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Organisationskultur und Infektionskontrolle
Jatros
30
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05.06.2019
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<p class="article-intro">Um Infektionsprävention und -kontrolle zu verbessern, muss man verstehen, wie Organisationskultur funktioniert und wie man sie verbessern kann. Prof. Dr. Michael A. Borg, Malta, gab im Eröffnungsvortrag des 13. Österreichischen Infektionskongresses (ÖIK) faszinierende Einblicke in das Wesen von Organisationskulturen und zeigte auf, wie man damit arbeiten kann.</p>
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<p class="article-content"><p>Obwohl es natürlich viele komplexe Definitionen des Begriffs Kultur gibt, kann man vereinfacht sagen: Es ist die Art, wie Dinge in einem bestimmten Land, an einem bestimmten Ort oder in einer bestimmten Organisation getan werden, und das trifft natürlich auch auf Gesundheitseinrichtungen zu“, sagte Prof. Dr. Michael A. Borg, Mater Dei Hospital und Universität Malta. „Ich glaube, dass die Veränderung der Organisationskultur, mit dem Zweck, eine bessere Infektionsprävention und -kontrolle zu schaffen, unser nächstes großes Ziel ist“, fuhr Borg fort.</p> <h2>Dimensionen und Modelle</h2> <p>Um kulturverändernde Strategien in einer Krankenhausumgebung anzuleiten, ist es notwendig, die Persönlichkeiten der unterschiedlichen Berufsgruppen zu verstehen, die dort arbeiten, insbesondere jene von Ärzten und Pflegepersonal. Eine australische Studie<sup>1</sup> zeigte, dass Ärzte sich als unabhängige und fortschrittliche Denker betrachten. Sie verstehen den Zweck von Regeln, rationalisieren aber für sich selbst, warum sie ihnen nicht unbedingt folgen müssen. Sie glauben, aufgrund ihres Wissens zu unabhängigem Handeln imstande zu sein. Sie verhalten sich zynisch gegenüber vorgefertigten Botschaften und versteckten Absichten. <br />Krankenschwestern und -pfleger versuchen hingegen, ihre eigenen Bedürfnisse gegen die anderer abzuwägen. Es geht um das Team, nicht um den Einzelnen. Das Ziel ist kollektiv, das Verhalten individuell. Sie sind auf die Gegenwart (nicht auf die Vergangenheit oder Zukunft) fokussiert und zeigen großes Engagement, wenn sie sich emotional beteiligt fühlen. <br />Organisationen wie Krankenhäuser sind von der nationalen Kultur der Länder, in denen sie sich befinden, beeinflusst. In diesem Zusammenhang ist es nützlich, Geert Hofstedes Kulturdimensionen<sup>2</sup> zu kennen:</p> <ul> <li>Machtabstand (sind Hierarchien steil oder flach?)</li> <li>Individualismus vs. Kollektivismus</li> <li>Maskulinität vs. Feminität</li> <li>Vermeidung von Unsicherheiten</li> <li>Langfristige vs. kurzfristige Orientierung</li> <li>Nachgiebigkeit vs. Beherrschung</li> </ul> <p>„Diese Dimensionen zu verwenden kann sehr nützlich sein, um das Verhalten von Menschen zu verstehen, die im Gesundheitssystem arbeiten. Es gibt inzwischen zahlreiche Publikationen, die zeigen, dass einige dieser Dimensionen konkrete Auswirkungen auf die Verschreibungspraxis von Antibiotika haben“, so Borg. <br />Will man die Kultur innerhalb einer Organisation verstehen, muss ein etwas anderes Modell verwendet werden, das ebenfalls von Hofstede aufgestellt wurde (Abb. 1). Im Kern stehen Werte: die zentralen Werte einer bestimmten Kultur, die sich sehr wenig verändern. Rituale können alles sein, vom Händeschütteln bis zur persönlichen Hygiene. Sie verändern sich langsam. Helden sind Vorbilder, fiktive oder reale Personen, welche die Kultur beeinflussen. Symbole können Marken wie Apple oder BMW sein, die sich mit der Mode verändern. Die drei äußeren Schichten können durch Interventionen verändert werden, die auf die sechs oben beschriebenen kulturellen Dimensionen wirken. <br />„Organisationskulturen zu verändern ist eine Herausforderung. Der beste Gradmesser für Wirksamkeit sind Veränderungen von Ritualen. Dafür braucht es Führungsqualitäten und eine effektive Kommunikation und sie müssen mit der nationalen Kultur vereinbar sein. Multimodale Methoden bieten die besten Erfolgschancen“, so Borg abschließend.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Infekt_1902_Weblinks_s8_abb1.jpg" alt="" width="280" height="347" /></p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: „Organisational culture and its implications for infection prevention and control in healthcare“, Eröffnungsvortrag des 13. ÖIK, Prof. Dr. Michael A. Borg, Mater Dei Hospital und Universität Malta, 27. März 2019, Saalfelden
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Grayson ML et al.: Use of an innovative personality-mindset profiling tool to guide culture-change strategies among different healthcare worker groups. PLoS One 2015; 10(10): e0140509. doi:10.1371/journal.pone.0140509 <strong>2</strong> Hofstede G, Hofstede GJ: Lokales Denken, globales Handeln: interkulturelle Zusammenarbeit und globales Management. 5., durchges. Aufl., 2011. München: DTV. ISBN 978-3-423- 50807-0, 978-3-406-62578-7</p>
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