Antibiotika bei Endokarditis: ambulante Fortsetzung der stationären Therapie
Artikel geprüft von:
Univ.-Prof. Florian Thalhammer
Medizinische Universität Wien
Bericht:
Reno Barth
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Nach einer erfolgreichen initialen stationären, parenteralen Antibiotikatherapie besteht bei vielen Patient:innen mit bakterieller Endokarditis die Option einer ambulanten Weiterbehandlung. Diese kannsowohl mit oralen Antibiotika als auch in Form einer ambulanten parenteralen Antiinfektivatherapie (APAT) erfolgen. Die Studiendaten für die orale Therapie sind gut, es stellt sich jedoch die Frage, wie weit diese auf realistische Patientenpopulationen übertragbar sind. APAT stellt eine praktikable und sichere Alternative dar.
Keypoints
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In unkomplizierten Fällen ist ab dem 10. Tag eine ambulante antibiotische Therapie einer Endokarditis möglich.
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Ambulante Therapie kann sowohl mit oralen als auch parenteralen Antibiotika erfolgen.
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Die Wirksamkeit der oralen Therapie wurde in mehreren klinischen Studien bestätigt.
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Compliance-Probleme können im klinischen Alltag die Wirksamkeit der oralen Therapie konterkarieren.
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Als Alternative zur oralen Therapie bietet sich die ambulante parenterale Antiinfektiva-therapie (APAT) an.
Die frühe, kritische Phase einer Endokarditis erfordert stationäre Aufnahme mit intravenöser, bakterizider Antibiotikatherapie, allenfalls chirurgischer Intervention inklusive der Entfernung infizierter kardialer Devices und der Drainage von Abszessen. Die Leitlinie der europäischen Kardiologengesellschaft ESC empfiehlt bei ambulant erworbener infektiöser Klappenendokarditis oder später Prothesen-Endokarditis (mindestens 12 Monate nach OP) eine empirische Initialtherapie mit Ampicillin in Kombination mit Ceftriaxon oder mit (Flu)Cloxacillin und Gentamycin. Stellt sich MRSA als Ursache der Infektion heraus oder besteht eine Penicillinallergie, so werden Daptomycin und Ceftarolin empfohlen.
Während in komplizierten Fällen eine stationäre Behandlung über mehrere Wochen erforderlich ist, kann bei stabilen Patienten ab dem zehnten Tag bzw. ab dem siebenten Tag nach einem chirurgischen Eingriff eine Umstellung der Therapie erwogen werden. Dies betrifft sowohl Entlassung und ambulante Weiterbehandlung als auch den Switch von parenteraler auf orale Therapie. Eine ambulante Therapie stellt in Zeiten von Betten- und Personalmangel auch aus ökonomischen Erwägungen eine interessante Option dar. Bei der Umstellung auf orale Behandlung (OPAT) müssen allerdings das bakteriologische Profil inklusive Resistenzen, mögliche Medikamenteninteraktionen sowie die zu erwartende Compliance der Patient:innen bedacht werden. Als Alternative bietet sich die ambulante parenterale Antiinfektivatherapie (APAT) an. Hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Antibiotika gibt die Leitlinie nur für die OPAT, nicht jedoch für die APAT Empfehlungen.1
Umstellung auf OPAT oder APAT ab dem zehnten Tag möglich
Um für eine ambulante Therapie infrage zu kommen, müssen Patient:innen laut Leitlinie mindestens zehn Tage adäquater intravenöser Antibiotikatherapie (bzw. sieben Tage nach Klappenoperation) absolviert haben und mindestens zwei Tage fieberfrei (<38 Grad) sein. Gefordert werden Leukozyten unter 15 x 109/l, CRP<20mg/l oder <25% des Höchstwertes, der während der laufenden Behandlung gemessen wurde, sowie ein BMI unter 40kg/m2 und kein Verdacht auf eingeschränkte Medikamentenaufnahme. Mittels transösophagealen Ultraschalls müssen Abszesse oder progrediente Klappenauffälligkeiten ausgeschlossen werden.2,3
Allerdings sind etliche Fragen rund um die Antibiotikatherapie der Endokarditis nach wie vor ungelöst. In einem Review aus dem Jahr 2023 werden relevante Fragen rund um das Management der infektiösen Endokarditis aufgeworfen und beantwortet, soweit dies auf Basis der vorliegenden Evidenz möglich ist. Eines der Ergebnisse ist eine Empfehlung gegen den Einsatz von Aminoglykosiden, da diese mit beträchtlicher Nephrotoxizität assoziiert sind. Ob Rifampicin als Kombinationspartner einen Mehrwert bringt, ist in Diskussion. Auch das Thema der oralen Therapie wird angesprochen – beispielsweise im Hinblick auf die infrage kommenden Keime. Während bei unkomplizierten Infektionen mit Streptokokken oder Enterokokken eine orale Behandlung eine Option darstellt, fehlt zu komplizierten Infektionen mit resistenten Erregern wie zum Beispiel MRSA derzeit noch die Evidenz. In derselben Arbeit wird die Rolle der lang wirksamen Lipoglykopeptide, die sich aufgrund ihrer Wirkdauer insbesondere für die APAT eignen, positiv bewertet.4 Da beispielsweise mit Dalbavancin nur eine Infusion alle zwei Wochen erforderlich ist, löst diese Strategie auch die logistischen Probleme, die mit einer APAT verbunden sein können, erläutert Univ.-Prof. Florian Thalhammer von der Medizinischen Universität Wien und fügt hinzu, dass die APAT sowohl im niedergelassenen Bereich als auch in Ambulanzen durchgeführt werden kann.
Orale Therapie: klinische Studien vs. klinischen Alltag
Der Stellenwert einer oralen Therapie ist insgesamt in Diskussion. In der dänischen POET-Studie (Partial Oral Treatment of Endocarditis) wurden für eine orale Therapie geeignete Patient:innen mit infektiöser Endokarditis (ausgelöst durch S. aureus, Koagulase-negative Staphylokokken, Streptococcus spp. oder Enterococcus faecalis) randomisiert oral oder parenteral behandelt. Die Studie ergab über fünf Jahre eine signifikante Überlegenheit der oralen Therapie im Hinblick auf den kombinierten primären Endpunkt aus symptomatischem embolischem Ereignis, ungeplanter Herzoperation, Rezidiv der Bakteriämie und Gesamtmortalität.5
Allerdings gibt Thalhammer zu bedenken, dass die orale Therapie außerhalb der deutlich selektierten Populationen der klinischen Studien an unterschiedliche Grenzen stoßen kann. Ein wichtiger Faktor dabei sind Compliance-Probleme, die durch Polypharmazie noch verstärkt werden können. Thalhammer weist in diesem Zusammenhang auf Studien hin, in denen die Medikamenteneinnahme elektronisch überwacht wurde und die generell eine eingeschränkte Adhärenz bei der oralen Therapie zeigen. Bei Verdacht auf Compliance-Probleme wurden Patient:innen aus den klinischen Studien ausgeschlossen. Auch Resorptionsstörungen, beispielsweise infolge eines Kurzdarmsyndroms, können die Wirksamkeit einer oralen Therapie reduzieren. Ein weiteres Problem können Medikamenteninteraktionen darstellen. Beschrieben wurde beispielsweise eine Interaktion von Linezolid mit Rifampicin, die in reduzierten Serumspiegeln von Linezolid resultierte.6 Rifampicin reduzierte in der Tuberkulosetherapie die Plasmakonzentrationen von Moxifloxacin.7 Bei Umstellung auf orale Therapie ist auch das Keimspektrum inklusive Resistenzen zu beachten. Allergien können die Wahl der einsetzbaren Antibiotika beschränken. Generell ist die orale Therapie nicht per se besser verträglich als die parenterale. So ist beispielsweise Clindamycin mit einem hohen Risiko für Clostridium-difficile-Infektionen assoziiert, Linezolid kann zu Anämie, Thrombopenie und Polyneuropathie führen, die Fluorchinolone Delafloxacin und Moxifloxacin haben Black-Box-Warnungen.2 Die Bioverfügbarkeit ist bei einigen oralen Antibiotika ausgesprochen schlecht.
Darüber hinaus wurden in den Studien zur oralen Therapie primär Patient:innen mit relativ einfachen Infektionen untersucht. In weiteren Studien, die ebenfalls eine signifikante Überlegenheit der oralen Therapie nahelegten, waren ca. 50% der Studienpopulation von Streptokokken betroffen, 22% waren mit S. aureus infiziert, allerdings fanden sich in der Studie kein MRSA-Patient und keine Infektion mit E. faecium.8,9 Was bislang aussteht, ist ein Vergleich einer APAT mit einem lang wirksamen Lipoglykopeptid mit einer oralen Therapie, betont Thalhammer, der eine Reihe von Vorteilen für die APAT sieht. Sie vermeidet Probleme mit Compliance und Interaktionen und reduziert für die Patient:innen die Pill Burden. Für Dalbavancin und Oritavancin bestehen zwar keine Zulassungen für die Behandlung der infektiösen Endokarditis, sie zeigen jedoch ausgezeichnete Aktivität gegen Koagulase-negative Staphylokokken (KNS), S. aureus und Enterokokken. Hinsichtlich der Abtötungsrate in vitro ist Oritavancin im Vergleich zu Dalbavancin überlegen. Bei beiden Lipoglykopeptiden ist kein Monitoring der Plasmaspiegel erforderlich.10,11
Literatur:
1 Delgado V et al.: 2023 ESC Guidelines for the management of endocarditis. Eur Heart J 2023; 44(39): 3948-4042 2 Spellberg B et al.: Evaluation of a paradigm shift from intravenous antibiotics to oral step-down therapy for the treatment of infective endocarditis: a narrative review. JAMA Intern Med 2020; 180(5): 769-77 3 Pries-Heje M et al.: Clinical implementation of partial oral treatment in infective endocarditis: the Danish POETry study. Eur Heart J 2023; 44(48): 5095-106 4 Adema JL et al.: Heartbreaking decisions: the dogma and uncertainties of antimicrobial therapy in infective endocarditis. Pathogens 2023; 12(5): 703 5 Pries-Heje MM et al.: Five-year outcomes of the partial oral treatment of endocarditis (POET) trial. N Engl J Med 2022; 386(6): 601-2 6 Gebhart BC et al.: Decreased serum linezolid levels in a critically ill patient receiving concomitant linezolid and rifampin. Pharmacotherapy 2007; 27(3): 476-9 7 Nijland HMJ et al.: Rifampicin reduces plasma concentrations of moxifloxacin in patients with tuberculosis. Clin Infect Dis 2007; 45(8): 1001-7 8 Iversen K et al.: Partial oral versus intravenous antibiotic treatment of endocarditis. N Engl J Med 2019; 380(5): 415-24 9 Bundgaard H et al.: Long-term outcomes of partial oral treatment of endocarditis. N Engl J Med 2019; 380(14): 1373-4 10 Sweeney D et al.: Comparative in vitro activity of oritavancin and other agents against methicillin-susceptible and methicillin-resistant Staphylococcus aureus. Diagn Microbiol Infect Dis; 87(2): 121-8 11 Tobudic S et al.: Dalbavancin as primary and sequential treatment for gram-positive infective endocarditis: 2-year experience at the general hospital of Vienna. Clin Infect Dis 2018; 67(5): 795-8
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