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Myelodysplastische Syndrome (MDS)

Aktuelle Erkenntnisse und Ausblicke

<p class="article-intro">Die myelodysplastischen Syndrome (MDS) umfassen eine Gruppe von erworbenen klonalen Erkrankungen der blutbildenden Stammzellen, die mit Zellarmut und Reifungsstörungen einhergehen. Bei rund 50 % der Patienten wird die Erkrankung durch Zufall entdeckt. Ein Drittel der Patienten stirbt früh an den Folgen eines Überganges in eine akute myeloische Leukämie und zwei Drittel sterben an Komplikationen, wie Infektionen, Blutungen und kardiovaskulären Ereignissen, welche mit einer chronischen Zellarmut assoziiert sind. Bei der EHA-Jahrestagung 2018 wurden neue wissenschaftliche Erkenntnisse präsentiert.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>ESA bleiben die Grundlage der An&auml;mietherapie</h2> <p>Bereits 2008 hat eine Metaanalyse von Moyo et al. alle damals verf&uuml;gbaren Daten aus relevanten Studien zur Wirksamkeit von Erythropoese-stimulierenden Agenzien (ESA) zur Behandlung von An&auml;mien bei MDS-Patienten zusammengefasst. Seitdem sind Ansprechraten um 60 % der Benchmark f&uuml;r ESA-Studien, insbesondere f&uuml;r MDS-Patienten mit einem g&uuml;nstigen Nordic Score (&lt;500IU/ Serum EPO und &lt;2 Transfusionen/Monat). Ausserdem zeigte sich kein signifikanter Unterschied zwischen rekombinanten humanen Erythropoetinen (rHuEPO) und Darbepoetin (DAR) (57,6 % vs. 59,4 % ; p=0,828).<sup>1</sup> <br /> Die Wirksamkeitsdaten einer bei der EHA vorgestellten, randomisierten Phase- III-Studie mit DAR wurden bereits 2017 publiziert. Im Vergleich zu Placebo fanden sich f&uuml;r Patienten, die mit DAR 500&mu;g s.c. alle 3 Wochen behandelt wurden, eine niedrigere Transfusionsbed&uuml;rftigkeit (36 % vs. 59 % ) und ein h&ouml;heres erythroides Ansprechen (15 % vs. 0 % ; p=0,016).<sup>2</sup> An der EHA-Jahrestagung wurden nun die Langzeit-&Uuml;berlebensund -Sicherheitsdaten zu dieser Studie pr&auml;sentiert, die keinen Hinweis auf eine erh&ouml;hte Mortalit&auml;t, Transformation in eine AML oder relevante Nebenwirkungen ergaben. DAR wurde offenbar weder in der geblindeten noch in der &laquo;open label&raquo; Phase gen&uuml;gend ausdosiert (nur 500&mu;g alle 3 Wochen), sodass mit einer Verk&uuml;rzung des Dosierungsintervalls auf 2 Wochen das erythroide Ansprechen zus&auml;tzlich auf 34,7 % angehoben werden konnte. Das geringere Ansprechen im Vergleich zum Benchmark beruht wahrscheinlich auf dem Studiendesign, das Behandlungspausen bei raschem Ansteigen des H&auml;moglobins vorschrieb.<sup>3</sup> Die Behandlung mit ESA bleibt somit der Grundpfeiler in der Erstlinientherapie von An&auml;mien bei Lower-Risk-MDS-Patienten, insbesondere f&uuml;r diejenigen mit einem g&uuml;nstigen Nordic Score. Aufgrund der nun vorliegenden Phase-III-Daten und wegen der 2- oder 3-w&ouml;chentlichen Applikation hat DAR gewisse Vorteile gegen&uuml;ber den rHuEPO, wobei die h&ouml;heren Kosten zu ber&uuml;cksichtigen sind. Ausserdem ist eine systematisierte Dosierungsstrategie mit einer raschen &Uuml;berpr&uuml;fung des Ansprechens wichtig, da refrakt&auml;re Patienten auch unabh&auml;ngig vom IPSS/ IPSS-R eine schlechtere Prognose haben und Zweitlinientherapien oder klinischen Studien zugef&uuml;hrt werden sollten.</p> <h2>Therapie mit Guadecitabin (SGI-110) bei Hochrisiko-MDS</h2> <p>Guadecitabin (SGI-110) ist ein Dinukleotid- Antimetabolit von Decitabin (DEC). Nach metabolischer Aktivierung durch Phosphorylierung und Einbau in die DNA inhibiert es die DNA-Methyltransferase in vitro deutlich st&auml;rker als Azacytidin (AZA) oder DEC. Letztere werden von der Cytidindeaminase (CDA) abgebaut, weshalb eine &Uuml;berexpression von CDA ein m&ouml;glicher Resistenzmechanismus bei Therapien mit hypomethylierenden Agenzien (HMA) sein kann. Guadecitabin ist jedoch resistent gegen&uuml;ber der CDA, was zu einer l&auml;nger anhaltenden Wirkung f&uuml;hren sollte. Die Substanz wird in einer Dosis von 60mg/m<sup>2</sup> t&auml;glich subkutan &uuml;ber 5 Tage alle 28 Tage verabreicht.<br /> Von der noch laufenden einarmigen Phase-II-Studie der Gruppe um Garcia- Manero wurden die Ergebnisse von 83 unbehandelten Patienten mit IPSS-Int-2/ High-Risk-MDS pr&auml;sentiert, die Guadecitabin erhielten. Prim&auml;rer Endpunkt war die CR. Die ORR in der Guadecitabin- Gruppe betrug 71 % , CR wurde bei 16 Patienten dokumentiert, CRp trat bei 3 % und h&auml;matologische Verbesserung bei 37 % auf. Das mediane Gesamt&uuml;berleben betrug 14 Monate und es fand sich kein Zusammenhang zwischen Zytogenetik/ Mutationsstatus und dem Ansprechen. Die h&auml;ufigste Toxizit&auml;t waren Infektionen. <sup>4</sup> Es ist zu ber&uuml;cksichtigen, dass in diese Studie zahlreiche Patienten mit t- MDS und ung&uuml;nstigem Karyotyp eingeschlossen wurden und daher die Daten nur eingeschr&auml;nkt mit der AZA-Zulassungsstudie verglichen werden k&ouml;nnen. Abzuwarten bleibt, ob die Patienten schneller und auch l&auml;nger ansprechen und somit die In-vitro-Daten auch klinisch reproduziert werden k&ouml;nnen. Zuk&uuml;nftige, kontrollierte und randomisierte Studien sind n&ouml;tig, um Guadecitabin mit AZA oder DEC in der Erstlinientherapie bei High-Risk-MDS-Patienten vergleichen zu k&ouml;nnen.</p> <h2>Der Telomerase-Inhibitor Imetelstat bei Niedrigrisiko-MDS</h2> <p>David Steensma hat die Interimsanalyse der IMerge-Studie vorgestellt. Es handelt sich hierbei um eine globale Phase- II/III-Studie, in der die Sicherheit und Wirksamkeit von Imetelstat untersucht wurden. Eingeschlossen waren transfusionsabh&auml;ngige MDS-Patienten mit IPSSLow- oder -Intermediate-1-Risiko, die refrakt&auml;r oder nicht geeignet f&uuml;r ESA waren. Imetelstat ist eine neue, interessante Substanz, welche die Telomeraseaktivit&auml;t inhibiert. Proliferierende Zellen exprimieren die Telomerase, um die DNA w&auml;hrend der Replikation der Chromosomen vor Arrosion/Defekten zu sch&uuml;tzen. Eine erh&ouml;hte Telomeraseaktivit&auml;t wurde in zahlreichen Tumorzellen und auch beim MDS festgestellt. Die Hemmung der Telomerase f&uuml;hrt daher zu einer Unterdr&uuml;ckung der Zellteilung in Tumorzellen und stellt somit auch einen m&ouml;glichen Angriffspunkt zur Behandlung des MDS dar. In den vorl&auml;ufigen Daten der IMerge-Studie fand sich eine Transfusionsfreiheit &ge;8 Wochen bei 38 % aller eingeschlossenen Patienten und bei 54 % der Non-del5q-, HMA- und LEN-naiven Patienten mit einem medianen Therapieansprechen von 23 resp. 43 Wochen.<sup>5</sup><br /> Die Telomerase ist aber nicht nur in proliferierenden Tumorzellen st&auml;rker exprimiert, sondern in allen Zellen, die sich zur Regeneration teilen m&uuml;ssen. Die therapeutische Breite des Medikamentes ist deshalb gering und erkl&auml;rt das Nebenwirkungsspektrum mit Thrombopenien, Neutropenien (&gt;50 % ) und reversiblem Anstieg der Transaminasen. Die Resultate sind in Anbetracht des Nebenwirkungsprofils doch eher bescheiden, aber f&uuml;r diese Patientenpopulation mit ung&uuml;nstiger Prognose interessant; verl&auml;ssliche Aussagen zur langfristigen Sicherheit sind aber noch nicht abschliessend m&ouml;glich.<sup>5</sup></p> <h2>Neue Therapieoption f&uuml;r Patienten mit TP53-Mutationen</h2> <p>Eines der Highlights des EHA-Jahrestreffens auf dem Gebiet des MDS war die Arbeit von Sallman und Kollegen. Unter HMA erreichen MDS-/AML-Patienten mit mutiertem TP53 Ansprechraten von 20&ndash; 30 % und ein medianes &Uuml;berleben von sechs bis zw&ouml;lf Monaten. Patienten mit TP53-Mutationen haben in allen Krebsentit&auml;ten eine sehr schlechte Prognose, weil die entarteten Zellen nach einer zytotoxischen Chemotherapie nicht absterben und zus&auml;tzliche genetische Ver&auml;nderungen ansammeln k&ouml;nnen. Dies gilt auch f&uuml;r MDS- und AML-Patienten, die trotz Chemotherapie und allogener HSCT weiterhin eine sehr schlechte Prognose haben. APR-246 ist eine neue Substanz, welche die normale Konformation des mutierten TP53-Proteins und damit auch die Funktion als &laquo;W&auml;chter der genomischen Integrit&auml;t&raquo; wiederherstellt. Die vorgestellten Daten einer Phase-Ib-Studie mit APR-246 waren eindr&uuml;cklich und er&ouml;ffnen m&ouml;glicherweise eine neue, vielversprechende Option f&uuml;r MDS/AMLPatienten mit mutiertem TP53. APR-246 wurde in einem 3+3-Dosiseskalationsdesign (50, 75, 100mg/kg i.v. t&auml;glich &uuml;ber 4 Tage) initial als Monotherapie gefolgt von einer Kombination mit AZA verabreicht.<sup>6</sup><br /> Die prim&auml;ren und sekund&auml;ren Endpunkte waren Sicherheit und Response gem&auml;ss den IWG-2006-Kriterien. Die Nebenwirkungen waren milde und umfassten Nausea und Polyneuropathie von Grad 1&ndash;2, eine dosislimitierende Toxizit&auml;t trat bisher nicht auf. Alle Patienten zeigten ein Ansprechen mit einer CR-Rate von 89 % (Abb. 1). Diese vielversprechenden Daten sollen nun in der geplanten Phase-II-Studie best&auml;tigt werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Onko_1805_Weblinks_lo_onko_1805_s24_abb1.jpg" alt="" width="1458" height="1197" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Moyo V et al.: Erythropoiesis-stimulating agents in the treatment of anemia in myelodysplastic syndromes: a meta-analysis. Ann Hematol 2008; 87: 527-36 <strong>2</strong> Platzbecker U et al.: A phase 3 randomized placebo-controlled trial of darbepoetin alfa in patients with anemia and lower- risk myelodysplastic syndromes. Leukemia 2017; 31: 1944-50 <strong>3</strong> Platzbecker U et al.: A multicenter, randomized, double-blind placebo-controlled study of darbepoetin alfa for the treatment of anemic patients with low or intermediate- 1 risk myelodysplastic syndromes. EHA 2018, Abstract S1559 <strong>4</strong> Garcia-Manero G et al.: A phase 2 clinical trial of guadecitabine (SGI-110) for patients with previously untreated myelodysplastic syndromes. EHA 2018, Abstract S1555 <strong>5</strong> Fenaux P et al.: Imetelstat in RBC transfusion- dependent (TD) lower risk MDS relapsed/refractory to erythropoiesis stimulating agents (ESA) (IMerge): updated efficacy and safety. EHA 2018, Abstract S1557 <strong>6</strong> Sallman D et al.: Phase 1b/2 combination study of APR- 246 and azacitidine (AZA) in patients with TP53 mutant myelodysplastic syndromes (MDS) and acute myeloid leukemia (AML). EHA 2018, Abstract S1558</p> </div> </p>
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