
„Viele von uns sind unglaublich resilient“
Stefan Kohlweg,
Gründer der Selbsthilfegruppe Clusterkopfschmerzen
Das Interview führte
Dr. Gabriele Senti
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Clusterkopfschmerzen sind verheerend, das Ausmaß der Beeinträchtigung ist für Nichtbetroffene kaum nachvollziehbar. Stefan Kohlweg – so macht es den Eindruck – hat sich mit seinem Clusterkopfschmerz arrangiert. Seine Erfahrungen gibt er in seiner Selbsthilfegruppe weiter, doch das ist ihm zu wenig. Er will künftig als Lebens- und Sozialberater speziell Clusterkopfschmerzpatient*innen unterstützen.
Was unterscheidet Clusterkopfschmerzen von anderen Kopfschmerzarten?
S. Kohlweg: Der große Unterscheidungsfaktor sind diese unbeschreiblichen Schmerzen – Schmerzen auf einem so hohen Intensitätslevel, dass sogar eine akute Suizidgefahr während der Attacke bestehen kann. Da schlagen Menschen während so einer Attacke mit dem Kopf gegen die Wand, weil sie lieber bewusstlos werden als die Schmerzen zu ertragen, oder ketten sich mit Handschellen an Heizkörper um nicht aus dem Fenster springen zu können. Diese Qual können selbst Migränepatient*innen nicht gänzlich nachvollziehen.
War das ausschlaggebend für die Gründung einer eigenen Selbsthilfegruppe?
S. Kohlweg: Genau! Zuerst habe ich mich in der Selbsthilfegruppe Kopfweh engagiert, später aber eine eigene Gruppe speziell für Menschen mit Clusterkopfschmerz ins Leben gerufen. Beim ersten Treffen meinte einer der Clusterkopf-schmerzpatient*innen zu Beginn: „Sollen wir über unsere Schmerzen reden?“ Und plötzlich hatten alle glänzende Augen, weil jeder wusste, HIER wird er oder sie endlich verstanden. Das war ein besonderer Moment.
Welche Themen werden in der Selbsthilfegruppe besprochen?
S. Kohlweg: Unter anderem Akuttherapien, Tipps und Tricks, wie Atemtechniken oder Durchflussraten während der Einnahme von medizinischem Sauerstoff, chirurgische Eingriffe oder zweifelhafte Therapieformen. Da gibt es ja auch Wunderheiler, die durch seltsamste Methoden Heilung versprechen. Beim Clusterkopfschmerz ist der Leidensdruck so immens groß, dass die Betroffenen wirklich ALLES probieren. Da ist es besser, wir sprechen vorher darüber, als wenn man das in irgendeinem nicht verifizierten Forum nachliest.
Welches sind die größten Anliegen der Clusterkopfschmerzpatient*innen?
S. Kohlweg: Ein großes Problem sind die Beeinträchtigungen der Lebensqualität und des Arbeitslebens während einer Episode. Diese kann zwölf Wochen dauern. Anfangs beschränken sich die Attacken auf die Nächte, später treten sie auch tagsüber auf. Nach sechs Wochen ist man dann bereits extrem übermüdet. Viele müssen dann ihre Sauerstoffflasche mit in die Arbeit nehmen. Das wiederum stigmatisiert ... ein schwieriges Thema.
Wie steht es um das Verständnis für Menschen mit Clusterkopfschmerz im Job oder privaten Umfeld?
S. Kohlweg: Clusterkopfschmerzen sind nicht sehr bekannt und können oft nicht eingeordnet werden. Man muss aufpassen, nicht das Wort Migräne zu verwenden, da steckt man dann gleich in der falschen Schublade. Migräne ist fast schon ein populärer Begriff geworden. Da haben die Leute dann schnell mal Migräne und denken, sie wissen, wie es Menschen mit Clusterkopfschmerzen geht.
Wenn Sie etwas Positives an der Erkrankung finden müssten …
S. Kohlweg: Ich finde es beeindruckend, dass sehr viele Menschen, die ich bisher beim Clusterkopfschmerz-Treffen kennengelernt habe, unglaublich resilient sind, aktiv die Dinge angehen und sehr viel schaffen, obwohl die Erkrankung ja eigentlich so schlimm ist. Der Clusterkopfschmerz ist eine der wenigen Kopfschmerzarten, wo man sechs bis acht Monate am Stück gar keine Beschwerden hat. Diese Zeit kann man gut nutzen.
Welche Ziele haben Sie?
S. Kohlweg: Ich habe im August 2021 während einer besonders schlimmen Attacke beschlossen, dem Ganzen einen Sinn zu geben. Im April 2022 habe ich daher eine Ausbildung zum Lebens- und Sozialberater begonnen, um in naher Zukunft speziell Clusterkopfschmerzpatient*innen zu begleiten.
Wie kann man Sie unterstützen?
S. Kohlweg: Je mehr Ärzte über unsere Selbsthilfegruppe Bescheid wissen, umso besser für die Patient*innen. Ich würde mich freuen, wenn möglichst viele unsere Webseite besuchen, Flyer für ihre Patient*innen runterladen und ihnen von unserer Selbsthilfegruppe erzählen, damit wir gefunden werden.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Selbsthilfegruppe Clusterkopfschmerz
Clusterkopfschmerzen-Treffen 4x jährlich in Wien
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