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Neuropsychiatrische Komplikationen des Schlaganfalls
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01.09.2016
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<p class="article-intro">Schlaganfälle können eine Reihe von neuropsychiatrischen Komplikationen nach sich ziehen. Im Rahmen der 2<sup>nd</sup> European Stroke Organisation Conference vom 10. bis 12. Mai 2016 in Barcelona referierten internationale Experten über Demenz und Depression nach Schlaganfall.</p>
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<p class="article-content"><p>Demenz ist eine der Hauptursachen für Pflegebedürftigkeit nach einem Schlaganfall. «Die Prävalenz der sogenannten Post-Stroke-Demenz (PSD), definiert als Demenzentwicklung nach einem Schlaganfall, ist im Ansteigen begriffen», berichtet Dr. Christopher Chen, Memory and Cognition Centre, National University Hospital, Singapur. So zeigen epidemiologische Untersuchungen eine Prävalenz der PSD von rund 30 % und die Inzidenz neu auftretender Demenzerkrankungen steigt von 7 % ein Jahr nach einem Schlaganfall auf 48 % nach 25 Jahren.<sup>1</sup> Eine Reihe von Faktoren, die das Entstehen einer PSD begünstigen, konnte identifiziert werden. Sie reichen von hohem Alter und geringem Bildungsgrad über vor dem Schlaganfall bestehende Pflegebedürftigkeit und kognitive Beeinträchtigung bis zu Vorhofflimmern, Diabetes mellitus oder Epilepsie. «Die PSD kann Folge von vaskulären Läsionen, Alzheimerpathologie, Veränderungen der weissen Substanz oder einer Kombination aus diesen Faktoren sein», erklärt Chen.</p> <h2>Neue Konzepte</h2> <p>Das Konzept der vaskulären Demenz (VaD) wurde in den letzten Jahren zugunsten der vaskulären kognitiven Beeinträchtigung («vascular cognitive impairment», VCI) aufgegeben, da Letztere eine weitere Sicht auf das Phänomen erlaubt. VCI setzt sich aus VCI ohne Demenz, VaD sowie gemischtem VCI mit anderen Demenzerkrankungen, zumeist M. Alzheimer, zusammen. «Es besteht ein breiter Konsens, dass VCI die vollständige kognitive Belastung zerebrovaskulärer Erkrankungen besser abbildet als VaD. Ein Negieren des VCI, insbesondere des VCI ohne Demenz, liesse uns die Prävalenz eines grossen Gesundheitsproblems unterschätzen, dessen Folgen verhinderbar sind», sagt Chen. So hat die American Heart Association (AHA) ein Statement publiziert, in dem der vaskuläre Beitrag zu kognitiven Störungen und Demenz beschrieben wird, wobei auch der Begriff des «vascular mild cognitive impairment» (vaMCI) eingeführt wurde.<sup>2</sup> Im DSM-V fanden diese Störungen als «major neurocognitive disorder», früher Demenz, und «mild neurocognitive disorder» ihren Niederschlag.</p> <h2>Demenz-Screening</h2> <p>Zur Diagnose von VCI stehen kurze Tests wie etwa MMSE («mini mental status examination») und MoCA («Montreal cognitive assessment») oder ausführliche Testbatterien zur Verfügung. Eine Studie hat ergeben, dass alle gebräuchlichen Screening-Tests für durch Schlaganfall verursachte kognitive Veränderungen vergleichbare Ergebnisse bringen.<sup>3</sup> «Die Genauigkeit der Tests hängt hauptsächlich von den verwendeten Cut-offs und weniger von deren Komplexität ab», so Chen. «Längere Screening-Tests sind nicht besser als kürzere.»<br /> In ihrer Deklaration zu Schlaganfall und verhinderbarer Demenz macht die World Stroke Organization darauf aufmerksam, dass subklinische (stille) Schlaganfälle fünfmal so häufig auftreten wie klinisch manifeste Insulte und das Denken, die Gefühle und die Persönlichkeit der Betroffenen massiv beeinträchtigen können.<sup>4</sup> Es ist daher unerlässlich, diese zu verhindern oder gegebenenfalls zu diagnostizieren und adäquat zu behandeln.</p> <h2>Post-Stroke-Depression</h2> <p>Eine häufige, jedoch auch unterschätzte Folge von Schlaganfällen ist die Post-Stroke-Depression, an der zwischen 30 und 40 % der Patienten leiden. «Post-Stroke-Depression ist mit schlechteren Rehabilitationsergebnissen, physischen und kognitiven Beeinträchtigungen, einem höheren Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko und nicht zuletzt mit erhöhten Belastungen für die Pflegenden verbunden», sagt Prof. Maree Hackett, Universität Sydney, Australien. In mehreren Cochrane-Reviews wurden Interventionen zur Verhinderung von Depressionen nach Schlaganfall wie Pharmako- und Psychotherapie, Kombinationen aus beidem sowie nicht invasive Hirnstimulation evaluiert.<sup>5, 6</sup> Die Reviews zeigen, dass Antidepressiva (selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer, SSRI, und tri­zyklische Antidepressiva) effektiv in der Behandlung der Post-Stroke-Depression sind. Keine Evidenz konnte für die Wirksamkeit von psychotherapeutischen Verfahren alleine, darunter Verhaltenstherapie, Gruppen-Psychotherapie, kognitive Verhaltenstherapie oder Psychoedukation, erbracht werden. Es bestehen jedoch Hinweise darauf, dass die Kombination aus Psychotherapie und Antidepressivum effektiver ist als eine alleinige Pharmakotherapie. Auch für die Effektivität der nicht invasiven Hirn­stimulation bei Depressionen nach Schlaganfall fand der Cochrane-Review keine Evidenz.</p></p>
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<p><strong>1</strong> Leys D et al: Lancet Neurol 2005; 4(11): 752-9<br /><strong> 2</strong> Gorelick PB et al: Stroke 2011; 42(9): 2672-713 <br /><strong>3</strong> Lees R et al: Stroke 2014; 45(10): 3008-18 <br /><strong>4</strong> Hachinski V: Stroke 2015; 46(11): 3039-40 <br /><strong>5</strong> Hackett ML et al: Cochrane Database Syst Rev 2008; (4): CD003437 <br /><strong>6</strong> Hackett ML et al: Cochrane Database Syst Rev 2008; (3): CD003689</p>
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