
Von Antibiotika bis zum selbstlernenden Roboter
Bericht:
Dr. med. Thomas Ferber
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
«Ich bin froh, wieder vor so viel Leuten sprechen zu dürfen», sagte sichtlich erfreut Prof. Dr. med. Volker Viereck, Co-Chefarzt Frauenklinik, Chefarzt Urogynäkologie, Frauenfeld, beim Symposium Urogynäkologie. Die äusserst lehrreiche Veranstaltung der Frauenkliniken Frauenfeld und Aarau fand Ende Oktober in der Kartause Ittingen statt.
Unter dem Motto «modernizing urogynecology» berichteten Referentinnen und Referenten über aktuelle Trends bei Infektionen, Sexualtherapie, Inkontinenzbehandlungen und Therapien bei Senkungen.
Urogynäkologische Weltreise
Einleitend gab Prof. Dr. med. Annette Kuhn, Inselspital Bern, einen originellen und aufschlussreichen Überblick über die Urogynäkologiean verschiedenen Standorten in der Welt. Dabei machte sich Kuhn persönlich auf die Reise und besuchte Kliniken in England, den USA, Kanada und Australien inklusive Tasmanien und beendete ihre Tour via Fidschi und Singapur. Spannend fand Kuhn spezielle Programme in den USA für «American Indian and Alaska Native Women» und meinte schmunzelnd, dass es ihr nicht bekannt sei, ob es in der Schweiz für die Urkantone spezielle Programme geben würde. Solche Programme gibt es auch in Kanada, Australien und Tasmanien. In Australien gibt es ausserdem die Subspezialität «Obstetrical and Gynaecological Ultrasound». In Fidschi werden nur kleinere Eingriffe vor Ort gemacht, alle anderen Operationen werden in Australien durchgeführt. In vielen südostasiatischen Ländern wird der Bedarf an Urogynäkologen bei Weitem nicht erfüllt. Vorgeschlagen wird, auch nicht ärztliches medizinisches Personal in einfacheren Operationen auszubilden, um damit die Versorgung zu decken.
HWI: Zunahme der Antibiotikaresistenzen
«Wir haben ein kleines Problem: Uns gehen die Antibiotika aus», sagt PD Dr. med. David A. Scheiner, Universitätsspital Zürich. Die Ursachen liegen teils beim übermässigen oder voreiligen Gebrauch, so auch bei den Harnwegsinfektionen (HWI). Jede zweite Frau ist einmal im Leben davon betroffen. Die HWI werden in unkomplizierte und komplizierte unterteilt. Von rezidivierenden HWI spricht man, wenn 2 HWI innert 6 Monaten oder 3 HWI innert 12 Monaten auftreten, was 4–10% aller Frauen betrifft. Relapse sind HWI mit gleichem Erreger innerhalb von 2 Wochen nach Therapieende. E. coli ist in 70–95% der HWI der Erreger (CH: 17% resistent gegen Fluorochinolone, 23% gegen Amoxicillin/Clavulansäure, 26% gegen Trimethoprim/Sulfamethoxazol). Weitere Erreger sind mit 10–15% Staph. aureus (CH: ca. 6% MRSA) sowie Klebsiella pneumoniae und Proteus mirabilis.
«Was würde passieren, wenn auf Antibiotika beim HWI verzichtet würde?», fragt Scheiner. In einer Vergleichsstudie war rund ein Drittel der Frauen nach 7–10 Tagen ohne Antibiotika beschwerdefrei. Ein Fazit aus fünf randomisierten Vergleichsstudien beim unkomplizierten HWI ergibt, dass Antibiotika wohl besser abschneiden, aber keinen Vorteil gegenüber Placebo bei der Vermeidung einer Pyelonephritis zeigen. Studien zeigen, dass eine asymptomatische Bakteriurie nicht antibiotisch behandelt werden soll. Dies führt nur zu mehr HWI und Resistenzen.
Weltweit und auch in der Schweiz gibt es Anstrengungen, den Antibiotikaverbrauch und damit die Resistenzen einzudämmen. Wegweisend sind die Leitlinien der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG/SSGO) vom Mai 20201 und der Schweizerischen Gesellschaft für Infektiologie (SSI)2. Eine Reihe von nicht antibiotischen prophylaktischen Massnahmen hat sich mehr oder weniger gut bewährt (D-Mannose, Estriol, Probiotika, Uro-Vaxom®, Blaseninstillation).
STD: vor Corona ist nach Corona
Prof. Dr. med. Stephan Lautenschlager, Stadtspital Waid und Triemli, Zürich, wies darauf hin, dass bei der Diagnose und Behandlung von sexuell übertragbaren Erkrankungen (STD) immer auch die «dritte» Person gesucht und mitbehandelt werden sollte. Nachdem Reiseeinschränkungen zu einem Rückgang der STD, speziell HIV und Syphilis, geführt hatten, nehmen diese nun wieder zu, und zwar nicht nur bei jungen Menschen, sondern auch bei über 70-Jährigen, wie Lautenschlager berichtet.
Zum Routinescreening gehören an einer STD-Klinik: HIV (AK), Syphilis (TPPA), Gonorrhö (PCR, Vaginalabstrich, ev. extragenital) sowie Chlamydia trachomatis (PCR, Vaginalabstrich). Eventuell kommen noch eine typspezifische HSV-Serologie, Anti-HBc und HCV-AK hinzu. Beim genitalen Ulkus sollte an HSV (PCR), Syphilis (Dunkelfeld, PCR, TPPA), Ulcus molle (PCR) und HIV (AG und AK) gedacht werden. Eine bakteriologische Kultur kann die Diagnostik weiterführen, eventuell auch eine Biopsie bei CMV-Verdacht. Bei Fluor/Cervizitis stehen Gonorrhö, Chlamydien, Mycoplasma genitalium oder auch HSV im Vordergrund.
Bei Frauen ist rund die Hälfte der Infektionen mit N. gonorrhoeae asymptomatisch oder präsentiert sich klinisch unspezifisch (z.B. Ausfluss, Dysurie). «An andere Infektionsorte sollte gedacht werden, z.B. Proktitis, Pharyngitis», so Lautenschlager. Derzeit gilt bei unkomplizierter Gonorrhö die Gabe von 500–1000mg Ceftriaxon + 1500mg Azithromycin als Standardtherapie, wobei eine Resistenztestung unerlässlich ist.
Die Syphilis wird derzeit in der Schweiz vor allem in den grossen Städten beobachtet, am häufigsten bei Menschen in der 4. und 5. Lebensdekade. Auffällig ist, dass im Jahr 2021 10% aller Fälle ab der 7. Lebensdekade auftraten. Die Klinik der primären Syphilis ist häufig atypisch, verbunden auch mit extragenitalen Läsionen. Auch die sekundären Formen sind oft asymptomatisch, transient oder werden einfach nicht entdeckt.
Dyspareunie: frühzeitig den Schmerz umfassend angehen
Sexualtherapeutin Dr. med. Nicole Viereck, Kantonsspital Frauenfeld, teilte in ihrem Referat die sexuellen Funktionsstörungen der Frau in die drei grossen Bereiche Schmerz, Lust und Orgasmus ein. Bei der Schmerzanamnese stellen sich Fragen wie: wo genau, seit wann und wann? Daraus ergibt sich dann die Einteilung in äussere oder – wenn der Schmerz abdominal ausgelöst wird – innere Dyspareunie.
Häufig steht die vaginale Trockenheit im Vordergrund. Ursachen können unzureichende sexuelle Erregung oder eine vaginale Atrophie aufgrund von Östrogenmangel (postmenopausal, Antihormone) sein. Differenzialdiagnostisch gilt es, den Vaginismus (Penetrationsversuch löst Abwehrreflex und später bei forciertem Versuch sekundär Schmerzen aus) von der Dyspareunie abzugrenzen. Bei einer leichten Dyspareunie soll ursachen- und symptomorientiert behandelt werden.
Ist die Behandlung erfolglos und hält die Störung länger als 3 Monate an, dann soll zweigleisig weitergefahren werden. «Es gilt, zusammen mit der Patientin direkt am Symptom Schmerz zu arbeiten», so Viereck. Zu fragen ist auch, wie die Auswirkungen auf das Leben und auf die Partnerschaft sind. Chronische Dyspareunien werden zu den Vulvodynien gezählt, lokalisiert und provoziert. Spätestens jetzt braucht es eine therapeutische Allianz, die verschiedene Fachdisziplinen, wie Gynäkologie, Urologie, Dermatologie, Neurologie oder auch die Schmerzmedizin, Sexualtherapie, Physiotherapie und Psychologie oder Psychiatrie, umfassen kann. Verschiedene Behandlungsansätze können erfolgreich sein.
Androgene bei Lust- und Vibratoren bei Orgasmusstörungen?
Bei den Störungen der Lust stehen im gynäkologischen Bereich die Schwangerschaft und das Kind als psychosoziale Ursache im Vordergrund sowie hormonelle Faktoren, Harninkontinenz und Blasenfunktionsstörungen, nervenverletzende Eingriffe oder die Geburt als somatische Ursachen. Obwohl viele Hormone bei der Sexualität eine Rolle spielen, dominiert als Hauptfaktor das Testosteron. Testosteronersatztherapien sind nur für postmenopausale Frauen geeignet. Zur Therapie gibt es einen Konsensus der International Menopause Society (IMS).3
Vaginales DHEA wird für die vulvovaginale Atrophie bei postmenopausalen Frauen eingesetzt, z.B. täglich 6,5mg Prasteron intravaginal. Das Medikament kann aber auch helfen, neue Dynamik in die Sexualität zu bringen.
Bei Orgasmusstörungen sind Aufklärung und Information, welche Wege zum Orgasmus führen können, wichtig. Es gibt keinen Grund, allein klitoral aktivierte Orgasmen als Mangel oder Defizit zu erklären, so Viereck. Für die meisten Frauen sei die Klitorisstimulation der Königsweg zum Orgasmus. Doch viele Frauen können auch vaginal aktivierte Orgasmen erleben oder auch uterin, mammilär oder mental ausgelöste. Auch Vibratoren können hilfreich sein.
Physiotherapie: bei vielenProblemen unerlässliche Begleittherapie
Wichtige Aufgaben der Physiotherapie sind laut Conny Rotach-Mouridsen, Kantonsspital Frauenfeld, das Coaching der Patientinnen sowie die Unterstützung zur Widerstandsfähigkeit, Akzeptanz der Situation und Fähigkeit, Krisen oder Ängste zu meistern (Resilienz). Die Physiotherapie wirkt auch auf das Mindset der Patientinnen ein (Denkweise und Verhaltensmuster bzw. innere Haltung). Ziel ist eine Verbesserung der Lebensqualität. Der Feedforward-Mechanismus, ein Teil der Bewegungsstrategie, soll bewirken, dass der Körper schon vor der eigentlichen Bewegung Massnahmen ergreift, um die Bewegung sicher und fliessend zu ermöglichen. Auch «Shared Decision Making», wo gemeinsam mit der Patientin Entscheidungen getroffen werden, ist ein wesentlicher Bestandteil der evidenzbasierten Physiotherapie.
Die Physiotherapie vermag auf viele urogynäkologische Probleme, bei denen Muskel- und Nervensystem eine Rolle spielen, therapeutisch einzuwirken und Verbesserungen, Stabilisierungen oder eine Wiederherstellung ursprünglicher Funktionen zu erzielen. Rotachs Vortrag zeigte eindrücklich, dass die Physiotherapie bei vielen urogynäkologischen Problemen als Begleittherapie unerlässlich ist. Essenziell ist es, die Patientinnen physiotherapeutisch ganzheitlich zu behandeln und nicht ausschliesslich auf den Beckenboden zu fokussieren. Es sollte eine Komplementierung im Alltag stattfinden, damit ein anderes Bewegungsmuster erlangt werden kann.
Pessartherapie: viel Erfahrung trägt zum Erfolg bei
Marlies von Siebenthal, Kantonsspital Frauenfeld, sprach über «Pessare als die wirkungsvollste und genialste Soforttherapie» bei Belastungsinkontinenz und Senkungsbeschwerden. Sie gab einen Überblick über früher und heute verwendete Pessarmodelle und die neuesten Innovationen. Wichtig bei der Pessartherapie sei die Erfahrung der betreuenden Fachfrau. Von Siebenthal erklärte, wie Pessare eingeführt und entfernt werden, wann sie getragen werden (am Tag, selten nachts, Sport, körperliche Tätigkeiten) und wann nicht (z.B. bei Infektionen und während der Menstruation).
Pessare werden bis zur Beschwerdefreiheit oder nur vorübergehend, z.B. als Überbrückung bis zu einer Operation, angewendet. Sehr wichtig ist es, die empfohlene Verwendungsdauer und Hygieneregeln einzuhalten. Schwierigkeiten mit Ring- und Würfelpessaren können auftreten, aber auch behoben werden. Regelmässige Kontrollen in zeitlich sinnvollen Intervallen gehören zur Therapie. Die häufigsten Fehler und Probleme bei der Pessartherapie sind: falscher Pessartyp, keine Hormoncreme, Nebenwirkungen (Allergie auf Creme, Wegwerfmaterial), Dislokation (Schmerzen), kein Faden am Urethralpessar oder fehlende Beratung und ungenügende Instruktion. «Bei Patientinnen, die nicht mehr in der Lage sind, das Pessar selbst zu entfernen, sind regelmässige Kontrollen wichtig, denn ein vergessenes Pessar kann fatale Folgen haben», sagte von Siebenthal.
Lasertherapie: Expertenbrief No. 69
Dr. med. Julia Münst, Kantonsspital Frauenfeld, präsentierte ein Update zur Lasertherapie in der Urogynäkologie. Laser regen die Kollagenneubildung und die Geweberegeneration an. Mögliche Anwendungen der vulvovaginalen Lasertherapie sind die Belastungsinkontinenz (SUI), das urogenitale Menopausensyndrom (GSM), die überaktive Blase (OAB), Senkung/Prolaps und Vaginal Laxity sowie der Lichen sclerosus. Im Expertenbrief Nummer 69 der SGGG/SSGO vom Februar 2021 wird über die «Anwendungen, Anforderungen und Evidenz der vulvovaginalen / urogynäkologischen Lasertherapie in der Gynäkologie – eine neue konservative Therapie» berichtet.4 Zur Belastungsinkontinenz wurde die IncontiLase®-Studie1 durchgeführt. Die Ergebnisse sind mit einem besseren Behandlungserfolg der Laserbehandlung gegenüber Placebo vielversprechend. Es läuft bereits eine Nachfolgestudie mit 3 anstatt 2 Behandlungen und einer höheren Laserdosis. «Wir nehmen noch Patientinnen auf», so Münst.
Das Fazit der Lasertherapie sieht gemäss Studienlage und Expertenbrief für SUI I und II nach 2 Jahren intravaginaler Behandlung gut aus. Die Indikation für IncontiLase® (Fa. Fotona) lautet somit: Frauen mit milder Belastungsinkontinenz, bei nicht abgeschlossener Familienplanung, wenn kein alloplastisches Material (TVT, Bulking Agents) und eine minimalst invasive Therapie erwünscht sind.
Bei GSM ist das Fazit der Lasertherapie in Bezug auf die Studienlage gut, sowohl für den CO2- als auch den Er:YAG-Laser. Die Behandlung scheint sich als Alternative zur vaginalen Östrogentherapie zu etablieren. Die Wirkungsdauer beträgt 12 Monate und Nebenwirkungen sind gering und vorübergehend.
Bulkamid® vs. TVT: 3-Jahres-Daten
Prof. Dr. med. Tomi Mikkola vom Helsinki University Hospital sprach zum Einsatz von Bulkamid ® bei SUI und berichtete über die 3-Jahres-Ergebnisse dieser Behandlung im Vergleich zur Schlingentherapie («tension-free vaginal tape», TVT). Die Studienanlage wird auf clinicaltrials.gov (NCT02538991) ausführlich beschrieben. Da die Studie noch nicht publiziert ist, kann hier nicht auf die einzelnen Ergebnisse eingegangen werden. Nur so viel sei verraten: Für Frauen unter 40Jahre wird aufgrund der Studienergebnisse Bulkamid® als Erstlinientherapie empfohlen.
Prähabilitation mindert OP-Komplikationen
Prof. Dr. med. Roland Francis, Charité – Universitätsmedizin Berlin, sprach zum prä-, peri- und postoperativen Management unter anästhesiologischen Aspekten und hob besonders die Bedeutung einer guten Vor- und Nachbereitung von altersmässig oder anderweitig bereits geschwächten Patientinnen hervor. Bei Frailty-Patientinnen kommt es in knapp der Hälfte der Fälle zu postoperativen Komplikationen. An der Charité wird präoperativ ein minigeriatrisches Assessment durchgeführt (physisch, kognitiv, psychologisch und medizinisch). Liegen Einschränkungen vor, dann folgen daraus Massnahmen, die unter dem Begriff «PRÄP-GO» (Prähabilitation von älteren Patienten mit Gebrechlichkeitssyndrom vor elektiven Operationen) subsumiert werden. Das Ziel ist es,postoperative Komplikationen zu senken. Perioperative Massnahmen sind beispielsweise eine Prämedikation ohne Benzodiazepine, präoperatives Wärmen, Dekubitusprophylaxe und ein hämodynamisches Monitoring. Weitere Stichworte sind Neuromonitoring und Delirmanagement sowie eine gute Schmerztherapie. Postoperativ ist die frühe Mobilisation wichtig. Fazit: Kleine Gewinne in verschiedenen Bereichen (prä-, peri- und postoperativ) führen dank einer multiprofessionellen, interdisziplinären und transsektoralen Betreuung zu besseren postoperativen Ergebnissen.
Neue Therapiedimension in der gynäkologischen Chirurgie: vNOTES
vNOTES («vaginal Natural Orifice Transluminal Endoscopic Surgery») ist eine zunehmend angewandtevielversprechende Operationstechnik, berichtet Dr. med. Jean Dubuisson von der Abteilung der gynäkologischen Chirurgie der Genfer Universitätsspitäler. Sie erlaubt die Erkundung der Anatomie des Beckens, ohne Narben zu hinterlassen. 2007 wurde erstmals eine Cholezystektomie transvaginal durchgeführt und 2012 eine Hysterektomie. Für Dubuisson handelt es sich um einen entscheidenden technologischen Fortschritt.
Die Vorteile von vNOTES werden durch Studien belegt, beispielsweise den HALON Trial von 2019, der kürzere Operationszeiten mit bedeutend weniger Komplikationen und kürzeren Hospitalisierungszeiten dokumentiert.5Postoperativ werden weniger Analgetika benötigt und die erneute Hospitalisierung innerhalb von 45 Tagen nimmt massiv ab.
vNOTES wird auch beim Repair von POP (Pelvic Organ Prolapse) eingesetzt, wie Dubuisson mit Videobeispielen eindrücklich zu dokumentieren vermochte. Sein Fazit: vNOTES ist für die Gynäkologie eine neue Dimension für eine Horizonterweiterung und bietet neue Operationsmöglichkeiten, speziell auch für die Prolapschirurgie.
Selbstlernende Roboter geben noch mehr Sicherheit
Ein Highlight war der Vortrag von Prof. Volker Viereck zur roboterassistierten Chirurgie im kleinen Becken aus urogynäkologischer Sicht. Die Anfänge der Operationsroboter gehen auf die Jahre 1995–1997 zurück, als die Da-Vinci-Roboter erstmals eingesetzt wurden. Die weltweit erste roboterassistierte Prostatektomie wurde 1999 von Jochen Binder durchgeführt. Der Da Vinci wurde in den folgenden Jahren ständig weiterentwickelt. Die Einheit besteht immer aus 3 Komponenten: einer Operationskonsole mit Binokular und vergrösserter 3D-HD-Videotechnologie, einem Instrumentenstativ und einem Laparoskopieturm mit 4 beweglichen Armen. Die Technik erlaubt heute natürliche Bewegungen und alle Freiheitsgrade der menschlichen Hand. Ein Tremorfilter sorgt für sicheres Arbeiten. Die Steuerung ist intuitiv angelegt und die Skalierung ist wählbar (1:2, 1:3, 1:5). Es gibt keinen «Fulcrum-Effekt», d.h., die Bewegungsrichtung an der Roboterkonsole entspricht der Instrumentenbewegung am Patienten.
In der Urogynäkologie ergeben sich gewichtige Vorteile der Technik gegenüber der Laparoskopie: Die Ergonomie ist besser und die Instrumentenbeweglichkeit ist sehr gut. Gut ist auch die Augen-Hand-Koordination. Die 3D-Optik stellt einen weiteren Vorteil dar, sodass z.B. gefäss- und nervenschonender operiert werden kann. «Der Operateur befindet sich mittendrin», so Viereck. Diese Vorteile überwiegen die mangelhafte Haptik sowie den geringeren direkten Einfluss am OP-Tisch. Viereck präsentierte umfangreiches Videomaterial, das den Vorteil der roboterassistierten Chirurgie eindrücklich dokumentierte.
Da Vinci hat Konkurrenz bekommen, wie z.B. das Avatera-System des deutschen Start-up-Unternehmens avateramedical aus Jena oder das HugoTM-RAS-System von Medtronic. Zu nennen ist auch das Senhance®-System von Asensus Surgical. Bei diesem System fällt die Philosophie in Richtung digitaler Laparoskopie auf. Ganz neu wird ein Haptik-Feedback vermittelt. Weiter beschrieb Viereck den Versius Robot von Verb Surgical, ein autonomes System mit Haptik-Feedback und maschinellem Lernen. Es handelt sich um ein Joint Venture mit Johnson & Johnson in Verbindung mit Google. Analog dem autonomen Fahren lernt hier der Roboter, sodass dereinst autonom genäht werden soll. Gibt es eine Komplikation, dann wird sie im System eingespeichert. Das Setzen von «Landmarks»erlaubt es, im weiteren Verlauf der Operation an diese Stelle zurückzukehren. Es lassen sich auch bestimmte Stellen, wie z.B. grosse Gefässe, mit einer Warnung versehen, sodass dort nicht operiert werden kann. Schliesslich gibt es auch ein Schweizer Start-up namens Distalmotion aus Lausanne, dessen Operationsroboter Dexter mit dem «Pay for use»-Modell eingesetzt wird, was die Operationskosten halbiert. Mit diesem Hybridsystem kann sowohl mit dem Roboter an der Konsole als auch direkt am Tisch operiert werden.
Detaillierte Artikel über weitere Vorträge beim 19. Frauenfelder Symposium finden Sie ebenfalls online:
vNOTES: Vorteile gegenüber laparaskopischer Hysterektomie
• Keine sichtbaren Narben
• Keine Komplikationen an den Trokar-Einführungsstellen
• Keine Verletzung der Abdominalwand
• Nur ein Assistent benötigt
• Bessere Ergonomie
• Keine Adhäsiolyse erforderlich im Falle vorangegangener abdominaler OP
vNOTES: potenzielle Vorteile gegenüber konventioneller vaginaler Hysterektomie
• Bessere Sichtbarkeit dank endoskopischer Sicht
• Bessere Ergonomie
• Keine blinden Schritte
• Bessere Blutstillung
• Vollständige abdominale Exploration
• Adnexprozeduren machbar
• Adhäsiolyse machbar
• Durchführbar auch bei enger Vagina und bei Nullipara
• Nur ein Assistent nötig
• Keine intraabdominellen «Stitches»
Quelle:
Urogynäkologie – 19. Frauenfelder Symposium, gemeinsames Symposium der Frauenkliniken Frauenfeld und Aarau, 29. Oktober 2021, Warth
Literatur:
1 Betschart C et al.: Guideline of the Swiss Society of Gynaecology and Obstetrics (SSGO) on acute and recurrent urinary tract infections in women, including pregnancy. Swiss Med Wkly 2020; 150: w20236 2 https://ssi.guidelines.ch/guideline/2981/30332 3 www.imsociety.org/?s=testosterone 4 Viereck V et al.: Anwendungen, Anforderungen und Evidenz der vulvovaginalen / urogynäkologischen Lasertherapie in der Gynäkologie – eine neue konservative Therapie. Expertenbrief No. 69 der gynécologie suisse. www.sggg.ch/fachthemen/expertenbriefe. 17.2.2021 5 Baekelandt JF et al.: Hysterectomy by transvaginal natural orifice transluminal endoscopic surgery versus laparoscopy as a day-care procedure: a randomised controlled trial. BJOG 2019; 126(1): 105-13
Das könnte Sie auch interessieren:
Morbus Paget der Vulva
Nach Definition der WHO stellt der Morbus Paget der Vulva eine intraepitheliale Neoplasie und obligate Präkanzerose dar, die von pluripotenten Stammzellen der interfollikulären Epidermis ...
Neue Erkenntnisse zur Kolporrhaphie
Die Kolporrhaphie ist eines der etabliertesten chirurgischen Verfahren in der Beckenbodenchirurgie, welches vorrangig zur Behandlung von Beckenorganprolaps (BOP) eingesetzt wird. Die ...
Die Kunst ärztlicher Kommunikation bei Breaking Bad News
Worte haben entscheidende Wirkungen. In Gesprächen mit Patient:innen und Angehörigen gibt es meist eine hohe Erwartungshaltung gegenüber der Ärztin, dem Arzt. Vor allem die Übermittlung ...