
Atypische Schallfenster in der Echokardiografie: die Kür oder ein Muss?
Innere Medizin II Abteilung für Kardiologie Medizinische Universität Wien, AKH Abteilung für Kardiologie, Charité Univerisitätsmedizin Berlin E-Mail: matthias.schneider@meduniwien.ac.at
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Die transthorakale Echokardiografie ist eine hochstandardisierte Untersuchungsmethode der Kardiologie. Neben den üblichen Schnittebenen, die regelmäßig in der Routine eingesetzt werden, kann das Herz allerdings auch mit sogenannten atypischen Anlotungen dargestellt werden. Der folgende Text bespricht diese und welchen Stellenwert sie in der klinischen Praxis haben.
Keypoints
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Standardschnittebenen in der transthorakalen Echokardiografie sind PLAX und PSAX, die apikalen 4-Kammer-, 2-Kammer- und 3-Kammer-
Blicke sowie die subkostale Anlotung. -
Atypisch werden die Schnitte genannt, die nicht zu der genannten regulären Untersuchung gehören.
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Es handelt sich hierbei um reguläre und bei fast allen Patienten durchführbare Schnitte.
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Je nach Zuweisung sind diese Anlotungen essenziell, um Fragestellungen abschließend beantworten zu können.
Reguläre Untersuchung
Standardschnittebenen in der transthorakalen Echokardiografie sind die parasternale lange (PLAX) und kurze Achse (PSAX), die apikalen 4-Kammer-, 2-Kammer- und 3-Kammer-Blicke sowie die subkostale Anlotung.1 Die Herzklappen werden in allen diesen Schallfenstern im B-Bild morphologisch sowie im Farbdoppler-Bild funktionell begutachtet. Eine zusätzliche Messung der Flussgeschwindigkeit per CW-Doppler ist bei der Aortenklappe obligat, bei den übrigen Herzklappen sollte diese je nach Fragestellung bzw. Auffälligkeiten im Farbdopplerfluss durchgeführt werden.

Zusätzliche Schallfenster
Atypisch werden die Schnitte genannt, die nicht zu der oben genannten regulären Untersuchung gehören. Allerdings handelt es sich hierbei um reguläre und bei fast allen Patienten durchführbare Schnitte. Im folgenden Text wird auf mögliche zusätzliche Schallfenster und ihre Besonderheiten eingegangen.
Parasternale kurze Achse – Truncus pulmonalis
Eigentlich handelt es sich hierbei nicht um einen atypischen Schnitt, sondern um eine Fortführung der ohnehin standardmäßigen parasternalen kurzen Achse. Dennoch wird in vielen Laboren der Truncus pulmonalis nicht regelhaft dargestellt. Aus einem regulären 3-Klappen-Blick der PSAX kann durch eine geringe weitere Drehung im Uhrzeigersinn sowie eine Angulation in Richtung linke Schulter und Drehen des Patienten in die maximale Linksseitenlage bei fast allen Patienten ein Blick auf den Truncus pulmonalis erzielt werden.2 Bei den meisten können so nicht nur eine optimale CW-Doppler-Anlotung der Pulmonalklappe und die Messung der Weite des Truncus pulmonalis, sondern zusätzlich eine Darstellung der Pulmonalis-Bifurkation bis hin zu einer Darstellung der rechten Pulmonalarterie erzielt werden. Diese Einstellungen sind essenziell zum Ausschluss eines Ductus arteriosus sowie zur Quantifizierung einer allfälligen Pulmonalinsuffizienz.
Subkostales Schallfenster
Regulär wird von subkostal die Vena cava inferior dargestellt sowie im subkostalen 4-Kammer-Blick nach einem Perikarderguss gesucht. Dreht man in einem subkostalen 4-Kammer-Blick den Schallkopf gegen den Uhrzeigersinn, so lassen sich bei vielen Patienten, insbesondere bei solchen mit schlechten parasternalen Schallfenstern (z.B. bei ausgeprägter COPD bzw. Lungenemphysem), Kurzachsenschnitte ähnlich denen von parasternal darstellen. Insbesondere für die bei der Beurteilung der Morphologie einer Aortenklappe essenzielle kurze Achse sowie für die Beurteilung der Pulmonalklappe können die subkostalen Anlotungen diagnostisch wertvoll oder sogar entscheidend sein.
Trikuspidalklappe
Die genaue morphologische Beurteilung der Trikuspidalklappe im transthorakalen 2D-Echo ist eine Herausforderung.3 Während sich in den regulären Schnitten immer nur zwei der (meist) drei Segel darstellen lassen und nicht immer eindeutig ist, um welches Segel es sich anatomisch handelt, so kann bei vielen Patienten und insbesondere bei solchen mit dilatierten rechten Herzhöhlen in der parasternal kurzen Achse bzw. von subkostal eine En-face-Darstellung der Trikuspidalklappe erzielt werden.4,5
Pulmonalklappe
Die morphologische und funktionelle Darstellung der Pulmonalklappe ist bei der Fragestellung nach einer Endokarditis entscheidend. Bei allen Patienten mit einem Pulmonalklappenvitium bzw. nach Pulmonalklappenoperation (z.B. bei Zustand nach Ross-OP, Fallotpatienten) muss die Pulmonalklappe morphologisch und funktionell beschrieben werden. Von transthorakal kann die Darstellung von parasternal und apikal unbefriedigend bleiben, und auch die transösophageale Echokardiografie ist nicht immer hilfreich. In der subkostalen kurzen Achse (siehe oben) gelingt in vielen Fällen eine hochaufgelöste Darstellung der Pulmonalklappe, des Truncus pulmonalis und häufig auch der rechten Pulmonalarterie (Abb. 1).6

Vena cava inferior
Die Vena cava inferior (VCI) wird regulär in jeder transthorakalen Untersuchung dargestellt, um die Atemvariabilität zu dokumentieren, dies erlaubt Rückschlüsse auf den rechtsatrialen Druck. Gerade bei schlanken Patienten ist die VCI teilweise im gesamten Abdomen einsehbar. Bei Patienten mit Nierenzellkarzinom sind hier Metastasen entlang der VCI klassisch und können echokardiografisch dargestellt werden. Exemplarisch wird in Abbildung 2 das transthorakale Echo einer 22-jährigen Patientin gezeigt, die nach erfolgreicher Reanimation nach einem Unfall bereits seit einigen Tagen extubiert auf einer Normalstation lag. Die Weiterverlegung in eine Rehabilitationsklinik war für denselben Tag geplant, eine abschließende Echokardiografie noch ausständig. Die vorigen während des Akutgeschehens auf der Intensivstation durchgeführten fokussierten Untersuchungen hatten einen Normalbefund ergeben. Die VCI war über 10cm nach kaudal einsehbar, es zeigte sich – typisch für eine junge schlanke Patientin – eine weite und ansonsten unauffällige VCI. Mit dem atypischen Blick weiter nach distal zeigte sich jedoch 15cm kaudal des rechten Vorhofs ein langer flottierender Thrombus. Eine therapeutische Antikoagulation wurde direkt im Anschluss an das Echo eingeleitet.

Suprasternales Schallfenster
Von suprasternal werden klassischerweise der Aortenbogen und die Aorta descendens dargestellt. Der Blick ist eine Standardanlotung bei der Beurteilung einer Aorteninsuffizienz, da der retrograde diastolische Fluss ein wichtiges Diagnosekriterium ist. Zudem kann eine Aortenisthmusstenose ausgeschlossen bzw. ein Ductus arteriosus dargestellt werden. Zusätzlich sollte die Anlotung als atypischer Blick bei der Beurteilung einer Aortenstenose eingesetzt werden, wenn die Gradienten von apikal nicht ausreichend ableitbar sind. In seltenen Fällen kann der maximale Gradient von suprasternal gewonnen werden (Abb. 3).
Rechtsparasternale Anlotung
Die rechtsparasternale Anlotung mit dem speziellen Schallkopf PencilProbe gehört zu jeder Beurteilung einer Aortenklappenstenose, bei der die abgeleiteten Gradienten von den üblichen Schallfenstern (insbesondere apikaler 5-Kammer-Blick) nicht zu der Morphologie der Aortenklappe passen (niedrige Gradienten trotz stark verkalkter und nur schlecht öffnender Klappe) und sich diese Diskrepanz nicht durch eine niedrige Flusssituation erklären lässt („lowflow –lowgradient“).7
Zusammenfassung
Atypische Schnittebenen sind keine Kür für besonders interessierte Echokardiografen, sondern müssen zum Repertoir eines jeden Untersuchers gehören. Je nach Zuweisung sind diese Anlotungen essenziell, um Fragestellungen abschließend beantworten zu können.
Literatur:
1 Lang RM et al.: Recommendations for cardiac chamber quantification by echocardiography in adults: an update from the American Society of Echocardiography and the European Association of Cardiovascular Imaging. Eur Heart J Cardiovasc Imaging 2015; 16(3): 233-70 2 Schneider M et al.: Pulmonary artery to ascending aorta ratio by echocardiography: a strong predictor for presence and severity of pulmonary hypertension. PLoS One 2020; 15(7): e0235716 3 Badano LP et al.:Morphological assessment of the tricuspid apparatus and grading regurgitation severity in patients with functional tricuspid regurgitation: thinking outside the box. JACC Cardiovasc Imaging 2019; 12(4): 652-64 4 Schneider M et al.: Added value of transthoracic 2D echocardiographic en face view of the tricuspid valve. Wien Klin Wochenschr 2020; 132(3-4): 94-65 Stankovic I et al.: Incremental value of the en face view of the tricuspid valve by two-dimensional and three-dimensional echocardiography for accurate identification of tricuspid valve leaflets. J Am Soc Echocardiogr 2014; 27(4): 376-84 6 Rudski LG et al.: Guidelines for the echocardiographic assessment of the right heart in adults: a report from the American Society of Echocardiography endorsed by the European Association of Echocardiography, a registered branch of the European Society of Cardiology, and the Canadian Society of Echocardiography. J Am Soc Echocardiogr 2010;23(7): 685-713; quiz 786-8 7 Baumgartner H et al.: Recommendations on the echocardiographic assessment of aortic valve stenosis: a focused update from the European Association of Cardiovascular Imaging and the American Society of Echocardiography. Eur Heart J Cardiovasc Imaging 2017; 18(3): 254-75