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MPN-Highlights vom EHA-Kongress 2019
Jatros
Autor:
Prim. Univ.-Prof. Dr. Klaus Geissler
Sigmund Freud Privatuniversität, Wien<br> Vorstand der 5. Medizinischen Abteilung mit Onkologie<br> Krankenhaus Hietzing der Stadt Wien<br> E-Mail: klaus.geissler@wienkav.at
30
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12.09.2019
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<p class="article-intro">Nach langjähriger Dominanz von Studien mit BCR/ABL- und JAK2-Inhibitoren bei den wissenschaftlichen Beiträgen, die am EHA-Kongress im Bereich der myeloproliferativen Neoplasmen (MPN) präsentiert wurden, rückt der Fokus allmählich auf neue Therapiekonzepte, die verbleibende Schwachstellen der bisherigen Therapiekonzepte noch besser abdecken sollen.</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2>BCR-ABL-negative myeloproliferative Neoplasmen</h2> <p>BET-Proteine sind Transkriptionsregulatoren, die auf unterschiedliche onkogene Pfade wie NF-κB, MYC und BCL2 einwirken und mit TGF-β einen wichtigen Treiber der Knochenmarkfibrose (KMFibrose) beeinflussen. Präklinische Studien haben gezeigt, dass BET-Inhibitoren und Ruxolitinib zu einer synergistischen Verbesserung von Splenomegalie, KMFibrose und Allel-Burden der Treibermutation führen. CPI-0610 ist ein selektiver und potenter BET-Inhibitor, der die Differenzierung von Megakaryozyten hemmt und gegenwärtig bei Myelofibrose (MF) alleine und in Kombination mit Ruxolitinib in einer dreiarmigen klinischen Studie untersucht wird. Ronald Hoffmann präsentierte die Ergebnisse einer Phase-IIStudie, in der CPI-0610 alleine oder als Add-on zur Ruxolitinib-Therapie bei Patienten mit MF untersucht wurde.<sup>1</sup> Die primären Endpunkte dieser Studie waren die Rate von Transfusionsunabhängigkeit, das Milzansprechen, Patienten-berichtete Outcomes sowie Sicherheit und Pharmakokinetik. Zusätzliche Endpunkte inkludierten Veränderungen in den Serumspiegeln proinflammatorischer Zytokine, in der KM-Fibrose und im Mutationsprofil. CPI-0610 zeigte alleine und in Kombination mit Ruxolitinib eine vielversprechende klinische Aktivität bei guter Verträglichkeit. Die Messung der Zytokinspiegel zeigte eine dauerhafte Reduktion proinflammatorischer Zytokine auf Werte, die bei gesunden Kontrollpersonen gemessen werden können (Abb. 1).<br />PRM-151, ein rekombinantes humanes Pentraxin-2-Molekül, verhindert und verringert die KM-Fibrose im MF-Tiermodell, indem es die Differenzierung von Fibrozyten aus Monozyten beeinflusst. In der ersten Stufe einer zweistufigen Studie bei Patienten mit primärer MF und Post-ET/ PV-MF zeigten sich ein Rückgang der KMFibrose sowie eine Reduktion von Transfusionsbedarf, Symptomen und Splenomegalie. In einem Beitrag beim EHA-Kongress 2019 wurden nun Wirksamkeit und Sicherheitsdaten einer doppelblinden Evaluierung der RPM-151-Therapie von Srdan Verstovsek präsentiert.<sup>2</sup> Eingeschlossen in diese Studie wurden MF-Patienten mit intermediärem 2 oder hohem Risiko, Grad-3-Fibrose, Transfusionsbedürftigkeit und Thrombopenie < 50 000. Es erfolgte eine Randomisierung in 3 Dosisstufen mit 0,3 mg/kg, 3 mg/kg und 10 mg/kg. Ein Rückgang der KM-Fibrose wurde in sämtlichen Dosierungsstufen beobachtet. Eine Verbesserung der Lebensqualität und eine Verminderung der Milzgröße wurden bei einem Teil der Studienpatienten gesehen.<br />Bei Patienten mit MF ist die Anämie ein häufiges und klinisch relevantes Problem. Ruxolitinib führt bei diesen Patienten in der Regel zu keiner Verbesserung der Anämie, oft kommt es initial sogar zu einem weiteren Abfall des Hämoglobins. Bei Patienten mit MDS hat sich die Bindung von Liganden der TGF-β-Familie mit konsekutiver Verminderung des abnormen Smad2/4-Signalling als wirksames therapeutisches Prinzip erwiesen, mit dem die krankheitsassoziierte Anämie verbessert werden kann. Sotatercept ist eine Substanz, die Liganden des Activin-Rezeptors IIa sequestriert und damit die terminale Erythropoese stimuliert. Prithviraj Bose präsentierte eine monozentrische, Prüfer-initiierte offene Phase-II-Studie, in der die Wirksamkeit und Sicherheit dieses Medikaments bei anämischen MF-Patienten alleine und in Kombination mit Ruxolitinib untersucht wurden.3 Etwa ein Drittel (7/20, 35 %) der Patienten, die Sotatercept alleine erhielten, zeigte ein Ansprechen, ebenso etwa ein Viertel (3/13, 23 %) der Patienten, die mit Sotatercept in Kombination mit Ruxolitinib behandelt wurden. Die Verträglichkeit des Medikaments erwies sich als gut, die meisten Nebenwirkungen waren Grad 1–2, eine Grad- 3-Hypertonie wurde bei 6 Patienten (15 %) beobachtet und Grad-3-Myalgien traten bei 2 Patienten (5 %) auf.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1905_Weblinks_j_onko_1905_s14_abb1_geissler.png" alt="" width="820" height="416" /></p> <h2>Chronische myeloische Leukämie</h2> <p>Trotz des Erfolges der Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI) bei der Behandlung der CML brechen bis zu 35 % der Patienten aufgrund von Intoleranz oder Resistenzentwicklung ihre Therapie ab. Für solche Patienten besteht also ein weiterer Optimierungsbedarf bei der CML-Therapie. Asciminib (früher ABL001) ist ein potenter Inhibitor von ABL1, der BCRABL1 in seiner inaktiven Konformation arretiert. Asciminib besetzt dabei die Myristat-bindende Tasche von ABL und bewirkt dadurch eine allosterische Hemmung der Tyrosinkinase. Diese führt zum Abbruch der von ihr ausgelösten Signalkaskade mit konsekutiver Apoptose der Tumorzellen und Regression des Tumors. Asciminib wurde auf der Suche nach BCR-ABL-Inhibitoren entwickelt, die auch bei verschiedenen Punktmutationen von <em>BCR-ABL</em> wirksam sind und ein günstigeres Nebenwirkungsspektrum als Imatinib haben. In einer präklinischen Studie wurden die Effekte von Asciminib alleine oder in Kombination mit ATP-kompetitiven TKIs bei Zelllinien und primären CD34<sup>+</sup>-CML-Progenitorzellen untersucht.<br /> In zwei klinischen Studien wurde die Wirksamkeit von Asciminib in Kombination mit einem schon bisher für die Therapie der CML eingesetzten TKI untersucht. Jorge Cortes präsentierte die Ergebnisse einer Studie, in der CML-Patienten Asciminib in Kombination mit Imatinib erhielten.<sup>4</sup> Es wurden CML-Patienten in chronischer oder akzelerierter Phase eingeschlossen, die Intoleranz oder Resistenz gegenüber mindestens 2 TKI-Vortherapien zeigten, wobei Patienten mit Intoleranz gegenüber Imatinib ausgeschlossen wurden. Die Patienten erhielten kontinuierliche 28-Tage-Zyklen mit Asciminib in einer von 4 Dosierungen (40, 60, 80, 2 x 40 mg) in Kombination mit Imatinib in einer Dosierung von 400 mg/Tag. 25 Patienten wurden bisher eingeschlossen. Basierend auf den Ergebnissen von Wirksamkeit, Sicherheit und Pharmakokinetik wurden die beiden Asciminib- Dosierungen von 40 und 60 mg/Tag für die laufende Phase-II-Studie gewählt. 9/15 (60 %) der Patienten ohne molekulares Ansprechen zu Studienbeginn erreichten BCR-ABL < 1 % nach 48 Wochen. Insgesamt zeigte die Kombination von Asciminib und Imatinib eine vielversprechende Wirksamkeit und ein gutes Sicherheitsprofil bei diesem Patientenkollektiv. In einem weiteren Abstract präsentierte Michael J. Mauro die Ergebnisse einer Phase-I-Studie, in der CML-Patienten Asciminib in Kombination mit Nilotinib oder Dasatinib erhielten.<sup>5</sup> Wieder wurden CML-Patienten in chronischer oder akzelerierter Phase eingeschlossen, die Intoleranz oder Resistenz gegenüber mindestens 2 TKI-Vortherapien gezeigt hatten. In der Kombination Asciminib + Nilotinib erhielten die Patienten 20 oder 40 mg Asciminib gemeinsam mit Nilotinib 300 mg 2 x täglich, in der Kombination Asciminib + Dasatinib Asciminib 40 oder 80 mg gemeinsam mit Dasatinib 100 mg einmal täglich. 6/14 (43 %) Patienten in der Asciminib+Nilotinib-Kohorte bzw. 5/9 (56 %) Patienten in der Asciminib+Dasatinib- Kohorte ohne molekulares Ansprechen zu Studienbeginn erreichten BCRABL < 1 % nach 48 Wochen. Auch diese beiden Kombinationen zeigten eine vielversprechende Wirksamkeit und ein gutes Sicherheitsprofil bei diesem schwer vorbehandelten Patientenkollektiv, sodass weitere Studien mit diesen beiden Kombinationen geplant sind.</p> <h2>Sonstige myeloproliferative Neoplasmen</h2> <p>Bei den sonstigen myeloproliferativen Neoplasmen ist eine Studie hervorzuheben, in der von Deepti Radia die Ergebnisse von Avapritinib bei Patienten mit fortgeschrittener systemischer Mastozytose vorgestellt wurden (Abb. 2).<sup>6</sup> Bei Avapritinib handelt es sich um einen potenten selektiven TKI, der schon im subnanomolaren Bereich Aktivität gegen KIT<sup>D816</sup> zeigt. Erwachsene Patienten mit fortgeschrittener Mastozytose erhielten Avapritinib in einer Dosis von 30 mg bis 400 mg täglich, wobei die Dosierungen von 200 mg und 300 mg täglich für die Erweiterungskohorten festgelegt wurden. Bisher wurden 67 Patienten eingeschlossen (23 ASM, 30 SM-AHN, 7 MCL, 7 indolente SM/smoldering SM). Eine <em>KIT<sup>D816V</sup></em>-Mutation war bei 84 % der Patienten nachweisbar, 60 % der Patienten waren vorbehandelt, einschließlich 23 % mit Midostaurin vorbehandelte Patienten. Ein Rückgang von krankheitsassoziierten Parametern ≥ 50 % wurde für Mastzellinfiltration des KM bei 93 % der Patienten, für Serumtryptase bei 100 % der Patienten und für <em>KITD<sup>816V</sup></em>-Allel-Burden bei 81 % der Patienten beobachtet. Die ORR bei 29 für mIWG-MRT-ECNM („modified International Working Group Myeloproliferative Neoplasms Research and Treatment and European Competence Network on Mastocytosis criteria“) evaluierbaren Patienten betrug 83 %. Zusammenfassend zeigte also Avapritinib eine hohe Aktivität mit dauerhaftem Ansprechen bei fortgeschrittener Mastozytose, einschließlich der Patienten mit Mastzellleukämie, Midostaurinvorbehandlung und Hochrisiko-Mutationsprofil.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1905_Weblinks_j_onko_1905_s15_abb2_geissler.png" alt="" width="740" height="660" /></p> <h2>Fazit</h2> <ul> <li>Neue Therapiekonzepte wie die Substanzen CPI-0610, ein selektiver und potenter BET-Inhibitor, der die Differenzierung von Megakaryozyten hemmt, und PRM-151, ein rekombinantes humanes Pentraxin-2 Molekül, das die Differenzierung von Fibrozyten aus Monozyten beeinflusst, zeigen eine vielversprechende Wirkung bei Patienten mit MF.</li> <li>Asciminib (früher ABL001), ein potenter Inhibitor von ABL1, der BCR-ABL1 in seiner inaktiven Konformation arretiert, zeigt in Kombination mit herkömmlichen TKIs eine gute Wirksamkeit bei CMLPatienten, die intolerant oder resistent gegenüber mindestens 2 TKI-Vortherapien waren.</li> <li>Mit Avapritinib steht erstmals ein potenter selektiver TKI zur Verfügung, der schon im subnanomolaren Bereich Aktivität gegen <em>KIT<sup>D816</sup></em> bei Patienten mit systemischer Mastozytose zeigt.</li> </ul></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Hoffman R et al.: EHA 2019, Abstr. #S831 <strong>2</strong> Verstovsek S et al.: EHA 2019, Abstr. #S828<strong> 3</strong> Bose P et al.: EHA 2019, Abstr. #S829 <strong>4</strong> Cortes J et al.: EHA 2019, Abstr,#S883 <strong>5</strong> Mauro MJ et al.: EHA 2019, Abstr. #884 <strong>6</strong> Radia D et al.: EHA 2019; Abstr. #S830</p>
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