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Alternative Spender: Haplo versus Cord versus MUD – gibt es ein ideales Konzept?
Jatros
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Peter Neumeister
Klinische Abteilung für Hämatologie<br> Medizinische Universitätsklinik Graz<br> E-Mail: peter.neumeister@medunigraz.at
30
Min. Lesezeit
11.07.2019
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<p class="article-intro">Die allogene hämatopoetische Stammzelltransplantation (HSCT) stellt für eine Reihe von myeloischen und lymphatischen Neoplasien ein kuratives Behandlungskonzept dar. Die richtige Spenderauswahl ist von einer Reihe spender- wie auch empfängerspezifischer Faktoren wie Spenderverfügbarkeit, HLA-Kompatibilität, Erkrankungsaktivität, aber auch Patientenfitness abhängig.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Als idealer Spender kann ein HLA-identer Geschwisterspender („matched sibling donor“, MSD) angesehen werden, jedoch verfügen nur etwa 30 % aller Patienten über diese Option. Daher benötigen die meisten Patienten, die einem Transplantationszentrum zugewiesen werden, eine alternative Stammzellquelle: einen HLA-kompatiblen Fremdspender („matched unrelated donor“, MUD), gegebenenfalls mit einem HLA-Mismatch („mismatched unrelated donor“, MMUD), Stammzellen aus Nabelschnurblut („umbilical cord blood“, UCB) oder neuerdings eine haploidente verwandte Stammzellquelle, bei der jeweils nur ein Haplotyp eine Gewebsübereinstimmung aufweist. Mit diesen alternativen Stammzellquellen ist es möglich, für nahezu alle Patienten einen geeigneten Spender zu finden, und so hat auch die Anzahl der alternativen Stammzelltransplantationen in den letzten Jahren dramatisch zugenommen.<br /> Die HLA-Typisierung besteht aus der Klasse-I-Antigen-Typisierung (HLA-A, HLA-B, HLA-C) sowie der Klasse-II-Antigen-Bestimmung (HLA-DR, HLA-DQ, HLADP). Ein voll kompatibler Spender besteht aus zumindest 8 aus 8 Übereinstimmungen (A, B, C, DR) oder besser aus einem 10-aus- 10-Match (A, B, C, DR, DQ). Ein haploidenter Spender besteht zumindest aus einem „halben“ Match, i. e. 4 von 8 Allelen. Kaukasier haben eine ca. 75 %ige Chance, einen HLA-kompatiblen (8/8) Fremdspender bzw. eine ca. 95 %ige Chance, einen teilkompatiblen (≥ 7/8) Fremdspender zu finden. Die Wahrscheinlichkeit, einen kompatiblen Fremdspender zu finden, schwindet allerdings in Abhängigkeit von der Zugehörigkeit zu einer anderen ethnischen Gruppe. Für diese Patientengruppen sind UCBund haploidente Transplantation eine valide Option. Potenzielle Vorteile der UCB- gegenüber der Fremdspender-Transplantation sind die verminderte Relaps-Rate sowie die verminderte „Graft versus Host Disease“( GvHD)-Erkrankungsinzidenz. Die Nachteile sind die hohen Kosten sowie die verzögerte immunologische Rekonstitution, die zu einer erhöhten Infektrate führt. Die haploidente Transplantation ist schneller durchführbar, in der Durchführung weniger aufwendig und daher auch kostengünstiger, sie ist aber in einigen Studien mit einer höheren Rückfallsrate vergesellschaftet, obwohl diese Fragestellung bislang nicht in prospektiv randomisierten Studien überprüft wurde. Die MUD, insbesondere die MMUD, ist traditionell durch eine höhere GvHD-Rate gekennzeichnet, sodass in zunehmendem Maße der haploidenten Transplantation der Vorzug gegenüber der MMUD gegeben wird.</p> <h2>MUD- und MMUD-HSCT</h2> <p>Über 25 Millionen Spender sind in den zentralen Fremdspenderdateien gespeichert. Kaukasier haben eine ca. 75 %ige Wahrscheinlichkeit, einen 8-aus-8 kompatiblen Fremdspender zu finden, während die Wahrscheinlichkeit für Afroamerikaner oder „Hispanics“ deutlich unter 40 % absinkt. Je höher der Grad der genetischen Disparität, desto höher sind die akute Gv- HD-Rate wie auch die transplantationsassoziierte Mortalität und die Gesamtmortalität. Die erhöhte Mortalität ist bei jedem Mismatch unabhängig vom „locus“ (A, B, C oder DRB1) zu beobachten. Da steigendes Spenderalter mit erhöhter GvHD-Inzidenz, aber auch mit einer erhöhten Inzidenz klonaler Spenderhämatopoese assoziiert ist, wird zumeist ein jüngerer Spender bevorzugt.</p> <h2>UCB-HSCT</h2> <p>Die erste Nabelschnurbluttransplantation wurde 1989 bei einem Patienten mit Fanconi-Anämie durchgeführt. Etwa 10 % aller HSCT werden mit UCB als Stammzellquelle durchgeführt, wobei die Zahlen im Vergleich zur haploidenten nunmehr deutlich abnehmen. Der Vorteil der UCB-HSCT sind die rasche Verfügbarkeit des Transplantats und die weniger stringente HLAÜbereinstimmung, wobei hierbei ein 3-aus-6-Match (A, B, DRB1) bereits von vielen Zentren akzeptiert wird – zumal eine geringere GvHD-Inzidenz in vielen Studien beschrieben ist. Die Nachteile sind die geringere Zahl CD34-positiver Stammzellen und konsekutiv eine höhere „Graft failure“-Rate sowie ein verzögertes trilineares „engraftment“, eine höhere Infektinzidenz durch eine verzögerte immunologische Rekonstitution sowie die hohen Kosten. Mit der Verwendung von zwei UCBEinheiten wurde versucht, den Nachteil der geringen Zellzahl zu kompensieren, jedoch konnte in einer randomisierten Studie bei myeloischen Neoplasien kein eindeutiger Vorteil gegenüber der Verwendung einer einzelnen UCB-Einheit gezeigt werden. In einigen retrospektiven Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass das Gesamtüberleben verglichen mit MUD und MMUD bei akuter myeloischer Leukämie (AML)/myelodysplastischem Syndrom (MDS) vergleichbar ist. Eine prospektiv randomisierte Studie UCB versus haploidente HSCT ist derzeit rekrutierend.</p> <h2>Haploidente HSCT</h2> <p>Haplo-Spender rekrutieren sich aus Eltern, Geschwistern, Kindern, aber auch Verwandten zweiten Grades (Großeltern, Tanten, Onkel, Nichten und Neffen), bei denen eine etwa 50 %ige Chance auf Haploidentität besteht. Diese Optionen machen die Haplo-HSCT zu einer überaus attraktiven Transplantationsplattform, da eine nahezu universelle Spenderverfügbarkeit in einem zeitnahen Intervall gegeben ist. Die Pionierarbeit wurde dabei von Leo Luznik von der Johns Hopkins University getätigt, der die Methodik des „Post- Transplant-Cyclophosphamid“ (PTCy) mit unmanipulierten Stammzellen entwickelte und in die klinische Praxis einführte.<sup>1</sup> Dabei wird dem Umstand Rechnung getragen, dass am Tag 3 und 4 post transplantationem mittels Verabreichung von 50 mg/kg Cyclophosphamid ausschließlich alloreaktive proliferierende („GvHD-spezifische“) T-Zellen abgetötet werden, während nicht alloreaktive Klone bzw. Progenitorzellen nicht betroffen sind (Abb. 1). Die Befürchtung, dass es hierbei zu einer Beeinträchtigung des „Graft versus leukemia/lymphoma“(GVL)-Effektes und damit konsekutiv zu einer erhöhten Relapsrate kommt, hat sich bisher nicht bestätigt. Obzwar die initialen Studien mit Knochenmark als Stammzellquelle durchgeführt wurden, sind in letzter Zeit zunehmend auch periphere Stammzellen in Verwendung, wobei die Inzidenz der akuten GvHD (Grad 2–4) sowie der chronischen GvHD unter Verwendung von peripheren Stammzellen höher ist, jedoch die Relapsrate niedriger, sodass beide Formen ein identes Gesamtüberleben aufweisen. Zwischenzeitlich wurden auch myeloablative Konditionierungsregime mit Post-Transplant- Cyclophosphamid (PTCy) entwickelt, die bei Patienten mit AML in erster kompletter Remission (CR) in einer retrospektiven EBMT-Studie hinsichtlich der GvHD-Inzidenz, des leukämiefreien Überlebens und des Gesamtüberlebens keine signifikant unterschiedlichen Resultate im Vergleich mit dem originären „Baltimore- Protokoll“ der Johns Hopkins University aufweisen. Eine retrospektive internationale CIBMTR-Studie mit über 2000 AMLPatienten in unterschiedlichen Erkrankungsstadien (CR1 und CR2, aktive Erkrankung) mit sowohl myeloablativer als auch reduzierter Konditionierung konnte zeigen, dass die 3-Jahres-Überlebensraten zwischen 8/8-HLA-gematchten MUDSpendern und haploidenten Spendern nicht signifikant unterschiedlich sind. Auch waren die Rückfallsrate und die Non-Relaps-Mortalität nahezu ident, die akute (Grad 3–4) und die chronische Gv- HD-Rate waren jedoch in der Haplo-Gruppe signifikant niedriger.</p> <p> </p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1904_Weblinks_jatros_onko_1904_s24_abb1.jpg" alt="" width="1458" height="1083" /></p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse aller bisherigen retrospektiven Studien, dass bei AML-Patienten die allogene HSCT unter Einsatz von Haplo-, MUD-, MMUDoder UCB-Spendern vergleichbare Resultate hervorbrachte. Daher wurde in einem „Positionsstatement“ der EBMT folgender Algorithmus entwickelt (siehe Abb. 2):<sup>2</sup></p> <ul> <li>Die haploidente Transplantation mit PTCy ist eine valide Option für AMLPatienten ohne HLA-idente Geschwisterspender oder unverwandte Fremdspender.</li> <li>In gewissen Szenarien, in denen dringlich eine HSCT durchgeführt werden sollte, kann bei fehlendem Geschwisterspender einem haploidenten Spender der Vorzug gegeben werden.</li> <li>In Ermangelung prospektiver Studien gibt es derzeit keine ausreichende Evidenz für die Überlegenheit der haploidenten Transplantation gegenüber MMUD oder UCB, jedoch scheint es doch einen Kostenbenefit für die PTCy- Plattform zu geben.</li> </ul> <p> </p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1904_Weblinks_jatros_onko_1904_s24_abb2.jpg" alt="" width="1459" height="1789" /></p> </div></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Luznik L et al.: HLA-haploidentical bone marrow transplantation for hematologic malignancies using nonmyeloablative conditioning and high-dose, posttransplantation cyclophosphamide. Biol Blood Marrow Transplant 2008; 14(6): 641-50 <strong>2</strong> Lee CJ et al.: Haploidentical hematopoietic cell transplantation for adult acute myeloid leukemia: a position statement from the Acute Leukemia Working Party of the EBMT. Haematologica 2017; 102(11): 1810-22</p>
</div>
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