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AML-Therapie 2017 – der Beginn einer neuen Ära
Leading Opinions
Autor:
PD Dr. med. Boris Eugen Schleiffenbaum
Privatklinikgruppe Hirslanden<br> E-Mail: boriseugen.schleiffenbaum@hirslanden.ch
30
Min. Lesezeit
08.03.2018
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<p class="article-intro">Über 30 Jahre lang gab es – mit der Ausnahme von Gemtuzumab, das später aber wieder vom Markt genommen wurde – keine Neuzulassungen der FDA für die Behandlung der akuten myeloischen Leukämie (AML). Und 2017 waren es dann gleich vier Neuzulassungen. Am vergangenen ASH-Kongress wurden Studien zu weiteren vielversprechenden Substanzen präsentiert. Die wichtigsten werden im Folgenden zusammengefasst.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Bei der Behandlung der AML gab es 2017 nach über 30 Jahren vier Neuzulassungen: Gemtuzumab in der Ergänzung der «3+7»-Therapie der CBF-AML,<sup>1–3</sup> CPX- 351 statt des «3+7»-Schemas in der Therapie der Hochrisiko-AML (sekundäre AML, komplexer Karyotyp) älterer Patienten (60–75a)<sup>4–6</sup> und zwei Mutationsspezifische Inhibitoren, Midostaurin<sup>7</sup> in der Ergänzung der «3+7»-Therapie der FLT3+-AML und den IDH-2-Inhibitor Enasidenib<sup>8</sup> als einziges Wirkprinzip im relapsierten/refraktären Setting.<br /> Die Zulassung der Mutations-spezifischen Inhibitoren stellt dabei schon vom therapeutischen Prinzip her eine revolutionäre Neuerung in der Behandlung der AML dar.</p> <h2>FLT3-Inhibition</h2> <p>Diesem Prinzip folgend<sup>9, 10</sup> konnte am ASH-Kongress jetzt gezeigt werden, dass die spezifischere und affinere Pan-Inhibition der FLT3-Kinase durch Crenolanib therapeutisch noch eindrucksvollere Erfolge zu haben scheint als die Gabe von Midostaurin in der Induktion/Konsolidation beim «Bridging» zur Transplantation. Crenolanib ist ein Typ-I-Inhibitor, der sowohl an aktives als auch an inaktives FLT3 bindet und auch bei Typ-II-resistenter AML und bei neuen FLT3-Mutationsvarianten, inklusive der D835-Mutation, wirksam ist. In einer Phase-II-Studie wurde Crenolanib (100mg TID p.o.) jeweils im Anschluss an die «3+7»-Induktion (1–2 Zyklen Anthrazyklin Daunorubicin 45/90mg/m<sup>2</sup>, bei jüngeren Patienten <60a, siehe Fernandez HF et al.<sup>11</sup>, oder Idarubicin 12mg/m<sup>2</sup>) an d9 bzw. im Anschluss an die Konsolidation (HIDAC, bis 4 Zyklen) an d7 und schliesslich auch als Maintenance-Therapie verabreicht. Die Nebenwirkungen entsprachen denen, die man in der Induktion/Konsolidation einer AML erwarten darf, der Wiederanstieg der Thrombozyten (>20G/l) und der Neutrophilen (>0,5G/l) erfolgte im Median nach 23/30d. 91 % der Patienten jünger als 60a (21/23) wurden FLT3-negativ, 94 % davon schon nach dem ersten Induktions-Zyklus. Das Gesamtüberleben (OS) betrug 79 % , die mediane Beobachtungszeit war 17,6 Monate.<sup>9</sup></p> <h2>IDH1-Inhibition</h2> <p>Durch Mutationen von <em>IDH1/2</em> wird im Krebszyklus α-Glutarat-2-Hydroxyglutarat gebildet, was neben Störungen des Zellmetabolismus zu epigenetischen Veränderungen und schliesslich zu einer Behinderung der Zelldifferenzierung führt. Ivosidenib ist im Gegensatz zu dem schon erwähnten Enadisenib ein <em>IDH1</em>-Inhibitor. In einer Phase-I-Dosisfindungsstudie erhielten <em>IDH1</em>-mutierte relapsierte/refraktäre AML-Patienten Ivosidenib (500mg QD p.o. am Ende der Einschlussphase) als einzige Medikation. Wesentliche Nebenwirkung waren eine Leukozytose (≥ Grad 3: 8 % ; behandelt mit Hydroxyurea) und – nicht überraschend, wenn man den Wirkmechanismus bedenkt – ein Differenzierungs- Syndrom (alle Grade: 9,6 % ; behandelt mit Kortison und Diuretika und gegebenenfalls mit Hydroxyurea). Die Patienten, die eine komplette Remission (CR) oder eine CR mit partieller hämatologischer Genesung (CRh) erreichten (immerhin 30,4 % !), zeigten ein ungewöhnlich langes medianes OS (Gesamtgruppe: 8,8 Monate, CR/ CRh: noch nicht erreicht) (Abb. 1).<sup>12</sup><br /> In einer Phase-I-Studie wurden Ivosidenib (500mg QD p.o.) und Enasidenib (100mg QD p.o.) in Ergänzung zur klassischen «3+7»-Therapie <sup>IDH1-</sup> bzw. <sup>IDH2-</sup>mutierten Patienten in der Induktion/ Konsolidation und anschliessend als Maintenance gegeben. Die Nebenwirkungen entsprachen denen einer gewöhnlichen «3+7»-Therapie, der Wiederanstieg der Thrombozyten (>50G/l) erfolgte nach 27/29d, der der Neutrophilen (>0,5G/l) nach 28/32,5d (Ivosidenib/Enasidenib). Die ersten Ergebnisse erscheinen vielversprechend in dieser Hochrisiko-Gruppe mit CR oder inkompletter CR (CRi/CRp): 91,67 % .<sup>13</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Onko_1801_Weblinks_lo_onko_1801_s33_abb1.jpg" alt="" width="1457" height="838" /></p> <h2>BCL2-, MDM2- und pMEK-Inhibition</h2> <p>In einer Phase-I-Dosisfindungsstudie wurde Venetoclax (BCL2-Inhibitor, 400–800mg/400–600mg, d1–28, 28d- Zyklus) sehr interessant kombiniert mit Idasanutlin, einem MDM2-Inhibitor (150– 400mg, d1–5; MDM2 inhibiert p53 und damit schlussendlich MCL1, ein weiteres antiapoptotisches Protein), oder Cobimetinib, einem pMEK-Inhibitor (und damit wiederum Inhibition von MCL1; 40–60mg, d1–21; pMEK ist ein Teil des NRAS-MAPKinase- Stoffwechselweges). Als Nebenwirkungen fanden sich neben febriler Neutropenie, Pneumonie und Sepsis vor allem eine Diarrhö (≥ Grad 3: 8/37, Idasanutlin/ Cobimetinib). Die ersten Ergebnisse in dieser schwer behandelbaren Gruppe von Patienten waren vor allem auch für die Kombination Venetoclax/Idasanutlin sehr vielversprechend (CR/Cri/CRp: 38 % in einer Dosisgruppe) (Abb. 2).<sup>14</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Onko_1801_Weblinks_lo_onko_1801_s34_abb2.jpg" alt="" width="1462" height="1398" /></p> <h2>Immuntherapien</h2> <p>Moderne Immuntherapien waren bisher bei der AML weit weniger erfolgreich als bei der ALL. Am ASH-Kongress wurden jedoch neue Therapieansätze vorgestellt, die sich selbst im relapsierten/refraktären Setting als erfolgversprechend erwiesen.<br /> In einer Phase-I-Dosisfindungsstudie erhielten 2/4 Patienten 50M/200M CD123-spezifische CAR-T-Zellen (3. Generation/ CD28; CD123 präferenziell auf AML- und deutlich weniger auf myeloischen Zellen [Monozyten, Eosinophilen, myeloischen Vorläuferzellen, stärker auf Basophilen und plasmazellulären dendritischen Retikulumzellen] exprimiert). Am d28 zeigten 2/4 Patienten, die mit der höheren CAR-T-Dosis behandelt worden waren, eine CR.<sup>15</sup><br /> In einer anderen Phase-I-Dosiseskalationsstudie (3 plus 3) erhielten die Patienten (3, 10, 30, 100ng/kg/d bis zu 500, 700, 900, 1000ng/kg/d, Zyklus 1 d3 on, 4d off; Zyklus 2+ 4d on, 3d off vs. 21d on; 28d- Zyklus) Flotetuzumab, einen CD123/CD3 bispezifischen DART-Antikörper. Neben den hämatologischen Nebenwirkungen (Thrombopenie, Anämie) kam es vor allem zu einer Infusions-assoziierten Reaktion bzw. zu einem «cytokine release syndrome » (CRS) (Grad ≥3: 15,8 % ). Und auch die Ergebnisse dieser Studie waren erfolgversprechend (CR/CrCRi: 28 % ).<sup>16</sup> Die AML lässt sich am ASH-Kongress 2017 somit in Abwandlung eines berühmten Zitats mit freudig-optimistischem Unterton so zusammenfassen: «Nobody knew that AML therapy could be so complicated.»</p></p>
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<p><strong>1</strong> Castaigne S et al.: Effect of gemtuzumab ozogamicin on survival of adult patients with de-novo acute myeloid leukaemia (ALFA-0701): a randomised, open-label, phase 3 study. Lancet 2012; 379(9825): 1508-16 <strong>2</strong> Hills RK et al.: Addition of gemtuzumab ozogamicin to induction chemotherapy in adult patients with acute myeloid leukaemia: a meta-analysis of individual patient data from randomised controlled trials. Lancet Oncol 2014; 15(9): 986-96 <strong>3</strong> Lamba JK et al.: CD33 splicing polymorphism determines gemtuzumab ozogamicin response in de novo acute myeloid leukemia: report from randomized phase III children’s oncology group trial AAML0531. Clin Oncol 2017; 35(23): 2674-82 <strong>4</strong> Lancet JE et al.: Phase 2 trial of CPX-351, a fixed 5:1 molar ratio of cytarabine/daunorubicin, vs cytarabine/daunorubicin in older adults with untreated AML. Blood 2014; 123(21): 3239-46 <strong>5</strong> Lancet JE et al.: Final results of a phase III randomized trial of CPX-351 versus 7+3 in older patients with newly diagnosed high risk (secondary) AML. ASCO 2016; Abstr. #7000 <strong>6</strong> Lancet JE et al.: Survival following allogeneic hematopoietic cell transplantation in older high-risk acute myeloid leukemia patients initially treated with CPX-351 liposome injection versus standard cytarabine and daunorubicin: subgroup analysis of a large phase III trial. ASH 2016; Abstr. #906 <strong>7</strong> Stone RM et al.: Midostaurin plus chemotherapy for acute myeloid leukemia with a FLT3 mutation. N Engl J Med 2017; 377(5): 454-64 <strong>8</strong> Stein EM et al.: Enasidenib in mutant IDH2 relapsed or refractory acute myeloid leukemia. Blood 2017; 130(6): 722-31 <strong>9</strong> Wang ES et al.: Low relapse rate in younger patients ≤ 60 years old with newly diagnosed FLT3-mutated acute myeloid leukemia (AML) treated with crenolanib and cytarabine/anthracycline chemotherapy. ASH 2017; Abstr. #566 <strong>10</strong> Pratz K et al.: Preliminary results from a phase 1 study of gilteritinib in combination with induction and consolidation chemotherapy in subjects with newly diagnosed acute myeloid leukemia (AML). ASH 2017; Abstr. #722 <strong>11</strong> Fernandez HF et al.: Anthracycline dose intensification in acute myeloid leukemia. N Engl J Med 2009; 361(13): 1249-60 <strong>12</strong> Di-Nardo CD et al.: Ivosidenib (AG-120) in mutant IDH1 AML and advanced hematologic malignancies: results of a phase 1 dose escalation and expansion study. ASH 2017; Abstr. #725 <strong>13</strong> Stein EM et al.: Ivosidenib or enasidenib combined with standard induction chemotherapy is well tolerated and active in patients with newly diagnosed AML with an IDH1 or IDH2 mutation: initial results from a phase 1 trial. ASH 2017; Abstr. #726 <strong>14</strong> Daver N et al.: Preliminary results from a phase Ib study evaluating BCL-2 inhibitor venetoclax in combination with MEK inhibitor cobimetinib or MDM2 inhibitor idasanutlin in patients with relapsed or refractory (R/R) AML. ASH 2017; Abstr. #813 <strong>15</strong> Budde L et al.: Remissions of acute myeloid leukemia and blastic plasmacytoid dendritic cell neoplasm following treatment with CD123-specific CAR T cells: a firstin- human clinical trial. ASH 2017; Abstr. #811 <strong>16</strong> Godwin J et al.: Preliminary results of a phase 1 study of flotetuzumab, a CD123 x CD3 bispecific Dart<sup>®</sup> protein, in patients with relapsed/refractory acute myeloid leukemia and myelodysplastic syndrome. ASH 2017; Abstr. #637</p>
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