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Bakteriophagen auch für Hautmikrobiom interessant

Viren als Therapieoption?

Bakteriophagen, die als virale Bestandteile des Mikrobioms die Haut besiedeln, könnten die Entwicklung innovativer Therapien vorantreiben und unter dermatologischem Blickwinkel relevant werden. Das gilt insbesondere für Patient:innen, die unter atopischer Dermatitis leiden.

Bis zu 15% der Kinder und 5% der Erwachsenen sind von der chronisch-entzündlichen Hauterkrankung atopische Dermatitis (Neurodermitis) betroffen. Trotz fortschrittlicher Therapiemassnahmen stellen der starke Juckreiz und die Ekzeme –vor allem an Ellen- oder Kniebeugen – für die Patient:innen eine grosse Belastung dar. Ein Forschungsteam um Prof. Dr. med. Wolfgang Weninger, Leiter der Universitätsklinik für Dermatologie der MedUni Wien, hat nun im Rahmen einer Studie einen möglicherweise hilfreichen Ansatz für die Therapie dieser Patient:innen entdeckt: Bakteriophagen, die als virale Bestandteile des Mikrobioms die Haut besiedeln, können die Entwicklung innovativer Neurodermitistherapien vorantreiben.

«Bakterienfresser» auch bei Hauterkrankungen einen Blick wert

Bisher ist die Bedeutung der Bakteriophagen (auch Phagen genannt) im menschlichen Körper in erster Linie aus Analysen des Darms bekannt. Auf der Suche nach innovativen Therapiemassnahmen bei atopischer Dermatitis hat das MedUni-Wien-Forschungsteam erstmals das Zusammenspiel von Phagen und Bakterien in der Haut untersucht. Schliesslich ist schon länger bekannt, dass das Fortschreiten von Neurodermitis mit massiven Veränderungen des Hautmikrobioms einhergeht.

Unter Mikrobiom ist die Gesamtheit aller Mikroorganismen wie Viren oder Bakterien zu verstehen, die die Haut besiedeln und in ihrem Gleichgewicht für die Gesundheit unerlässlich sind. Als Phagen werden Viren unterschiedlicher Art und Funktion tituliert, deren einziges Ziel die Infektion von Bakterien ist, die sie dadurch entweder vernichten oder aber zur Vermehrung anregen.

Neue Phagen identifiziert

«Bei unserer Studie entdeckten wir im Mikrobiom der Hautproben von Neurodermitispatient:innen bisher unbekannte Phagen, die bestimmten Bakterien auf unterschiedliche Weise zum schnelleren Wachstum verhelfen», konstatieren die Erstautor:innen Karin Pfisterer, PhD, und Prof. Dr. med.Matthias Wielscher. Die dadurch entstehende Verschiebung im Gleichgewicht zwischen «Bakterienfressern» (Phagen) und Bakterien wurde in den Vergleichsabstrichen gesunder Personen nicht festgestellt und könnte u.a. auch eine Erklärung für die bei atopischer Dermatitis vorliegende Überbevölkerung des Hautmikrobioms mit Bakterien namens Staphylococcus aureus liefern.

Diese Erkenntnisse können gleichzeitig entscheidend zum besseren Verständnis der Hautbioflora bei AD-Patient:innen beitragen und den Weg ebnen für die Entwicklung neuer, zielgerichteter Therapiemassnahmen: Durch die Identifizierung und Vermehrung von Phagen, die auf Staphylococcus aureus und deren Vernichtung spezialisiert sind, liege nun eine vielversprechende Option vor, so die Forschenden.

Hoch spezialisierte Killer im Einsatz

Bakteriophagen sind nicht nur im Körper, sondern überall dort anzutreffen, wo es Bakterien gibt. Wissenschaftlichen Schätzungen zufolge existieren 1031 verschiedene Phagenarten. Eine ihrer Besonderheiten besteht darin, dass sie sich bei der Wahl ihres Infektionsziels als ausgesprochen wählerisch erweisen. Die meisten dieser «Bakterienfresser» haben sich auf eine bestimmte Gattung, in vielen Fällen sogar auf nur eine einzige Art, spezialisiert.

Das stellt zwar die Wissenschaft vor die Herausforderung, die für den jeweiligen Zweck benötigte Phagenart zu identifizieren, ermöglicht andererseits aber deren zielgerichteten Einsatz.

Wissenstransfer aus dem Bereich des Darmmikrobioms

Bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen hat sich die Therapie mit Phagen in Studien bereits als wirksam erwiesen. Da die Viren keinen Unterschied zwischen antibiotikaresistenten und anderen Bakterien machen, werden sie längst auch als mögliche Waffen im Kampf gegen multiresistente Keime erforscht. Weitere Studien sollen die Phagentherapie nun auch für die (äusserliche) Anwendung bei atopischer Dermatitis bestätigen. Die Forschungsergebnisse wurden aktuell in der Fachzeitschrift «Science Advances» publiziert.

Presseinformation «Neurodermitis: Viren als neue Therapie-Option entdeckt», Medizinische Universität Wien, September 2023

Wielscher TM et al.: The phageome in normal and inflamed human skin. Sci Adv 2023; 9(39): eadg4015 science.org/doi/10.1126/sciadv.adg4015

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