
Ginkgo biloba reduziert Demenzrisiko
Bericht:
Mag. pharm. Irene Senn, PhD
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Eine leichte kognitive Störung gilt als Vorstufe zu verschiedenen Demenzerkrankungen. Durch die Verordnung von Ginkgo-biloba-Präparaten lässt sich das Risiko, dass eine solche zu einer Demenz-erkrankung fortschreitet, reduzieren. Zu diesem Schluss kommt eine grosse retrospektive Kohortenstudie, welche Real-World-Daten aus Deutschland von mehr als 24000 Betroffenen analysierte.
Eine leichte kognitive Störung («mild cognitive impairment», MCI) liegt dann vor, wenn die kognitiven Beeinträchtigungen den üblichen altersbedingten Leistungsverlust übersteigen, aber (noch) nicht die Kriterien einer Demenz erfüllen. Der Anteil der Patient:innen, bei denen sich aus einer MCI eine Demenz entwickelt, liegt in der Altersgruppe der unter 60-Jährigen bei 6,6% und steigt bei den über 80-Jährigen auf 39% an.1 Dementsprechend wichtig ist es, derartige Denkleistungsstörungen als solche zu erkennen und in den richtigen klinischen Kontext zu setzen.2
Studiendesign
Mehrere randomisierte Studien und robuste Metaanalysen bestätigten bereits in der Vergangenheit eine gute Wirksamkeit von Ginkgo-biloba-Extrakten sowohl bei MCI als auch bei verschiedenen Demenzformen mit mildem bis moderatem Schweregrad.3,4 Allerdings basieren bislang nur wenige Analysen auf Real-World-Daten. Die vorliegende retrospektive Kohortenstudie ging nun der Frage nach, ob zwischen der Verordnung von Ginkgo-biloba-Präparaten und der Progression einer MCI zu einer Demenzerkrankung ein Zusammenhang besteht.
Die Auswertung basiert auf Real-World-Daten aus der IQVIATM-Disease-Analyzer- Datenbank. Inkludiert wurden Patient:innen ≥ 65 Jahre, bei denen zwischen 2000 und 2019 erstmals eine leichte kognitive Störung diagnostiziert wurde. 24483 MCI-Patient:innen (medianes Alter: 77 Jahre, 56% Frauen) entsprachen den Einschlusskriterien. Die Datenerhebung erfolgte im Februar 2021, die Patient:innen wurden somit in Hinblick auf ihre Diagnosen und Arzneimittelverordnungen über einen langen Beobachtungszeitraum von bis zu 20 Jahren nachverfolgt; der durchschnittliche Follow-up-Zeitraum betrug 3,8 Jahre.
Ergebnisse
Zur Abschätzung eines potenziellen Zusammenhangs zwischen der Verordnung eines Ginkgo-Präparats und dem Auftreten einer Demenz wurde ein Cox-Regressionsmodell gewählt. Damit lässt sich der Einfluss mehrerer Variablen bewerten. Berücksichtigt wurden unter anderem Alter, Geschlecht, ausgewählte Komorbiditäten sowie die Verordnung von Cholinesterase-Hemmern.
Im Beobachtungszeitraum entwickelten 6205 Patient:innen (25,3%) eine Demenz, wobei das relative Risiko um 29% geringer war, wenn mehr als zwei Ginkgo-Präparate verschrieben worden waren (HR: 0,71, 95% CI: 0,55–0,91; p=0,007). Dieser positive Effekt war bei mehrmaliger Verordnung sogar noch grösser. So wurde das relative Demenzrisiko bei mehr als drei Ginkgo-Verordnungen um 36% (HR: 0,64, 95% CI: 0,48–0,86; p=0,003), bei mehr als vier Verordnungen um 42% gesenkt (HR: 0,58, 95% CI: 0,41–0,82; p=0,002) – jeweils im Vergleich zu Patient:innen ohne Ginkgo-Präparat. Je höher also die Anzahl der Ginkgo-Verordnungen war, umso niedriger war die Demenzinzidenz (Abb. 1).
Abb. 1: Zusammenhang zwischen Ginkgo-biloba-Verschreibungen und Demenzinzidenz, Referenzgruppen: * keine Ginkgo-Verschreibung, ** 65–74 Jahre (mod. nach Bohlken J et al., 2022)1
Als grosse Stärke der Studie nennen die Autoren die grosse Teilnehmerzahl sowie den langen Beobachtungszeitraum. Dies ist insbesondere in Hinblick darauf relevant, dass die protektiven Effekte von Ginkgo biloba auf die Entwicklung einer Demenz erst nach einer längeren Behandlungsdauer zu erwarten sind.
Fazit
Die Verschreibung von Ginkgo-Zubereitungen bei Patient:innen mit der Diagnose «leichte kognitive Störung» ist mit einer signifikant niedrigeren Inzidenz an Demenzerkrankungen assoziiert.
Originalpublikation:
Bohlken J et al.: Association between Ginkgo biloba extract prescriptions and dementia incidence in outpatients with mild cognitive impairment in Germany: a retrospective cohort study. J Alzheimers Dis 2022; 86(2): 703-9
Literatur:
1 Bohlken J et al.: Fortschr Neurol Psychiatr 2017; 85(1): 43-7 2 Kasper S et al.: World J Biol Psychiatry 2020; 21(8): 579-94 3 Kandiah N et al.: CNS Neurosci Ther 2019; 25(2): 288-98 4 Gavrilova SI et al.: Int J Geriatr Psychiatry 2014; 29(10): 1087-95