
Sekundäre Trikuspidalinsuffizienz im Spektrum der Herzinsuffizienz
Universitätsklinik für Innere Medizin II<br>Abteilung für Kardiologie<br>Medizinische Universität Wien <br>E-Mail:<br>philippemanuel.bartko@meduniwien.ac.at
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Die sekundäre Trikuspidalklappeninsuffizienz (sTI) begleitet häufig die Herzinsuffizienz und ist mit einer erhöhten Mortalität vergesellschaftet.1–3 Die sTI kann bei jedem Subtyp der Herzinsuffizienz beobachtet werden, sei es mit erhaltener Auswurffraktion (HFpEF; EF ≥50%), mit gering-mittelgradiger eingeschränkter Auswurffraktion (HFmrEF; EF40–49%) oder jenem mit reduzierter Auswurffraktion (HFrEF; EF <40%). Im folgenden Artikel werden die Epidemiologie und Pathophysiologie sowie die diagnostischen und therapeutischen Ansätze insbesondere beim jeweiligen Herzinsuffizienzsubtyp erläutert.
Keypoints
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Epidemiologische Daten zur sekundären Trikuspidalinsuffizienz (TI) weisen auf eine zunehmende Belastung für Gesundheitssysteme hin.
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Frühe Stadien der sekundären TI können als Surrogat zunehmender Herzinsuffizienz angesehen werden, im Verlauf treibt die Erkrankung die Progression der Herzinsuffizienz und die Mortalität voran.
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Die bisherige Quantifizierung ist unzureichend, nicht zuletzt aus Mangel an genauen Definitionen.
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Kathetergestützte Verfahren für Trikuspidalklappen-Interventionen stellen eine attraktive und risikoarme Alternative zur operativen Klappensanierung dar, Hinweise auf eine effiziente Reduktion der Mortalität müssen allerdings noch in randomisierten Studien nachgewiesen werden.
Epidemiologie der sekundären Trikuspidalinsuffizienz
Die epidemiologischen Aspekte der sTI sind bisher nur unzureichend untersucht. Es wurden insgesamt drei epidemiologische Studien zur TI veröffentlicht. Keine dieser Studien ging auf die Verteilungen der sTI innerhalb der Herzinsuffizienzsubtypen ein.
Daten aus der Framingham-Studie4 zeigten eine Prävalenz von 0,8%, während die britische OxVALVE-Studie5 eine TI-Prävalenz von 2,7% berichtete. Diese Diskordanz ist auf die unterschiedlichen Einschlusskriterien zurückzuführen (die OxVALVE-Studie schloss Probanden >65 Jahre ein).
Topilsky und Kollegen veröffentlichten kürzlich eine Analyse aus dem Rochester-Epidemiologie-Projekt und bestätigten die zunehmende Prävalenz der TI mit zunehmendem Alter und weiblichem Geschlecht.6 STI im Zusammenhang mit linksventrikulärer systolischer Dysfunktion gehörte zu den führenden pathophysiologischen Ursachen der TI.
Das ESC-Herzinsuffizienz-Langzeitregister zeigte, dass sTI unter den HF-Subtypen gleich häufig vorkommt,7 was vermutlich auf die weitgehend identen Mechanismen zurückzuführen ist (Abb. 1). Die sTI wurde mit mehr Symptomatik, verminderter Lebensqualität, vermehrten Herzinsuffizienz-Hospitalisierungen und erhöhter Mortalität in Verbindung gebracht. Je nach Studie und Endpunkt wurde ein 2- bis 3-fach erhöhtes Risiko gezeigt. Das Risiko für sTI bei HFmrEF wurde bisher noch nicht beschrieben, aber gemischte HFrEF- und HFmrEF-Kohorten haben ein unabhängiges Risiko für Mortalität bestätigt. Mit der zunehmenden Überalterung der Bevölkerung und der erwarteten Zunahme der Prävalenz der Herzinsuffizienz wird ebenso eine Zunahme der sTI erwartet. Dies zeigt einen bis dato ungedeckten klinischen Bedarf an wirksamen STR-Behandlungsstrategien an.2
Pathophysiologie der sekundären Trikuspidalinsuffizienz
Kennzeichen der sTI-Entwicklung ist der erhöhte enddiastolische Druck, welcher zu pathologischen Drücken im Lungenkreislauf führen kann (Abb. 1).2, 8 Zusätzlich kann im Rahmen der Herzinsuffizienz auch teilweise von einer intrinsischen Kardiomyopathie ausgegangen werden, welche neben dem linksventrikulären auch das rechtsventrikuläre Myokard betreffen kann. Exzentrische Umbauvorgänge sowie die Dilatation des Trikuspidalklappenanulus können bereits in frühen Krankheitsstadien vorhanden sein. Es kommt im Weiteren zu progressiven Umbauvorgängen des Myokards und des Trikuspidalklappenapparates, sodass die Trikuspidalklappensegel durch den Zug über die Sehnenfäden aus der Klappenringebene in Richtung des Ventrikels gezogen werden. Charakteristisch im Echokardiogramm zeigt sich dieser restriktive Klappenschluss als zeltförmige Klappendeformation, die auch als „tenting“ bezeichnet wird.
Abb. 1: Mechanismen der sTI unter den HF-Subtypen und Kennzeichen der sTI-Entwicklung: Erhöhter enddiastolischer Druck führt zu pathologischen Drücken im Lungenkreislauf (adaptiert nach: Bartko PE, Goliasch G: Tricuspid regurgitation secondary to heart failure: more pieces to solve the puzzle. Eur J Heart Fail 2020 Jun 22)
Diagnostischer Ansatz zur sekundären TI bei Patienten mit Herzinsuffizienz
Die Bewertung des sTI-Mechanismus und Schweregrades ist eine Herausforderung und ein multimodaler Ansatz wird zunehmend von Konsensus- und Leitliniendokumenten empfohlen. Die Bildgebung ist der Schlüssel zum genauenVerständnis des sTI-Mechanismus, welcher insbesondere bei Herzinsuffizienzpatienten häufig komplex und multifaktoriell ist. Im Sinne der personalisierten Medizin ist die genaue Evaluierung der zugrundeliegenden strukturellen Problematik die Grundlage für die verschiedenen chirurgischen und interventionellen Behandlungsansätze.
Der erste bildgebende Ansatz zur Evaluierung der sTI bleibt die Echokardiografie, die wichtige Informationen wie den Schweregrad der sTI, das Ausmaß einer pulmonalen Hypertension sowie strukturelle Schäden des rechten Herzens und des Trikuspidalklappen-Apparates dokumentiert. Die kardiale Computertomografie liefert ergänzende Informationen und wird künftig für die strukturelle Planung von Interventionen an Bedeutung zunehmen. Spezifische Vorteile und Stärken der Computertomografie sind neben der Beurteilung von Form und Perimeter des Trikuspidalringes die Lokalisierung der rechten Koronararterie und ihres Verlaufs innerhalb des atrioventrikulären Überganges sowie ihr Abstand zum Trikuspidalring.
Bewertung des TI-Schweregrads
Die Graduierung der STR bleibt eine Domäne der Echokardiografie und beruht auf spezifischen qualitativen und semiquantitativen Kriterien (Tab. 1).9 Wenn der Schweregrad der sTI trotzdem ungewiss beziehungsweise inkongruent bleibt, sind die Quantifizierung von Vena contracta (der schmalste Teil des TI-Jets, welcher unmittelbar distal der Regurgitationsöffnungsfläche auftritt), der effektiven Regurgitationsöffnungsfläche sowie des Regurgitationsvolumens angezeigt.
Tab. 1: Sekundäre Trikuspidalinsuffizienz – spezifische qualitative und semiquantitative Kriterien
Ein wesentliches Problem ist der Mangel an Definitionen und Cut-offs mit der gängigen Graduierung leicht-/mittel- und höhergradig. So wurde bis dato keine eindeutige Definition dieser Ausdrücke gefunden, insbesondere im Zusammenhang mit dem assoziierten Risiko für Mortalität, Rehospitalisierungen und dem möglichen Benefit einer Intervention.2 Es ist weiters anzumerken, dass die Definition dieser Begriffe im Sinne des Risikos bisher aufgrund mangelnder Datenlage schwierig war. Rezente Studien deuten allerdings darauf hin, dass die sTI bereits bei kleinerer effektiver Regurgitationsöffnungsfläche und Regurgitationsvolumen1, 3 einen signifikanten Effekt auf die Mortalität hat und deshalb möglicherweise bisher systematisch unterschätzt wurde.
Jüngste Trends werden wahrscheinlich die Terminologie und damit assoziierte Schwellenwerte für die Graduierung der sTI in beide Richtungen neu definieren:2 Die „höhergradige“ sTI scheint weitaus heterogener zu sein als bisher angenommen, mit effektiven Regurgitationsöffnungsflächen ≥80mm2.
Aus diesem Grund wurde vorgeschlagen, das Spektrum um zwei Grade zu erweitern: die sogenannte massive sowie „torrential“ TI. Erste Hinweise deuten darauf hin, dass die Auswirkungen solch zusätzlicher Grade mit einem exzessiven Risiko einhergehen, müssen aber noch entsprechend prospektiv validiert werden.
Der unabhängige Einfluss der sTI wurde in observativen Studien bei HFrEF und HFmrEF sowie einer reinen HFrEF-Kohorte nachgewiesen.2 Zusätzlich zu EROA und Regurgitantvolumen kann die Regurgitationsfraktion für die sTI berechnet werden und zusätzliche Informationen für die Graduierung liefern. Die Schwellenwerte für diesen Parameter wurden erst rezent mittels kardialer Magnetresonanztomografie validiert10 und die Validierung der Regurgitationsfraktion aus dreidimensionalen echokardiografischen Datensätzen ist in Kürze zu erwarten.
Bei Patienten mit sTI zielt die konservative Therapie auf die zugrunde liegende linksseitige Kardiomyopathie ab. Der Beginn und die Titration einer leitlinienkonformen Therapie für HFrEF und HFmrEF können die TI durch Verbesserung der systolischen und diastolischen LV-Funktion verringern. Schleifendiuretika werden verwendet, um die Volumenbelastung und damit die rechtsventrikuläre Nachlast zu verringern. Da Vorhofflimmern ein Risikofaktor für die Trikuspidalringdilatation und die progressive sTI ist, kann die Rhythmus- und Frequenzkontrolle über das gesamte EF-Spektrum eine wichtige Rolle spielen.
Behandlung der sekundären Trikuspidalinsuffizienz
Isolierte chirurgische Therapie der sTI wird nur äußerst zurückhaltend angewendet, da sie mit einer hohenperioperativen Mortalität assoziiert ist. Transkatheter-Trikuspidalinterventionen gelten als Niedrig-Risiko-Alternativen, es wurden bisher allerdings keine randomisierten Studien veröffentlicht, die die Reduktion der Langzeitmortalität belegen. Kürzlich wurde jedoch eine „propensity-matched“ Analyse des TriValve-Registers mit zwei großen retrospektiven Kohortenstudien durchgeführt,11 um Einblicke in die Wirksamkeit von Transkatheter-Trikuspidalinterventionen zu erhalten. Diese Analyse deutete auf verlängertes Überleben und weniger Rehospitalisationen durch TI-Interventionen hin. Die LVEF der Studienteilnehmer spiegelte mehr das HFmrEF- und HFpEF-Spektrum wider, ähnliche Resultate wurden jedoch auch in der Subgruppe der Patienten mit einer LVEF ≤35% beobachtet. Diese Daten bilden nun die Grundlage für die Durchführung randomisierter Studien.
Literatur:
1 Bartko PE et al.: Natural history of functional tricuspid regurgitation: implications of quantitative Doppler qssessment. JACC Cardiovasc Imaging 2019; 12: 389-397 2 Bartko PE et al.: Secondary valve regurgitation in patients with heart failure with preserved ejection fraction, heart failure with mid-range ejection fraction, and heart failure with reduced ejection fraction. Eur Heart J 2020; 41: 2799-2810 3 Topilsky Y et al.: Clinical presentation and outcome of tricuspid regurgitation in patients with systolic dysfunction. Eur Heart J 2018; 39: 3584-3592 4 Singh JP et al.: Prevalence and clinical determinants of mitral, tricuspid, and aortic regurgitation (the Framingham Heart Study). Am J Cardiol 1999; 83: 897-902 5 d’Arcy JL et al.: Large-scale community echocardiographic screening reveals a major burden of undiagnosed valvular heart disease in older people: the OxVALVE Population Cohort Study. Eur Heart J 2016; 37: 3515-3522 6 Topilsky Y et al.: Burden of tricuspid regurgitation in patients diagnosed in the community setting. JACC Cardiovasc Imaging 2019; 12: 433-442r 7 Chioncel Oet al.: Epidemiology and one-year outcomes in patients with chronic heart failure and preserved, mid-range and reduced ejection fraction: an analysis of the ESC Heart Failure Long-Term Registry. Eur J Heart Fail 2017; 19: 1574-1585 8 Bartko PE et al.: Tricuspid regurgitation secondary to heart failure: more pieces to solve the puzzle. Eur J Heart Fail 2020 9 Zoghbi WA et al.: Recommendations for noninvasive evaluation of native valvular regurgitation: areport from the American Society of Echocardiography developed in collaboration with the Society for Cardiovascular Magnetic Resonance. J Am Soc Echocardiogr 2017; 30: 303-371 10 Zhan Y et al.: Natural history of functional tricuspid regurgitation quantified by cardiovascular magnetic resonance. J Am Coll Cardiol 2020; 76: 1291-1301 11 Taramasso M et al.: Transcatheter versus medical treatment of patients with symptomatic severe tricuspid regurgitation. J Am Coll Cardiol 2019; 74: 2998-3008
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