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2. Luzerner Brustkrebssymposium 17. November 2016, Luzern

Komplementärmedizin bei jungen Brustkrebspatientinnen

<p class="article-intro">Junge Brustkrebspatientinnen befinden sich in einer besonderen Belastungssituation. Komplementärmedizinische Verfahren wie Akupunktur, Yoga und «Mind Body Medicine» können als supportive Massnahmen hilfreich sein.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Die junge Patientin</h2> <p>Die junge Brustkrebspatientin befindet sich in einer besonderen Situation. H&auml;ufig sind die Kinder noch klein und/oder die berufliche Karriere ist noch nicht gefestigt. Bei jungen M&uuml;ttern mit Brustkrebs ist das &laquo;Sich-um-die-Kinder-Sorgen-Machen&raquo; mit einem reduzierten eigenen Wohlbefinden assoziiert.<sup>1</sup> Auch zeigt sich, dass Angst vor dem Wiederauftreten des Karzinoms mit j&uuml;ngerem Alter assoziiert ist.<sup>2</sup> Weiterhin berichten j&uuml;ngere Brustkrebs-Survivors &ouml;fter von nicht erf&uuml;llten Bed&uuml;rfnissen im Zusammenhang mit ihrer Erkrankung. Dazu geh&ouml;ren der Wunsch nach Interaktion mit anderen Patientinnen, zu lernen, die Erkrankung nach aussen zu kommunizieren, Stressmanagement und der Umgang mit Therapienebenwirkungen.<sup>3</sup> Man w&uuml;rde davon ausgehen, dass junge Patientinnen deshalb besonders von einer station&auml;ren Rehabilitation profitieren k&ouml;nnten, jedoch zeigte eine Erhebung in Schweizer Rehakliniken, dass Brustkrebspatientinnen diese weniger oft in Anspruch nahmen als andere Krebspatienten.<sup>4</sup> Patientinnen mit Brustkrebs sind jedoch meist sehr motiviert, noch etwas zus&auml;tzlich zur antitumoralen Therapie zu tun. Auch sind bei jungen Patientinnen menopausale Symptome unter antihormoneller Therapie h&auml;ufig ausgepr&auml;gter.<sup>5</sup> J&uuml;ngere postmenopausale Patientinnen unter Letrozoltherapie zeigten zudem vermehrtes Interesse an Komplement&auml;rmedizin im Vergleich zu &auml;lteren postmenopausalen Patientinnen.<sup>6</sup></p> <h2>Komplement&auml;rmedizin</h2> <p>Brustkrebspatientinnen nutzen h&auml;ufig komplement&auml;rmedizinische Verfahren.<sup>7</sup> Es gibt zudem zunehmend Evidenz, dass insbesondere nicht medikament&ouml;se komplement&auml;rmedizinische Verfahren hilfreich sein k&ouml;nnen, um Symptome und Nebenwirkungen w&auml;hrend der antitumoralen Therapie zu reduzieren (Tab. 1).<sup>8, 9</sup> Nach der Leitlinie der Deutschen Arbeitsgemeinschaft f&uuml;r Gyn&auml;kologische Onkologie (AGO) f&uuml;r Mamma-Ca<sup>10</sup> sollte beispielsweise &laquo;Mindfulness-Based Stress Reduction&raquo; zur Verminderung von depressiven Symptomen und zur Verbesserung der Lebensqualit&auml;t empfohlen werden und Akupunktur bei chemotherapieinduzierter &Uuml;belkeit/Erbrechen sowie Fatigue. W&auml;hrend diese nicht medikament&ouml;sen Therapien eher generell empfohlen werden, &auml;ussern sich die Leitlinien der AGO<sup>10</sup> wie auch die Praxisleitlinien der Society for Integrative Oncology<sup>8</sup> ein wenig zur&uuml;ckhaltender zu den medikament&ouml;sen Verfahren der Komplement&auml;rmedizin. Ein Grund daf&uuml;r sind m&ouml;gliche Interaktionen z.B. mit der Chemotherapie.<br /> Ganz h&auml;ufig besteht bei den Patientinnen der Wunsch, selber etwas tun zu k&ouml;nnen, um die Therapie besser zu vertragen, aber auch der Wunsch, einen ges&uuml;nderen Lebensstil zu erlernen und umzusetzen. &Auml;ngstlichkeit, depressive Symptome und eine reduzierte Lebensqualit&auml;t kommen zu den Bed&uuml;rfnissen nach mehr Information, dem Austausch mit anderen Patientinnen, dem besseren Umgang mit der Erkrankung und den bestehenden Symptomen und Nebenwirkungen hinzu. Gerade f&uuml;r die junge Brustkrebspatientin ist es wichtig, Therapieempfehlungen und Angebote zu bekommen, die auf diese Bed&uuml;rfnisse abgestimmt sind und sich ggf. auch in den Alltag einer berufst&auml;tigen Mutter integrieren lassen. Ambulante Gruppenangebote, die eine Interaktion zwischen den betroffenen Frauen erm&ouml;glichen, k&ouml;nnten hilfreich sein.</p> <h2>&laquo;Mind Body Medicine&raquo;-Behandlung</h2> <p>In diesem Rahmen bieten sich Konzepte der &laquo;Mind Body Medicine&raquo; an. Mind Body Medicine ist ein innovatives, integratives Konzept, das den K&ouml;rper mit der Psyche verbindet und &laquo;self care&raquo; vermittelt. Durch multimodale Therapiekonzepte sollen Symptome reduziert und Selbstwirksamkeit gest&auml;rkt werden. Es werden moderne wissenschaftliche Erkenntnisse und bew&auml;hrte Methoden aus Komplement&auml;rmedizin, Psychologie und Ern&auml;hrungssowie Sportwissenschaften kombiniert.<sup>11</sup><br /> Das zugrunde liegende Konzept wurde Ende der 1960er-Jahre in den USA an der Harvard Medical School von Dr. Herbert Benson zur Behandlung von Symptomen wie chronischen Schmerzen entwickelt. Die Weiterentwicklung und Anpassung der Konzepte an die Bed&uuml;rfnisse onkologischer Patienten sowie die Integration naturheilkundlicher Elemente erfolgten in Deutschland durch Prof. Gustav Dobos und Dr. Anna Paul.<br /> Das salutogenetische Prinzip und die Ver&auml;nderung des Lebensstils spielen dabei eine wichtige Rolle: Neben psychologischen Aspekten und komplement&auml;rmedizinischen Selbsthilfemassnahmen (z.B. Akupressur oder Wickel) bilden Bewegung (u.a. Yoga und Qigong), Ern&auml;hrung und Entspannung die wesentlichen S&auml;ulen des Therapiekonzepts. Zudem wurden achtsamkeitsbasierte Aspekte nach dem von Jon Kabat-Zinn entwickelten Prinzip der &laquo;Mindfulness-Based Stress Reduction &raquo; (MBSR) vertieft integriert. Grundelemente der Mind Body Medicine k&ouml;nnen zudem sehr gut in ein komplement&auml;rmedizinisches &auml;rztliches Gespr&auml;ch integriert werden. In der Praxis haben sich jedoch insbesondere Gruppenangebote sehr bew&auml;hrt, da diese gerade das Bed&uuml;rfnis nach Interaktion mit anderen Patientinnen gut integrieren k&ouml;nnen. In der Schweiz wird seit 2014 die Mind Body Medicine f&uuml;r Krebspatienten am Universit&auml;tsspital Z&uuml;rich durch das Institut f&uuml;r komplement&auml;re und integrative Medizin angeboten. Daf&uuml;r wurden die in den USA und Deutschland entwickelten Konzepte an die spezielle Situation und die Bed&uuml;rfnisse Schweizer Patientinnen angepasst. Es ist geplant, das Angebot auch Patientinnen der Frauenklinik des Luzerner Kantonspitals zur Verf&uuml;gung zu stellen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Onko_1702_Weblinks_lo_onko1702_s21_abb1.jpg" alt="" width="2151" height="1230" /></p> <h2>Integration in das klinische Angebot</h2> <p>Integration komplement&auml;rmedizinischer Verfahren in die Versorgung von Brustkrebspatientinnen kann in unterschiedlichen Formen stattfinden. Zum Beispiel durch ein eigenes Institut, wie es am Universit&auml;tsspital Z&uuml;rich der Fall ist, wo die Patientinnen z.B. auch durch das Cancer Center Z&uuml;rich &uuml;ber das Angebot informiert werden.<sup>12</sup> Das interdisziplin&auml;re Brust-/Krebszentrum der Kliniken Essen Mitte in Deutschland kann als Vorreiter einer Integration gelten, wo das &laquo;Beste aus beiden Welten&raquo; direkt im Brustzentrum kombiniert wird. Ein entsprechendes Angebot macht seit 2016 auch das Brustzentrum der Frauenklinik des Luzerner Kantonsspitals in Kooperation mit dem Universit&auml;tsspital Z&uuml;rich.</p> <h2>Komplement&auml;rmedizinisches Behandlungskonzept am Fallbeispiel</h2> <p>An einem Fallbeispiel soll eine zus&auml;tzliche evidenzbasierte komplement&auml;rmedizinische Behandlung f&uuml;r eine junge Brustkrebspatientin erl&auml;utert werden.<br /> Eine 29-j&auml;hrige Patientin mit multifokalem duktalem und lobul&auml;rem Mammakarzinom links (pT1b [m] N1a [1/17] Mx G3 ER/PR 100 % HER2 negativ) kam nach der zweiten Chemotherapie in die komplement&auml;rmedizinische Sprechstunde. Die Patientin klagte &uuml;ber deutliche Fatigue (6&ndash;7 auf der numerischen Ratingskala von 0&ndash;10 [NRS]); sie litt nach beiden Zyklen der Chemotherapie unter starker &Uuml;belkeit und Erbrechen. Die Patientin ist Mutter von 2 Kindern (5 und 7 Jahre alt), hat gute soziale Unterst&uuml;tzung. Sie war vor der Erkrankung halbtags berufst&auml;tig. Sie kam mit dem Wunsch, Massnahmen zur Soforthilfe zu bekommen, die die &Uuml;belkeit und ihre Ersch&ouml;pfung reduzieren, wollte aber auch Unterst&uuml;tzung bei einer langfristigen Lebensstil&auml;nderung erhalten. Dabei war auch Stressmanagement ein wichtiges Thema f&uuml;r sie. Im &auml;rztlichen Erstgespr&auml;ch wurde die Patientin &uuml;ber die komplement&auml;rmedizinischen M&ouml;glichkeiten und Grenzen informiert und unter Ber&uuml;cksichtigung ihrer Werte und W&uuml;nsche sowie der klinischen Evidenz wurde ein Therapiekonzept zusammengestellt (Tab. 2). Dazu geh&ouml;rten direkt umsetzbare Massnahmen (Aufkl&auml;rung &uuml;ber den Umgang mit der Fatigue, Erlernen einer Achtsamkeitsmeditation, Akupunktur) wie auch eine 10-w&ouml;chige &laquo;Mind Body Medicine&raquo;- Gruppenbehandlung (1x pro Woche 3,5 Stunden) nach Beendigung des vierten Zyklus der Chemotherapie.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Onko_1702_Weblinks_lo_onko1702_s22_abb2.jpg" alt="" width="2151" height="957" /></p> <h2>Schlussfolgerung</h2> <p>Aus dem Bereich der Komplement&auml;rmedizin gibt es Angebote f&uuml;r junge Brustkrebspatientinnen, die sich gut mit der antitumoralen Therapie kombinieren lassen oder an diese anschliessen k&ouml;nnen. Sie sind evidenzbasiert und erf&uuml;llen die besonderen Bed&uuml;rfnisse dieser Patientinnen. Dabei stehen nicht medikament&ouml;se Verfahren, ggf. auch als Gruppenangebote, im Fokus.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Stinesen-Kollberg K et al: Worry about one&rsquo;s own children, psychological well-being, and interest in psychosocial intervention. Psychooncology 2013; 22(9): 2117-23 <strong>2</strong> Fiszer C et al: Prevalence, intensity, and predictors of the supportive care needs of women diagnosed with breast cancer: a systematic review. Psychooncology 2014; 23(4): 361-74 <strong>3</strong> Burris JL et al: A closer look at unmet needs at the end of primary treatment for breast cancer: a longitudinal pilot study. Behav Med 2015; 41(2): 69-76 <strong>4</strong> Ture M et al: Use of inpatient rehabilitation for cancer patients in Switzerland: who undergoes cancer rehabilitation? Swiss Medical Wkly 2015; 145: w14214 <strong>5</strong> Murthy V, Chamberlain RS: Menopausal symptoms in young survivors of breast cancer: a growing problem without an ideal solution. Cancer Control 2012; 19(4): 317-29 <strong>6</strong> Hack CC et al: Interest in integrative medicine among postmenopausal hormone receptor-positive breast cancer patients in the EvAluate-TM study. Integr Cancer Ther 2016; doi: 10.1177/1534735416668575 <strong>7</strong> Horneber M et al: How many cancer patients use complementary and alternative medicine: a systematic review and metaanalysis. Integr Cancer Ther 2012; 11(3): 187-203 <strong>8</strong> Greenlee H et al: Clinical practice guidelines on the use of integrative therapies as supportive care in patients treated for breast cancer. J Natl Cancer Inst Monogr 2014; 2014(50): 346-58 <strong>9</strong> Witt CM, Cardoso MJ: Complementary and integrative medicine for breast cancer patients - evidence based practical recommendations. Breast 2016; 28: 37-44 <strong>10</strong> AGO Breast Committee: Guidelines for diagnosis and treatment of patients with primary and metastatic breast cancer. http:// www.ago-online.de/. Accessed December 28, 2016 <strong>11</strong> Institut f&uuml;r komplement&auml;re und integrative Medizin: Mind Body Medicine &ndash; K&ouml;rper und Psyche st&auml;rken.http://www. iki.usz.ch/fachwissen/seiten/mind-body-medicine.aspx. Accessed December 28, 2016 <strong>12</strong> Cancer Center Z&uuml;rich: Komplement&auml;rmedizin. http://www.cancercenter.usz.ch/ unser_angebot/Seiten/default.aspx. Accessed December 21, 2016 <strong>13</strong> Gotink RA: Standardised mindfulness-based interventions in healthcare: an overview of systematic reviews and meta-analyses of RCTs. PloS One 2015; 10(4): e0124344 <strong>14</strong> Molassiotis A et al: Acupuncture for cancerrelated fatigue in patients with breast cancer: a pragmatic randomized controlled trial. J Clin Oncol 2012; 30(36): 4470-6 <strong>15</strong> Bower JE et al: Yoga for persistent fatigue in breast cancer survivors: a randomized controlled trial. Cancer 2012; 118(15): 3766-75 <strong>16</strong> World Cancer Research Fund: Report des World Cancer Research Fund (WCRF) &ndash; Empfehlungen zur Krebspr&auml;vention. https:// www.ernaehrungs-umschau.de/news/28-03-2008-reportdes- world-cancer-research-fund-wcrf-empfehlungen-zurkrebspraevention/. Accessed December 21, 2016 <strong>17</strong> Culos- Reed SN et al: A pilot study of yoga for breast cancer survivors: physical and psychological benefits. Psychooncology 2006; 15(10): 891-7 <strong>18</strong> Sadja J, Mills PJ: Effects of yoga interventions on fatigue in cancer patients and survivors: a systematic review of randomized controlled trials. Explore (NY) 2013; 9(4): 232-43 <strong>19</strong> Oh B et al: Effect of medical Qigong on cognitive function, quality of life, and a biomarker of inflammation in cancer patients: a randomized controlled trial. Supportive Care Cancer 2012; 20(6): 1235-42 <strong>20</strong> Oh B et al: Impact of medical Qigong on quality of life, fatigue, mood and inflammation in cancer patients: a randomized controlled trial. Ann Oncol 2010; 21(3): 608-14 <strong>21</strong> Yoo HJ et al: Efficacy of progressive muscle relaxation training and guided imagery in reducing chemotherapy side effects in patients with breast cancer and in improving their quality of life. Supportive Care Cancer 2005; 13(10): 826-33 <strong>22</strong> Zick SM et al: Investigation of 2 types of self-administered acupressure for persistent cancer-related fatigue in breast cancer survivors: a randomized clinical trial. JAMA Oncol 2016; 2(11): 1470-76</p> </div> </p>
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