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Neue Erkenntnisse beim lokalisierten Prostatakarzinom
Leading Opinions
Autor:
PD Dr. med. Richard Cathomas
Departement Innere Medizin<br> Abteilung Onkologie und Hämatologie<br> Kantonsspital Graubünden<br> E-Mail: richard.cathomas@ksgr.ch
30
Min. Lesezeit
21.09.2017
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<p class="article-intro">Trotz Fokussierung auf die metastasierte Erkrankung wurden auch am diesjährigen ASCO verschiedene wichtige Studien zum lokalisierten Prostatakarzinom vorgestellt. Einen direkten Einfluss auf die Behandlung wird eine französisch-kanadische Phase-III-Studie zur Therapiedauer der adjuvanten Androgendeprivation (ADT) nach Radiotherapie haben.</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2>Sind 18 Monate adjuvante ADT nach Radiotherapie (RT) genug?</h2> <p>Für Patienten mit lokalisiertem Prostatakarzinom der Hochrisikogruppe gemäss D’Amico (T3/4 oder PSA >20ng/ml oder Gleason 8–10) wurde bislang nach der Radiotherapie (RT) eine adjuvante Androgendeprivation für 2–3 Jahre (3 Jahre gemäss Bolla-Studie, NEJM 2009; 2 Jahre gemäss RTOG 92-02-Studie, JCO 2008) zur Verbesserung des Outcomes empfohlen und durchgeführt. Eine randomisierte französisch-kanadische Phase-III-Studie prüfte in dieser Patientenpopulation eine ADT für 36 Monate versus einer reduzierten Dauer von 18 Monaten (Nabid et al., Abstract 5008). Die ADT wurde mit einem LHRH-Agonisten (Goserelin) alle 3 Monate durchgeführt. Die RT erfolgte sowohl im Bereich der Prostata (70Gy) als auch der Lymphknoten des kleinen Beckens (44Gy). Das mittlere Follow-up betrug 9,4 Jahre, was für diese Situation einen guten Wert darstellt. Insgesamt waren 630 Patienten eingeschlossen worden: 24 % hatten ein T3/4-Karzinom, bei 44 % betrug das PSA >20ngl/l und bei 60 % war der Gleason Score 8–10.<br /> Bezüglich der koprimären Endpunkte Gesamtüberleben (OS) und krankheitsspezifisches Überleben (DSS) fanden sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Therapiearmen: Die 10-JahresÜberlebensrate betrug 62,4 % bei 36 Monaten adjuvanter ADT und 62 % bei 18 Monaten. Das DSS war ebenso identisch. Jedoch fand sich ein signifikanter Unterschied in Bezug auf das biochemische Versagen: Mehr Patienten mit 18 Monaten ADT erlitten einen PSA-Relapse. Dies hatte jedoch keinerlei Einfluss auf OS und DSS. Interessant ist die Analyse der Todesursachen: 21 % starben am Prostatakarzinom, jedoch 24 % an einem Zweitkarzinom, 17 % an kardiovaskulären und 15 % an pulmonalen Ursachen. Nicht unerwartet findet sich eine verbesserte Lebensqualität in der Gruppe mit 18 Monaten ADT: Klinisch relevant verbessert waren die Rate an Hitzewallungen sowie die Freude an Sex. Die Studie konnte somit keine Überlegenheit einer ADT während 3 Jahren gegenüber nur 18 Monaten ADT zeigen.<br /> Wie in der Diskussion von Susan Halabi ausgeführt bedeutet der fehlende Nachweis von Superiorität nicht automatisch, dass eine «non-inferiority» besteht. Es kann also formal aus der Studie nicht geschlossen werden, dass 18 Monate ADT der längeren Therapiedauer ebenbürtig sind. Zusammen mit den Resultaten der US-amerikanischen Studie kann jedoch geschlossen werden, dass eine adjuvante ADT für insgesamt 18–24 Monate ausreichend ist, um den gezeigten Überlebensvorteil der ADT für Patienten mit lokalisiertem Hochrisiko-Prostatakarzinom zu erzielen. Eine dreijährige Therapie ist nicht notwendig. Für Patienten der intermediären Risikogruppe soll weiterhin eine adjuvante Behandlung nach Radiotherapie mit 6 Monaten ADT erfolgen.</p> <h2>Verbesserung der Risikogruppeneinteilung mittels genomischen Biomarkers?</h2> <p>Die Risikogruppeneinteilung des lokalisierten Prostatakarzinoms erfolgt seit 1998 gemäss der Klassifikation nach D’Amico (D’Amico et al., JAMA 1998). Diese Einteilung basiert auf den klinischen Parametern T-Stadium, PSA und Gleason Score und unterscheidet drei Gruppen: «good risk» (T1/2a + PSA 20 oder Gleason >7). Diese Einteilung ist ursprünglich zur Abschätzung eines PSA-Rezidivs entwickelt worden und wird bei der Therapieentscheidung eingesetzt. In den vergangenen Jahren wurden verschiedene genetische Tests entwickelt (Genexpressionstest basierend auf einer unterschiedlichen Anzahl verschiedener Gene), um das Risiko für die Entwicklung von Metastasen und Prostatakrebs-spezifischer Mortalität (PCSM) besser abschätzen zu können. Spratt et al. berichteten am ASCO über ihr neues Modell, das die bekannten klinischen Faktoren mit einem genetischen Biomarkertest verbindet (sogenannte «klinisch- genomische» Risikogruppen): Die Risikogruppen nach D’Amico und ein 22-Gen-Assay (Decipher genomic classifier) wurden zu kombinierten Gruppen zusammengefasst. Dabei wurden wiederum drei Risikogruppen definiert, welche das Risiko für die Ausbildung von Metastasen sowie die PCSM deutlich besser abschätzen können. In der Low-Risk-Gruppe beträgt das Risiko für die Entwicklung von Metastasen 0–3 % und für PCSM 0–3 % gegenüber 30 % und 15 % in der Intermediate-Risk-Gruppe und 60 % Metastasenrisiko sowie 30 % Risiko für die PCSM in der High-Risk-Gruppe (Abb. 1). Insgesamt würden 31 % der Patienten unter Verwendung des neuen kombinierten «klinisch-genomischen» Risikoscores in eine neue Risikogruppe eingeteilt werden. Die verbesserte prognostische Abschätzung ist primär für die Abschätzung der Behandlungsintensität von Nutzen: Während Patienten der Low-Risk-Gruppe der Active Surveillance zugeführt werden können, sollte in der Hochrisikogruppe eine Intensivierung der Behandlung (z.B. mit adjuvanter RT, frühzeitigem Einsatz von Chemotherapie oder neuen antihormonellen Substanzen) erwogen werden. Zu beachten ist, dass die Daten nicht auf prospektiver Evaluation des genetischen Classifiers, sondern auf retrospektiven Analysen beruhen.<br /> Das bedeutet, dass nicht gesagt werden kann, ob ein Patient mit einem gewissen genomischen Testresultat wie erwartet auf die durchgeführte Therapie anspricht und die prognostische Wertigkeit erfüllt. Trotzdem erscheint die Kombination von bekannten und bewährten klinischen Prognosefaktoren zusammen mit einem genetischen Biomarker eine interessante Verbesserung der Prognoseabschätzung liefern zu können.</p> <p> <img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Onko_1705_Weblinks_s40-abb1.jpg" alt="" width="1417" height="748" /></p> <h2>Soll Abirateron auch beim aggressiven lokal fortgeschrittenen Prostatakarzinom eingesetzt werden?</h2> <p>Die STAMPEDE-Studie (Abstract LBA 5003) und die LATITUDE-Studie (Abstract LBA3) wurden am diesjährigen ASCO parallel vorgestellt (und gleichentags im NEJM publiziert). Beide Studien zeigten eine signifikante Verbesserung des OS beim metastasierten kastrationssensitiven Prostatakarzinom. In der STAMPEDE- Studie waren 48 % der 1917 Patienten nicht metastasiert, sondern lokal fortgeschritten mit LK-Metastasen (20 % N+M0, n=383) oder lokalisiert mit mindestens 2 von 3 Risikofaktoren: T3/4, PSA >40, Gleason 8–10 (28 % N0M0; n=536). Es erfolgte eine Randomisierung in die Kontrollgruppe mit ADT und RT (obligat für N0MO, in 96 % durchgeführt; empfohlen für N+M0, in 62 % durchgeführt) bzw. in die experimentelle Gruppe mit zusätzlicher Gabe von Abirateron (1000mg/d) und Prednison (5mg/d) für mindestens 2 Jahre. Für die gesamte Population der STAMPEDE-Studie ergab sich ein ausgeprägter OS-Vorteil (HR: 0,63; 95 % CI: 0,52–0,76). Die vorgeplante Subgruppenanalyse für die nicht metastasierten Patienten zeigt einen Trend in die gleiche Richtung mit HR: 0,75 (95 % CI: 0,48–1,18) (Abb. 2). Obwohl das Konfidenzintervall den Wert 1,0 überschreitet, waren statistische Tests für die Abschätzung der Heterogenität nicht eindeutig und formal-statistisch kann ein Überlebensvorteil postuliert werden. Das «failure-free survival» (FFS) ist auch für die nicht metastasierten Patienten statistisch eindeutig signifikant länger, wobei zu beachten ist, dass beim FFS auch ein PSA-Anstieg als «failure» gewertet wurde, womit das Resultat nicht unerwartet ist (Abb. 3). Zu erwähnen ist, dass STAMPEDE bereits mit Docetaxel ähnlich gute Ergebnisse für lokal aggressive Karzinome (gleiche Gruppendefinition) gezeigt hatte (James et al., The Lancet 2016). Es ist zu beachten, dass Abirateron für diese Indikation in der EU und in der Schweiz nicht zugelassen ist.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Onko_1705_Weblinks_s40-abb2-3.jpg" alt="" width="1417" height="1211" /></p></p>
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