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Neue Erkenntnisse beim lokalisierten Prostatakarzinom

<p class="article-intro">Trotz Fokussierung auf die metastasierte Erkrankung wurden auch am diesjährigen ASCO verschiedene wichtige Studien zum lokalisierten Prostatakarzinom vorgestellt. Einen direkten Einfluss auf die Behandlung wird eine französisch-kanadische Phase-III-Studie zur Therapiedauer der adjuvanten Androgendeprivation (ADT) nach Radiotherapie haben.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Sind 18 Monate adjuvante ADT nach Radiotherapie (RT) genug?</h2> <p>F&uuml;r Patienten mit lokalisiertem Prostatakarzinom der Hochrisikogruppe gem&auml;ss D&rsquo;Amico (T3/4 oder PSA &gt;20ng/ml oder Gleason 8&ndash;10) wurde bislang nach der Radiotherapie (RT) eine adjuvante Androgendeprivation f&uuml;r 2&ndash;3 Jahre (3 Jahre gem&auml;ss Bolla-Studie, NEJM 2009; 2 Jahre gem&auml;ss RTOG 92-02-Studie, JCO 2008) zur Verbesserung des Outcomes empfohlen und durchgef&uuml;hrt. Eine randomisierte franz&ouml;sisch-kanadische Phase-III-Studie pr&uuml;fte in dieser Patientenpopulation eine ADT f&uuml;r 36 Monate versus einer reduzierten Dauer von 18 Monaten (Nabid et al., Abstract 5008). Die ADT wurde mit einem LHRH-Agonisten (Goserelin) alle 3 Monate durchgef&uuml;hrt. Die RT erfolgte sowohl im Bereich der Prostata (70Gy) als auch der Lymphknoten des kleinen Beckens (44Gy). Das mittlere Follow-up betrug 9,4 Jahre, was f&uuml;r diese Situation einen guten Wert darstellt. Insgesamt waren 630 Patienten eingeschlossen worden: 24 % hatten ein T3/4-Karzinom, bei 44 % betrug das PSA &gt;20ngl/l und bei 60 % war der Gleason Score 8&ndash;10.<br /> Bez&uuml;glich der koprim&auml;ren Endpunkte Gesamt&uuml;berleben (OS) und krankheitsspezifisches &Uuml;berleben (DSS) fanden sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Therapiearmen: Die 10-Jahres&Uuml;berlebensrate betrug 62,4 % bei 36 Monaten adjuvanter ADT und 62 % bei 18 Monaten. Das DSS war ebenso identisch. Jedoch fand sich ein signifikanter Unterschied in Bezug auf das biochemische Versagen: Mehr Patienten mit 18 Monaten ADT erlitten einen PSA-Relapse. Dies hatte jedoch keinerlei Einfluss auf OS und DSS. Interessant ist die Analyse der Todesursachen: 21 % starben am Prostatakarzinom, jedoch 24 % an einem Zweitkarzinom, 17 % an kardiovaskul&auml;ren und 15 % an pulmonalen Ursachen. Nicht unerwartet findet sich eine verbesserte Lebensqualit&auml;t in der Gruppe mit 18 Monaten ADT: Klinisch relevant verbessert waren die Rate an Hitzewallungen sowie die Freude an Sex. Die Studie konnte somit keine &Uuml;berlegenheit einer ADT w&auml;hrend 3 Jahren gegen&uuml;ber nur 18 Monaten ADT zeigen.<br /> Wie in der Diskussion von Susan Halabi ausgef&uuml;hrt bedeutet der fehlende Nachweis von Superiorit&auml;t nicht automatisch, dass eine &laquo;non-inferiority&raquo; besteht. Es kann also formal aus der Studie nicht geschlossen werden, dass 18 Monate ADT der l&auml;ngeren Therapiedauer ebenb&uuml;rtig sind. Zusammen mit den Resultaten der US-amerikanischen Studie kann jedoch geschlossen werden, dass eine adjuvante ADT f&uuml;r insgesamt 18&ndash;24 Monate ausreichend ist, um den gezeigten &Uuml;berlebensvorteil der ADT f&uuml;r Patienten mit lokalisiertem Hochrisiko-Prostatakarzinom zu erzielen. Eine dreij&auml;hrige Therapie ist nicht notwendig. F&uuml;r Patienten der intermedi&auml;ren Risikogruppe soll weiterhin eine adjuvante Behandlung nach Radiotherapie mit 6 Monaten ADT erfolgen.</p> <h2>Verbesserung der Risikogruppeneinteilung mittels genomischen Biomarkers?</h2> <p>Die Risikogruppeneinteilung des lokalisierten Prostatakarzinoms erfolgt seit 1998 gem&auml;ss der Klassifikation nach D&rsquo;Amico (D&rsquo;Amico et al., JAMA 1998). Diese Einteilung basiert auf den klinischen Parametern T-Stadium, PSA und Gleason Score und unterscheidet drei Gruppen: &laquo;good risk&raquo; (T1/2a + PSA 20 oder Gleason &gt;7). Diese Einteilung ist urspr&uuml;nglich zur Absch&auml;tzung eines PSA-Rezidivs entwickelt worden und wird bei der Therapieentscheidung eingesetzt. In den vergangenen Jahren wurden verschiedene genetische Tests entwickelt (Genexpressionstest basierend auf einer unterschiedlichen Anzahl verschiedener Gene), um das Risiko f&uuml;r die Entwicklung von Metastasen und Prostatakrebs-spezifischer Mortalit&auml;t (PCSM) besser absch&auml;tzen zu k&ouml;nnen. Spratt et al. berichteten am ASCO &uuml;ber ihr neues Modell, das die bekannten klinischen Faktoren mit einem genetischen Biomarkertest verbindet (sogenannte &laquo;klinisch- genomische&raquo; Risikogruppen): Die Risikogruppen nach D&rsquo;Amico und ein 22-Gen-Assay (Decipher genomic classifier) wurden zu kombinierten Gruppen zusammengefasst. Dabei wurden wiederum drei Risikogruppen definiert, welche das Risiko f&uuml;r die Ausbildung von Metastasen sowie die PCSM deutlich besser absch&auml;tzen k&ouml;nnen. In der Low-Risk-Gruppe betr&auml;gt das Risiko f&uuml;r die Entwicklung von Metastasen 0&ndash;3 % und f&uuml;r PCSM 0&ndash;3 % gegen&uuml;ber 30 % und 15 % in der Intermediate-Risk-Gruppe und 60 % Metastasenrisiko sowie 30 % Risiko f&uuml;r die PCSM in der High-Risk-Gruppe (Abb. 1). Insgesamt w&uuml;rden 31 % der Patienten unter Verwendung des neuen kombinierten &laquo;klinisch-genomischen&raquo; Risikoscores in eine neue Risikogruppe eingeteilt werden. Die verbesserte prognostische Absch&auml;tzung ist prim&auml;r f&uuml;r die Absch&auml;tzung der Behandlungsintensit&auml;t von Nutzen: W&auml;hrend Patienten der Low-Risk-Gruppe der Active Surveillance zugef&uuml;hrt werden k&ouml;nnen, sollte in der Hochrisikogruppe eine Intensivierung der Behandlung (z.B. mit adjuvanter RT, fr&uuml;hzeitigem Einsatz von Chemotherapie oder neuen antihormonellen Substanzen) erwogen werden. Zu beachten ist, dass die Daten nicht auf prospektiver Evaluation des genetischen Classifiers, sondern auf retrospektiven Analysen beruhen.<br /> Das bedeutet, dass nicht gesagt werden kann, ob ein Patient mit einem gewissen genomischen Testresultat wie erwartet auf die durchgef&uuml;hrte Therapie anspricht und die prognostische Wertigkeit erf&uuml;llt. Trotzdem erscheint die Kombination von bekannten und bew&auml;hrten klinischen Prognosefaktoren zusammen mit einem genetischen Biomarker eine interessante Verbesserung der Prognoseabsch&auml;tzung liefern zu k&ouml;nnen.</p> <p>&nbsp;<img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Onko_1705_Weblinks_s40-abb1.jpg" alt="" width="1417" height="748" /></p> <h2>Soll Abirateron auch beim aggressiven lokal fortgeschrittenen Prostatakarzinom eingesetzt werden?</h2> <p>Die STAMPEDE-Studie (Abstract LBA 5003) und die LATITUDE-Studie (Abstract LBA3) wurden am diesj&auml;hrigen ASCO parallel vorgestellt (und gleichentags im NEJM publiziert). Beide Studien zeigten eine signifikante Verbesserung des OS beim metastasierten kastrationssensitiven Prostatakarzinom. In der STAMPEDE- Studie waren 48 % der 1917 Patienten nicht metastasiert, sondern lokal fortgeschritten mit LK-Metastasen (20 % N+M0, n=383) oder lokalisiert mit mindestens 2 von 3 Risikofaktoren: T3/4, PSA &gt;40, Gleason 8&ndash;10 (28 % N0M0; n=536). Es erfolgte eine Randomisierung in die Kontrollgruppe mit ADT und RT (obligat f&uuml;r N0MO, in 96 % durchgef&uuml;hrt; empfohlen f&uuml;r N+M0, in 62 % durchgef&uuml;hrt) bzw. in die experimentelle Gruppe mit zus&auml;tzlicher Gabe von Abirateron (1000mg/d) und Prednison (5mg/d) f&uuml;r mindestens 2 Jahre. F&uuml;r die gesamte Population der STAMPEDE-Studie ergab sich ein ausgepr&auml;gter OS-Vorteil (HR: 0,63; 95 % CI: 0,52&ndash;0,76). Die vorgeplante Subgruppenanalyse f&uuml;r die nicht metastasierten Patienten zeigt einen Trend in die gleiche Richtung mit HR: 0,75 (95 % CI: 0,48&ndash;1,18) (Abb. 2). Obwohl das Konfidenzintervall den Wert 1,0 &uuml;berschreitet, waren statistische Tests f&uuml;r die Absch&auml;tzung der Heterogenit&auml;t nicht eindeutig und formal-statistisch kann ein &Uuml;berlebensvorteil postuliert werden. Das &laquo;failure-free survival&raquo; (FFS) ist auch f&uuml;r die nicht metastasierten Patienten statistisch eindeutig signifikant l&auml;nger, wobei zu beachten ist, dass beim FFS auch ein PSA-Anstieg als &laquo;failure&raquo; gewertet wurde, womit das Resultat nicht unerwartet ist (Abb. 3). Zu erw&auml;hnen ist, dass STAMPEDE bereits mit Docetaxel &auml;hnlich gute Ergebnisse f&uuml;r lokal aggressive Karzinome (gleiche Gruppendefinition) gezeigt hatte (James et al., The Lancet 2016). Es ist zu beachten, dass Abirateron f&uuml;r diese Indikation in der EU und in der Schweiz nicht zugelassen ist.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Onko_1705_Weblinks_s40-abb2-3.jpg" alt="" width="1417" height="1211" /></p></p>
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