Status). Bendamustin in den Vortherapien war erlaubt, sofern eine Therapieansprechdauer von 24 Monaten vorlag. Die Patienten wurden 1:1 zu VR oder BR randomisiert. Stratifizierungskriterien waren del17(p), Ansprechen auf die Vortherapien und geografische Region. Im V-Arm war eine 4- bis 5-wöchige Dosiseskalation vorgesehen, um TLS vorzubeugen. Primärer Endpunkt war das Investigator- erhobene PFS.<br /> Nach einem medianen Follow-up von 23,8 Monaten war das Investigator-erhobene PFS für VR noch nicht erreicht versus 17,0 Monate im BR-Arm (HR: 0,17; 95 % CI: 0,11–0,25; p<0,0001). Dieses Ergebnis wurde durch ein unabhängiges Review- Komitee bestätigt. Zudem zeigte sich ein signifikant verbessertes OS für VR versus BR mit einer HR von 0,48 (95 % CI: 0,25– 0,90) (Abb. 1). Die Investigator-assoziierte ORR betrug 93,3 % mit VR versus 67,7 % mit BR, die CR/CRi betrug 26,8 % versus 8,2 % . Die Rate an MRD-Negativität mittels Intention-to-treat-Analyse war ebenfalls höher und dauerhafter im VR-Arm mit 83,5 % versus 23,1 % im BR-Arm. Grad-3/4-Neutropenien waren häufiger unter VR als unter BR, allerdings ohne höhere Rate an febrilen Neutropenien Grad 3/4.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Onko_1801_Weblinks_s30_abb1.jpg" alt="" width="1469" height="1255" /></p></p>
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<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Jain N et al.: Ibrutinib, fludarabine, cyclophosphamide and obinutuzumab (GA101)(iFCG) for first-line treatment of patients with CLL with mutated IGHV and without TP53 aberrations. ASH 2017, Abstr. #495 <strong>2</strong> Byrd JC et al.: Acalabrutinib monotherapy in patients with relapsed/refractory chronic lymphocytic leukemia: updated results from the phase1/2 ACE-CL-001 study. ASH 2017, Abstr. #495 <strong>3</strong> Hillmen P et al.: Initial results of ibrutinib plus venetoclax in relapsed, refractory CLL (Bloodwise TAP CLARITY Study): high rates of overall response, complete remission and MRD eradication after 6 months of combination therapy. ASH 2017, Abstr. #428 <strong>4</strong> Jain N et al.: Combined venetoclax and ibrutinib for patients with previously untreated high-risk CLL, and relapsed/refractory CLL: a phase II trial. ASH 2017, Abstr. #429 <strong>5</strong> Seymour JF et al.: Venetoclax plus rituximab is superior to bendamustine plus rituximab in patients with relapsed/refractory chronic lymphocytic leukemia – results from pre-planned interim analysis of the randomized phase 3 MURANO study. ASH 2017, Abstr. #LBA-2</p>
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